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Recht auf die Möglichkeit der Hinzuziehung von Eizellenspenderinnen oder Samenspendern?

Teil 2: Grundrecht auf Fortpflanzung?

2.3. Einzelne Grundrechte

2.3.2.1.4. Recht auf die Möglichkeit der Hinzuziehung von Eizellenspenderinnen oder Samenspendern?

Fraglich ist, ob sich auch Personen auf den Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen können, die nicht in der Lage sind, sich zusammen mit ihrem gegengeschlechtlichen Partner mit ihren eigenen Keimzellen fortzupflanzen, sondern auf die Spende von Keimzellen (Ei- und/oder Samenzellen) durch Dritte angewiesen sind.

Eindeutige Gerichtsentscheidungen zu dieser Frage gibt es nicht, der BGH hat sich allerdings in einer Entscheidung aus dem Jahr 1995 zu den Unterhaltsansprüchen von heterolog gezeugten Kindern gegenüber ihrem "Scheinvater" (= sozialer Vater) geäußert.

Die Klage richtete sich gegen den inzwischen geschiedenen Ehemann (= Beklagter) der Mutter zweier ehelich geborener Kinder (= Kläger). Diese waren mit Zustimmung des

582 BVerfG, Beschluss vom 08.03.1972, 2 BvR 28/71, BVerfGE 32, 373 ff. (379-380)

583 BVerfG, Beschluss vom 08.03.1972, 2 BvR 28/71, BVerfGE 32, 373 ff. (379-380); DI FABIO in:

MAUNZ, Theodor/DÜRIG, Günter (Hg.): Kommentar zum Grundgesetz; Art. 2 Abs. 1 RN 158, Stand:

43. Ergänzungslieferung, Februar 2004

Ehemannes durch heterologe Insemination (Samenspende) gezeugt worden, ihre Nichtehelichkeit wurde nach Scheidung der Ehe gerichtlich festgestellt. Der geschiedene Ehemann wurde zur Unterhaltsleistung verurteilt, obwohl die Kinder nachweislich nicht genetisch von ihm abstammten und ihre Nichtehelichkeit gerichtlich festgestellt war. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass die Zustimmung des Ehemannes zur heterologen Insemination gleichzeitig eine vertragliche Verpflichtung enthalten habe, für den Unterhalt dieser Kinder aufkommen zu wollen. Der BGH bekräftigte in dieser Entscheidung nochmals den Grundsatz, dass eine vertragliche Verpflichtung der Eheleute zu einer bestimmten Familienplanung von der Rechtsordnung nicht anerkannt werde.

Demzufolge kann eine solche vertragliche Vereinbarung (z.B. die Zustimmung zur heterologen Insemination) jederzeit vom Ehemann frei widerrufen werden. Der Vorgang, für den die Zustimmung des Ehemannes notwendig ist, wird allerdings mit der Entstehung des Kindes abgeschlossen. Ein Widerruf scheidet dementsprechend aus, sobald durch die Insemination ein Kind entstanden ist. Hiermit seien Vorgänge in Gang gesetzt, die bei normalem Verlauf unumkehrbar zu der Geburt eines Kindes führen584. Der BGH äußert sich zwar nicht zu Fortpflanzungsgrundrechten bei heterologer Insemination, man kann aber aus der Entscheidung den Rückschluss ziehen, dass die Zustimmung eines Ehemannes zur heterologen Insemination bei seiner Ehefrau nicht als sittenwidrig, sondern als wirksam eingestuft wird. Daraus wiederum lässt sich schließen, dass der BGH die heterologe Fortpflanzung nicht grundsätzlich als sittenwidrig einstuft.

In der Literatur wurden folgende Äußerungen in Bezug auf einen möglichen Grundrechtsschutz der heterologen Fortpflanzung getroffen:

Nach Starck fällt die Inanspruchnahme einer Eizellenspende zum Zwecke der Erfüllung eines Kinderwunsches unter das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, allerdings geht er nicht detailliert darauf ein, wer Träger des Grundrechts in Bezug auf die Eizellenspende sein soll.585

Zur heterologen Insemination mittels Samenspende durch einen Dritten erklärt Zippelius:

„[...] der Wunsch einer Frau, ein Kind auf diese Weise zu empfangen, [erheischt] Achtung als Anspruch darauf, über eine für sie höchst wichtige höchstpersönliche Angelegenheit selbst zu befinden; dies um so mehr, als es sich in der Regel um eine Entscheidung handeln wird, die eine Frau auf Grund reiflicher Überlegungen und als sehr ernsthafte Gewissensentscheidung trifft.“586

584 BGH, Urteil v. 03.05.1995, XII ZR 29/94, BGHZ 129, 297 ff. (307); Diese Grundsätze verhindern eine Sachlage wie sie Sina im Artikel „Recht auf Elternschaft?“ (FamRZ 1997, 862-866) schildert. Bei der dort vorgestellten Entscheidung des israelischen Supreme Court hatte der genetische Vater eines bereits gezeugten Embryos seine Zustimmung vor dem Transfer des Embryos in die Gebärmutter einer Ersatzmutter widerrufen.

585 STARCK, Christian: Die künstliche Befruchtung beim Menschen - Zulässigkeit und zivilrechtliche Folgen, Gutachten A für den 56. Deutschen Juristentag, 1986, S. 17

586 ZIPPELIUS in: DOLZER, Rudolf/VOGEL, Klaus/GRAßHOF, Karin: (Hg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 2004, Art. 1 Abs. 1 u. 2 RN 91

Er bezeichnet diesen Selbstbestimmungsanspruch der Frau als „nicht unbeträchtlich“.587 Ob er diesen Anspruch damit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuordnet, und insbesondere wessen Persönlichkeitsrecht (Mann oder Frau) betroffen sein soll, bleibt jedoch unklar.

Starck äußert sich explizit in Bezug auf die Person der Grundrechtsträgerin oder des Grundrechtsträgers bei heterologer Fortpflanzung. Nach der von ihm vertretenen Ansicht macht die Wunschmutter bei heterologer Befruchtung (Samenspende durch Dritten) von ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Gebrauch588.

Diese dargestellten Aussagen aus Rechtsprechung und Literatur lassen darauf schließen, dass heterologe Fortpflanzung nicht als grundsätzlich sittenwidrig eingestuft wird, zum Teil wird sie sogar dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugewiesen, allerdings fehlt es an einer detaillierten Aufarbeitung der mit der heterologen Fortpflanzung verbundenen Situation. Gerade die äußeren Umstände einer heterologen Insemination werfen aber eine Reihe von diskussionswürdigen Problemen auf: Zum einen ist die Frage zu klären, wer Träger eines Grundrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sein kann, zum anderen sind aufgrund der verschiedenen Anteile von Mann und Frau an der Fortpflanzung geschlechtsspezifische Unterschiede zu berücksichtigen.

Nachfolgend soll versucht werden, diese beiden Punkte juristisch aufzuarbeiten.

Bei der Prüfung, ob die Inanspruchnahme von Methoden der medizinisch assistierten Fortpflanzung im heterologen System Grundrechtsschutz (in Form von Abwehrrechten gegen entsprechende Verbote des Staates) genießt, muss zuerst die Frage geklärt werden, wessen Grundrechte hier betroffen sein können. Dies soll am Beispiel einer angestrebten heterologen Insemination bei Samenspende durch einen Dritten verdeutlicht werden, gilt aber entsprechend auch für die Eizellenspende durch eine Dritte.

Bei heterologer Insemination mittels Spendersamen sind die folgenden drei Ansatzpunkte für die Bestimmung der Grundrechtsträgerin oder des Grundrechtsträgers möglich:

• Diskutiert man ein Recht einer normal fruchtbaren Frau darauf, dass die Inanspruchnahme einer heterologen Insemination nicht vom Staat verboten wird, so prüft man, ob sie neben einem Recht auf Nutzung ihrer vorhandenen Körperfunktionen zur Empfängnis und Austragung eines Kindes (genetische und physiologische Fortpflanzung) auch ein Grundrecht darauf hat, ihren Geschlechtspartner funktional durch eine völlig andere Person zu ersetzen;

587 ZIPPELIUS in: DOLZER, Rudolf/VOGEL, Klaus/GRAßHOF, Karin: (Hg.): Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 2004, Art. 1 Abs. 1 u. 2 RN 91

588 STARCK, Christian: Die künstliche Befruchtung beim Menschen - Zulässigkeit und zivilrechtliche Folgen, Gutachten A für den 56. Deutschen Juristentag, 1986, S. 22

• Diskutiert man ein Recht eines unfruchtbaren Mannes darauf, dass die Inanspruchnahme einer heterologen Insemination nicht verboten wird, so prüft man, ob er ein Grundrecht darauf hat, seine fehlende Körperfunktion durch die Körperfunktion eines anderen Mannes zu ersetzen;

• Diskutiert man ein gemeinsames Recht der Partner einer Geschlechtsgemeinschaft darauf, dass die Inanspruchnahme einer Samenspende nicht verboten wird, so prüft man den folgenden Sachverhalt:

Besteht aufgrund des Umstandes, dass der Kinderwunsch durch die beteiligten gegengeschlechtlichen Personen (die eine Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft bilden) nicht in gemeinsamem Zusammenwirken möglich ist, ein Grundrecht auf Ersetzung der Körperfunktion des Mannes im Interesse der Erhaltung der (Geschlechts-)Partnerschaft?

Anhand dieser für die heterologe Insemination festgestellten Punkte wird das Problem eines Grundrechts auf Inanspruchnahme von heterologen Fortpflanzungsmethoden deutlich: Es geht nämlich im Endeffekt um ein Recht auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Personen außerhalb einer bestehenden Geschlechtsgemeinschaft zum Zwecke der Fortpflanzung. Hierauf wird im Anschluss an die Behandlung der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei heterologer Fortpflanzung noch zurückzukommen sein.

Zur Verdeutlichung der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Inanspruchnahme von Spenderkeimzellen sind zunächst die für eine solche Form der Fortpflanzung in Frage kommenden Fallkonstellationen festzustellen:

• Fallgruppe 1: Mann ist genetisch steril, Frau kann sich genetisch und physiologisch fortpflanzen (benötigt wird eine Samenspende);

• Fallgruppe 2: Mann kann sich genetisch und physiologisch fortpflanzen, Frau ist genetisch steril, kann sich aber physiologisch fortpflanzen (benötigt wird eine Eizellenspende);

• Fallgruppe 3: Beide Partner sind genetisch steril, die Frau kann sich aber physiologisch fortpflanzen (benötigt wird eine Samen- und Eizellenspende oder eine Embryonenspende);

• Fallgruppe 4: Bei den Fallgruppen 1-3 kann sich die Frau nicht physiologisch fortpflanzen. Hier wäre zusätzlich die Inanspruchnahme einer Leih- oder Tragemutter erforderlich (vgl. hierzu Abschnitt 2.3.2.1.5.).

Können die Eizellen der Wunschmutter - aus welchen Gründen auch immer - nicht zur Zeugung eines Kindes verwendet werden (Fallgruppen 2 und 3), ist ihr aber gleichzeitig eine physiologische Fortpflanzung (d.h. Austragung des Kindes) möglich, so liegt bei ihr trotz der fehlenden genetischen Mutterschaft noch ein Handlungsaspekt der Fortpflanzung vor. Demgegenüber entfällt auf Seiten des genetisch sterilen Wunschvaters (Fallgruppen 1 und 3) bei der Verwendung von Spendersamenzellen sowohl der physiologische Teil der Fortpflanzung (Geschlechtsakt), als auch der genetische Teil der Fortpflanzung. Hieraus ist die Schlussfolgerung zu ziehen, dass sich bei einer Samenspende der spätere soziale Wunschvater überhaupt nicht (weder genetisch noch physiologisch) fortpflanzt, während die Wunschmutter bei Eizellen- oder Embryonenspende immer noch einen physiologischen Teil der Fortpflanzung in Form der Austragung des Kindes (Schwangerschaft und Geburt) ausführt. Deshalb kann sich der Wunschvater, weil er sich bei einer Samenspende nicht fortpflanzt, für die Inanspruchnahme einer Samenspende nicht auf ein Recht auf Fortpflanzung aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG berufen (möglicherweise aber auf andere durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützte Rechte589 ).

Es bleibt in Bezug auf die Wunschmutter zu prüfen, ob bei ihr eine Berufung auf Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG möglich ist, wenn sie beabsichtigt, sich mittels Eizellenspende oder Embryonenspende fortzupflanzen. In einem solchen Fall beabsichtigt die Wunschmutter, sich nicht mit ihren eigenen Genen, sondern nur mit ihren eigenen körperlichen Möglichkeiten fortzupflanzen. Die isoliert angestrebte physiologische Fortpflanzung einer Frau (bei Spende einer Eizelle durch eine andere Frau oder bei Übertragung eines fremden Embryos) mit dem Ziel der sozialen Elternschaft kann dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nur zugeordnet werden, wenn auch die freie Bestimmung über die Nutzung der eigenen körperlichen Möglichkeiten in Verbindung mit einer wichtigen Entscheidung der persönlichen Lebensplanung („Wille zur Elternschaft“) diesem Schutzbereich zuzuordnen ist.

Zur Untersuchung dieses Punktes ist als erstes zu klären, ob bereits allein der Wegfall der genetischen Abstammung des Kindes von der physiologischen Mutter dazu führt, dass man nicht mehr im Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG ist. Zum Zweck dieser Prüfung lautet die erste Frage, die man sich stellen muss, ob die genetische Fortpflanzung unabdingbare Voraussetzung für die persönliche Lebensentscheidung ist, Kinder haben zu wollen. Für das alleinige Abstellen auf die genetische Fortpflanzung spricht die auf Charles Darwin zurückzuführende Vererbungslehre. Naturwissenschaftlich

589 Da Kernthema dieser Arbeit der Schutz der eigenen genetischen und/oder physiologischen Fortpflanzung (= Tätigkeit) durch das Grundgesetz ist, werden eventuelle (Grund-)Rechte auf Ermöglichung einer sozialen Vater- oder Mutterschaft ohne eigene genetische und/oder physiologische Fortpflanzung (wie z.B. auch bei Adoption) nicht weiter untersucht.

ist allein die Weitergabe der eigenen Gene Zweck der Fortpflanzung, welche wiederum zum Überleben einer Art und deren Evolution erforderlich ist. Diese Betrachtung ist allerdings beim Menschen als kulturorientiertem Geschöpf zu einseitig, insbesondere spielt die Arterhaltung für die Fortpflanzungsentscheidung eines Individuums keine entscheidende Rolle. Die Fortpflanzung hat neben der Weitergabe der eigenen Gene für den Menschen noch andere Bedeutungen, die sowohl aus der sozialen Komponente der allgemeinen Kinderwunschmotivation, als auch aus der individuellen Kinderwunschmotivation herrühren (vgl. zur Vielfältigkeit der individuellen Kinderwunschmotivationen Teil 3, Abschnitt 3.4.3.). Insbesondere die individuelle Kinderwunschmotivation richtet sich neben der Weitergabe der eigenen Gene auch auf Kontakt zum Kind und auf das Streben nach zeitlicher Kontinuität über die eigene Lebensspanne hinaus durch Weitergabe von Gedanken, Vorstellungen, Besitz etc. an soweit als möglich eigene Nachkommen. Aus diesen Gründen ist die genetische Fortpflanzung nicht unabdingbare Voraussetzung für die hochstehende Entscheidung der persönlichen Lebensplanung, Kinder in die Welt zu setzen. Da sich die Mutter bei der hier behandelten Fallkonstellation immer noch physiologisch fortpflanzt, liegt trotz des Wegfalls der genetischen Komponente immer noch ein erheblicher Teil der Tätigkeit Fortpflanzung vor.

Weiterhin ist zur Untersuchung der Frage, ob der Wegfall der genetischen Mutterschaft bereits dazu führt, dass der Schutzbereich des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG nicht mehr in Anspruch genommen werden kann, als Beurteilungsmaßstab die Bedeutung der genetischen Komponente bei normaler Fortpflanzung heranzuziehen.

Hier ist ganz eindeutig festzustellen, dass sowohl die Regelung des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, sowie auch die bürgerlich-rechtlichen Regelungen der an die Fortpflanzung anschließenden Elternschaft als Regelfall die blutsmäßige Abstammung voneinander, d.h. die genetische Fortpflanzung voraussetzen. Allerdings erkennen sowohl der Art. 6 Abs. 1 und 2 GG, als auch die Regelungen zur Zuordnung der rechtlichen Mutter und des rechtlichen Vaters hiervon Ausnahmen an. Im Falle des Art. 6 Abs. 1, 2. Alt. GG wird auch das Zusammensein von Eltern und Kindern geschützt, die nicht genetisch miteinander verwandt sind (z.B. Pflege- und Adoptivkinder). Im Falle des Art. 6 Abs. 2 GG wird allein die rechtliche Elternschaft geschützt, diese wiederum wird nach den Regeln des bürgerlichen Rechts festgelegt. Wie bereits im Teil 1, Abschnitt 1.4.3. dargestellt, kommt es für die Zuordnung der rechtlichen Mutter überhaupt nicht mehr auf die genetische Verwandtschaft der austragenden Frau zum Kind an, sondern allein auf die Geburt. Bei der Regelung der rechtlichen Mutterschaft hat der Gesetzgeber somit bewusst das Kriterium der genetischen Abstammung des Kindes als Anknüpfungspunkt für die Zuordnung der rechtlichen Mutter aufgegeben. Dieser Regelung diente in erster Linie der Rechtsklarheit (Offenkundigkeit der Geburt), sowie der Prävention von Leih- und Ersatzmutterschaften und der Verhinderung der mit diesen Mutterschaften verbundenen statusrechtlichen Probleme. Das alleinige Anknüpfen an Austragung und Geburt des

Kindes (= physiologische Mutterschaft) wurde vom Gesetzgeber aber auch damit begründet, dass die emotionale Bindung der austragenden Frau zum Kind höher zu bewerten sei, als die Bindung der Frau, von der die Eizelle stammt. Es ist inzwischen naturwissenschaftlich anerkannt, dass ein Kind bereits während der Schwangerschaft durch die Frau geprägt wird, die es austrägt590. Die Sinneswahrnehmung eines Kindes beginnt bereits im Embryonalstadium: Die Augen werden lichtempfindlich,591 der Embryo nimmt zudem ab dem 4-5 Schwangerschaftsmonat Geräusche wahr und zeigt z.B. stimulierte oder gestresste Reaktionen. Je weiter die Schwangerschaft fortgeschritten ist, desto mehr Geräusche kann der Fötus aufnehmen und in seinem Gehirn verarbeiten. Diese Stimulation der Sinnesorgane des Kindes in den letzten acht Wochen vor der Geburt bereitet das Kind bereits auf einige Aspekte seiner späteren Umwelt vor, in die es hineingeboren wird.592 Die Wahrnehmung erstreckt sich auf alle Außengeräusche (z.B.

Lärm, Stimmen anderer Personen), sowie auf die Körpergeräusche (z.B. Herzschlag, Verdauungsgeräusche) und die Stimme der physiologischen Mutter, die durch ihren Körper übertragen wird.593 Hier entsteht unabhängig von der genetischen Herkunft des Kindes eine pränatale Mutter-Kind-Bindung. Auch diese Fakten des Entstehens einer besonderen emotionalen Bindung zwischen austragender Frau und Kind sprechen dafür, dem physiologischen Teil der Fortpflanzung der Frau eine erhebliche Bedeutung zuzumessen.

Dass die genetische Komponente der Fortpflanzung nicht den allein entscheidenden Aspekt für den besonderen Schutz dieser Tätigkeit darstellt, zeigt auch die Regelung der Zuordnung des rechtlichen Vaters (§§ 1592 ff. BGB). Es gibt Fälle, in denen die genetische Verwandtschaft des Mannes zum Kind unerheblich ist, auch wenn dies nicht (wie bei der rechtlichen Mutter) als Regelfall vorgesehen ist: Ein Mann kann die Vaterschaft anerkennen, ohne dass eine genetische Verwandtschaft mit dem Kind geprüft wird (§§ 1592 Nr. 2, 1594-1598 BGB), zudem kann der Ehemann einer Frau, die ein Kind geboren hat, das nicht genetisch vom Ehemann stammt, auf eine rechtlich mögliche Anfechtung (§§ 1600 Abs. 1 Nr. 1, 1592 Nr. 1 BGB) verzichten. Hierdurch wird der genetische Vater des Kindes bei Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen Kind und rechtlichem Vater von der Möglichkeit ausgeschlossen, selbst rechtlicher Vater zu werden (§ 1600 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 BGB). Eine solche Regelung der rechtlichen Vaterschaft, die von der genetischen Vaterschaft abweicht, hat das BVerfG bereits mit Urteil vom 31.01.1989 ausdrücklich als mit dem Grundgesetz vereinbar anerkannt: Der in Art. 6 Abs. 1 GG gewährleistete Schutz von Ehe und Familie schließe es nicht aus, dass der Gesetzgeber das Vater-Kind-Verhältnis abweichend von der natürlichen Abkunft des

590 BERNAT, Erwin: Statusrechtliche Probleme im Gefolge medizinisch assistierter Zeugung, MedR 1986, S. 245-253 (252); SELB, Walter: Rechtsordnung und künstliche Reproduktion des Menschen;

1987, S. 75-76 m.w.N.

591 NIELSSON, Lennart/HARMBERGER, Lars: Ein Kind entsteht, 1990, S.112

592 RAUH, Hellgard in: OERTER, Rolf/MONTADA, Leo (Hg.): Entwicklungspsychologie, 1998, S. 174

593 NIELSSON, Lennart/HARMBERGER, Lars: Ein Kind entsteht, 1990, S. 114, S.135

Kindes regele, soweit die leibliche Abstammung des Kindes von dem Ehemann seiner Mutter als Regelfall anerkannt bleibe. Hierbei wird ausdrücklich seitens des BVerfG der vom einfachen Gesetzgebers verfolgte Zweck gebilligt, den Status eines Kindes als ehelich von Anfang an so festzulegen, dass er den wirklichen Abstammungsverhältnissen möglichst entspricht (aber nicht in jedem Fall entsprechen muss), während gleichzeitig umfangreiche naturwissenschaftliche Untersuchungen entbehrlich sind.594

Diese gesetzlichen Regelungen zur rechtlichen Elternschaft von Mann und Frau belegen, dass seitens des Gesetzgebers die genetische Verwandtschaft zum Kind als ein wichtiges, aber nicht als das einzig entscheidende Kriterium angesehen wurde. Es wird vielmehr auch ein sog. „Wille zur Elternschaft“ implizit als Anknüpfungspunkt für die rechtliche Elternschaft anerkannt. Seit der Neufassung des § 1600 B G B595 im Jahr 2004 wird inzwischen auch ausdrücklich vom Gesetzgeber eine den Willen zur Elternschaft manifestierende „sozial-familiäre Beziehung“ als Kriterium zur Zuordnung eines Kindes zu seinem rechtlichen Vater anerkannt. Der Wille, die Verpflichtungen einer Elternschaft tragen zu wollen, wird auch ausdrücklich vom BVerfG als relevantes Kriterium für die Zuordnung von rechtlicher Elternschaft anerkannt.596

Die Anerkennung des Willens, sich um ein entstehendes Kind zu kümmern, beruht auf der Erkenntnis, dass Familie und Verwandtschaft auch bei der normalen Fortpflanzung als soziale Tatsache über die blutsmäßige Abstammung voneinander hinausgehen. Ein Verwandtschaftssystem besteht nicht nur aus den objektiven Bindungen der Abstammung oder der Blutsverwandtschaft zwischen den Individuen. Vielmehr werden diese biologischen Bindungen im Bewusstsein der beteiligten Personen reflektiert.597 Gelebte Verwandtschaft kann daher auch jenseits von Abstammung existieren, wenn der Wille zur Verwandtschaft für die Beteiligten ein entscheidenderes Kriterium darstellt als die genetische Abstammung. Auch im internationalen Vergleich hat sich im Kindschaftsrecht inzwischen die Tendenz durchgesetzt, die Blutsverwandtschaft nicht isoliert als Anknüpfungspunkt für Elternrechte zu betrachten, sondern die Bereitschaft zur Wahrnehmung elterlicher Verantwortung mit einzubeziehen.598 Hieraus ergibt sich, dass Verwandtschaft neben der blutsmäßigen Abstammung auch auf der geistigen Ausrichtung der Beteiligten basiert. Wenn aber auch der Wille zur Verwandtschaft ein

594 Urteil des BVerfG vom 31.01.1989, 1 BvL 17/87, BVerfGE 79, 256-274 (267); bestätigt in BVerfG, Beschluss vom 09.04.2003 (1 BvR 1493/96 und 1 BvR 1724/01), NJW 2003, S. 2151-2158 unter zusätzlicher Präzisierung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers beim Auseinanderfallen von biologischer und rechtlicher Vaterschaft

595 durch Gesetz vom 23.04.2004 (BGBl. I 598)

596 BVerfG im Beschluss vom 09.04.2003 (1 BvR 1493/96 und 1 BvR 1724/01), NJW 2003, S. 2151-2158 (2153 ff.)

597 CROMM, Jürgen: Bevölkerung, Individuum, Gesellschaft - Theorien und soziale Dimensionen der Fortpflanzung; 1988, S. 22 m.w.N

598 SALGO, Ludwig: Zur Stellung des Vaters bei der Adoption seines nichtehelichen Kindes durch die Mutter und deren Ehemann, NJW 1995, S. 2129 ff. (2131)

entscheidendes Kriterium darstellt, so kann allein der Wegfall der genetischen Abstammung nicht dazu führen, dass eine verwandtschaftlichen Beziehung von vornherein auszuschließen ist.

Diese Erwägungen sprechen dagegen, ausschließlich die Entscheidung einer Wunschmutter für genetisch eigene Kinder als vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützte Fortpflanzung anzusehen. Dementsprechend ist die Entscheidung einer Frau für eine physiologische Mutterschaft, auch wenn diese nicht auf die Geburt eines genetisch eigenen Kindes gerichtet ist, dem Bereich der persönlichen Lebensplanung zuzuordnen und vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts umfasst.

Allerdings besteht bei der Umsetzung dieser Entscheidung der höchstpersönlichen Lebensplanung das Problem, dass man sich aus dem persönlichen Bereich (zu dem ggf.

die beteiligte Ärztin oder der Arzt noch zuzuordnen wäre, vgl. Abschnitt 2.3.2.1.3.) heraus begeben und Personen außerhalb der Paarbeziehung, mit denen keine intime Geschlechtsgemeinschaft besteht, um die Eizellenspende (oder Embryonenspende) bitten muss. Das BVerfG hat zur Abgrenzung zwischen der Intimsphäre und der gesellschaftlichen Ebene folgendes ausgeführt:

„Dieser [letzte, unantastbare Bereich menschlicher Freiheit, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist] wird aber verlassen wenn Handlungen des Menschen in den Bereich eines anderen einwirken, ohne daß besondere Umstände, wie etwa familienrechtliche Beziehungen, diese Gemeinschaftlichkeit des Handelns als noch in den engsten Intimbereich fallend erscheinen lassen. Grundsätzlich gibt schon die Berührung mit der Persönlichkeitssphäre eines anderen Menschen einer Handlung den Bezug auf das Soziale, der sich dem Recht zugänglich macht. Doch können auch Vorgänge, die sich der „Kommunikation“ mit anderen vollziehen, aus dem Gesichtspunkte der Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG dem Zugriff des

„Dieser [letzte, unantastbare Bereich menschlicher Freiheit, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist] wird aber verlassen wenn Handlungen des Menschen in den Bereich eines anderen einwirken, ohne daß besondere Umstände, wie etwa familienrechtliche Beziehungen, diese Gemeinschaftlichkeit des Handelns als noch in den engsten Intimbereich fallend erscheinen lassen. Grundsätzlich gibt schon die Berührung mit der Persönlichkeitssphäre eines anderen Menschen einer Handlung den Bezug auf das Soziale, der sich dem Recht zugänglich macht. Doch können auch Vorgänge, die sich der „Kommunikation“ mit anderen vollziehen, aus dem Gesichtspunkte der Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG dem Zugriff des

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