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7. Beispiele zur Erfassung der Sprechleistungen im Englischunterricht der Grundschule Englischunterricht der Grundschule

7.3 Die Untersuchungen von Kahl und Knebler

7.3.3 Vorüberlegungen zu den „Sprachtests“ in der Grundschule

Auch Kahl & Knebler orientierten ihren Sprachtest an den Zielen und Inhalten des Unterrichts: Neben den sprachlichen Zielen verwiesen sie bewusst auf erzieherische und motivationale Ziele (positive Haltung, Aufgeschlossenheit, Toleranz, Kooperation), die sie allerdings nicht in den Sprachtests erfassten.

Die Sprachtests umfassten in den Klassen 3 und 4 die Fertigkeiten Hörverstehen und Sprechen, denn: „Im Mittelpunkt des FU in allen Versuchsklassen standen das Hören und Sprechen. Nur diese Fertigkeiten konnten deshalb in Tests zur Sprachstandsbestimmung am Ende des 3. und 4 Schuljahres einbezogen werden.“

(Kahl & Knebler 1996: 45).

Im Gegensatz zu Doyé und Lüttge gaben Kahl & Knebler zu bedenken, dass formelle Leistungskontrollen und -bewertungen bewusst vermieden werden sollten, da die Kinder nicht an solche Test- bzw. Stresssituationen gewöhnt waren. „Aus diesem Grunde entwarfen wir gelenkte Interviews als Testinstrument. Diese Kommunikationssituationen kannten die Schüler/innen und wir nahmen an, dass sie so ihre fremdsprachlichen Fähigkeiten besonders gut und angstfrei zeigen konnten.“

(Kahl & Knebler 1996: 45). Die gelenkten Interviews wurden in allen 13 Klassen jeweils am Ende des Schuljahres durchgeführt (3. Schuljahr: Juli 1992; 4. Schuljahr:

Juli 1993). Somit handelt es sich auch hier um summative Tests.

7.3.4 Die Sprachtests am Ende von Klasse 3 und 4

Organisation:

Die Schüler wurden für den Sprachtest in Gruppen von 6-10 Schüler/innen aufgeteilt und von jeweils einer Person interviewt. In der Dokumentation bleiben jedoch einige Fragen offen:

- nach welchen Kriterien wurden die Schüler aufgeteilt (Geschlecht?

Zielsprachenkompetenz? Persönlichkeitsmerkmale? Freundschaften? etc.)?

- Wer war der Interviewer (externer oder interner Tester?)?

- Wo fand das Gespräch statt (in der Schule? Im Klassenzimmer?)?

Die Kriterien für die Gruppenaufteilung wurden - zumindest teilweise - für den Sprachtest im 5. und 6. Schuljahr beschrieben. Kahl & Knebler erklären dazu: „Um einen Querschnitt im Leistungsspektrum zu erhalten, wurden jeweils zwei Probanden aus dem oberen, dem mittleren und dem unteren Leistungsbereich getestet. Die Auswahl erfolgte nach den Zensuren und den Einschätzungen der Lehrkräfte.“ (Kahl

& Knebler 1996: 79f).

Das gelenkte Interview, das sowohl Hörverstehen als auch Sprechen erfasste, war 20 Minuten lang. Die Anweisungen wurden jeweils erst in Englisch und dann in Deutsch erteilt. Für die einzelnen Teile des Gespräches wurde ein Erwartungshorizont formuliert, der Sprechabsichten sowie erwartete sprachliche Mittel umfasste. Damit sollte eine relativ objektive Auswertung möglich sein.

Allerdings erwies sich dies für die Praxis nur bedingt tauglich:

Die Bewertung der mündlichen Kommunikationsfähigkeit ist ein Problem, das noch nicht in allen Punkten zufriedenstellend gelöst ist. Die Schwierigkeit liegt in der Anwendungsobjektivität. - Trotz der inhaltlichen und strukturellen Vorgaben ist keine Gesprächssituation wie die andere. Verschiedene Interviewpartner führen zu unterschiedlichen Gesprächsverläufen. Zum anderen ist es schwierig, eine ausreichende Auswertungsobjektivität zu gewährleisten.

(Kahl & Knebler 1996: 81)

Die nur bedingte Vorhersehbarkeit von Kommunikationssituationen, die insbesondere bei offenen Aufgaben typisch ist (vgl. Kap. 4.4.2), machte also die Beurteilung erheblich schwieriger.

Aufgaben

Im vierten Schuljahr vollzog sich der Sprachtest folgendermaßen:

1. Gegenseitiges Begrüßen der Kinder

2. Die Kinder werden aufgefordert, sich vorzustellen, sie seien Radioreporter. Sie sollen sich vorstellen und dann ihrem Nachbarn vier Fragen stellen. Anschließend stellt der Interviewer Fragen.

3. Der Interviewer zeigt eine Uhrzeit und die Schüler sollen sie benennen.

4. Der Interviewer zeigt den Lernern ein Bild, bei dem sie Objekte benennen und es beschreiben sollen.

(Kahl & Knebler 1996: 45ff)

Damit gibt es hinsichtlich der Aufgabentypen einige Ähnlichkeiten zu Doyé und Lüttge: Auch bei Kahl und Knebler beschrieben die Kinder ein Bild und beantworteten Fragen. Allerdings stellten sie auch Fragen und begrüßten sich anfangs, was mit dem kommunikativen Untersuchungsaufbau zusammenhing, der im Sprachlabor völlig wegfiel. Zudem waren die Aufgaben teils spielerisch verpackt (Radioreporter). Warum allerdings gerade das Abfragen der Uhrzeit bei diesen Aufgaben solch einen hohen Stellenwert erhielt, ist fraglich.

Auswertung:

Die Auswertung der Schüleräußerungen erfolgte mit Hilfe eines Auswertungsbogens unter qualitativen Gesichtspunkten, da eine quantitative Auswertung in Anbetracht des Umfangs des Datenmaterials nicht zu leisten gewesen wäre (vgl. Kahl & Knebler 1996: 45). Obwohl dies nicht explizit erwähnt wird, ist davon auszugehen, dass die Analyse im Nachhinein erfolgte, da sie sehr detailliert und damit auch zeitaufwändig ist. Das setzt voraus, dass - ähnlich wie in der Klassen 5 und 6 - die Äußerungen der Kinder auf Band aufgezeichnet wurden. Die Aufnahmen der Klassen 5 und 6 wurden später von zwei bzw. in nicht eindeutigen Fällen von drei externen Testern abgehört und bewertet. Das mehrmalige, zeitintensive Abhören war dabei notwendig, um Objektivität zu erreichen (vgl. Kahl & Knebler 1996: 81).

Folgende Aspekte wurden bei den Schüleräußerungen der Klassen 3 und 4 untersucht:

- Äußerungslänge (Einkonstituenten- bzw. Mehrkonstituenten-äußerungen)

- Äußerungstypen (Satzmuster bzw. selbständige Äußerungen, grammatische Korrektheit der Strukturen)

- Wortschatz (Vielfalt des Vokabulars in den verschiedenen Wortfeldern bzw. Themenkreisen)

- Aussprache/Intonation (schwierige Laute/Lautfolgen wurden in einer Liste festgehalten)

(Kahl & Knebler 1996: 47)

Damit unterschieden sich die Auswertungen in den Klassen 3 und 4 von denen in den Klassen 5 und 6, bei denen ein Beobachtungsbogen verwendet wurde, der auf Rating Skalen von Kahl basierte. Der Beobachtungsbogen umfasste folgende Aspekte:

- Gesprächsbeteiligung - Sprachliche Qualität - Flüssigkeit

- Aussprache

(vgl. Kahl & Knebler 1996, 82ff)

Warum diese Aspekte nicht für Klasse 3 und 4 verwendet wurden, bleibt offen.

7.3.5 Kritische Betrachtungen zu den Sprachtests

Einige Aspekte der Untersuchung von Kahl & Knebler sind mit der von Doyé &

Lüttge zu vergleichen: Auch in Hamburg wurde zunächst ein Schulversuch initiiert, der die Untersuchung möglich machte. Der zeitliche Rahmen war ähnlich wie bei dem Braunschweiger Forschungsprojekt, und zwar insgesamt 5 Stunden in der gesamten Grundschulzeit (eine Stunde mehr als im zweistündigen Englischunterricht in Hessen). Kahl & Knebler führten, ebenso wie Doyé & Lüttge, einen summativen Test, wahrscheinlich mit einem externen Tester, durch, und auch bei ihnen wurde der enge Bezug zum Unterricht hergestellt. Außerdem nahmen auch sie die Äußerungen der Kinder auf Band auf und werteten diese später aus. Ob und wenn ja, wann die Lehrkräfte und Schüler eine Rückmeldung erhielten, bleibt offen.

Allerdings gab es bei der Durchführung und der Auswertung einige Unterschiede, die sehr interessant sind. Zunächst stellten nicht nur die Aufgaben, die im Rahmen eines gelenkten Interviews eingebunden waren, eine enge Verbindung zum Unterricht her. Auch die Kommunikationssituation selbst, die eine angstfreie Atmosphäre schaffen sollte, war näher als bei Doyé & Lüttge an der Praxis orientiert.

Kahl & Knebler war es wichtig, dass die Kinder keinen (oder wenig) Stress empfanden, um ihre Leistungen bestmöglich zeigen zu können. Deswegen gestalteten sie den Test spielerisch (Reporter) und führten ihn in einem zeitlich eng umgrenzten Rahmen (20 Minuten) mit Kleingruppen (statt mit der ganzen Klasse) durch. Die Interaktion fand in dem Interview nicht nur zwischen der Lehrkraft und den Kindern, sondern auch unter den Kindern statt und hatte einen Einstieg, der für die Kommunikationssituation logisch ist (Begrüßung und Vorstellung). Somit war er nicht mehr so formell wie bei Doyé & Lüttge, hatte aber trotzdem einen formalen Testaufbau (Festlegung der Zeit, des Ortes, der Aufgaben; Durchführung durch einen externer Prüfer, Aufnahme auf Band zur späteren Auswertung).

Auch bei der Auswertung gibt es erwähnenswerte, neue Aspekte: Kahl & Knebler formulierten einen Erwartungshorizont, der als Ausgangspunkt für eine möglichst

objektive Beurteilung der Sprechleistung dienen sollte. Außerdem legten sie für die Auswertung Kriterien zugrunde. Für die Grundschule wurden einzelne Aspekte genannt, nach denen die Äußerungen kategorisiert wurden, und für die Klassen 5 und 6 gab es Beobachtungsbögen mit Rating Skalen, nach denen die Leistung eingeschätzt wurde. Auch wenn der Erwartungshorizont sich nicht als optimale Lösung erwies, scheint er doch, ebenso wie der Beobachtungsbogen von großer Relevanz: Beides diente der Auseinandersetzung mit den möglichen Kompetenzen der Schüler. Dadurch konnte sich der Tester auf die Testsituation vorbereiten und einen zielgerichteten Blick bei der Auswertung entwickeln.