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2 Lebensqualität und „ gelingendes “ Altern

2.1.1 Lebensqualitätsforschung in den Gesundheitswissenschaften

Im Vergleich zu soziologischen, wirtschaftswissenschaftlichen oder philosophischen Konzeptualisierungen von Lebensqualität wird im gesundheitswissenschaftlichen und medizinischen Bereich der Terminus Lebensqualität immer in Verbindung mit Gesundheit bzw. Krankheit gebracht, so dass sich hieraus auch die parallelen Begrifflichkeiten „gesundheitsbezogene Lebensqualität“ und

subjektive Gesundheit“ ergeben (Koller et al. 2009). Der Begriff Lebensqualität ist bislang auch innerhalb der Human- und Gesundheitswissenschaften nicht eindeutig oder einheitlich definiert worden, da die zu beurteilenden Eigenschaften in sehr unterschiedlicher Weise bestimmt werden (vgl. u. a. Holzhausen 2009). Dennoch ist Lebensqualität eines der am häufigsten verwendeten Konstrukte zur Bestimmung von Zielgrößen bei medizinischen oder pflegerischen Interventionsmaßnahmen. Die semantische Bestimmung des Begriffs wurde bisher relativ willkürlich vorgenommen. In bisherigen Literaturstudien zu Konzepten und Operationalisierungen lassen sich Ambiguitäten und unscharfe Definitionsabgrenzungen des Begriffs Lebensqualität finden wie

subjektives Wohlbefinden“, „Lebenszufriedenheit“, „sozioökonomische Situation“,

Gesundheitsstatus“ usw., die sich inhaltlich stark unterscheiden, da das hypothetische Konstrukt Lebensqualität keine direkte, objektive Referenzgröße besitzt (Holzhausen 2009). Durch unterschiedlichste Konnotationen des Begriffs „Lebensqualität“ ist eine definitorische Abgrenzung zu linguistisch verwandten Begriffen wie Wohlfahrt und Wohlergehen („Well-Being“, engl.; „Salus“, lat.;

Wolvarn“, spätmhd.) häufig unpräzise in der gesundheitswissenschaftlichen Forschung vorgenommen worden. Insbesondere in der einschlägigen englischen Literatur werden Begriffe wie

Quality of Life“ und „Well-Being“ synonym verwandt (vgl. u. a. Grewal et al. 2006; Makai et al.

2014). Gesundheitsbezogene und generische Lebensqualitätskonstrukte werden jedoch in der gesundheitswissenschaftlichen Ausrichtung je nach interessierender Variable voneinander unterschieden. „Health-related Quality of Life“ (HrQol) Bewertungen beschreiben mindestens psychologische, physische oder soziale Dimensionen, während breitere Lebensqualitätskonzeptualisierungen auch andere Lebensbereiche miteinbeziehen, die Lebensqualität von Menschen erfassen, wie Lebenssinn und Erreichtes, finanzielle Aspekte, Sicherheit oder persönliche Freiheiten (Makai et al. 2014). Einer der Hauptunterschiede zwischen diesen Konzepten ist sicherlich die Zielvariable. In Konzepten zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität werden weitestgehend nicht ökonomische, politische, kulturelle und spirituelle Faktoren berücksichtigt, sondern alleinig eng gefasste gesundheitsbezogene Merkmale und deren Einflüsse betrachtet im Gegensatz zu häufig breiter angelegten sozialwissenschaftlichen

2.1 Lebensqualität

33 konzeptuellen Ansätzen (vgl. auch Wilson & Cleary 1995). Gesundheitsbezogene Lebensqualitätskonstrukte sind dabei i. d. R. zwar auch multidimensional konzipiert, deren Fokus liegt jedoch zumeist auf kurativen, krankheits- (resp. gesundheitsbezogenen) Outcome-Ergebnissen, wohingegen allumfassende Lebensqualitätskonzepte (im engl. „Qol“) gesundheitsbezogene Dimensionen sowie Dimensionen des subjektiven Wohlbefindens inkludieren (Makai et al. 2014). Die gesundheitsbezogene Lebensqualität wird deshalb auch als ein Teil der generischen Lebensqualität gesehen. Die Grenzen zwischen den Modellen der (gesundheitsbezogenen) Lebensqualität und den Modellen zur generischen Lebensqualität sind entsprechend häufig fließend.

Die WHO hat eine relativ breite Definition von Lebensqualität konzeptualisiert, die neben gesundheitsbezogenen auch soziale und ökonomische Aspekte beinhaltet: „Quality of life reflects the perception of individuals that their needs are being satisfied and that they are not being denied opportunities to achieve happiness and fulfilment, regardless of physical health status, or social and economic conditions” (WHO 1998b, S. 18).

Des Weiteren werden von der WHO (1998b) kulturelle, soziale und umweltbezogene Faktoren miteinbezogen in die Bewertung der Lebensqualität, welche wiederum in sechs Bereiche aufgespalten worden sind: physische Dimensionen, psychologische Dimensionen, Grad der Unabhängigkeit, soziale Beziehungen, umweltbezogene Dimensionen und persönliche Einstellungen/Spiritualität. Die WHO beschreibt zudem eine Befriedigung von Bedürfnissen als Bedingung für Lebensqualität. Demnach bezieht sich diese Konzeption von Lebensqualität auf subjektive Bewertungen. Die Formulierung der Definition von Lebensqualität vom Memorandum des Deutschen Netzwerks Versorgungsforschung ist breit angelegt und lehnt sich an die zuvor genannte Definition der WHO an: „Lebensqualität innerhalb der Gesundheitswissenschaften umfasst das subjektive Befinden und Handlungsvermögen im körperlichen, im psychischen und im sozialen Bereich“ (Koller et al. 2009, S. 867).13

Das Konstrukt Lebensqualität wurde im gesundheitswissenschaftlichen Kontext auch modellhaft aufbereitet. Ein exemplarisches gesundheitsbezogenes Lebensqualitätsmodell, das konzeptuell aufgearbeitet worden ist, stammt von Wilson und Cleary (1995). Diese stellen die verschiedenen Verbindungen zwischen den unterschiedlichen Gesundheitskonzepten dar und zeigen in stark vereinfachter Form die Wirkungsannahmen (siehe Abbildung 6).

13 Dieses umfassende generische Begriffsverständnis von Lebensqualität wird auch in dieser Arbeit verwendet.

2.1 Lebensqualität

35 Instrumente zu unterteilen, haben Koller et al. (2009, S. 868) ein mögliches Klassifikationssystem bestehender Lebensqualitätsfragebögen dargestellt (siehe Abbildung 7).

Fragebogentyp Inhaltlicher Schwerpunkt Beispiel

Generisch Multidimensionales Konstrukt der LQ Krankheitsübergreifende Aspekte der LQ

SF-3614 Krankheitsspezifisch Multidimensionales Konstrukt der LQ

Krankheitsspezifische Symptome und Funktionseinschränkungen

EORTC QLQ-C30 15 POLO-Chart16 Präferenzmaß Rangreihe verschiedener Gesundheitszustände EQ-5D17

Individualisiertes Maß Patientenspezifische Gewichtung verschiedener Dimensionen der LQ

SeiQol18

Abbildung 7: Klassifikation von Lebensqualitätsfragebögen Quelle: In Anlehnung an Koller et al. 2009, S. 868.

Die Passung zwischen Forschungsgegenstand und dem gewählten Fragebogentyp wird jedoch häufig kritisch undifferenziert gewählt. Makai et al. (2014) plädieren deshalb für die Entwicklung geeigneter Wohlergehensinstrumente, da unterschiedliche Disziplinen des Gesundheitswesens wie mentale Gesundheit, soziale Fürsorge und Public Health nicht unbedingt ein Interesse daran haben, lediglich oder hauptsächlich biomedizinische Gesundheitsmerkmale zu erfassen. Je nach Ziel sind die Erhebungsinstrumente zur Bewertung der Lebensqualität in versorgungsrelevanten Analysen jeweils spezifisch nach einem inhaltlichen Interessenschwerpunkt auszuwählen.

Ein weiterer Untersuchungsgegenstand ergibt sich aus der Frage, inwiefern in Bezug auf die Analyse der Lebensqualität im höheren Lebensalter eine Anpassung bzw. Erweiterung der generalistisch verwendeten Determinanten sinnvoll sein könnte. Differenzierte Auseinandersetzungen mit den Dimensionen der Lebensqualität im höheren Lebensalter finden v. a. im gerontologischen Kontext statt, wie z. B. in den theoretischen Modellen des „gelingenden“ Alterns. Bisher wird jedoch eine Synopse der Erkenntnisse in der gesundheitswissenschaftlichen Forschungsausrichtung erst wenig eingebracht.