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Zur Grinnerung an Alexander von Nennenkampff

Im Dokument Das Inland Eine Wochenschrift (Seite 153-156)

Hl. Die Wald- nnd Luftboten

I. Zur Grinnerung an Alexander von Nennenkampff

Auswärtige Blätter enthalten die Nachricht: „ A m 9.

April n. S t . starb in Oldenburg an Entkläftung in dem Alter von 7 t Jahren der Großherzoglichc Obcrkammerherr Alexander von N e n n e n kampff." Es ist dem Schreiber der vorliegenden Zeilen unbekannt, ob eines der T a g e -blätter in unfern Ostscevrovinzen dem verewigten Lands-mann eine würdige Gedächtnißtafcl vorbereitet, ra er aber seit fast vierzig Jahren aus der Heimath geschieden war und nunmehr fern von derselben sein Leben beschlossen hat, so wäre es nicht unmöglich, daß in der drangvollen Zeit fein Hinscheiden unerwähnt bliebe. Um dem zuvorzukommen, ergreift der Berichterstatter die Feder und sammelt über den edlen Todtcn die Notizen, die zu seiner Kcnntniß ge, langten. Alcrandcr von Ncnnenkampff ward im Januar 4783 zu Schloß Helmet geboren und erhielt seine erste Bildung «Heils in Riga, cheils in Berlin. Cr fungirte

eine Zeitlang als Assessor beim Pernauschen Landgerichte,

gab jedoch diese Anstellung-auf, studirte zu Göltingen und brachte hierauf mehrere Jahre auf Reisen in Deutschland, Frankreich und Italien zu. Nach Nußland zurückgekehrt trat er, nach einem Versuche sich im Lehrfach nützlich zu machen, 48l2 bei der allgemeinen Bewegung in Kriegs, dieustc, ward Rittmeister in der russisch-deutschen Legion und zugleich Adjutant des kommantirenden Generals Grafen von Wallmoden. Er mckchte den denkwürdigen Krieg mit und ward, nach Auflösung der Legion, als Major der Armee hinzugezählt, Adjutant beim Erbprinzen von Oldenburg, da-maligen Kriegsgouverncur von Neval. Hier verlebte er einige Jahre in angenehmen Verhältnissen und begleitete 1 8 l 6 , aus dem Kriegsdienst geschieden, den Prinzen, der 4829 seinem Vater als Großherzog succedirle, nach Oldenburg.

Er ließ sich dort ganz nieder, bekleidete successiv verschiedene

Hofchargen und genoß fortdauernd das Vertrauen und die besondere Gnade des Großherzogs. — Seine Schriften sind in v. Recke's und Naviersky's Schriftstellerlericon verzeichnet. Er schrieb leicht und mit Anmuch und seine

„Umrisse aus dem Skizzenbuche (Hannover 1827)" wurden den beliebten Werken ' Washington Irvings gleichgestellt.

I n später« Jahren gab cr jedoch die Beschäftigung mit historischen, artistischen und schönwissenschaftlichen Studien auf, widmete seine Zeit den Naturwissenschaften und stand mit vielem Oifer den dahingehörigcn Sammlungen des Groß-her;ogs vor. So fand ihn t834 der Berichterstatter zu Oldenburg, wo er ein nach seinen eigenen Angaben erbautes, reizendes Landhaus in einer freundlich gelegenen Vorstadt bewohnte. M i t dem Hofe und auch unabhängig zu feiner Erheiterung machte er vielfältige Reisen. Aus seinen Briefen erlaubt sich Ref. einige Stellen anzuführen, die ein unge-fähres Bild seines Lebens und liebenswüldigcn, edlen Charaners darlegen. Als cr nach der Vermähluttg der Prinzessin Amalie von Oldenburg mit dem Könige von Griechenland den Orden des Erlösers erhalten hatte und Ref. aus den Zeilungsberichten darüber die Gelegenheit

"griff, ihm dazu Glück zu wünschen, schrieb cr im Februar 1837 zur Antwort: „ Es ist wahrhaftig sehr liebenswür-dig von I h n e n , daß Sie sich unsrer nicht bloß erinnern, sondern sogar in dem unermeßlichen Gebiete der Quellen der Tagesgeschichlc unsere Spuren aufsuchen und von Ihrer stolzen Newa aus an unsrer demüthigen Hunte aufzusiu-den nicht verschmähen und uns fühlen lassen, daß Sie uns zu den Ihrigen zahlen. Wie^sehr mich daher I h r Brief-chen vom 22. Januar erfreut hat, brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen. „Der Mensch hat nichts so eigen, so wohl steht ihm nicht nichts a n , als daß er Lieb' erzeigen und Treue halten kann!" sagte Hofmanswaldau. D a ich je-doch an.diesem Theile Ihres Quellenstudiums mich als

eine Hauptperson brüste, insofern Sic an mich schreiben

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«nd ich wiederum Schreiber dieses bin, so bemerke ich nur, daß der daierisch-griechische Erlöser mich nicht stolz, vielmehr so verlegen gemacht h a t , daß Niemand ihn an mir zu sehen bekommt." — I m November 4838 schrieb er: .,Das Angenehmste auf unserer diesjährigen langen Neise war ohne Vergleich eine Zusammenkunft, die die Königin von Griechenland ihren Eltern in Bern gab.

Sie ist jetzt 20 Jahr alt, eine sehr schöne Frau. geistreich und alles was man wünschen kann; hat aber eine Partei«

lichkeit für ihr liebes Griechenland, das sie gegen Anderes im Vergleiche ungerecht macht. W i r sprachen von den mannigfaltigen bezaubernden Schönheiten der Schweiz;

ich fragte sie, ob das nicht ein schönes Königreich wäre?

« E i bewahre, hier ist ja schon Alles fertig, Nichts mehr zu thun, warum soll man sich das wünschen!" crwiederte sie. — Aus einem Brief vom Februar t846 theilt Nef.

hier eine längere Stelle mit, da Ncnnenkampff dann von feinen Lebensverhältnissen spricht und einer gvößcrn inter-essanten Neise gedenkt. „ Ich werde immer ärmer in dem Herbste des Lebens, im 64. Jahre, wie ein Vaum, der feine Vlältcr verliert. Vor t l Jahren starb meine Frau,' vor 2 Jahren meine unvergeßliche Mutter, zu gleicher Zeit meine zweite Tochter, Vraut eines der edelsten jungen Männer, Varon Orote, der fast liefsinnig darüber gewor, den ist. Ich denke, ich folge ihnen bald. Einstweilen lebe ich um so geselliger und häuslicher mit drei Töchtern und einem Sohne (Lieutenant im hiesigen Dienst) und einem Paar guter Freunde und geschndter lieber Nachbarinnen, die uns ihre Abende gönnen, Stunden, die, wie gewisse Herbstblumen, noch herrlicher duften, als die meisten Früh-lingsblüthen. Zu diesen Herbstblumen gehört aber auch eine unausgesetzte Thättgkeit im Naturalien-Cabinet, in den daran geknüpften Naturstudiei, und daraus Hervorgehender weitverbreiteter Korrespondenz mit dem größten Thcil E u , ropa's. Für körperliche Bewegung sorgt sehr gütig der Großherzog mit Villard nach der Tafel. S o ist für mein Wahl geistig und leiblich gesorgt, so wie ich für die ewige Glückseligkeit reichlich Belehrung aus unfern eonfessionellen Wirren zu schöpfen nicht ermangele. Ein lang gehegter Wunsch der Königin von Griechenland w a r , eine meiner Töchter, ihrer frühem Iugendgespielen, zur Hofdame zu haben! Entlich entschloß sich Elija dazu und ich brachte sie im October vorigen Jahres nach Athen, wo die wirklich unbegrenzte Licbc und Güle der Königin ihr ein Leben

bereitet, wie Elisa sich's nicht reizender denken könnte.

Auch ich bin während meines fünfwöchentlichen Aufenthalts in Athen und aufNcisen im Peloponncs mit meinem Freunde Prokesch von Osten ungemein eingenommen von Griechen-land, seinem seligen Himmel, seinen unzähligen Denkmalen vergangener Jahrhunderte und Jahrtausende. So groß nun auch im November und Deccmber der Unterschied des Clima's von Athen und Wien war, so groß ist hier in Oldenburg der vom vorigen Winter zum diesjährig gen. I n jenem hatten wir vom ! 8 . November bis t . April.fortwährend trockenen Frost, jetzt vom November an bis heute trockenes Wetter, Sonnenschein, l 4 ° Wärme im Schatten und bereits sind in diesem Lande der Sümpfe und Nebel alle Gärten bearbeitet und besorgt, auch die

Störche wieder hier. Ist denn da wohl überhaupt vom Clima zu sprechen?" — Die Wirrsale des Jahres t848 veranlaßten eine Unterbrechung in den brieflichen M i t t e i -lungen, daraus obige Auszüge gegeben worden sind, und der einmal abgerissene Faden ward nicht wieder angeknüpft.

Jetzt bringen Zeitungen die Nachricht, daß dies edle, für Liebe und Freundschaft warm fühlende Herz an der Entkräf-tung, die die Jahre herbeiführen, stille gestanden ist. Ein alter Freund des Verewigten widmet ihm dies Gcdächlniß-blatt, das auch in weitern Kreisen an ihn erinnern soll.

Vielleicht nimmt dann ein mehr Befähigter davon Veran-lassung, dem Abgeschiedenen eine ausführlichere, seiner wiio digc Gcdächtnißtafel zu errichten. V .

NI. D i e W a l d , u n d L u s t b o t e n . A u s d e r. ^l i p l ä n d i s ch c n S a g e n w e l t .

(Schluß.)

Den gutmülhigen Dürrleib rührten die kläglichen Re»

den des Holländers und er sagte: „ N u n , nun, nur getrost, mein Herr van der Peer, ich meine es nicht so schlimm.

Jetzt zwar bin ich nicht in der Verfassung, um aus eurem bequemen Lebensschlaftcck hinauszufahren, kann ich doch kaum auf den Füßen stehen, aber sobald ich.werde ausge-schlafen haben, versuche ich es. Habt nur noch ein klein Weilchen Geduld!" Dürrlcib ließ seinen, oder eigentlich van der Peers Kopf sacht gegen den Nucken des Lehnsessels zurücksinken und schlief sorglos ein. Als der Holländer ihn im festen Schlafe sah, stand er behutsam auf, durchsuchte die Taschen der eigenen Kleider, die sonderbarer Weise ihm gleichsam nicht mehr gehörten, fand darin ein von ihm vergeßenes Beutclchen mit Silbergeld, nahm es heraus und verwahrte es. Dann stellte er auch die Flaschen mit den, Weimesten darin sorgsam in ein Wandschränklein und verschloß es. Kurz er suchte aus dem Schiffbruch, den er litt, das Möglichste zu retten.

Während solcher Verrichtungen des Holländers hatte Dürrleib ausgeschlafen, schlug die Augen auf, merkte die Veränderungen im Zimmer und nahm auch wahr, daß ihm die Taschen ausgekehrt worden. Alsbald kam die frühere Necklust über ihn und er beschloß den Holländer für seinen ängstlichen Geist zu strafen. Er streckte und reckte sich gähnend in seinem Sessel und sagte: "Mvnhecr van der Peer, lhut was ihr wollt, aber ich bin viel zu müde, um heute mich aus- und anzukleiden. Das ist zu viel verlangt. Ich will in diesem bequemen Schlafrock, den mir der Zufall verliehn, heute zu Vctt gehn. Das könnt ihr mir schon gönnen, das wird euch nicht ruiniren.

Bedenkt, daß ich den weiten Weg nach Rotterdam so rasch auf einander zweimal gemacht habe und der Nuhe bedürf-tig b i n . "

„Ach, lieber Herr Dorlvf, flehte der Holländer, ver-schiebt doch nicht eine so notwendige Sache, aH die Rück-gabe meines Leibes. I h r könnt euch leicht denken, wie eng und unzulänglich mir der curige ist, ein so schöner, ebenmäßig ausgewachsener Leib er auch ist. Mich preßt es und zwickt es drin überall, auch kann ich keinen rechten

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Schritt machen; überall zu eng. Zudem fürchte ich, weil ich sogar nicht den gehörigen Raum darin habe, daß eure Haut irgendwo von dem innern Andrang platzt und da wäre es doch Schade um eure Haut, lieber Herr

van Dorlyf."

„Wird nicht platzen, wird nicht, entgegnete Dürrleib, eine gute livländische baut kann schon etwas vertragen!

Gute Nacht, Mvnhecr van der Peer, Morgen sprechen wir über unser Geschäft ein Mehreres." Er schritt aus der Stube in die Schlafkammer und riegelte hinter sich zu.

Van der Peer kam außer sich, wenn man diesen Aus-druck von ihm brauchen kann, denn die große Leidenschaft, in die er gcrieth, entstand gerade daraus, daß er sich nicht ganz bei sich und in sich befand. Unleidlich war ihm vollends der Gedanke, daß ein Anderer eine ganze Nacht in feinem Leibe zubringen sollte, und,da es noch früh am Tage war und Dürrlcib nur aus Scherz und Neckerei vom Schlafengehen sprach, so faßte van der Pccr in seiner Wuth den Entschluß, Dürrlrib auf gerichtlichem Wege zur sofortigen Auslieferung seines ihm so gewaltsam vor-enthaltenen Leibes zu zwingen. Es lebte dazumal ein berühmter Advocat in Narva, der in dem Rufe stand, auch die schwierigsten und verwickelten Streitsachen glücklich vor Gericht durchzuführen. Zu dem lief van der Peer, in Dürr-leibs Leib steckend, auf der Stelle hin.

Der Advocat, von Geburt ein Sachse, war ein grauer Practicus, der keine Sache von sich wies, sobald sie ihm einigermaßen verwickelt erschien. „ D i e Verwickelungen, sprach er, sind Goldfäden; man wickelt sie sich zu einem goldenen Knäuel." Als er jedoch in seiner Vorstellung den armen, abgeschabten Schlucker Dürrleib eintreten sah, halte er anfangs leine besondere Lust, sich mit ihm zu be-fassen; nachdem aber dieser Dürrleib sich für einen hollän-dischen Schiffshcrrn ausgab-, dabei fertig Niederdeutsch redete und von der Vorladung des van der Peer oder eines falschen Doppelgängers desselben, der eben der eigentliche Dürrleib sei, sprach, so schien die Sache dem Ndvocaten gleich hinlänglich verwickelt, um sich ihrer anzunehmen.

Der Client mußte vor Allem einiges Geld zu dem nötig-sten vorbereitenden Verfahren niederlegen und der gelehrte Nechtsfreund sprach ihm sodann rrmunlerd vor, wie das Gericht auf feinen Antrag unfehlbar auf die »otio lurti mamsesl»*) erkennen würde, was vierfache Strafe über den Dieb brächte, doch dem Kläger erschien das alles weit-läuftig und verzögernd. Er verlangte schnelle Zwangsmitlei auf der Stelle und so 'entschloß sich der Nechtsbeistand, ihn unverzüglich zum Bürgermeister zu begleiten, um dort einen Vcrhaftsbefehl gegen den wahren Dünleib und dessen so, fortige Hinausweisung aus dem widerrechtlich occupirten Leibe des van der Peer zu erwirken.

Der Bürgermeister, ein ernster und billigdcnlender Mann, hörte die Klage aufmerksam an. I h m waren die W a l d - und Luflboten, auch stillen Nenner genannt, aus den Erzählungen der Großmutter und seiner Amme und Wärterin wohlbekannt und obgleich während einer viel-jährigen Amlslhätigkeit ihm kein ähnlicher Nechtsfall

vor-*) Verfahren wegen offenbarln Diebstahl«.

294 gekommen war, so gehörte doch, nach seinem Dafürhalten, kein vorangehendes Urtheil einer Schöffenbank dazu, um auf gegenwärtige Klage sogleich einen Beschluß zu fassen, denn kein Recht schien, ihm fester gegründet, als der eines Jeden auf seinen eigenen Leib. D a außerdem der NeclMeistand versicherte, daß Gefahr im Verzüge sei, indem der wahre Dürrleib die fremde Gestalt böslicher Weise zu Tauschun-gen mißbrauche, so ließ der Bürgermeister den Nalhschreibcr rufen und trug ihm auf, ein Mandat ohne Klausel au»Zzu<

fertigen, das den Dürrlcib anwiese, den von ihm einge-nommenen fremden Leib sofort zu verlassen und in den eigenen zurückzukehren.

Während der Ausfertigung der Schrift kam der Naths, syndicus dazu. Dieser, ein seinem Jahrhundert weit vorge-schrittener Mann, verwarf sogleich in seinen Gedanken die Möglichkeit des erzählten Falls und fand den ganzen Han-del abgeschmackte Er nahm daher den Bürgermeister bei der Hand und führte ihn gcheimnißvoll in die Ocffnung eines Fensters. Hier fiehete er ihn a n , ja keine Ueberei-lung begehen, zu wollen. Es wäre doch, meinte er, gar zu gewagt und wider den natürlichen Lauf der Dinge, einen solchen Austausch der Leiber anzunehmen. Wie, fuhr er fort, wenn Dürrleib wirklich in Dürrleibs und van der Pccr in van der Peers Leibe steckte,' d. h. jeder in seinem eigenen und das ganze seltsame Vorgeben eines Austau-sches der Leiber wäre nur die Erfindung eines betrügeri-schen oder verwirrten Kopfes, so würde der Nach sich eine gar üble Nachrede zuzichn, wenn er anordnete, daß Je-mand a-^s seinem eigenen Leibe Hinausgetrieben werde!

Der Bürgermeister war schon gewohnt, dem Syndicus nachzugeben, und so ließ er sich auch jetzt den von dem-selben in dieser verwickelten Sache vorgeschlagenen Ausweg gefallen, 'nämlich Klägern und Beklagten anzudeuten, sich zu einem gutwilligen Vergleich zu vereinen. Indeß, da er schon auf die Hinausweisung des Dürrlcib aus dem frem-den und Einweisung in frem-den eigenen Leib erkannt hatte, so wollte er seinen Beschluß nicht ganz zurücknehmen und ließ nur die Klausel hinzufügen, cö solle zu keinen ZwanHs-maßrcgcln geschritten werden, bevor nicht der Versuch zu einem gütlichen Vergleich gemacht sei. „Vielleicht, sagte der Syndicus, kommen die Streitführenden übercin, wenn auch nicht Leider, so doch die Kleider sich gegenseitig wieder zuzustellen und somit den Sireit zu enden. Kleider machen Leute. Es ist dies zwar kein Nechtsgrundsatz, aber doch ein Ausspruch der Welterfahrung."

Der Nechtsbeistand eilte jetzt mit seinem Schützling in den Gasthof. Sie fanden Dürrlcib in dem großen Withszimmer sitzen und mit schnell gemachten Bekannten sorglos würfeln. Er stand jedoch von seinem Spiele auf und führte sie in das Zimmer, das er vor der Hand das seinige nannte. Als er durch das Vorhaus schreitend einen Rachsdiener erblickte und oben die breite Auseinandersetzung des Anwalts angehört hatte, rief er ungeduldig aus: „ O Himmel, ist dieser bleiche, schwammige holländische Lcich, nam, mit seinem breiten Knochengerippe, dem ich die Ehre anthue ihn zu beseelen, so vieler Mühe und so großen Lärmens werth l Ich liefere ihn gleich freiwillig aus. Ich will auch selbst nicht länger in einer ausländischen Haui

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stecken und für einen Holländer gelten. Was Hab' ich da, von? I m Grunde lebt es sich in einer guten livländischen Haut am allerbesten. Aber ehe ich weiche, muß ich meine schwer verdienten zehn Albertsthaler im Sacke haben."

V a n der Peer schaffte das Geld; Dürrleib steckte es in seine eigentliche Tasche, die noch an des Gegners Leibe war. Dann ließ er den Anwalt hinaustreten und verrichtete schnell die nöthigcn Reibungen und Handgriffe. Die Geister rissen sich aus den uneigentlichen Leibern und fuhren in die rechten. Damit war alles in Ordnung.

S o lange ungefähr die zehn durch die Luftfahrt ver-dienten Alberlsthaler vorhielten, sah man Dürrleib lustig in den verschiedenen Trinkstuben der Stadt zechen und hörte ihn zuweilen sagen: „Es ist einem nirgends so wohl, als daheim in seinem Haus und in seiner H a u t ! " Bald jedoch verließ er Narva und es hieß, daß er es aus Furcht gethan, indem der Spndicuö der Stadt ihm mit einer Anklage auf Zauberei und Betreibung unerlaubter magi-scher Künste, so wie mit dem Scheiterhaufen gedroht habe.

. H . P . . r.

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