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12.1 BAföG und Unterhaltsrecht (§§ 1, 11 BAföG; 1601 ff. BGB)

Das BAföG und das Unterhaltsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) greifen ineinan-der. Das bringt schon § 1 BAföG zum Ausdruck (siehe Kap. 2.1), der besagt, dass ein Rechtsanspruch auf Ausbildungsförderung nur besteht, wenn die für den Lebensunterhalt und die Ausbildung des/der Auszubildenden erforderlichen Mittel anderweitig nicht zur Verfügung stehen. Anderweitig zur Verfügung stehen können diese Mittel etwa aus eigener Arbeit oder vor allem aus Unterhaltsleistungen von Personen, die dem/der Auszubildenden gegenüber zum Unterhalt verpflichtet sind bzw. gegen die der/die Auszubildende einen Unterhaltsanspruch hat.

Das BAföG setzt also voraus, dass zuerst Unterhaltspflichtige in Anspruch genommen werden, bevor der Staat zur Ausbildungsfinanzierung beiträgt. Ausbildungsförderung kann demnach nur gewährt werden, wenn entweder Unterhaltspflichtige – zumeist die Eltern – nicht oder nicht in vollem Umfang zur Leistung von Unterhalt in der Lage sind, weil das Einkommen nicht ausreicht oder Unterhaltsansprüche nicht (mehr) bestehen. Ersteres ist der Normalfall der elternabhängigen Förderung; letzteres ist die elternunabhängige Förderung (siehe Kap. 7.1).

12.2 Unterhaltsansprüche gegen die Eltern 12.2.1 Bestehen von Unterhaltsansprüchen

Ob Unterhaltsansprüche bestehen, richtet sich nach dem Unterhaltsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs (dort §§ 1601 ff., insbesondere § 1610 Abs. 2). Danach umfasst der von den Eltern zu leistende Unterhalt auch die „Kosten einer angemessenen Vorbildung zum Beruf“.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss die Berufsausbildung der

Begabung, den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes entsprechen. Die Berufswahl muss aber auch nach Ausbildungsmöglichkeiten und vorhandenen Mitteln als vernünftig erscheinen. Auf die soziale Stellung der Eltern kommt es nicht an.

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12. Unterhalt und Unterhaltsverweigerung durch die Eltern

12.1 BAföG und Unterhaltsrecht | 12.2 Unterhaltsansprüche gegen die Eltern

Unterhaltsanspruch nur für eine Ausbildung

Die elterliche Unterhaltspflicht umfasst nur eine Berufsausbildung, also die erste Ausbil-dung mit einem berufsqualifizierenden Abschluss. Haben die Eltern bereits für eine Ausbildung Unterhalt geleistet, müssen sie i. d. R. nicht die Kosten einer Zweitausbildung tragen.

Von diesem Grundsatz gibt es folgende Ausnahmen:

Es stellt sich die Notwendigkeit eines Berufswechsels heraus, etwa aus gesundheitlichen Gründen.

Die oder der Unterhaltsberechtigte ist aus körperlichen oder geistigen Gründen (z. B.

durch Unfall) den Anforderungen des erlernten Berufs nicht mehr gewachsen.

Es stellt sich heraus, dass die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte.

Das Kind hat die Erstausbildung auf Wunsch der Eltern beendet.

Das Kind wurde von seinen Eltern in einen unbefriedigenden, seiner Begabung nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt.

Das Kind hat sich für eine objektiv nicht seiner Begabung und seinen Fähigkeiten ent-sprechende Ausbildung entschieden, wie z. B. Ausbildung zur Facharbeiterin oder zum Facharbeiter nach Abitur mit der Durchschnittsnote 1,0.

Die Weiterbildung war von vornherein angestrebt (dies betrifft insbesondere einen konsekutiven Masterstudiengang im Anschluss an ein Bachelorstudium).

Wichtig bei der Ausnahme, die frühere Berufsausbildung beruhte auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung, ist die Beachtung des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung dieser Frage. Dies ist der Beginn der ersten Ausbildung.

Wer also zum Beispiel nach der Mittleren Reife eine Berufsausbildung absolviert hat und danach das Abendgymnasium mit Erfolg besuchte und nun studieren will, kann aus dem Abitur nicht den Rückschluss ziehen, dass damals seine Begabung falsch eingeschätzt wurde. Maßgeblich bleibt der Zeitpunkt des Beginns der Berufsausbildung. Kommt es hier zum Streit darüber, ob die Eltern auch für die zweite Ausbildung unterhaltsverpflichtet sind, muss diejenige oder derjenige den Nachweis der Fehleinschätzung der Begabung führen, die oder der von den Eltern Unterhalt begehrt.

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12.2 Unterhaltsansprüche gegen die Eltern

Angemessene Ausbildung

Nur eine berufsqualifizierende Ausbildung gilt als angemessen. Das heißt, die Ausbildung muss zu einem förmlichen Abschluss führen. Dabei kommt es nicht auf die soziale Stellung an, die man erreicht hat. Entscheidend für die Beurteilung der Frage, ob eine erste Ausbildung angemessen war, ist der Zeitpunkt des ersten erreichten Schulabschlusses bzw.

des Beginns der ersten Ausbildung. Wer beispielsweise nach einem Hauptschulabschluss zunächst eine Ausbildung zur Kfz-Mechanikerin oder zum Kfz-Mechaniker gemacht hat und später auf dem Abendgymnasium Mittlere Reife und Abitur nachholt, hat i. d. R. keinen Unterhaltsanspruch mehr gegen die Eltern für eine weitere Ausbildung.

Dauer des Unterhaltsanspruchs

Die Unterhaltspflicht der Eltern ist i. d. R. nicht grenzenlos. Unterhaltspflicht besteht nach dem 18. Lebensjahr des Kindes für die Zeit, in der die berufsqualifizierende Ausbildung (ggf. inkl. konsekutivem Masterstudium) üblicherweise zum Abschluss gebracht werden kann. Längere Studienzeiten können bei besonderen Umständen wie z. B. Krankheit, ausbildungsbedingten Verzögerungen oder auch beim erstmaligen Nichtbestehen der Abschlussprüfung gerechtfertigt sein. Orientierung bieten hier die Gründe, die eine Verlängerung der Förderung nach BAföG über die Förderungshöchstdauer hinaus rechtfer-tigen (siehe Kap. 9.1.1). Wer die Abschlussprüfung nicht bestanden hat und bei wem keine rechtliche Möglichkeit mehr besteht, die Prüfung noch einmal zu wiederholen, muss sich nach anderen Finanzierungsmöglichkeiten umsehen, da die Eltern dann in aller Regel nicht mehr zum Unterhalt verpflichtet sind.

In einigen Studienfächern gehört auch die Promotion zum üblichen Abschluss, sodass die Unterhaltspflicht bis zu deren Abschluss bestehen kann.

Kosten der Ausbildung

Grundsätzlich umfasst die Unterhaltspflicht die Kosten für eine berufsqualifizierende Ausbildung. Unter Umständen können aber auch die Kosten eines Hochschulstudiums im Anschluss an eine berufsqualifizierende Ausbildung dazugehören, z. B. wenn dies mit den vorangegangenen Ausbildungsabschnitten in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang steht und die Finanzierung auch des Studiums den Eltern wirtschaftlich zumutbar ist (BGH, FamRZ 1989, S. 853). Vor dem Hintergrund des geänderten Ausbil-dungsverhaltens ist nach Auffassung des BGH die Ausbildung, die nach dem Abitur über eine Lehre, ein Volontariat oder dergleichen zu einem Studium führt, demnach insgesamt als einheitlicher Ausbildungsgang zu werten. Diesem „Abitur-Lehre-Studium“-Fall stellt die Rechtsprechung den Fall „Lehre-Abitur-Studium“ gleich, wenn Ausbildung und Studium fachlich und zeitlich eng zusammenhängen.

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12.2 Unterhaltsansprüche gegen die Eltern

Wird also nach der ersten Ausbildung z. B. noch zwei Jahre im erlernten Beruf gearbeitet, fehlt der zeitliche Zusammenhang. Der sachliche Zusammenhang entfällt, wenn nach einer Zimmerei-Ausbildung ein Geschichtsstudium aufgenommen wird. Darüber hinaus muss die Finanzierung der zweiten Ausbildung den Eltern wirtschaftlich zumutbar sein. Dies ist dann der Fall, wenn sie in besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen leben und ihr Lebensstandard nicht oder nur unwesentlich berührt wird. Damit untergräbt der BGH aber seine eigene – richtige – Aussage, dass es auf den sozialen Stand eigentlich nicht ankom-men dürfe. Jedenfalls wird die weitere Ausbildung damit, wenn eine Förderung nach BAföG nicht in Betracht kommt, zu einer Veranstaltung für Kinder reicher Eltern.

Unterscheidung: Zweitausbildung und Fachrichtungswechsel

Von der Finanzierung einer Zweitausbildung muss der Fachrichtungswechsel unterschieden werden (siehe Kap. 10). Nach einem Fachrichtungswechsel müssen die Eltern auch eine volle Ausbildung zu Ende finanzieren. Der Fachrichtungswechsel muss allerdings relativ frühzeitig erfolgen, also bei Studierenden möglichst bis nach dem dritten Semester. Eine Unterhaltspflicht besteht aber nicht mehr, wenn mehrfach die Fachrichtung gewechselt und dadurch fehlende Eignung dokumentiert wurde oder wenn der Fachrichtungswechsel zu spät erfolgte.

Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs sind

Bedürftigkeit der Auszubildenden (siehe Kap. 12.2.2) und

Leistungsfähigkeit der Unterhaltsverpflichteten (siehe Kap. 12.2.3). Danach bestimmt sich auch die Höhe des Unterhalts (siehe Kap. 12.2.4). Dabei muss besonders das Bestim-mungsrecht der Eltern (siehe Kap. 12.2.5), das Bestehen oder Nichtbestehen von Unter-haltsansprüchen für die Vergangenheit (siehe Kap. 12.2.6) und ein eventueller Sonderbe-darf (siehe Kap. 12.2.7) berücksichtigt werden.

Kinder Alleinerziehender haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres mindestens Anspruch auf den Regelunterhalt vom nicht sorgeberechtigten Elternteil. Das ist bei einfacher Lebenshaltung mindestens der im Regelfall erforderliche Betrag zum Unterhalt eines Kindes, das sich in der Pflege eines Elternteils befindet, vermindert um das anteilige Kindergeld. Im Übrigen besteht Anspruch auf den angemessenen Unterhalt.

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12.2 Unterhaltsansprüche gegen die Eltern

12.2.2 Bedürftigkeit

Es muss Bedürftigkeit der Auszubildenden vorliegen. Das ist nicht der Fall bei Volljährigen, die ihren Unterhalt aus eigenem Einkommen und/oder Vermögen bestreiten können.

Wer volljährig ist, muss grundsätzlich sein Einkommen durch eigene Arbeit verdienen. Nur bei einer Ausbildung besteht für Volljährige keine Erwerbspflicht. Sie können dann für ihre Ausbildung bis zu deren Abschluss Unterhalt verlangen. Als eigenes Einkommen der Auszu-bildenden werden die Ausbildungsvergütung sowie Ausbildungsbeihilfen angerechnet.

Bedürftigkeit liegt i. d. R. nicht vor bei verheirateten Auszubildenden, die die Ehegattin oder den Ehegatten bzw. die Lebenspartnerin oder den Lebenspartner vor den Eltern in Anspruch nehmen müssen. Die Eltern sind aber ggf. dann unterhaltsverpflichtet, wenn die Partnerin oder der Partner selbst nicht leistungsfähig ist, etwa weil sie oder er selbst studiert.

12.2.3 Leistungsfähigkeit der Eltern

Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Eltern wird das Nettoeinkommen zu Grunde gelegt, wobei das Kindergeld außer Betracht bleibt. Gegenüber volljährigen Kindern steht den Eltern ein angemessener Selbstbehalt zu. Für dessen Höhe bieten die Bedarfskontroll-beträge nach Düsseldorfer Tabelle einen Anhaltspunkt. Nach den üblichen unterhaltsrecht-lichen Regeln geht man von dem Bruttoeinkommen der Eltern aus, zieht die Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, besonderen Aufwendungen für die Arbeit, Fahrtkosten und gegebenenfalls Schulden in angemessener Höhe ab. Davon wird dann der angemessene Selbstbehalt abgezogen. Von dem verbleibenden Betrag ist dann noch vorrangig der Unterhalt für privilegierte Unterhaltsberechtigte abzuziehen, z. B. für minderjährige Kinder, sowie ggf. weitere Unterhaltsfreibeträge für die Ehepartnerin oder den Ehepartner bzw.

für die Lebenspartnerin oder den Lebenspartner. Nur der jetzt verbleibende Rest steht für den Unterhalt volljähriger Kinder zur Verfügung.

12.2.4 Die Höhe des Unterhalts

Die Eltern müssen einen angemessenen Unterhalt leisten, wozu die Kosten der Ausbildung einschließlich der Wohnungskosten gehören. Studierende, die nicht bei den Eltern wohnen, haben Anspruch auf mindestens den für sie maßgeblichen BAföG-Satz. Bei besonders guten wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern kann sich dieser Satz entsprechend erhöhen. Für Auszubildende legen die meisten Oberlandesgerichte zum Zweck der Pauschalierung Bedarfstabellen und Unterhaltsrichtlinien zu Grunde. Die bekannteste von ihnen ist die Düsseldorfer Tabelle des Oberlandesgerichts Düsseldorf, die Sie in ihrer jeweils geltenden Fassung zur Orientierung online einsehen können:

www.olg-duesseldorf.nrw.de/infos/Duesseldorfer_Tabelle/index.php.

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12.2 Unterhaltsansprüche gegen die Eltern

12.2.5 Das Bestimmungsrecht der Eltern

Das Gesetz gibt den Eltern die Möglichkeit, die Art der Unterhaltsgewährung zu bestim-men. Sie können also statt Geldunterhaltsleistung Wohnung und Essen in ihrem Haushalt anbieten (Naturalunterhalt). Sie müssen dabei allerdings auf die Belange ihres Kindes Rücksicht nehmen. Wenn die Eltern statt Geld Naturalunterhalt anbieten, kann dies in vielen Fällen unrechtmäßig sein, z. B. wenn das Kind selbst bereits ein Kind oder mehrere Kinder hat und einen eigenen Haushalt führt, wenn der Studienort weit entfernt liegt oder wenn das Vertrauensverhältnis zerrüttet ist. Dann haben die Eltern ihrem volljährigen Kind den Unterhalt grundsätzlich als Geldleistung zu gewähren.

Kommt es zur Zerrüttung mit den Eltern, ist es zu empfehlen, eine anwaltliche Rechtsbera-tung in Anspruch zu nehmen.

12.2.6 Unterhalt für die Vergangenheit

Für die Vergangenheit kann grundsätzlich kein Unterhalt verlangt werden, es sei denn, die Eltern befanden sich in Verzug. Dann besteht ein Anspruch auf Unterhaltszahlung ab Verzugsbeginn. Der Unterhalt muss, wenn er nicht sofort gezahlt wird, nachbezahlt werden. Dafür müssen Sie Ihre Eltern aber in Verzug setzen. Um sie in Verzug zu setzen, müssen Sie beide Elternteile zur regelmäßigen Unterhaltszahlung aufgefordert oder umfassend Auskunft über die aktuellen Einkünfte verlangt haben (besonderes Auskunfts-verlangen). Die Aufforderung zur Unterhaltszahlung kann etwa so aussehen wie im Musterbrief 3 (S. 142) gezeigt.