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3. Die Kompetenz Sprechen im Englischunterricht der Grundschule Grundschule

3.7 Kompensation und Bereicherung der elementaren sprachlichen Kommunikationsfähigkeit Kommunikationsfähigkeit

3.7.1 Einsatz von Strategien

Kinder werden auch produzieren, d.h. sie beginnen mit tiefergehenden internen Analyse- und Reorganisierungsprozessen, die sich in ihrer extensiven Experimentierfreudigkeit niederschlagen. Die Anzahl der Kinder, die diese weitere Entwicklungsstufe erreichen, hängt von der jeweiligen Klasse mit ihren besonderen Bedingungen (Kontext, Schüler, Lehrkraft) ab.

3.7 Kompensation und Bereicherung der elementaren sprachlichen

auszugehen, daß im Spracherwerb weiter fortgeschrittene Kinder eher dazu tendieren, ihnen unbekannte Lexeme durch Substitutionsformen zu ersetzen als sprachlich schwächere Kinder. Diese hingegen reagieren auf noch nicht im Lexikon gespeicherte Adjektive in vielen Fällen mit Schweigen bzw. mit Antworten in der Erstsprache.“ (Hasiba, Jantscher & Peltzer-Karpf 1997: 55). Auch im Rahmen dieser Studie konnte diese Beobachtung gemacht werden (siehe im folgenden). Nicht nur einzelne Wortschatzlücken wurden mit deutschen Wörtern aufgefüllt (code-switching), sondern die Schüler beschränkten sich nur auf den Gebrauch des Deutschen. Diese Unterscheidung zwischen code-switching und L1-Antworten, wie sie auch Hasiba, Jantscher & Karpf vornehmen (Hasiba, Jantscher & Peltzer-Karpf 1997: 82), ist gerade in den frühen Phasen des Fremdsprachenlernens wichtig.

Aufgrund dieser Erkenntnisse wird im folgenden der Gebrauch des Deutschen (h) und die Vermeidung (g) als Reduktions- bzw. Vermeidungsstrategie gefasst und die anderen Strategien als Problemlösungsstrategien (a-f).

Strategien

Zu den Strategien, die die Schüler im frühen Englischunterricht anwenden, gehören folgende:

a) Die Erstsprache wird zum Füllen von Wortschatzlücken gebraucht (code-switching)

Wenn die Kinder anfangen, sich in der Fremdsprache zu äußern, geschieht das oft in einem Gemisch aus Fremdsprache und Deutsch (vgl. Bygate 1987: 44). „Während weniger fortgeschrittene Lerner eher dazu tendieren, den Großteil der Äußerung in der Erstsprache und nur ein oder zwei Wörter in der Zielsprache zu produzieren, lässt sich bei fortgeschrittenerem Erwerb genau das umgekehrte Bild beobachten.“

(Hasiba, Jantscher & Peltzer-Karpf 1997: 64). Typische Beispiele aus der Anfangsphase sind „Gib mir mal die green.“ „Ich hab´auch ´nen rabbit.“; später überwiegt der Gebrauch der Zielsprache, wie in den folgenden Beispielen aus dem vierten Schuljahr:

197 3_L1 K12 I can see a dog. Brown Haar und weiß Haar.

148 1_L3 K5 I can see. I can see (…) red Törtchen, also 108 1_L3 K4 Der dog. Der is grey and white.

Deutlich wird insbesondere bei dem dritten Beispiel das Interesse des Schüles, sich in Englisch auszudrücken: „Die hohe Motivation der Schüler, in der Fremdsprache zu kommunizieren, zeigt sich durch die Integration von englischen Lexemen in ein deutsch-dominiertes syntaktisches Gerüst.“ (Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 133).

Später (wie in den Beispielen 1 und 2) „ist der syntaktische Rahmen nun durch verstärkte fremdsprachliche Orientierung gekennzeichnet.“ (Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 136).

b) Wörter oder Satzteile werden paraphrasiert bzw. substituiert

Kennen die Kinder das Wort, das sie brauchen, in der Fremdsprache nicht, paraphrasieren bzw. substituieren sie es, wie im folgenden Beispiel:

247 3_L1 K14 Skirt. I can see a clock. I can see a window. In the window is water vom Himmel.

Das Kind möchte sagen, dass es regnet (was man durch das Fenster im Bild sieht), kennt aber nicht den Ausdruck. Deswegen beschreibt sie den Regen als Wasser vom Himmel (water vom Himmel). Da sie nur den Begriff Wasser auf Englisch kennt, gebraucht sie außerdem für einen Teil ihrer Paraphrase das Deutsche.

c) die L1-Form wird morphologisch und/oder phonologisch an die L2-Form angepasst (foreignizing)

Diese Strategie ist häufig bei Kindern in der Grundschule, auch schon in frühen Entwicklungsstadien, zu beobachten: Um lexikalische Lücken zu schließen, wird das deutsche Wort morphologisch oder phonologisch dem Englischen angepasst (vgl.

Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 119, Hasiba, Jantscher & Peltzer-Karpf 1997: 23,64).

Beispiele für solche Äußerungen aus der Studie sind [əuma: ] (Oma), [o'rã: ʒənseft]

(Orangensaft), [vent] (Wand) und [blu: z] (Bluse):

142 1_L3 K5 Hmh. I can see white [vent]?

156 1_L3 K5 I can see green [blu: z].

d) Lerner erfinden Neologismen

Um sich auszudrücken, wenn ihnen ein Begriff nicht bekannt ist, erfinden die Schüler manchmal Wörter, die sich aus englischen Begriffen zusammensetzen.

Beispiele hierfür aus der Grundschule sind der pencilkiller (Tintenkiller), hair colour (Haarfarbe) und der eatroom (Esszimmer).

e) Übergeneralisierter Gebrauch von Strukturen und analogen Wörter und Substitution

Teilweise verwenden Kinder auch ihnen bekannte Strukturen und analoge Wörter, um Wortschatzlücken zu schließen. Diese Übergeneralisierung zeigt den fortgeschrittenen Fremdsprachenerwerb der Schüler, der auf Regelextraktion und -anwendung beruht: „Übergeneralisierungen sind jedoch ein wichtiges Indiz für sprachliche Fortschritte und deuten auf bereits stattgefundene Segmentierungs- und Analyseprozesse hin.“ (Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 136). So nutzt der Junge im folgenden Beispiel die Struktur „is wearing...“ nicht nur für Kleidung sondern auch für die Haarfarbe und die Farbe des Hundefells. Außerdem spricht er statt von Hundefell vom Haar des Hundes analog zu den Haaren eines Menschen:

166 3_L1 K11 I can see a dog. She`s wearing black and brown and white,

black and brown hair. (.) hmh. I can see a boy. She´s wearing a red pullover and blue shoes. (leise) Was kann ich denn noch sagen? (.) I can see a dog. She`s wearing black and white hair.

I can see a cat. She`s wearing blue and black hair. Hmh. I can see a boy. She`s wearing …

In einem anderen Beispiel, einem Einkaufsdialog, übergeneralisiert ein Schüler bewusst die Funktion einer Struktur: Das Kind (Verkäufer) sagt, dass der Hund 15 Pfund kostet. Der aufgeregte Schüler, der den Käufer spielt, zählt (aus Versehen) das imaginäre Geld falsch ab und will gehen. Der Verkäufer jedoch merkt es und will ihn aufhalten:

87 3_L3 K10 Thank you. How much is it?

88 3_L3 K11 Fifteen pounds.

89 3_L3 K10 Ten, two, two (flüstert: ) ten, two two (laut) one and one.

90 3_L3 K10 (K11 schaut ihn an, lacht, Klasse lacht; K10 ist irritiert) Ten, five, two, two, one. (zählt es auf den Tisch) Yes, good-bye.

(K10 will gehen)

91 3_L3 K11 (K11 ruft, gestikuliert mit dem imaginären Schein) Here you are. (gibt ihm einen Schein zurück)

92 3_L3 K10 Yes, good-bye. (winkt, lacht und geht) 93 3_L3 K11 Good-bye. (winkt)

In seiner Muttersprache würde der Verkäufer wahrscheinlich rufen „Stop, du hast mir zu viel Geld gegeben. Du bekommst noch etwas zurück.“ Hier aber entscheidet sich der Schüler bewusst dafür, in der Fremdsprache zu handeln und benutzt die Struktur, die ihm zur Verfügung steht („Here you are.“), kombiniert mit entsprechender Gestik und Lautstärke. Dadurch kann er sein kommunikatives Ziel erreichen.

f) Entschleunigung des Sprechprozesses

Bei vielen Kommunikationssituationen im Englischunterricht der Grundschule ist zu beobachten, dass die Kinder die Sprechprozesse entschleunigen, indem sie z.B.

Füllsel wie „äh“ und „ähm“ benutzen, Wörter wiederholen oder kleine Pausen einlegen. Dadurch erhalten sie mehr Zeit, ihre Äußerung zu planen, zu formulieren, zu artikulieren und zu kontrollieren:

128 1_L3 K5 I can see a red and, hm, red t-shirt. And … and yellow äh, five.

g) Vermeidung

Die Vermeidung ist eine Reduktionsstrategie, bei dem der Lerner seine Äußerung ändert, um ein Thema oder Schwierigkeiten (in der Aussprache und Formulierung) zu vermeiden bzw. eine für ihn einfachere Ausdrucksmöglichkeit zu wählen. Solche Vermeidungsstrategien zeigen sich z.B., wenn ein Lerner ansetzt, etwas zu sagen, es dann aber doch nicht ausführt.

Wie in der Studie festgestellt werden konnte, vermeiden die Lerner in der Grundschule interessanterweise jedoch oft nicht eine Äußerung, auch wenn sie

Schwierigkeiten bei der Aussprache oder der Formulierung oder dem Inhalt haben.

Stattdessen wenden sie sich hilfesuchend an die Lehrkraft, die ihnen helfen kann, das Gewünschte in der Fremdsprache mitzuteilen. Bei diesem Beispiel hat ein sonst leistungsstarker Junge die Struktur she/he is wearing ... vergessen und gerät ins Stocken. Er möchte nicht mit Hilfe von Ein- und Zweiwort-Äußerungen beschreiben, was die Kinder anhaben und bittet die Lehrkraft um Hilfe:

46 3_L1 K3 (..) Ähm. (....) 47 3_L1 L1 Do you need help?

48 3_L1 K3 Yes.

49 3_L1 L1 Where?

50 3_L1 K3 Ich weiß nicht mehr wie das heißt, wie man das sagt, was der noch anhatte, z.B. Schuhe oder so.

51 3_L1 L1 He`s wearing or she`s wearing.

52 3_L1 K3 He`s wearing blue shoes and grey socks. And orange hair. I can see a girl. She`s wearing blue (leise) blue, blue

Nachdem der Schüler diese Hilfe erhalten hat, kann er sie bei der restlichen Beschreibung des Bildes flüssig (und grammatikalisch richtig: he/she) anwenden.

h) Der Gebrauch des Deutschen

Oft ist im frühen Fremdsprachenunterricht auch zu beobachten, dass das Deutsche ausgiebig benutzt wird, um die elementare Kommunikationsfähigkeit zu bereichern:

„Diese Zuhilfenahme der dominanten Sprache ist ein vor allem in frühen Erwerbsstadien beliebtes Mittel zur Bewältigung von sprachlichen Barrieren.“

(Hasiba, Jantscher & Peltzer-Karpf 1997: 51). Die Nutzung des Deutschen hängt vor allem damit zusammen dass Schüler und Lehrkraft sich in der Schule nicht mit Zielsprachensprechern austauschen, sondern mit anderen Fremdsprachenlernern.

Dies hat zur Folge, dass der Gebrauch der Fremdsprache in der Regel nicht authentisch ist, sondern dem Lernen der Fremdsprache dient. Die Fremdsprache ist nicht unausweichlich nötig, um zu kommunizieren. (Ausnahme hierfür ist der Austausch mit fremdsprachlichen Sprechern z.B. durch Korrespondenzen oder fremdsprachiger Besuch in der Klasse).

Bei dem Gebrauch des Deutschen durch die Kinder (und teils auch die Lehrkraft) ist zwischen verschiedenen Formen zu unterscheiden.

Manchmal drücken die Sprecher etwas im Deutschen aus, weil sie es nicht im Englischen formulieren können. Dabei geht es z.B. um Verständnisfragen, Bitte um Hilfe, um Selbstkorrektur oder schlicht darum, ein Wort, dass sie im Englischen nicht kennen, durch ein Deutsches zu ersetzen.

Verständnisfragen:

22 1_L3 L3 Look. First. Can you look at the children and describe what they are wearing. The clothes they are wearing.

23 1_L3 K2 Also, was sie machen?

Erbitten von Hilfe:

55 1_L3 K3 Ähm, I can see a girl. She is wearing a purple dress. Ähm, I can see a boy. He is wearing red t-shirt. Ähm, there is, äh, a girl. She is wearing a green, äh, wie heißt das noch mal?

Selbstkorrektur:

Bei der Selbstkorrektur drückt der Sprecher aus, dass er etwas falsch gesagt hat (nee, ne, quatsch) oder er nutzt Korrektursignale (also).

120 3_L1 K8 It´s half, nee, quarter, quarter to, ne quatsch, quarter past one.

63 1_L3 K3 (…) Also. Da äh, I can see, also, two, also, a boy, black trainers.

She`s wearing, ähm, a orange, yellow, green pullover.

Füllen von Wortschatzlücken (der statt the, Haar statt hair):

108 1_L3 K4 Der dog. Der is grey and white.

197 3_L1 K12 I can see a dog. Brown Haar und weiß Haar.

Manchmal äußern sich Kinder (und Lehrkraft) weitgehend in Deutsch und der Wunsch, das Gesagte im Englischen auszudrücken, ist nicht wirklich zu erkennen.

Ob das Kind z.B. in dieser Situation statt „Den ich spielen kann“ und „So Lieder halt?“ die Wörter play und song, zusammen mit prosodischen und paralinguistischen Mitteln hätte nutzen können, bleibt für den Beobachter offen.

209 3_L2 L2 Can you tell me a song that you can play? A song?

210 3_L2 K10 Den ich spielen kann?

211 3_L2 L2 Mhm.

212 3_L2 K10 Ja.

213 3_L2 L2 Welchen?

214 3_L2 K10 So Lieder halt.

215 3_L2 L2 Yes, do you know a song?

216 3_L2 K10 Welchen?

217 3_L2 L2 (an die Klasse gewandt) Ja, es ist aber auch teilweise wieder etwas unruhig geworden. (zu K10) Welches Lied z.B. kannst du spielen?

Teils wird von der Lehrkraft - im Sinne der aufgeklärten Einsprachigkeit - auch bewusst auf die Fremdsprache verzichtet. Dies geschieht z.B., um komplexe Zusammenhänge darzustellen, die sonst viel mehr Zeit benötigen oder die die Kinder aufgrund ihrer Fremdsprachenkenntnisse nicht in der Fremdsprache verstehen würden. Teilweise wird auch das Deutsche eingesetzt, wenn die Lehrkraft sicherstellen möchte, dass die Kinder das Gesagte vollständig verstehen, und um Vertrauen aufzubauen, wie z.B. bei den ersten Kameraaufnahmen:

2 I_1_L3 L3 Für euch und mich ist es etwas ganz Neues. (...) Ihr braucht überhaupt keine Angst zu haben, das sind alles Sachen, die ihr kennt, die ihr wisst. Und ich garantier euch jeder, wird eine Antwort wissen zum Thema von der Frage.

Es gibt also vielerlei Gründe, statt der Fremdsprache das Deutsche zu benutzen, wobei nach wie vor gilt, dass Kinder und Lehrkraft im Sinne der aufgeklärten Einsprachigkeit möglichst dazu motiviert sein bzw. werden sollten, das Englische zu benutzen. Dass die Häufigkeit des Gebrauchs des Deutschen durch die Lehrkraft auch Auswirkungen auf die Schüler hat, zeigen Forschungsergebnisse von Peltzer-Karpf und Zangl: „Je mehr Deutsch von Seiten der deutschsprachigen Lehrerin gesprochen wird, desto stärker kommt auch auf Schülerseite die deutsche Sprache zum Einsatz.“ (Peltzer-Karpf und Zangl 1998: 51). Dies konnte auch bei dieser empirischen Untersuchungen festgestellt werden: Es zeigte sich deutlich, dass in einer Klasse, in der die Lehrkraft viel Deutsch sprach, auch die Kinder wenig Anstrengung unternahmen, sich in Englisch auszudrücken.