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Zivilrechtliche Regelungen

1.4. Das Recht der medizinisch assistierten Fortpflanzung in Deutschland Der Gesetzgeber hat verschiedene Möglichkeiten, um mit gesellschaftlichen

1.4.3. Zivilrechtliche Regelungen

Zivilrechtliche Regelungen entscheiden darüber, wie sich die Fortpflanzung auf die Beziehungen der beteiligten Personen auswirkt. Wichtigster Punkt ist die Festlegung, wer von der Rechtsordnung als rechtlicher Vater oder rechtliche Mutter eines Kindes eingestuft wird. Aufgrund der neuen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin kann der hergebrachte Grundsatz, dass diejenigen einem Kind gegenüber die juristische Verantwortung übernehmen müssen, die es gemeinsam gezeugt haben125, nicht mehr uneingeschränkt angewendet werden. Die Anknüpfung an den Zeugungsakt scheitert bereits deswegen, weil es bei den meisten Methoden der medizinisch assistierten Fortpflanzung überhaupt keinen geschlechtlichen Zeugungsakt mehr gibt, an den angeknüpft werden könnte. Dieser Punkt birgt insbesondere bei der Zuordnung der rechtlichen Vaterschaft Probleme, die im Anschluss an die Darstellung der rechtlichen Mutterschaft näher behandelt werden.

Als Hauptanknüpfungspunkt für die Zuordnung der Mutter zu einem Kind wurde bis zur Einführung der Methoden der medizinisch assistierten Fortpflanzung in der ärztlichen Praxis unstreitig die Geburt angesehen, da die gebärende Frau automatisch die genetische und physiologische (= biologische) Mutter des Kindes sein musste. Aufgrund der durch die Reproduktionsmedizin neu geschaffenen Möglichkeiten ist jedoch der alte Grundsatz „mater semper certa est“ nicht mehr uneingeschränkt gültig. Es besteht nunmehr die Möglichkeit, dass eine Frau ein Kind austrägt, das nicht genetisch mit ihr verwandt ist (physiologische Mutterschaft). Wegen der lange Zeit unklaren familienrechtlichen Zuordnung der so entstandenen Kinder galt eine gespaltene Mutterschaft als problembelastet und war rechtlich unerwünscht. Letztlich wurde der Gesetzgeber durch die neuen technischen Möglichkeiten der Reproduktionsmedizin vor die Aufgabe gestellt, sich zu entscheiden, ob er für die Zuordnung der rechtlichen Mutter

124 Eine ausführliche Darstellung der Rechtsnatur des ärztlichen Standesrechts und seiner

Auswirkungen auf Patienten in Bezug auf die Regelungen zur medizinisch assistierten Fortpflanzung erfolgt im Abschnitt 3.4.

125 BERNAT, Erwin: Statusrechtliche Probleme im Gefolge medizinisch assistierter Zeugung, MedR 1986, S. 245-253 (246)

zu einem Kind an die physiologische oder an die genetische Mutterschaft oder an beide Formen der Mutterschaft anknüpfen wollte. Im Vorfeld einer gesetzlichen Regelung wurden alle diese Lösungen umfangreich diskutiert. Nach Coester-Waltjen sollte z.B. der Status der rechtlichen Mutter nach dem deutschen Familienrecht nicht der genetischen Mutter (von der die Eizelle stammt), sondern der physiologischen Mutter, d.h. der austragenden Frau zustehen.126 Selb schlug 1987 vor, den Status der Mutter bei

Aufspaltung von genetischer und physiologischer Mutterschaft beiden beteiligten Frauen zuzuerkennen, von denen aber nur eine das Sorgerecht inne haben sollte, das orientiert nach Kindeswohlaspekten vergeben wird.127 Mit der Änderung des deutschen

Familienrechts im Jahr 1997 („Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16.12.1997“128), die am 01.07.1998 in Kraft getreten ist, wurde diese Frage gesetzlich geklärt: Mutter ist nach § 1591 BGB allein die Frau, die das Kind geboren hat.129 Diese Regelung ist sowohl zum Zwecke der Rechtsklarheit (genetische Mutter ist im Gegensatz zur austragenden Frau nicht offensichtlich) als auch im Hinblick auf die Vermeidung der vom Gesetzgeber unerwünschten Leihmutterschaft getroffen worden.130 Der Vermeidung der Leihmutterschaft dient dabei der Umstand, dass die Wunscheltern gegenüber der austragenden Frau keinen Herausgabeanspruch geltend machen können, da allein diese die rechtliche Mutter des Kindes ist.131 Im Ergebnis läuft die vom Gesetzgeber favorisierte Regelung darauf hinaus, dass nur die Austragung des Kindes die Verwandtschaft begründet und gerade n i c h t seine genetische Abstammung. Die austragende Frau, die nach dem neuen Kindschaftsrecht zivilrechtlich die einzige Mutter ist, hat - ebenso wie das Kind - keine Möglichkeit, die Mutterschaft anzufechten.132 Die früher vorgeschlagene Lösung, das Kind könne ggf. versuchen, sein Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung durch Feststellungsklage nach § 256 ZPO geltend zu machen, wird in der

126 COESTER-WALTJEN: Die künstliche Befruchtung beim Menschen - Zulässigkeit und zivilrechtliche Folgen, Gutachten B für den 56. deutschen Juristentag, 1986, S. 111-112

127 SELB, Walter: Rechtsordnung und künstliche Reproduktion des Menschen; 1987, S. 76-81

128 BGBl I S. 2942

129 hierzu ausführlich: WANITZEK, Ulrike: Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S. 27-32, 200-246; GAUL, Hans Friedhelm: „Die Neuregelung des

Abstammungsrechts durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz“, in: SCHWAB, Dieter (Hg.): Das neue Familienrecht - Systematische Darstellung zum KindRG, KindUG, EheschlRG und ErbGleichG, 1998, S.

114-120

130 GAUL, Hans Friedhelm: „Die Neuregelung des Abstammungsrechts durch das

Kindschaftsrechtsreformgesetz“, in: SCHWAB, Dieter (Hg.): Das neue Familienrecht - Systematische Darstellung zum KindRG, KindUG, EheschlRG und ErbGleichG, 1998, S. 116

131 SCHIMKE, Hans-Jürgen: Das neue Kindschaftsrecht; 1998, S. 22

132 GAUL, Hans Friedhelm: „Die Neuregelung des Abstammungsrechts durch das

Kindschaftsrechtsreformgesetz“, in: SCHWAB, Dieter (Hg.): Das neue Familienrecht - Systematische Darstellung zum KindRG, KindUG, EheschlRG und ErbGleichG, 1998, S. 117

neueren Literatur abgelehnt.133 Wie das Kind ggf. sein Recht auf Kenntnis der eigenen (genetischen) Abstammung durchsetzen könnte, ist unklar. Es ist allerdings zu vermuten, dass zu dieser Frage irgendwann eine Entscheidung des BVerfG ergehen wird, die es für verfassungswidrig erklärt, wenn dem Kind keinerlei Möglichkeit auf Feststellung seiner genetischen Abstammung mütterlicherseits durch den Staat eingeräumt wird.

Wenn es in der Zukunft möglich sein sollte, Kinder nach extrakorporaler Zeugung ganz ohne eine physiologische Mutter mittels einer künstlichen Gebärmutter134 auszutragen, so entfällt die Geburt als Zuordnungskriterium der rechtlichen Mutterschaft. In diesem derzeit noch theoretischen Fall bliebe als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Zuordnung des Kindes allein die genetische Mutterschaft, ein solcher Anknüpfungspunkt ist aber derzeit rechtlich nicht geregelt.135

Traditioneller Anknüpfungspunkt für die Zuordnung des Vaters eines Kindes ist der Familienstand der rechtlichen Mutter. Ist sie zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet, so wird gesetzlich vermutet, dass ihr Ehemann Vater des von ihr zur Welt gebrachten Kindes ist (§ 1592 Nr. 1 BGB). Ist der Ehemann der rechtlichen Mutter zum Zeitpunkt der Geburt bereits verstorben, so gilt er rechtlich als Vater eines bis zum dreihundertsten Tag nach seinem Tod (unter besonderen Umständen sogar noch später) geborenen Kindes (§

1593 S. 1 und 2 BGB). Hat die Mutter wieder geheiratet, gelten speziellere Regelungen (§ 1593 S. 3 und 4 BGB). Ist die Mutter nicht verheiratet, so ist das Kind zunächst vaterlos, bis die Vaterschaft anerkannt (§§ 1592 Nr. 2, 1594 ff. BGB) oder gerichtlich festgestellt wurde (§ 1600 d BGB).136 Wegen dieser Regelungen ist die genetische Abstammung auch bei der Zuordnung der rechtlichen Vaterschaft nicht das alleinige oder vorrangige Begründungsmerkmal. Es ist in der Rechtsprechung des BVerfG anerkannt, dass der Gesetzgeber bei der Regelung der Frage, wer als gesetzlicher Vater eines Kindes eingestuft werden soll, neben der biologischen Abstammung auch rechtlichen oder sozialen Tatsachen (z.B. der Ehe mit der Mutter oder der Anerkennung der

133 WANITZEK, Ulrike: Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S.

421; GAUL, Hans Friedhelm: „Die Neuregelung des Abstammungsrechts durch das

Kindschaftsrechtsreformgesetz“, in: SCHWAB, Dieter (Hg.): Das neue Familienrecht - Systematische Darstellung zum KindRG, KindUG, EheschlRG und ErbGleichG, 1998, S. 119; STRÄTZ, Hans-Wolfgang: Familienrechtliche Folgen der Reproduktionsmedizin in Deutschland, in: LORENZ, Dieter (Hg.): Rechtliche und ethische Fragen der Reproduktionsmedizin, 2003, S. 164-172 (168-169)

134 vgl. zu den strafrechtlichen Problemen bei Austragung eines Kindes in einer künstlichen Gebärmutter: HILGENDORF, Eric: Ektogenese und Strafrecht, MedR 1994, S. 429-432

135 COESTER-WALTJEN: Die künstliche Befruchtung beim Menschen - Zulässigkeit und zivilrechtliche Folgen, Gutachten B für den 56. deutschen Juristentag, 1986, S. 117-118

136 hierzu ausführlich: WANITZEK, Ulrike: Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S. 32-135, 246-356; GAUL, Hans Friedhelm: „Die Neuregelung des

Abstammungsrechts durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz“, in: SCHWAB, Dieter (Hg.): Das neue Familienrecht - Systematische Darstellung zum KindRG, KindUG, EheschlRG und ErbGleichG, 1998, S.

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Vaterschaft) Bedeutung beimessen darf.137 Rechtliche Elternschaft ist deshalb auch beim Vater nicht mit genetischer Elternschaft gleichzusetzen. Dies wird anhand folgender Punkte deutlich: Das Abstammungsrecht verwendet keinen tatsächlichen, sondern einen rechtlichen Elternbegriff. Dabei wird der sozialen Beziehung zwischen Eltern und Kind in einigen Punkten der Vorrang vor der genetischen Beziehung zwischen Eltern und Kind eingeräumt (z.B. bei der Vermutung der Ehelichkeit eines Kindes, bei der Vaterschaftsanerkennung, bei der bewussten Nicht-Anfechtung einer Vaterschaft). Neben der genetischen Abstammung ist ein vom Gesetz anerkannter Anknüpfungspunkt der rechtlichen Elternschaft auch der Wille zur Elternschaft. Hinter der Berücksichtigung des

„Willens zur Elternschaft“ durch den Gesetzgeber steht die Vorstellung, dass sich die rechtliche Elternschaft in der sozialen Elternschaft widerspiegeln soll. Besteht wegen des Vorhandenseins eines Willens zur Elternschaft Aussicht hierauf, so soll diese Chance wahrgenommen werden können.138 Die Erfüllung rechtlicher Elternschaft ist in der sozial gelebten Elternschaft zu sehen.139

Zusätzlich zur Anknüpfung an die genetische oder soziale Elternschaft könnte auch der geschlechtliche Zeugungsakt als Anknüpfungsmöglichkeit für die Zuordnung der rechtlichen Vaterschaft herangezogen werden. Eine Entscheidung, die sich mit der Frage des fehlenden Zeugungsaktes auseinandersetzt, einem Problem das heute im Zusammenhang mit der Zuordnung des Kindsvaters bei der medizinisch assistierten Fortpflanzung diskutiert wird, wurde bereits 1908 vom Reichsgericht gefällt. Es ging um die familienrechtliche Frage, ob ein Mann, der mit einer Frau keinen Geschlechtsverkehr hatte, sondern dessen Samen von der Frau ohne seine Zustimmung verwendet wurde, als Vater des Kindes, mit allen unterhaltsrechtlichen Konsequenzen, einzustufen war. Das RG hat diese Frage allerdings nur aufgeworfen und nicht beantwortet.140 Hierzu wird in der Urteilsbegründung des RG folgendes ausgeführt:

„Nach der im Berufungsurteil getroffenen Feststellung liegt der Fall vor, daß der die Ehelichkeit anfechtende Kläger (und Revisionskläger) seiner Ehefrau, von der das Kind geboren ist, während der Empfängniszeit nicht beigewohnt hat, auch keinerlei Versuche der Beiwohnung gemacht hat.

Die Empfängnis soll danach bewirkt sein, daß die Mutter des beklagten Kindes, nachdem der Kläger sein Bett verlassen hatte, den während der Nacht in das Bettuch ergossenen Samen des Klägers mittels einer Kerze aufgesammelt und in die Scheide eingeführt hat. Daß das kein Fall der Beiwohnung im Sinne des § 1591 ist, bedarf keiner Ausführung...“ [...] „Es kann schließlich noch die Frage aufgeworfen werden, ob es rechtlich möglich ist, durch künstliche Befruchtung eine Vaterschaft desjenigen zu begründen, gegen oder ohne dessen Willen der Samen zur Herbeiführung der Empfängnis benutzt wird.“141

137 Beschluss des BVerfG vom 07.03.1995, 1 BvR 790/91 und 540, 866/92, BVerfGE 92, 158-190 (178)

138 WANITZEK, Ulrike: Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S.

180-181, 357

139 WANITZEK, Ulrike: Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S.

358

140 Urteil des RG vom 04.06.1908, 443/07 IV., JW 1908, S. 485-486

141 Urteil des RG vom 04.06.1908, 443/07 IV., JW 1908, S. 485-486

Das RG hat im Anschluss an diese Erörterungen die Angelegenheit zur Prüfung des von der Ehefrau (Klägerin) vorgetragenen Sachverhaltes „und dessen rechtlicher Bedeutung“

an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Grundrechtsrelevante Aussagen zur Fortpflanzung sind in dieser familienrechtlichen Entscheidung nicht enthalten.

Von der derzeit h.M. wird die Beiwohnung des Mannes nicht als konstitutives Element der Vaterschaft angesehen. Die Beiwohnung ist nämlich lediglich das übliche, aber nicht das einzige Mittel, eine Schwangerschaft herbeizuführen.142 Daneben kommt z.B. auch eine einverständlich durch die Geschlechtspartner oder durch einen der Geschlechtspartner143 selbst durchgeführte Insemination in Frage. Allerdings hat der

Gesetzgeber seit 30.04.2004144 die Beiwohnung in Bezug auf das Anfechtungsrecht des genetischen, aber nicht rechtlichen Vaters als entscheidend eingestuft (§ 1600 Abs.

1 Nr. 2 BGB). Dieses Recht ist nur bei erfolgter Beiwohnung während der Empfängniszeit eines Kindes gegeben, daher hat der Samenspender bei medizinischer Insemination kein Anfechtungsrecht. Damit ist zumindest insoweit der Zeugungsakt indirekt ein konstitutives Element der rechtlichen Vaterschaft geworden. Bei einer Zeugung im Wege des Geschlechtsverkehrs ist im übrigen der Zeugungswille von Mann und Frau unbeachtlich, da die Zeugung einen Realakt darstellt, der vom Willen der Beteiligten unabhängig ist.145 Z.B. ist die Frau statusrechtlich auch dann die Mutter eines Kindes, wenn dieses gegen ihren Willen durch eine Vergewaltigung gezeugt wurde.146

Die Zuordnung des rechtlichen Vaters zu einem Kind kann durch Anfechtung verändert werden, wenn der rechtliche Vater nicht der genetische Vater ist. Eine solche Anfechtung regeln im Familienrecht die §§ 1599 ff. BGB. Gemäß § 1600 Abs. 1 BGB sind folgende Personen anfechtungsberechtigt:

1. der rechtliche Vater des Kindes (mit Ausnahme eines rechtlichen Vaters, dessen Vaterschaft nach § 1592 Nr. 3 BGB durch gerichtliche Feststellung entstanden ist), 2. der Mann, der an Eides Statt versichert, der Mutter des Kindes während der

Empfängniszeit beigewohnt zu haben, soweit zwischen Kind und rechtlichem Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht (§ 1600 Abs. 2 BGB),

3. die Kindesmutter 4. und das Kind selbst

142 BERNAT, Erwin: Statusrechtliche Probleme im Gefolge medizinisch assistierter Zeugung, MedR 1986, S. 245-253 (246)

143 Ein solcher Fall lag bereits dem Urteil des RG v. 04.06.1908, 443/07 IV., JW 1908, S. 485-486 zugrunde, bei dem die Frau behauptet hatte, bei sich eine Insemination mit dem Sperma ihres Ehemannes vorgenommen zu haben, ohne dass dessen Zustimmung vorlag.

144 Gesetz v. 23.04.2004 (BGBl. I 598)

145 BERNAT, Erwin: Statusrechtliche Probleme im Gefolge medizinisch assistierter Zeugung, MedR 1986, S. 245-253 (248)

146 BERNAT, Erwin: Statusrechtliche Probleme im Gefolge medizinisch assistierter Zeugung, MedR 1986, S. 245-253 (246)

Das Anfechtungsrecht des rechtlichen Vaters ist allerdings ausgeschlossen, wenn er einer heterologen Insemination zugestimmt hat (§ 1600 Abs. 4 BGB). Hat das Kind, aus welchen Gründen auch immer, keinen rechtlichen Vater (z.B. weil die Mutter nicht verheiratet ist), so kann auch der Samenspender rechtlicher Vater des Kindes werden, indem er die Vaterschaft anerkennt (§ 1592 Nr. 3 BGB). Der Samenspender hat bei heterologer medizinisch assistierter Fortpflanzung kein Anfechtungsrecht, wenn er der rechtliche Vater eines mit seinen Samenzellen gezeugten Kindes geworden ist, da er auch der genetische Vater des Kindes ist. Ist der Samenspender nicht der rechtliche Vater, aber - aus welchen Gründen auch immer - plötzlich daran interessiert, die rechtliche Vaterschaft für ein mit seinen Keimzellen gezeugtes Kind zu erlangen, so kann er die bestehende rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes nicht anfechten, da ihm kein Anfechtungsrecht zusteht (§ 1600 Abs. 1 BGB). Die Anfechtungsfrist nach § 1600b BGB beträgt zwei Jahre, sie beginnt ab Kenntnis der anfechtungsberechtigten Person vom Anfechtungsgrund (Nichtbestehen einer genetischen Vaterschaft des rechtlichen Vaters), frühestens mit der Geburt. Die Möglichkeit der Anfechtung einer rechtlichen Vaterschaft bestand früher für den rechtlichen Vater und die Kindesmutter selbst dann, wenn beide einer heterologen Insemination vorab ausdrücklich zugestimmt hatten. Bei einverständlicher heterologer Insemination war deshalb bis zum 2. Lebensjahr des Kindes eine Anfechtung der Vaterschaft möglich. Diese Regelung des Anfechtungsrechts für eine Situation, in welcher der Wunschvater vor Zeugung eines Kindes der heterologen Befruchtung zugestimmt hatte und dabei im Einvernehmen mit seiner Geschlechtspartnerin handelte, war von Anfang an umstritten. Zahlreiche Stimmen in der Literatur vertreten die Ansicht, dass er nach Zustimmung zur heterologen Zeugung nicht mehr berechtigt sein sollte, die Vaterschaft anzufechten.147 Dies wird damit begründet, dass er (im Gegensatz zu einem von seiner Frau betrogenen Mann) nicht schutzwürdig sei und diese Anfechtung in der Regel aus Gründen vornehmen werde, die von der Rechtsordnung missbilligt würden, z.B. weil die Ehe zerbricht oder der Mann sich einer anderen Frau zuwendet. Hinzu kommt, dass dem Wunschvater bei heterologer Zeugung de facto von der Rechtsordnung ein „Abstoßungsrecht“ gegenüber dem Kind zugebilligt wurde, da das Anfechtungsrecht z.B. auch ausgeübt werden konnte, wenn die Beziehung mit der Mutter scheiterte oder das Kind nicht seinen Erwartungen genügte. Der Gesetzgeber hat auf die in der Praxis mit dieser Regelung aufgetretenen Probleme148

147 MÜHLENS, Elisabeth/KIRCHMEIER, Karl-Heinz/GREßMANN, Michael/KNITTEL, Bernhard:

Kindschaftsrecht - Kommentierende Darstellung der Familienrechtsreform; 1998, S. 140; SCHIMKE, Hans-Jürgen: Das neue Kindschaftsrecht; 1998, S. 22-23; BERNAT, Erwin: Statusrechtliche Probleme im Gefolge medizinisch assistierter Zeugung, MedR 1986, S. 245-253 (248); GAUL, Hans Friedhelm:

„Die Neuregelung des Abstammungsrechts durch das Kindschaftsrechtsreformgesetz“, in: SCHWAB, Dieter (Hg.): Das neue Familienrecht - Systematische Darstellung zum KindRG, KindUG, EheschlRG und ErbGleichG, 1998, S. 120-122

148 Z.B. Beschluss des OLG Celle v. 20.02.2001, 15 WF 38/01; NJW 2001, S. 3419-3420, wo über einen Fall entschieden wurde, in dem die Mutter eines durch anonyme Samenspende im Ausland (Dänemark) heterolog gezeugten Kindes nach Trennung vom Ehemann dessen Vaterschaft gegen seinen Willen angefochten hat. Die Anfechtung der Vaterschaft war zulässig, das Kind wurde hierdurch vaterlos, da der Samenspender nicht bekannt war.

und die geäußerte Kritik reagiert und mit Wirkung vom 12.04.2002 folgende Regelung in das BGB eingefügt (damals als § 1600 Abs. 2 BGB, mit Wirkung vom 30.04.2004 wurde diese Vorschrift in § 1600 Abs. 4 BGB verschoben149):

„(2) Ist das Kind mit Einwilligung des Mannes und der Mutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden, so ist die Anfechtung der Vaterschaft durch den Mann oder die Mutter ausgeschlossen.“150

Da bei den meisten Methoden der medizinisch assistierten Fortpflanzung der physiologische Anteil des Wunschvaters an der Entstehung des Kindes wegfällt, ist gesetzlich festgelegter Anknüpfungspunkt für die Vaterschaft hier - statt der Zeugung in einem Geschlechtsakt - seine Zustimmung zur Befruchtung der Eizelle mit seinen Samenzellen. Das Erfordernis der Zustimmung ist auch in den Bestimmungen des ärztlichen Standesrechts festgeschrieben. Eine solche Zustimmung ist bis zur Entstehung eines Kindes frei widerruflich. Mit der Regelung in § 1600 Abs. 4 BGB ist allerdings nicht das Anfechtungsrecht des Kindes ausgeschlossen worden, das die Frage seines genetischen Vaters immer noch gerichtlich klären und insoweit den gesetzlichen Vater, der der heterologen Insemination zugestimmt hat, von der gesetzlichen Vaterschaft ausschließen kann.

Die vom BGB getroffene rechtliche Zuordnung eines Kindes zu seiner Mutter und seinem Vater ist zwingendes Recht, sie kann nicht durch vertragliche Vereinbarungen verändert werden. Entsprechende Klauseln in Verträgen wären nichtig. Das deutsche Familienrecht findet auch in Fällen Anwendung, in denen das Kind unter Verstoß gegen das ESchG in Deutschland oder im Ausland gezeugt worden ist.

Bei Betrachtung der seit 01.07.1998 geltenden zivilrechtlichen Regelung fällt auf, dass beim Vater im Regelfall auf die genetische Abstammung des Kindes abgestellt wird (Abstammungsprinzip), bei der Mutter dagegen allein auf die physiologische Herkunft des Kindes, seine genetische Herkunft mütterlicherseits ist unerheblich (Geburtsprinzip).

Diese Anknüpfung an unterschiedliche Aspekte der Elternschaft (physiologische Elternschaft bei der Frau, genetische Elternschaft beim Mann) zeigt, dass der Gesetzgeber die genetische Abstammung eines Kindes als Hauptkriterium für dessen Zuordnung zu einer Elternperson (Mutter) bewusst aufgegeben hat. Dies markiert einen Wertungsumschwung beim Gesetzgeber, denn ein Grundprinzip des Familienrechtes, die rechtliche Verwandtschaft aufgrund blutsmäßiger (= genetischer) Abstammung voneinander (§ 1589 BGB), ist bei einem Elternteil nunmehr rechtlich völlig unerheblich.151

149 Gesetz vom 23.04.2004 (BGBl. I S. 598)

150 Art. 1 KindRVerbG v. 09.04.2002, BGBl. I S. 1239

151 GAUL, Hans Friedhelm: „Die Neuregelung des Abstammungsrechts durch das

Kindschaftsrechtsreformgesetz“, in: SCHWAB, Dieter (Hg.): Das neue Familienrecht - Systematische Darstellung zum KindRG, KindUG, EheschlRG und ErbGleichG, 1998, S. 122

Damit kann die genetische Abstammung endgültig nicht mehr als allein entscheidendes Kriterium für die rechtliche Zuordnung eines Kindes angesehen werden.

Neben den geschilderten Regelungen des BGB enthält auch das Adoptionsvermittlungsgesetz Vorschriften, die sich auf einen Teilbereich der medizinisch assistierten Fortpflanzung auswirken, nämlich die Ersatzmutterschaft. In das Adoptionsvermittlungsgesetz wurden durch Änderungsgesetz vom 27.11.1989152 Verbote bezüglich der Ersatzmuttervermittlung sowie bezüglich der Suche von Ersatzmüttern und Bestelleltern mittels Zeitungsanzeigen aufgenommen (§§ 13, 13b, 13c, 13d AdoptionsvermittlungsG), die Zuwiderhandlung ist mit Strafe oder Bußgeld bedroht (§§ 14, 14b AdoptionsvermittlungsG)153.

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