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Sind auch Eizellenspenderinnen, Samenspender, Leih- und Tragemütter im Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts?

Fallgruppe 3: Der Wunschvater pflanzt sich bei der Inanspruchnahme einer Leih- oder Tragemutter (Fallgruppe 1 oder 2) nur genetisch und nicht physiologisch fort, wenn die

2.3.2.1.6. Sind auch Eizellenspenderinnen, Samenspender, Leih- und Tragemütter im Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts?

Es ist bei Prüfung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Bezug auf die Fortpflanzung auch zu untersuchen, ob Personen, die bei Förderung der Fortpflanzung von Wunscheltern einzelne Elternfunktionen wahrnehmen, aber nicht die sozialen Eltern des Kindes werden wollen, ebenfalls vom Schutzbereich umfasst sind. Diese Frage ist in der Rechtsprechung überhaupt nicht und in der Literatur nur vereinzelt behandelt worden.

Starck vertritt die Position, dass auch Trage- oder Ersatzmütter den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts für sich in Anspruch nehmen können.603

Ein solcher Schutz von Trage- und Leihmüttern durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht aus folgenden Gründen abgelehnt:

Grund für die Zuordnung der Fortpflanzung zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist die grundsätzliche Zuordnung dieser Tätigkeit zum Schutzbereich der über Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfassten Menschenwürde. Wie bei

603 STARCK, Christian: Die künstliche Befruchtung beim Menschen - Zulässigkeit und zivilrechtliche Folgen, Gutachten A für den 56. Deutschen Juristentag, 1986, S. 17

der Prüfung des Schutzbereichs von Art. 1 Abs. 1 GG herausgearbeitet (vgl. Abschnitt 2.3.1.1.2.), genießt die normale Fortpflanzung deshalb einen hohen Rang gegenüber anderen Entscheidungen und sonstigem menschlichen Verhalten, weil sie eine Entscheidung der persönlichen Lebensplanung mit einer dem Intim- oder Privatbereich zuzuordnenden Handlungskomponente darstellt, die darauf abzielt, soziale Verantwortung für das entstehende Kind zu übernehmen. Auch wenn - wie bei Inanspruchnahme von Methoden der medizinisch assistierten Fortpflanzung - der Bereich der unantastbaren Intimsphäre verlassen wird, so bleibt jede Entscheidung für eine Fortpflanzung mit angestrebter sozialer Elternschaft eine hochrangige Entscheidung der persönlichen Lebensplanung. Dieser Teil der Fortpflanzung (Entscheidungskomponente) ist ebenfalls von der Menschenwürde geschützt.

Gemessen an diesen Gründen für den Schutz der Fortpflanzung durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 GG, ist ein solcher Schutz nur Personen zuzugestehen, die bereit sind, auch die soziale Verantwortung für das entstehende Kind (gegebenenfalls durch Unterhaltsverpflichtung) zu übernehmen. Dieser sog. „Wille zur Elternschaft“, der auch bei den Regelungen der rechtlichen Elternschaft Berücksichtigung findet (vgl. Teil 1, Abschnitt 1.4.3.) erscheint als das entscheidende Kriterium dafür, ob sich eine am Fortpflanzungsgeschehen beteiligte Person wie die Leih- oder Tragemutter auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht berufen kann. Anders formuliert: Wer die Verantwortung für das entstehende Kind nicht tragen will, kann sich nicht auf fortpflanzungsbezogene, hochrangige Grundrechte berufen.

Die Bedeutung des „Willens zur Elternschaft“ bei der Zeugung eines Kindes arbeitet Wanitzek wie folgt heraus:

„Wer durch sein Handeln das Entstehen eines Kindes verursacht, übernimmt dadurch Verantwortung für das Kind. Veranlassen mehrere Personen das Entstehen des Kindes, so sind ihre Beiträge im Hinblick auf die Begründung von Verantwortung zu vergleichen. Gemessen an dem Gewicht dessen, was der natürlich Zeugende in die Waagschale der Begründungsmerkmale von Elternschaft zu werfen hat (alleiniges Zeugungshandeln und genetische Beziehung;

potentieller Elternwille), ist bei heterologer assistierter Zeugung der Beitrag des Wunschvaters (anteiliges Zeugungshandeln ohne genetische Beziehung; Elternwille) gewichtiger als der Beitrag des Samenspenders (anteiliges Zeugungshandeln und genetische Beziehung; Ausschluss des Elternwillens). Der Elternwille des Wunschvaters ist Grundlage für das Zeugungshandeln aller Beteiligter. Er richtet sich auf die zukünftige soziale Elternschaft des Wunschvaters, welche hingegen der Samenspender für sich selbst gerade ausschließt. Anders als die natürliche Zeugung erfolgt die medizinisch assistierte Zeugung ausschließlich bei Vorliegen eines Willens zur Elternschaft. Das macht diesen Willen zu einem entscheidenden Faktor des Zeugungsgeschehens. Der Elternschaftswille hat damit eine qualitativ andere Bedeutung als bei natürlicher Zeugung. Der (den Elternschaftswillen beinhaltende) Beitrag des Wunschvaters begründet eine stärkere Elternverantwortung als der (den Elternschaftswillen ausschließende) Beitrag des Samenspenders, und er überlagert damit diesen in der Bedeutung als Begründungsmerkmal von Elternschaft.“604

604 WANITZEK, Ulrike: Rechtliche Elternschaft bei medizinisch unterstützter Fortpflanzung, 2002, S.

180-181, 358

Diese für die Zuordnung der rechtlichen Elternschaft aufgestellten Kriterien können auch in Bezug auf die Beurteilung eines Grundrechtsschutzes der Fortpflanzung verwertet werden, weil sie den Schluss zulassen, dass das Vorliegen von Elternwille ein entscheidendes Kriterium bei der Beurteilung der medizinisch assistierten Fortpflanzung und ihrer Folgen darstellt.

Insbesondere nimmt eine Person, bei der kein Wille zur Elternschaft vorliegt, bei ihrer Beteiligung am Fortpflanzungsgeschehen weder eine besonders hochstehende Entscheidung der persönlichen Lebensplanung vor, noch agiert sie in ihrem Intimbereich.

Bei Leih- oder Tragemüttern fehlt es dementsprechend sowohl am Vorliegen des Intim- oder Privatbereichs, als auch an einer hochrangigen Entscheidung der persönlichen Lebensplanung (Entscheidungskomponenten der Fortpflanzung, zu der auch ein Wille zur Übernahme von Verantwortung für das entstehende Kind gehört). Vielmehr nutzt sie ihre Körperfunktionen unter Hinzuziehung ärztlicher Hilfe zur Förderung der Fortpflanzung der Wunscheltern. Dass ein erheblicher Teil der Durchführung der Fortpflanzung im Körper der Leih- oder Tragemutter stattfindet, macht den Gesamtvorgang nicht zum Bestandteil ihres Intim- oder Privatbereiches. Sie agiert vielmehr im Zusammenwirken mit den Wunscheltern und den beteiligten Ärztinnen oder Ärzten auf vertraglicher, bei Ausübung gegen Entgelt sogar auf geschäftlicher Basis. Dies sind keine intimen, sondern gesellschaftliche Vorgänge. Dementsprechend handelt es sich bei der Durchführung einer Leih- oder Tragemutterschaft nicht um eine Ausübung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Aufgrund ihrer Bereitschaft, ihren Körper für fremdnützige Zwecke zur Verfügung zu stellen, hebt die Leih- oder Tragemutter vielmehr üblicherweise intime oder private körperliche Vorgänge (Zeugung, Schwangerschaft) aus ihrem Intim- oder Privatbereich gegenüber den Wunscheltern und den beteiligten Ärzten oder Ärztinnen heraus. Dies gilt insbesondere für Spender von Samenzellen und Spenderinnen von Eizellen, sowie für Leih- und Tragemütter, die (im Gegensatz zur altruistischen Motivation, z.B. bei nahen Verwandten der Wunscheltern) aus finanziellen Motiven (Erzielung von Einkommen) handeln. Dieser Erwerbszweck wird durch Kommerzialisierung von Funktionen des eigenen Körpers erreicht. Solche Tätigkeiten sind nach der hier vertretenen Ansicht nicht dem Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, sondern lediglich dem Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit zuzuordnen.

Selbst wenn man sich mit Starck auf den Standpunkt stellt, dass auch Eizellenspenderinnen, Samenspender, Leih- und Tragemütter von ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht Gebrauch machen, so ist wegen des starken Sozialbezuges dieser Tätigkeit davon auszugehen, dass dies in der am wenigsten geschützten

„Öffentlichkeitssphäre“ stattfindet, in der der Staat umfassende Eingriffs- und Regelungsmöglichkeiten hat.

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