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1.2 Zielsetzung und Fragestellungen der Untersuchung

Diese Arbeit greift den zuvor angeführten Diskurs auf und setzt diesen in sowohl theoretisch als auch empirisch aufzuarbeitende Fragestellungen um. Die Zielsetzungen und Fragestellungen dieser Arbeit sind sukzessive aufeinander aufgebaut. Auf Grund u. a. der nicht vorhandenen deutschsprachigen primärdatenbasierten Operationalisierung von Verwirklichungschancen für das „gelingende“ Altern wird diese Studie prozesshaft bearbeitet. Ergebnisse aus dem jeweils vorherigen Arbeitspaket fließen jeweils in die nächste Studienphase mit ein und bilden damit die Grundlage für die weitere Bearbeitung. Die einzelnen Studienphasen beinhalten dabei unterschiedliche Zielsetzungen und Fragestellungen (siehe zur Übersicht Tabelle 1).

Im ersten Schritt der Arbeit werden die theoretisch-konzeptionellen Verbindungslinien des CAs mit denen aus der gerontologischen und gesundheitswissenschaftlichen bzw. sozialepidemiologischen Disziplin verglichen. Infolgedessen erfolgt eine Verknüpfung der genannten Forschungsstränge mit dem CA. Das heißt, es wird u. a. untersucht, inwiefern schon indirekt Handlungs- und Entscheidungsfreiheiten im Sinne der Verwirklichungschancen miteinbezogen werden in die konzeptionellen Annahmen der einzelnen Disziplinen. In den theoretischen Grundlagen der Gerontologie könnten entsprechend bereits Determinanten des „gelingenden“ Alterns zu finden sein, die auch analog mit den Annahmen des CA kompatibel sind. Zugleich soll auch untersucht werden, inwiefern der CA den Determinanten des „gelingenden“ Alterns widersprechen könnte oder diese ergänzt.

Die zweite Zielsetzung der Arbeit bezieht sich auf die Operationalisierung eines Kategorien-Sets mit relevanten Merkmalen für das „gelingende“ Altern im Sinne von Umwandlungsfaktoren und Verwirklichungschancen nach der konzeptionellen Grundidee von Sen.

Ein weiteres, drittes Ziel der Arbeit ist es, sozial bedingte gesundheitliche Ungleichheiten im höheren Lebensalter zu untersuchen und dabei einen komplexeren Ansatz zur Differenzierung der sozialen Statusgruppen zu betrachten, was in dieser Studie pilothaft mit dem CA bzw. dessen Items, den Verwirklichungschancen, erprobt wird. Es stellt sich demnach die Frage, ob die bisherigen (konventionellen) Statusdimensionen Einkommen, Bildung und berufliche Stellung auch im höheren Lebensalter relevant sind und im Zusammenhang mit Gesundheitsindikatoren stehen oder, ob andere Dimensionen deprivierte Gruppen differenzierter identifizieren können.

1.2 Zielsetzung und Fragestellungen der Untersuchung

13 Das vierte Ziel der Arbeit ist es, auf Grundlage der gewonnenen empirischen Erkenntnisse ein theoretisch-konzeptionelles Rahmenmodell zu entwickeln und somit Empfehlungen für die Versorgungsforschung sowie auch die medizinsoziologische Theorieentwicklung abzuleiten.

Eine detailliertere Beschreibung der einzelnen Studienphasen und der darin enthaltenen Zielsetzungen sowie Fragestellungen wird im Folgenden vorgenommen.

1.2 Zielsetzung und Fragestellungen der Untersuchung

14 Tabelle 1: Übersicht Zielsetzungen, Fragestellungen und methodisches Vorgehen

Wie lässt sich der CA mit Konzepten aus den Bereichen von Gerontologie sowie Public Health bzw. Sozialepidemiologie anschlussfähig verbinden bzw.

durch welche Aspekte bereichert, bestätigt oder widerspricht dieser bestehenden Theorien zum „gelingenden“ Altern?

Narrativer Diskurs anhand von

Wie könnte eine Operationalisierung in Form eines Kategorien-Sets an geeigneten Umwandlungsfaktoren und Verwirklichungschancen aussehen?

Umwandlungsfaktoren in der älteren Bevölkerung aus und wer sind die betroffenen vulnerablen verwirklichungschancenarmen Gruppen?

Welche Assoziationen bestehen zwischen Umwandlungsfaktoren und Verwirklichungschancen mit Gesundheitsvariablen sowie dem sozioökonomischen Status?

Welche Bedeutung haben Verwirklichungschancen bzw. dessen Faktoren als Einflussgrößen auf Gesundheitsvariablen?

Könnten Verwirklichungschancen komplementäre Indikatoren sein, die den Zusammenhang von Gesundheit und sozialer Ungleichheit besser aufklären

Quantitative standardisierte Erhebung:

Wie könnte auf Grundlage der gewonnen empirischen Erkenntnisse ein theoretisch-konzeptionelles Rahmenmodell aussehen?

Datentriangulation/

Modellkonzeption

Quelle: Eigene Darstellung

1.2 Zielsetzung und Fragestellungen der Untersuchung

15 Die Herleitung der einzelnen Zielsetzungen und Fragestellungen des Vorhabens werden im Folgenden im Detail dargestellt:

Studienphase 1

Die Berücksichtigung des CAs in der nationalen gesundheitswissenschaftlichen oder auch gerontologischen Forschungsausrichtung ist, wie bereits beschrieben, bisher erst wenig erfolgt trotz eines von der Sozialpolitik eingeforderten Einbezugs dessen (vgl. BMFSFJ 2016,2013; BMAS 2005). Da eine Erörterung des Mehrwerts des CA-Konzeptes weder in der gesundheitswissenschaftlichen (und hier speziell der Bereich der sozialen Ungleichheitsforschung), noch in der gerontologischen Forschung kaum vertieft stattgefunden haben, soll innerhalb dieser ersten Studienphase eine Aufarbeitung der Thematik, inklusive der Darstellung der möglichen Verbindungslinien und Schnittmengen der einzelnen Forschungsstränge stattfinden. Hierbei soll u. a. die Möglichkeit der theoretischen Erweiterung bzw. Modifizierung um den CA bei vorhandenen Modellen und Konzepten aus den genannten Bezugsdisziplinen aufgezeigt werden. In vielerlei Hinsicht könnte die theoretische Grundidee des CAs bereits ansatzweise in die Konzepte und Modelle der Gerontologie und Sozialepidemiologie (bewusst oder unbewusst) implementiert sein. Durch diese theoretische und literarische Auseinandersetzung mit vorhandenen gerontologischen Lebensqualitätskonstrukten sowie auch Modellen und Konzepten aus der gesundheitlichen Ungleichheitsforschung (insbesondere im höheren Lebensalter) und der Gesundheitsförderung soll die inhaltliche Frage der Implementierungsmöglichkeit und -nützlichkeit dargestellt werden. Dazu wird eine Verknüpfung der konzeptionellen und theoretischen Ansätze vorgenommen (siehe auch Abbildung 1).

1.2 Zielsetzung und Fragestellungen der Untersuchung

16 Abbildung 1: Verknüpfung theoretischer und konzeptioneller Ansätze in der Studienphase 1

Quelle: Eigene Darstellung.

Die forschungsleitenden Fragestellungen der ersten Studienphase lauten dabei:

a) Welche Anknüpfungspunkte und Verbindungen des CAs gibt es zu bestehenden theoretisch-konzeptionellen Ansätzen aus der Gerontologie, Public Health und hier speziell im Bereich der Sozialepidemiologie?

b) Welchen potenziellen Mehrwert bringt der Einbezug in Form der Adaption oder Erweiterungen um Verwirklichungschancen in die gesundheitliche bzw. soziale Ungleichheitsforschung sowie die gerontologische Lebensqualitätsforschung?

Studienphase 2

Gerontologische Studien zur Lebensqualität im höheren Lebensalter fokussieren sich vorwiegend auf individuelle Merkmale (z. B. Gesundheit) in bestimmten Lebensumständen (wie Familienstand oder Wohnumfeld), die sich im hohen Alter verändern. Wenig berücksichtigt wurden dabei bisher psychologische bzw. sozialpsychologische Merkmale (Jopp et al. 2013). Eine Dimension dieser psychologischen Stärken könnten ggf. auch Verwirklichungschancen bzw. positive Freiheiten sein, die bei älteren Personen im Zusammenhang mit „gelingendem“ Altern stehen.

Gerontologie

Lebensqualitäts-forschung

Public Health

Sozialepidemiologie

Gesundheitsförderung Wissenschaftliche TeilgebieteWissenschaftliches Konzept

Capability Approach

Zielstellung Verknüpfung

theoretischer &

konzeptioneller Ansätze

1.2 Zielsetzung und Fragestellungen der Untersuchung

17 In dieser Studienphase ist deshalb das Ziel die Identifikation von Umwandlungsfaktoren und Verwirklichungschancen, die förderliche Faktoren für das „gelingende“ Altern abbilden sowie auch potenzielle Indikatoren zur Erfassung von Wohlfahrt6 im Alter darstellen. Hieraus soll ein Operationalisierungsvorschlag in Form eines Kategorien-Sets resultieren, in dem Umwandlungsfaktoren und Verwirklichungschancen für ältere Menschen abgebildet werden. Dabei sollen nach dem salutogenetischen Pfad positive Entwicklungs- und Widerstandsressourcen im Sinne von Verwirklichungschancen identifiziert werden für ein „gelingendes“ Leben im Alter (vgl. auch Keupp 2010).

Folgende Forschungsfragen sollen dabei beantwortet werden:

c) Wie sieht ein verwirklichungschancenreiches Umfeld aus und was sind förderliche Faktoren im Sinne von Verwirklichungschancen für ein „gelingendes” Altern?

d) Wie sieht ein Operationalisierungsvorschlag von lebensqualitäts- und gesundheitsförderlichen Umwandlungsfaktoren und Verwirklichungschancen im Sinne des CAs aus, der mittels nationalen Primärdaten für ältere Personen erarbeitet worden ist?

Studienphase 3

Ansatzpunkte zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten werden vielmals in der Reduktion sozialer Ungleichheiten gesehen, wobei dies nach Abel und Schori (2009) eine notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für gesundheitliche Chancengleichheit sei. Dies impliziert, dass die grundlegenden Ansätze zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit alternativ bzw. ergänzend formuliert und betrachtet werden sollten. Eine Möglichkeit hierfür könnten die aus der Studienphase 2 identifizierten Verwirklichungschancen für das „gelingende“ Altern sein, die eine potenziell weitere Betrachtungsebene für Sozialindikatoren (im höheren Lebensalter) aus der Gerechtigkeitsperspektive abbilden könnten. Eine Erhebung der verfügbaren, individuellen Verwirklichungschancen von älteren Personen bringt einen Erkenntnisgewinn, indem die verwirklichungschancendeprivierten Personengruppen differenziert erfassbar wären sowie auch der Zusammenhang zwischen verfügbaren Umwandlungsfaktoren und Verwirklichungschancen mit Gesundheitsvariablen (objektive und subjektive) abbildbar wird.

6 Die Definition von Wohlfahrt ist nicht eindeutig im deutschen Sprachgebrauch. In dieser Arbeit ist das Verständnis von Wohlfahrt an Glatzer und Zapf (1984) angelehnt. Demnach soll Wohlfahrt: „…als Zusammenhang von Werten, Einstellungen, Zielen, Interessen und Erträgen gemessen werden“

(Glatzer & Zapf 1984, S. 28). In anderen Kontexten wird Wohlfahrt auch mit Lebensqualität gleichgesetzt (Noll 2003, S. 454). Auch in dieser Arbeit werden Lebensqualität und individuelle Wohlfahrt gleichgesetzt.

1.2 Zielsetzung und Fragestellungen der Untersuchung

18 Die Forschungsfragen, die sich darauf aufbauend argumentativ entwickeln, sind:

e) Wie sind die Verwirklichungschancen in einer ausgewählten älteren Bevölkerung verteilt, differenziert nach soziodemographischen und -ökonomischen Merkmalen (Geschlecht, Alter und sozioökonomischer Status)?

f) Welche Zusammenhänge bestehen zwischen verfügbaren Umwandlungsfaktoren und Verwirklichungschancen mit Gesundheitsvariablen und dem sozioökonomischen Status?

g) Lässt sich der eindrücklich belegte soziale Gradient, der sich im Zusammenhang zwischen sozialer und gesundheitlicher Ungleichheit zeigt, auch auf die individuell verfügbaren Entscheidungs- und Handlungsfreiheiten übertragen?

h) Letztlich stellt sich die Frage, ob Verwirklichungschancen komplementäre Indikatoren für die vertikalen Schichtindikatoren sein könnten, das heißt sind Verwirklichungschancen das geeignete Maß um die soziale Ungleichheitsforschung im höheren Lebensalter zu ergänzen?

Studienphase 4

In der vierten Studienphase soll eine Perspektiventriangulation auf Grundlage der erhobenen qualitativen und quantitativen Ergebnisse erfolgen. Durch die Ergebnistriangulation soll ein Vorschlag für ein theoretisch-konzeptionelles Rahmenmodell abgegeben werden für empirisch begründete theoretische Konzeptionalisierungen für das „gelingende“ Altern im höheren Lebensalter unter dem Einbezug von sozialen Ungleichheitsaspekten.

Die daraus abgeleitete Forschungsfrage ist in der Konsequenz:

i) Wie sieht auf Grundlage der theoretischen Ergebnisse (Studienphase 1) und der empirischen qualitativen und quantitativen Erkenntnisse (Studienphase 2 und 3) ein zusammengefasstes theoretisch-konzeptionelles Rahmenmodell für die gesundheitliche Ungleichheitsforschung mit der Zielgröße des „gelingenden“ Alterns unter Berücksichtigung des CAs aus?