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3. Die Kompetenz Sprechen im Englischunterricht der Grundschule Grundschule

3.5 Die weitere Entwicklung

dass diese Annahme nicht uneingeschränkt aufrechterhalten werden kann. Zwar gibt es Kinder, die erstaunlich schnell die Aussprache der Fremdsprache erwerben, doch ist dies nicht die Mehrheit. Viele Kinder brauchen eine Phase der Annäherung an die fremden Laute und Intonation, was vielfältige Gründe haben kann. So haben z.B.

Kinder mit Lautdiskriminierungs-Schwierigkeiten im Deutschen (was z.B. oft bei Kindern mit Lese-Rechtschreib-Schwäche der Fall ist) auch Probleme, die Laute der Fremdsprache differenziert wahrzunehmen und wiederzugeben. Introvertierten Kindern kann es außerdem schwer fallen sich zu trauen, fremde Laute auszuprobieren. Auch spielen psychosoziale und motivationale Aspekte eine Rolle (vgl. Quetz 1998: 9ff). Darüber hinaus darf man nicht außer Acht gelassen werden, dass die zeitliche sehr geringe Präsenz der Fremdsprache (maximal 90 Minuten pro Woche) dazu beiträgt, dass die Kinder sich nur bedingt in das Englische einhören können.

teilweise kommunikativ absolut angemessen: Die Frage What can you see? wird mit Brown dog. beantwortet, How old are you? mit Ten. Teilweise wird aber im Laufe der Kommunikation bei den Ein- und Zwei-Wort-Äußerungen auch deutlich, dass die Kinder noch keine Struktur benutzen können, wie hier bei der Beschreibung des Bildes.

169 1_L3 K6 Yellow, white and red (..) red dress.

170 1_L3 L3 Hmh.

171 1_L3 K6 Blue trousers.

172 1_L3 L3 Right.

173 1_L3 K6 Orange, green and yellow pullover.

174 1_L3 L3 Right.

Ebenso wäre es im Deutschen ungewöhnlich (wenn nicht unmittelbar vorher die Frage „Was siehst du?“ gestellt wurde), nur die Gegenstände und ihre Farben zu nennen, ohne chunks wie „Ich sehe ....“ oder „Da ist ...“: Bei solchen Äußerungen, die für die Anfangsphase typisch sind, muss der Kontext bekannt sein (vgl. Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 163).

Auch später benutzen Kinder häufig Ein- und Zweiwortäußerungen, um sich auszudrücken. Dies geschieht dann nicht aufgrund von mangelnder Kompetenz, sondern weil es kommunikativ völlig ausreichend ist und den typischen Merkmalen des Sprechens entspricht. So reicht auf die Frage What`s your name? die Antwort

„Tobias.“, auch wenn die Lehrkraft im Rahmen des Fremdsprachenunterrichts erwartet, dass er sagt: My name is Tobias. oder I am Tobias. Die hohe Toleranz in der mündlichen Kommunikation und die Orientierung am Inhalt (nicht an der Form), die in der Muttersprache herrscht, muss also zumindest teilweise auch auf die Fremdsprache übertragen werden.

Typisch für diese frühe Phase, in der das Lexikon stark inputabhängig ist und recht schnell angespeichert werden kann, ist neben den Ein- und Zwei-Wortäußerungen sowie den Äußerungen in der L1 auch die unanalysierte Verwendung von ganzen, festen, als Einheit erlernten und gespeicherten Spracheinheiten, sogenannten chunks oder formulas (How are you? I`m fine. Thank you.). Diese werden in den Rahmenrichtlinien als Redemittel, Sprachfunktionen oder Sprechabsichten bezeichnet (vgl. Gompf 1980: 138, Schmid-Schönbein 2001: 72). Sie unterstützen die Ausdrucksmöglichkeiten der Kinder in diesem frühen Stadium der elementaren linguistischen Kompetenz (vgl. Brewster, Ellis & Girard 1991: 65, Curtain & Pesola 1994: 118, Cameron 2001: 50).

Die typische Verwendung eines chunks zeigt sich auch bei den Beobachtungen im Rahmen der Studie. Auf die Frage der Lehrkraft, wie sich die Hexe Winnie fühlt, wendet ein Kind den ihm bekannten und oft wiederholten chunk I`m angry (und eine entsprechende Gestik) an.

180 1_L4 L4 How does she feel about the cat on the bed? Is she happy about that?

181 1_L4 K8 (schüttelt mit dem Kopf) I`m angry.

Er kann den chunk nicht in die dritte Person Singular umsetzen (She`s angry), kann sich aber mit seiner Hilfe auf Englisch verständlich machen. Dies ist ein deutliches

Beispiel, inwiefern chunks den Kindern helfen, sich auszudrücken, auch wenn sie nicht korrekt benutzt werden: „In dieser Phase der Anspeicherung, die übrigens notwendige Voraussetzung für das Erkennen von Regelmäßigkeiten ist, verwenden die Kinder bestimmte Flexionsmuster (z.B. Singular - Pluraldifferenzierung) sowohl adäquat als auch nicht adäquat.“ (Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 76).

Im folgenden Erwerbsverlauf der Fremdsprache, werden die chunks analysiert und aufgespalten. Hasiba stellt den den Nutzen der chunks und ihren veränderten Gebrauch im Lernfortschritt folgendermaßen dar:

Diese vorfabrizierten Satzgebilde können vor allem in der Anfangsphase des Fremdsprachenerwerbs hilfreich sein, da sie vielseitig einsetzbar sind und den Einstieg in den aktiven Sprachgebrauch erleichtern. Mit steigendem (Fremd)sprachenniveau werden sie als frame verwendet, in dessen open slots verschiedene Konstituenten eingefügt werden können, was wiederum die Flexibilität der Ausdrucksweise erhöht.

(Hasiba, Jantscher & Peltzer-Karpf 1997: 71f)

Ähnliche Beobachtungen konnten in einer Grundschulklasse durch die Forscherin gemacht werden: Im zweiten und dritten Schuljahr wurden im Laufe der Zeit die chunks My favourite animal is a ...., My favourite colour is ...., My favourite number is ... etc. und die entsprechenden Fragen What is your favourite animal/colour/number? eingeführt. Nachdem die Schüler die Monate erlernt hatten, sagte eines Tages ein leistungsstarker Schüler als er sich vorstellen sollte My favourite month is September. (der Monat, in dem er Geburtstag hat). Er hatte also die als chunk gelernte Einheit My favourite colour is .... aufgespalten und den Rahmen (frame) My favourite .... is .... mit den offenen Variablen (open slots) zur Einbindung seiner Variable (month und September) genutzt. Dieses Beispiel zeigt, dass perspektivisch gesehen, die Veränderbarkeit und Offenheit der chunks bzw.

Redemittel, also „ihr generatives Potential zur eigenen Sprachschöpfung“ (Sarter 1997: 114f) entscheidend ist. Peltzer-Karpf und Zangl unterstützen diese Ansicht und weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, wie die Lehrkraft durch Wiederholung von Strukturen im Unterricht die Wahrnehmung der frames und open slots durch den Schüler fördern kann:

Während vollständige Wiederholungen die Festigung von chunks (zunächst nicht analysierte Phrasen) fördern, erkennt der Schüler durch teilweise Wiederholung wie und wo ein chunk aufgespalten werden kann (z.B. What`s this? ... and this?).

(Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 35)

Obwohl sie die Wiederholungen als Grundlage zur Wahrnehmung von Mustern und Gesetzmäßigkeiten unterstützen, weisen sie gleichzeitig darauf hin, dass übertriebenes Wiederholen auch zu fossilization führen kann. Deswegen sollten neben den vollständigen Wiederholungen auch stets variantenreiche Wiederholungen eingebaut werden (vgl. Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 35). Dadurch kann die Segmentierung und Analyse, die Grundlage für das Sprachenwachstum ist, erleichtert werden (vgl. Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 28).

Während die Schüler anfangs die chunks recht oberflächlich analysieren und segmentieren, indem sie einfache offene Variablen erkennen (My favourite ... is a ...), folgt eine Phase, in der die Kinder die chunks tiefer analysieren und schließlich eine erhöhte morphosyntaktische und semantisch-lexikalische Flexibilität erreichen (vgl.

Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 157). Die kreativen und freien Produktionen nehmen zu

und die Kinder werden variabler in ihrer Ausdrucksweise. Im zweistündigen Englischunterricht der Grundschule ist allerdings davon auszugehen, dass höchstens einzelne Kinder diese Stufe des Entwicklungsprozesses erreichen (vgl. Hasiba, Jantscher & Peltzer-Karpf 1997: 83).

Solange sich die Kinder in einem frühen Erwerbsstadium befinden, in denen sie weitgehend unanalysierte, fest gespeichterte chunks und formulas verwenden und sich damit an einem festen Sprachmuster, einer Norm, orientieren, machen sie kaum Fehler: „Der hohe Korrektheitsgrad (pseudostabiler Ordnungszustand) ist durch lexikalisierte Einheiten zu erklären.“ (Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 163). Eine Ausnahme sind die - auch in der Muttersprache typischen - Fehler, die dadurch zustande kommen, dass die Kinder beim Sprechen unmittelbar (on line) reagieren müssen. Was passiert aber, wenn dies beim fortgeschrittenen Fremdsprachenlernen nicht mehr der Fall ist und die Kinder beginnen, die chunks tiefer zu analysieren und zu segmentieren?

Erst wenn sich die Schüler nicht mehr an die Norm halten und das vorgegebene Modell verlassen, um mit der Sprache zu experimentieren, beginnen sie „Fehler“ zu machen. Das geschieht erst dann, wenn die Kinder eine kritische Masse an Informationen aufgenommen haben, auf deren Grundlage Reorganisationsprozesse stattfinden können (vgl. Hasiba, Jantscher & Peltzer-Karpf 1997: 79, Peltzer-Karpf &

Zangl 1998: 38,44):

Eines der wichtigsten und auch am deutlichsten erkennbaren Merkmale eines sich im Fortschritt befindlichen Erwerbs ist - wie bereits angesprochen - die Experimentierfreudigkeit der Kinder. Die von ihnen produzierten Kreativformen sind der entscheidende Hinweis, dass die Kinder eigenständig mit Sprache arbeiten und allmählich den strukturellen Code knacken. Mit zunehmend höherem sprachlichen Niveau nehmen imitative Produktionen sukzessive ab. Dieser Fortschritt im Erwerb wird fälschlicherweise häufig als Rückschritt interpretiert, da es zu einer auffallenden Reduktion von korrekten Produktionen und zu einem gleichzeitigen Anstiegen von sogenannten Fehlern kommt.

(Hasiba, Jantscher & Peltzer-Karpf 1997: 94)

Ein Beispiel für einen „intelligenten Fehler“ (Schmid-Schönbein 2001: 36), der die eigenständige Strukturierung der Sprache und die Hypothesenbildung durch die Schüler belegt, ist die Übergeneralisierung von Regeln. Die Kinder beginnen damit erst bei fortgeschrittener Fremdsprachenkompetenz, z.B. wenn sie von sheeps, fishes und mouses reden (vgl. Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 77): „Morphologische Übergeneralisierungen (z.B. mouses anstatt mice) zeugen von einer fortgeschrittenen Verarbeitung (...) (Hasiba, Jantscher & Peltzer-Karpf 1997: 79).

Ein weiteres Beispiel im grammatischen Bereich zeigt sich hier, wo der Junge das Personalpronomen (she) durch das Anhängen vom -s als Possessivpronomen nutzt.

257 3_L1 K14 Mhm. I can see another girl. Her hair colour. She`s hair colour is yellow and orange.

Interessant ist dabei, dass er erst die richtige Form benutzt, sich aber gegen sie entscheidet. Das zeigt die Korrekturresistenz, die typisch für diese Phase ist (vgl.

Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 163)

Einige Kinder benutzen, sobald sie verstanden haben, dass sich die Singular- und Pluralform des Hilfsverbes to be unterscheiden (am/is/are) auch eine Weile mehrere Formen:

117 1_L4 K4 Winnie puts Wilbur into the garden. The grass is green and Wilbur is are green.

Sie übernehmen also nicht mehr nur einen chunk, sondern reorganisieren ihn aktiv.

Auch im Bereich der Satzmuster zeigt sich die fortgeschrittene Entwicklung, wenn die Kinder die chunks aufspalten. Es werden weitgehend einfache, kurze, affirmative Sätze in der Gegenwartsform verwendet, deren Satzbau oft noch stark am Deutschen orientiert ist:

189 1_L4 K7 Äh, and the Winnie fells over Wilbur hin 185 2_L4 K12 I have breakfast in the school at zehn.

251 3_L1 K14 Her hair colour is brown.

Auch die Progressive Form wird nur selten verwendet und dann in Strukturen, die auswendig gelernt wurden (He/she is wearing. It`s raining.).

Auffallend ist, dass die Kinder in der Regel keine zusammengesetzten Sätze verwenden. Ausnahme ist eine Klasse, bei der die Kinder eine Geschichte nacherzählen. Die komplexen Strukturen, die in der Geschichte vorkommen, geben sie auch wieder:

109 1_L4 K4 When Wilbur sits on a chair and eyes open, Winnie can`t see Wilbur. When eyes, äh, when Wilbur sleep and eyes closed, Wilbur sits on the Winnie. (K6 schüttelt den Kopf)

115 1_L4 K6 Winnie is angry. She waves a magic wand a and acracadabra, Wilbur is green.

121 1_L4 K5 Hmh. Winnie can`t see when Wilbur sits on the chair, sits on the carpet

Aufgrund der anderen Äußerungen der Kinder, die vornehmlich aus chunks oder einfachen Strukturen bestehen, ist davon auszugehen, dass die Kinder diese komplexen Strukturen auswendig gelernt haben und nicht flexibel über sie verfügen.

All diese Reorganisationsprozesse geschehen nicht linear und unterscheiden sich damit von der Zunahme der Lexik, die linear verläuft (vgl. Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 164).

Insgesamt ist die Experimentierfreudigkeit, die das fortgeschrittene Sprachwachstum zeigt und als Produktion beschrieben werden kann (vgl. Mindt & Schlüter 2003: 44, Behr & Kierepka 2002a: 5), im Fremdsprachenunterricht der Grundschule immer wieder zu beobachten. Sie kann aber laut Sarter keinesfalls bei allen Schülern vorrausgesetzt werden. Sarter stellt bei ihren Unterrichtsbeobachtungen, die über

einen Zeitraum von vier Jahren durchgeführt wurden, fest, dass sich der Großteil der Gruppe noch am Ende des vierten Schuljahres der Fremdsprache in mimetischer Weise nähert (vgl. Sarter 1997: 54):

Die Zeit, die für eine Fremdsprachenbegegnung im Rahmen eines Stundenplans der Grundschule zur Verfügung steht bzw. wahrscheinlich jemals stehen wird, ist nun mit Sicherheit nicht ausreichend, um den Kindern ausreichend Gelegenheit zu Hypothesenbildung und ihrer Überprüfung, Korrektur und Festigung zu geben.

(Sarter 1997: 66)

Deswegen betont sie den Bedarf einer „realistischen Erwartungshaltung in Bezug auf das, was in der knapp bemessenen Zeit geleistet werden kann.“ (Sarter 1997: 126).

Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Auch wenn es sicherlich erstrebenswert ist, dass alle Kinder die Phase der strukturellen Reorganisierung der Sprache erreichen, entspricht dies nicht unbedingt der Realität in den fremdsprachlichen Klassenzimmern was u.a. mit dem Kontext (Ort und Zeit) und den beteiligten Personen (Persönlichkeitsvariablen bei den Schülern, Ausbildung der Lehrkräfte) zusammenhängt. Was von allen Kindern im zweistündigen Fremdsprachenunterricht der Grundschule (mit oft fachfremd unterrichtenden Lehrkräften) erreicht werden kann, ist eine im oben beschriebenen Sinne elementare Kommunikationsfähigkeit, bei der die Lerner über ein großes Lexikon verfügen und chunks mit offenen Variablen flexibel nutzen. „Elementar“ sollte hierbei nicht im Sinne von

„rudimentär“ (Klippel 2000: 23) begriffen werden, sondern auch und gerade im Sinne von ausbaufähig und „grundlegend“ (Sarter 1997: 120).