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Haben Personen ohne gegengeschlechtlichen

Fallgruppe 3: Der Wunschvater pflanzt sich bei der Inanspruchnahme einer Leih- oder Tragemutter (Fallgruppe 1 oder 2) nur genetisch und nicht physiologisch fort, wenn die

2.3.2.1.7. Haben Personen ohne gegengeschlechtlichen

fortpflanzungswilligen Partner/Partnerin ein Recht auf Fortpflanzung?

Als nächster Punkt ist die Frage zu klären ob der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auch Personen umfasst, die sich „allein“ (d.h. ohne einen gegengeschlechtlichen fortpflanzungswilligen Partner/Partnerin) fortpflanzen möchten.

Diese Frage ist unter Grundrechtsgesichtspunkten in der Rechtsprechung nicht behandelt worden, in der Literatur finden sich nur vereinzelt allgemeine Stellungnahmen.

Starck vertritt die Position, dass selbst der Kinderwunsch einer unverheirateten Frau, die steril ist oder sexuellen Kontakt mit einem Mann ablehnt, noch unter den Schutz auf freie Entfaltung der Persönlichkeit falle. Es könne ihr nicht entgegengehalten werden, dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit nur im Rahmen der natürlichen Gegebenheiten gewährleistet sei.605

Es trifft zu, dass eine Beschränkung der Fortpflanzung auf „natürliche“ Gegebenheiten nicht zulässig wäre (vgl. Abschnitt 2.2.2.). Dies rechtfertigt allerdings noch nicht die Zuordnung der Inanspruchnahme von Methoden der medizinisch assistierten Fortpflanzung durch Einzelpersonen zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Vielmehr ist darauf abzustellen, ob eine alleinstehende Frau ihr Grundrecht auf Fortpflanzung grundsätzlich wahrnehmen kann. Hier bietet sich der Vergleich mit dem Grundrecht der von Art. 6 Abs. 1, 1. Alt. GG geschützten Eheschließungsfreiheit an, die auch nur wahrgenommen werden kann, wenn man einen heiratswilligen gegengeschlechtlichen Partner oder eine heiratswillige gegengeschlechtliche Partnerin hat. Hat man einen solchen Partner oder eine solche Partnerin nicht, so kann man sein Grundrecht auf Eheschließungsfreiheit nicht ausüben.

Ähnlich liegt der Sachverhalt bei der Fortpflanzung. Es ist ein Grundaspekt des biologischen Fortpflanzungsvorganges und Teil seiner Begriffsdefinition, dass dazu Keimzellen von zwei Personen verschiedenen Geschlechts benötigt werden. Auch bei der Fortpflanzung hängt - wie bei der Eheschließung - die Ausübung des Grundrechts davon ab, dass eine gegengeschlechtliche Person zur Verfügung steht, deren Willen auf die gemeinsame Wahrnehmung eines allein nicht wahrnehmbaren Grundrechts gerichtet ist. Dementsprechend hat z.B. eine Frau, der kein fortpflanzungswilliger Partner zur Verfügung steht, zwar grundsätzlich ein Grundrecht auf Fortpflanzung (Schutz der Willenskomponente), sie kann dies aber aus tatsächlichen Gründen (Handlungskomponente) nicht ausüben. Wer sich „alleine“ fortpflanzen will, versucht etwas Unmögliches zu tun. Daher beruht die Unfähigkeit zur Fortpflanzung in diesem Fall nicht auf einem staatlichen Eingriff, sondern auf dem Fehlen einer tatsächlichen Voraussetzung der Fortpflanzung.

605 STARCK, Christian: Die künstliche Befruchtung beim Menschen - Zulässigkeit und zivilrechtliche Folgen, Gutachten A für den 56. Deutschen Juristentag, 1986, S. 28

Diese Feststellungen gelten auch dann, wenn die Frau auf die Inanspruchnahme von Methoden der medizinisch assistierten Fortpflanzung angewiesen ist. Der einzige Unterschied der medizinisch assistierten Fortpflanzung gegenüber der normalen Fortpflanzung liegt darin, dass die äußeren Umstände des Zeugungsaktes modifiziert werden. An dem Grundsatz, dass menschliche Fortpflanzung begrifflich nur dann vorliegt, wenn daran ein gegengeschlechtlicher fortpflanzungswilliger Partner606 beteiligt ist (vgl.

Teil 1, Abschnitt 1.1.1.), hat sich aber auch nach Einführung von Methoden der medizinisch assistierten Fortpflanzung nichts geändert. Zur Entstehung eines neuen Menschen (Embryo) sind auch bei medizinisch assistierter Fortpflanzung eine Ei- und eine Spermazelle erforderlich. Verknüpft man diese Feststellung mit der sachenrechtlichen Einstufung von Keimzellen (Ei- und Samenzellen) als nicht verkehrsfähiges, persönlichkeitsrechtlich überlagertes Sacheigentum (vgl. zu den Details Abschnitt 3.3.), so stellt man fest, dass eine Fortpflanzung zwischen Personen mit genetischer Elternfunktion nur im rechtsfreien Raum, aber nicht als Rechtsgeschäft durchgeführt werden kann. Wenn man Ei- und Samenzellen nicht kaufen kann, benötigt man immer eine Person, die sich für einen genau bestimmten Einzelfall der Fortpflanzung zur Verfügung stellt und der Entstehung eines Kindes mit den dazugehörigen rechtlichen Verpflichtungen zustimmt. Wie sich aus der Rechtsprechung des BGH607 ergibt (vgl. Teil 2, Abschnitt 2.3.2.1.4.), ist diese Zustimmung bis zum Zeitpunkt der Zeugung eines Kindes frei widerrufbar. Alleine kann man sich daher auch nicht mit medizinisch assistierter Fortpflanzung fortpflanzen. Möglicherweise ist es irgendwann technisch möglich, einen neuen Menschen ohne Beteiligung einer gegengeschlechtlichen Person durch Klonung zum Entstehen zu bringen, dies ist aber schon begrifflich keine Fortpflanzung.

Tatsächlich wollen Personen, die behaupten, sich “allein” oder in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft fortpflanzen zu wollen, sich mit einer gegengeschlechtlichen (anonymen) Person genetisch fortpflanzen. Ihre Motivation ist im Unterschied zu Wunscheltern bei homologer Fortpflanzung auf eine Modifikation der auf die Fortpflanzung folgenden sozialen und rechtlichen Elternschaft gerichtet. Zum Beispiel soll der genetische Vater nicht der soziale Vater des Kindes werden oder die genetische und physiologische Mutter soll nicht die soziale Mutter des Kindes werden. Unabhängig von der geplanten Gestaltung der sozialen und rechtlichen Elternschaft ist aber in Bezug auf die Tätigkeit Fortpflanzung eine fortpflanzungswillige gegengeschlechtliche Person erforderlich. Jedoch soll diese gegengeschlechtliche Person nach dem Willen der Wunschelternperson von vornherein von der sozialen Elternschaft ausgeschlossen werden. Ein Anspruch aufgrund des Schutzbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann daher lediglich in Bezug auf die Frage geprüft werden, ob die Suche nach einer gegengeschlechtlichen fortpflanzungswilligen Person oder deren

606 Dieser Begriff ist weit zu verstehen und umfasst auch noch einen anonymen Samenspender.

607 BGH, Urteil v. 03.05.1995, XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297 ff. (307)

Inanspruchnahme jenseits einer Geschlechtsgemeinschaft unter Ausschluss sozialer Elternschaft Grundrechtsschutz genießt.

Es ist aufgrund der Ausgestaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen der Fortpflanzung als Teil der Intim- oder Privatsphäre und aufgrund ihrer Einstufung als Entscheidung der persönlichen Lebensplanung auch als persönliche Angelegenheit des Individuums anzusehen, zum Zweck der Fortpflanzung einen gegengeschlechtlichen fortpflanzungswilligen Partner/Partnerin zu suchen und zu finden. Eine solche, nicht im intimen Lebensbereich stattfindende Suche und Inanspruchnahme einer fortpflanzungswilligen, gegengeschlechtlichen Person (z.B. über Zeitungsanzeigen oder Internet) findet, soweit überhaupt noch der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und nicht nur der allgemeinen Handlungsfreiheit vorliegt, im Öffentlichkeitsbereich statt. Für diese Arbeit wird die Auffassung vertreten, dass die Suche und Inanspruchnahme eines gegengeschlechtlichen, möglichst anonymen, fortpflanzungswilligen Partners oder einer Partnerin zur Fortpflanzung außerhalb einer Geschlechtsgemeinschaft noch vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst wird. Denn trotz des starken Sozialbezuges liegt auch noch bei Wunschmutter oder Wunschvater ein Bezug zur persönlichen Lebensplanung und zum Intimleben vor.

Diese Tätigkeiten sind aber an der äußeren Grenze des Öffentlichkeitsbereichs des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Grenzbereich zur allgemeinen Handlungsfreiheit anzusiedeln.

2.3.2.2. Zwischenergebnis

Die normale Fortpflanzung ist dem unantastbaren Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Schutz der Intimsphäre) aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs 1 GG zuzurechnen.608

Die homologe medizinisch assistierte Fortpflanzung ist ebenfalls vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst, allerdings liegt im Vergleich zur normalen Fortpflanzung eine andere Intensität des Schutzes vor. Es wird bei Nutzung der Methoden Insemination, Gametentransfer, IVF und ICSI mit anschließendem Embryotransfer (und anderen Methoden, bei denen der Zeugungsakt aus der Intimsphäre heraustritt und eine Ärztin/ein Arzt unmittelbar an der Zeugung beteiligt wird) lediglich die Privat-/Geheimsphäre betroffen.

Bei normaler und medizinisch assistierter Fortpflanzung gilt der Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowohl innerhalb als auch außerhalb einer bürgerlich-rechtlichen Ehe, denn der Schutzbereich dieses Grundrechts umfasst eine Person, bzw. ein Paar unabhängig von deren Familienstand.

608 DÜRIG in: MAUNZ, Theodor/DÜRIG, Günter (Hg.): Kommentar zum Grundgesetz; Stand: 33.

Ergänzungslieferung, Nov. 1997; Art. 2 Abs. 2 RN 31

Bei heterologer medizinisch assistierter Fortpflanzung muss der Bereich der Intimsphäre und der persönlichen Lebensgestaltung verlassen werden, um außerhalb einer intimen Paarbeziehung eine weitere Person als Ei- oder Samenspender, bzw.

Leih- oder Tragemutter zu finden. Damit ist man zumindest nicht mehr im unantastbaren Kernbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Intimsphäre) und auch nicht mehr in der Privat-/Geheimsphäre, sondern lediglich im Schutzbereich der Öffentlichkeitssphäre des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Auch Einzelpersonen mit Elternwillen haben zwar aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ein Recht auf Fortpflanzung (= Entscheidungsaspekt), dessen praktische Durchführung (= Handlungsaspekt) ist aber nur möglich, wenn ihnen ein gegengeschlechtlicher Partner/Partnerin zur Verfügung steht. Alleine kann man sich nicht fortpflanzen. Die vermeintlich „alleinige“ Fortpflanzung einer Person ist tatsächlich nur ein Unterfall der heterologen Fortpflanzung, bei dem von der Wunschelternperson im Anschluss an die erfolgreiche Fortpflanzung die alleinige soziale Elternschaft angestrebt wird. Daher gelten die zur heterologen medizinisch assistierten Fortpflanzung aufgestellten Grundsätze entsprechend.

Nicht vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst sind im Zusammenhang mit der Fortpflanzung durchgeführte Handlungen von Personen (z.B.

Eizellenspenderinnen, Samenspender, Leih- und Tragemütter), die nach Inanspruchnahme der medizinisch assistierten Fortpflanzung keine soziale Verantwortung für das entstehende Kind übernehmen wollen (fehlender Wille zur Elternschaft).

2.3.3. Allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG)

Art. 2 Abs. 1 GG garantiert die allgemeine Handlungsfreiheit. Diese Vorschrift schützt nicht nur einen begrenzten Bereich der engsten Persönlichkeitsentfaltung, sondern jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht auf das Gewicht einer Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung.609 Jedes menschliche Tun oder Unterlassen, das nicht von einem speziellen Grundrecht geschützt wird, ist vom umfassenden Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit umfasst und vor willkürlichen staatlichen Eingriffen geschützt.610

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