• Keine Ergebnisse gefunden

5. Die Kompetenz Sprechen und Sprechaufgaben in Kompetenzbeschreibungen Kompetenzbeschreibungen

5.3 Die Fertigkeit Sprechen im GER

Bevor die Fertigkeit Sprechen im GER dargestellt wird, bedarf es zunächst die viel diskutierte Frage zu klären, ob der GER überhaupt auf die Bedingungen des frühen Fremdsprachenlernens in der Grundschule anzuwenden ist. Denn oft wird beim GER in Frage gestellt, ob er für den Fremdsprachenunterricht angemessen sei, da er für

erwachsene Lerner formuliert wurde (vgl. Schocker-von Ditfurth 2004b). Sollte diese Unangemessenheit für den Englischunterricht in der Grundschule zutreffen, müsste der GER im Rahmen dieser empirischen Arbeit zum Frühen Fremdsprachenlernen nicht berücksichtigt werden.

Exkurs: GER - auch für die Grundschule geeignet?

Der GER geht von einem handlungsorientierten Ansatz aus: Was werden Lernende mit Sprache tun müssen? Welche Anforderungen werden dabei an sie gestellt?

Ausgehend von diesen Fragen werden Kompetenzen formuliert, über die Lerner zur erfolgreichen Bewältigung einer Situation bzw. Aufgabe verfügen müssen. Diese Situationen bzw. Aufgaben und die damit verbundenen Kompetenzen sind im GER nicht kindgemäß formuliert. Allerdings stellt sich die Frage, ob es nicht entsprechende Situationen in der Lebenswirklichkeit der Kinder bzw. der Lernwelt im Klassenzimmer gibt und ob die Kompetenzen demgemäß „übersetzt“ werden können.

So wird z.B. unter „Vor Publikum sprechen“ folgende Kompetenz auf A1 (Elementare Sprachverwendung) beschrieben: „Kann ein kurzes eingeübtes Statement verlesen, um z.B. einen Redner vorzustellen oder einen Toast auszubringen“ (Goethe Institut Inter Nationes et al 2001: 66). Während die Vorstellung eines Redners z.B. vor einem Theaterstück durchaus in der Grundschule vorstellbar ist, kommen Grundschüler wohl kaum in die Situation, einen Toast auszusprechen. Allerdings formulieren sie bei bestimmten Anlässen (Geburtstag, Weihnachten) Glückwünsche, welche evtl. mit einem Toast vergleichbar sind.

Auch bei der Skala „Transaktionen: Dienstleistungsgespräche“ muss man sich verdeutlichen, dass es sich z.B. um Einkaufsgespräche oder um die Bestellung im Restaurant handelt (wie es unter A2 formuliert wird).

Stellt man die Kompetenzbeschreibungen aus den Richtlinien der Bundesländer den Formulierungen im GER gegenüber, so zeigen sich deutliche inhaltliche Übereinstimmungen. Im Folgenden werden ausgehend von den (Rahmen-) Lehrplänen die entsprechenden Beschreibungen aus der Stufe A1 des GER zugeordnet. Dabei ergibt sich dieses Bild:35

Richtlinien der Bundesländer GER (die Zahlen in Klammer geben die Seitenzahlen im GER an)

vertraute Gegenstände, Personen, Tiere, Tätigkeiten benennen und

beschreiben (Merkmale, Eigenschaften)

Mündliche Produktion allgemein:

Kann sich mit einfachen, überwiegend isolierten Wendungen über Menschen und Orte äußern (64)

Zusammenhängendes monologisches Sprechen: Erfahrungen beschreiben:

Kann sich selbst beschreiben und sagen, was er/sie beruflich tut und wo er wohnt.

35Für die Rahmenpläne werden hier die Beschreibungen der Redemittel zugrunde gelegt, die aus einer Zusammenschau der Richtlinien aller Bundesländer erstellt wurden.

sich und andere vorstellen Zusammenhängendes monologisches Sprechen: Erfahrungen beschreiben:

Kann sich selbst beschreiben und sagen, was er/sie beruflich tut und wo er wohnt. (65) Vor Publikum sprechen:

Kann ein kurzes, eingeübtes Statement verlesen, um z.B. einen Redner vorzustellen.

(66)

Mündliche Produktion allgemein:

Kann sich mit einfachen, überwiegend isolierten Wendungen über Menschen und Orte äußern (64)

Konversation

Kann jemanden vorstellen (81) jemanden zu seiner Person befragen

(Befinden, Name, Alter, Klasse, Adresse...) und Fragen zur eigenen Person beantworten. (Kennenlernen)

Mündliche Interaktion allgemein:

Kann einfache Fragen stellen und beantworten, einfache Feststellungen treffen oder auf solche reagieren, sofern es sich um unmittelbare Bedürfnisse oder um sehr vertraute Themen handelt. (79)

Konversation:

Kann jemanden nach dem Befinden fragen und auf Neuigkeiten reagieren (81)

Informationsaustausch:

Kann Fragen zur Person stellen - z.B. zum Wohnort, zu Bekannten, zu Dingen, die man besitzt usw. - und kann auf entsprechende Fragen Antworten geben.

Interviewgespräche:

Kann in einem Interviewgespräch einfache, direkte Fragen zur Person beantworten, wenn die Fragen langsam, deutlich und in direkter, nicht idiomatischer Sprache gestellt werden.

(85) jemanden begrüßen und verabschieden

Mündliche Interaktion allgemein:

Kann einfache Feststellungen treffen und auf solche reagieren, sofern es sich um unmittelbare Bedürfnisse oder um sehr vertraute Themen handelt. (79)

Konversation:

Kann einfache Gruß- und Abschiedsformeln gebrauchen. (81)

sich entschuldigen und sich bedanken Zielorientierte Kooperation:

Kann jemandem etwas geben (83) Glückwünsche äußern und jemanden

einladen

Vor Publikum sprechen:

Kann einen Toast ausbringen. (66) Wünsche äußern Mündliche Interaktion allgemein:

Kann einfache Feststellungen treffen und auf solche reagieren, sofern es sich um unmittelbare Bedürfnisse oder um sehr vertraute Themen handelt. (79)

Vorschläge äußern Mündliche Interaktion allgemein:

Kann einfache Fragen stellen und beantworten, einfache Feststellungen treffen und auf solche reagieren, sofern es sich um unmittelbare Bedürfnisse oder um sehr vertraute Themen handelt. (79)

Zustimmung bzw. Ablehnung, Gefallen bzw. Missfallen kundtun

Mündliche Interaktion allgemein:

Kann einfache Feststellungen treffen und auf solche reagieren, sofern es sich um unmittelbare Bedürfnisse oder um sehr vertraute Themen handelt. (79)

Gefühle ausdrücken und andere danach fragen

Mündliche Interaktion allgemein:

Kann einfache Fragen stellen und beantworten, einfache Feststellungen treffen und auf solche reagieren, sofern es sich um unmittelbare Bedürfnisse oder um sehr vertraute Themen handelt. (79)

Vorlieben und Abneigungen ausdrücken und erfragen

Mündliche Interaktion allgemein:

Kann einfache Fragen stellen und beantworten, einfache Feststellungen treffen und auf solche reagieren, sofern es sich um unmittelbare Bedürfnisse oder um sehr vertraute Themen handelt. (79)

Interviewgespräche:

Kann in einem Interviewgespräch einfache, direkte Fragen zur Person beantworten, wenn die Fragen langsam, deutlich und in direkter, nicht idiomatischer Sprache gestellt werden.

(85) mit Fragen allgemeine Informationen einholen und Antworten geben (Dies ist zu unterscheiden mit Fragen zur Person; hier sind Fragen zu Zeit, Ort, Preis, Farbe ... gemeint.)

Transaktionen: Dienstleistungsgespräche:

Kommt mit Zahlen, Mengenangaben, Preisen und Uhrzeiten zurecht. (84)

Informationsaustausch:

Kann einfache Fragen stellen und beantworten, einfache Feststellungen treffen oder auf solche reagieren, sofern es sich um unmittelbare Bedürfnisse oder um sehr vertraute Themen handelt. (...)Kann Zeitangaben machen mit Hilfe von Wendungen wie nächste Woche, letzten Freitag, im November, um drei Uhr. (85) Verstehensprobleme artikulieren und

um Wiederholung von Äußerungen bitten

Informationsaustausch:

Kann einfache Feststellungen treffen (85) Zielorientierte Kooperation:

Kann jemanden um etwas bitten. (83) andere auffordern, etwas zu tun (auch

Spielanweisungen)

Zielorientierte Kooperation:

Kann jemanden um etwas bitten. (83) Transaktionen: Dienstleistungsgespräche:

Kann andere um etwas bitten. (84) um Gegenstände, Hilfe,

Unterstützung, Erlaubnis bitten

Zielorientierte Kooperation:

Kann jemanden um etwas bitten. (83)

Transaktionen: Dienstleistungsgespräche:

Kann andere um etwas bitten. (84) seine Hilfe anbieten. Zielorientierte Kooperation:

Kann jemandem etwas geben (83)

Transaktionen: Dienstleistungsgespräche:

Kann anderen etwas geben. (84)

Wie diese Gegenüberstellung zeigt, sind die inhaltlichen Übereinstimmungen deutlich. Wichtig ist jedoch, dass teilweise die Beispiele angepasst werden und dass man über die Begrifflichkeiten wie z.B. „Transaktionen: Dienstleistungsgespräche“

hinwegsieht, da diese sehr kindfern sind. Auch bei den Themen (Goethe Institut Inter Nationes 2001: 58) gibt es zahlreiche Überschneidungen mit den Richtlinien der Grundschulen (Hessisches Kultusministerium 1995: 246).

Aufgrund dieser Überlegungen erscheint es durchaus möglich, die Aussagen des GER auch auf den frühen Fremdsprachenunterricht in der Grundschule zu beziehen.

Dementsprechend kann untersucht werden, inwiefern sich die Beschreibungen der Grunddimensionen des Sprach- und Sprechwachstums sowie die Sprechaufgaben im GER wiederfinden.

Der GER stellt insgesamt eine Lernentwicklung dar. Allerdings gilt das nur für die Stufen A1 bis C2. Die Entwicklung, die bis zu A1 stattfindet, wird nicht ausdifferenziert und konkretisiert. Gerade diese Phase bis zur elementaren Sprachverwendung (A1) (Breakthrough) wird aber in der Regel als Niveau für die Kinder in der Grundschule angesetzt (vgl. Legukte 2003b: 129). Entsprechend wird das Sprech- und Sprachwachstum, das in der Grundschule stattfindet, im GER nicht gespiegelt.

Die Einordnung der Kinder am Ende der Klasse 4 bei A1 bzw. davor erscheint sinnvoll, da die Kinder im Rahmen ihres Klassenzimmer schon viele Aufgaben erfolgreich meistern können. Es stellt sich allerdings die Frage, ob sie dies auch außerhalb der vertrauten Lernsituation in authentischer Umgebung könnten: So üben die Schüler z.B. einen Einkaufsdialog mit ihren Mitschülern und kommunizieren hierbei erfolgreich. Was passiert aber, wenn sie mit fremder Aussprache, mit anderen als den in der Schule erlernten Strukturen und Wörtern konfrontiert werden?

Hierdurch wird die erfolgreiche kommunikative Handlung erheblich schwieriger, auch wenn die Kinder einen Kommunikationspartner haben, der „etwas langsamer wiederholt, umformuliert oder korrigiert“ (Goethe Institut Inter Nationes 2001: 38), wie dies in der Beschreibung für die Interaktion auf A1 zu finden ist. Insgesamt ist jedoch davon auszugehen, dass einige Kinder am Ende der Klasse 4 abhängig von den kontextuellen und persönlichen Bedingungen das Kompetenzniveau A1 - mit all seinen Einschränkungen (siehe unten) - erreichen können.

Dieses Kompetenzniveau A1 wird im GER differenziert nach produktiven mündlichen Aktivitäten und Strategien und interaktiven mündlichen Aktivitäten und Strategien dargestellt (Goethe Institut Inter Nationes 2001: 64ff + 79ff). Die Formulierungen enthalten Begriffe wie „isolierte Wendungen“, „einfach“ und

„direkt, nicht-idiomatisch“ (Goethe Institut Inter Nationes 2001: 79ff), die im

„Beurteilungsraster zur mündlichen Kommunikation“ hinsichtlich der Komponenten Komponenten Spektrum, Korrektheit, Flüssigkeit, Interaktion und Kohärenz präzisiert werden (Goethe Institut Inter Nationes 2001: 38). Durch dieses Raster

entsteht ein konkreteres Bild von der Kompetenz auf A1 und zwar auch hinsichtlich der pragmatischen Kompetenz (Interaktion) und der Strategien (braucht viele Pausen, um Verständigungsprobleme zu beheben).

Natürlich gibt es bei dieser Beschreibung Interpretationsspielraum durch folgende Merkmale:

- Qualität (einfach, überwiegend isoliert, kurz) - Einschränkung (doch ist die Kommunikation ....) - Merkmale von Themen (sehr vertraut)

- Quantität (großes Repertoire, viele Pausen, einige wenige).

Trotzdem gibt der GER durch diese Angaben eine vergleichsweise umfassende und klare Darstellung der Sprechkompetenz auf dieser Stufe. Dass z.B. von einem

„auswendig gelernten Repertoire“ an Strukturen und Satzmustern sowie von

„weitgehend vorgefertigten Äußerungen“ gesprochen wird (Goethe Institut Inter Nationes 2001: 38), zeigt, dass sich A1 weitgehend auf der Stufe der Reproduktion (unveränderte Wiedergabe von chunks) und der Teilreproduktion (Nutzung der Variablen in chunks) befindet.

Analysiert man die Aufgaben des GER so wird deutlich, dass auch hier nur eine begrenzte Darstellung erfolgt. Viele Aufgaben werden nicht genannt (Benennen von Dingen, Wiedergabe von Texten, Geben von Anweisungen, die interaktive Nacherzählung von Geschichten und die Gestaltung des fiktionalen Dialogs und der Rollenspiele). Hingegen werden andere Aufgaben, teils sehr ausführlich, dargestellt:

- Beschreibung

- Teilnahme an Dialogen - Austausch von Informationen

Dies geschieht allerdings, wie bereits erläutert, häufig unter anderen Begrifflichkeiten.