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3. Die Kompetenz Sprechen im Englischunterricht der Grundschule Grundschule

3.6 Imitation, Reproduktion, Produktion

einen Zeitraum von vier Jahren durchgeführt wurden, fest, dass sich der Großteil der Gruppe noch am Ende des vierten Schuljahres der Fremdsprache in mimetischer Weise nähert (vgl. Sarter 1997: 54):

Die Zeit, die für eine Fremdsprachenbegegnung im Rahmen eines Stundenplans der Grundschule zur Verfügung steht bzw. wahrscheinlich jemals stehen wird, ist nun mit Sicherheit nicht ausreichend, um den Kindern ausreichend Gelegenheit zu Hypothesenbildung und ihrer Überprüfung, Korrektur und Festigung zu geben.

(Sarter 1997: 66)

Deswegen betont sie den Bedarf einer „realistischen Erwartungshaltung in Bezug auf das, was in der knapp bemessenen Zeit geleistet werden kann.“ (Sarter 1997: 126).

Dieser Ansicht ist zuzustimmen. Auch wenn es sicherlich erstrebenswert ist, dass alle Kinder die Phase der strukturellen Reorganisierung der Sprache erreichen, entspricht dies nicht unbedingt der Realität in den fremdsprachlichen Klassenzimmern was u.a. mit dem Kontext (Ort und Zeit) und den beteiligten Personen (Persönlichkeitsvariablen bei den Schülern, Ausbildung der Lehrkräfte) zusammenhängt. Was von allen Kindern im zweistündigen Fremdsprachenunterricht der Grundschule (mit oft fachfremd unterrichtenden Lehrkräften) erreicht werden kann, ist eine im oben beschriebenen Sinne elementare Kommunikationsfähigkeit, bei der die Lerner über ein großes Lexikon verfügen und chunks mit offenen Variablen flexibel nutzen. „Elementar“ sollte hierbei nicht im Sinne von

„rudimentär“ (Klippel 2000: 23) begriffen werden, sondern auch und gerade im Sinne von ausbaufähig und „grundlegend“ (Sarter 1997: 120).

Als nächste Phase folgt die Reproduktion, die bei Mindt & Schlüter als impulsgesteuertes Sprechen gilt, was wiederum den Übergang zum produktiven Sprechen darstellt (vgl. Mindt & Schlüter 2003: 43f). Behr & Kierepka fassen die Reproduktion ähnlich, indem sie sagen:

Reproduktives Sprechen

Der Schüler gibt Gehörtes und Geübtes in geringfügig veränderter Form wieder. Beim reproduktiven Sprechen transferiert der Schüler ein geübtes Sprachmuster entweder auf eine andere Situation oder auf seine eigene Person und verändert es. (...) Reproduktives Sprechen basiert auf der Imitation von Sprachmustern, geht aber in dem oben beschriebenen Sinne darüber hinaus.

(Behr & Kierepka 2002a: 5)

Allerdings scheinen hier die kleinen Teilschritte, die die Schüler beim Fremdsprachenlernen vollziehen, nicht genug berücksichtigt zu werden. Dass die Schüler zunächst chunks unanalysiert nutzen und diese erst später segmentieren, um sie differenzierter für ihre Sprechabsichten zu gebrauchen, wird in diesen Beschreibungen von Reproduktion nicht deutlich. Da sich aber gerade hierbei der Lernfortschritt deutlich ablesen lässt (vgl. Kap. 3.5), ist eine differenzierte Definition sinnvoll.

Die dritte Phase, der produktiven Durchbrechung des Antwortmusters (vgl. Schmid-Schönbein 2001), wird auch produktives Sprechen (vgl. Mindt & Schlüter 2003: 44) bzw. Produktion (vgl. Behr & Kierepka 2002a: 5) genannt. Gompf fasst darunter das, was Behr & Kierepka sowie Mindt & Schlüter unter Reproduktion einordnen. Ihrer Meinung nach ist die veränderte Wiedergabe des Gehörten bereits der selbständige Gebrauch der Sprache, wobei unklar bleibt, inwiefern die Schüler dabei flexibel und kreativ mit ihren Sprachkenntnissen umgehen. Laut Gompf folgt der selbständige Gebrauch der Sprache dem imitativen und reproduzierenden Sprechen und zeigt sich darin, dass Kinder in der Lage sind, bekannte Strukturen auf andere Themenbereiche anzuwenden: „Kontinuierlich einbezogene Transferübungen befähigen die Schüler allmählich dazu, diese Redemittel - jeweils ihren Redeabsichten entsprechend - auch in neuen Situationen anzuwenden.“ (Gompf 1980: 149).

Behr & Kierepka sind hierbei präziser. Ihrer Definition entsprechend verwendet der Schüler

geübte und eingeprägte Sprachmuster selbständig, um eigene Redeabsichten in der Fremdsprache zu realisieren. Produktives Sprechen geht über die enge Steuerung durch den Lehrer hinaus. Vom Schüler erfordert es vor allem die Fähigkeit, in situativ umrissenenen Kontexten zu agieren, d.h. sein begrenztes sprachliches Wissen effizient zur Leistung der kommunikativen Situation einzusetzen.

(Behr & Kierepka 2002a: 5f)

Bei dieser Beschreibung stellt sich allerdings die Frage, ob das reproduktive bzw.

imitative Sprechen nur in Zusammenhang mit der engen Steuerung durch die Lehrkraft zu sehen ist oder ob es sich nicht vielmehr um eine Entwicklungsphase, wie im oben beschriebenen Sinne handelt (vgl. Kap. 3.5).

Mindt & Schlüter stellen das produktive Sprechen dar, indem sie zum einen gelenkt und frei kontrastieren und zum anderen den Umfang erweitern (von Kurzdialogen zu kleinen Geschichten). Sie nennen für das produktive Sprechen drei Phasen:

- gelenktes Sprechen mit Hilfe von Impulsen - freies Sprechen in Kurzdialogen

- freies Sprechen bei der Darstellung von Sachverhalten oder dem Erzählen einer kleinen Geschichte.

Auch hier stellt sich, wie bei Behr & Kierepka, die Frage, ob die Definition sich an der Lenkung durch andere Personen orientieren sollte. Wichtiger erscheint der

„experimentierfreudige“ Umgang mit der Sprache, bei dem durch den flexiblen und kreativen Umgang mit den sprachlichen Ressourcen die Analyse- und Segmentierungsprozesse deutlich werden.

Aufgrund dieser Überlegungen werden für diese Studien folgende Definitionen zugrunde gelegt:

Imitation

Unter Imitation wird das unmittelbare Nachsprechen eines Wortes, das Übungszwecken dient und in der Regel keine funktionale Bedeutung für Kommunikation hat, verstanden.

Beispiel:

L sagt: This is a rabbit.

K wiederholt unmittelbar danach: This is a rabbit.

Reproduktion

Hier ist die eigentliche Bedeutung des Wortes entscheidend: Reproduktion meint

„Wiedergabe“ und reproduzieren „etwas genauso hervorbringen, (wieder-) herstellen“ (Duden: 664). Auf das Sprachenlernen übertragen wird Reproduktion in dieser Arbeit daher definiert als die unveränderte Wiedergabe des Gehörten bzw.

Eingeprägten (z.B. chunks und formulas), die sich aber nicht unbedingt - wie bei der Imitation - zeitlich unmittelbar anschließt.

Beispiel:

Die Kinder haben in der letzten Stunde die Strukturen How are you? I`m fine.

gelernt. Sie haben sich gegenseitig befragt und auf die Frage geantwortet. In der folgenden Stunde schafft die Lehrkraft wieder eine Situation, in der die Kinder sich gegenseitig befragen und auf die Frage antworten sollen. Es handelt sich also hier um genau den gleichen, zeitlich versetzten Kontext, in dem die Kinder die kompletten Strukturen unverändert wiedergeben.

Teilreproduktion

Bei der Teilreproduktion wird ein Teil der Äußerung unverändert wiedergegeben reproduziert), während ein anderer geringfügig verändert wird, z.B. in dem er mit individuellen Varianten gefüllt wird. Die open slots von chunks werden also als frames benutzt, was die Kinder nur dann können, wenn sie über ein fortgeschrittenes Sprachenwachstum mit Analyse- und Segmentierungsprozessen verfügen.

Beispiel:

Die Kinder haben den chunk I like ... gelernt und setzen nun individuell ihre Vorlieben ein, z.B. I like bananas., I like Robbie Williams., I like apples..

Produktion

Wenn der Lerner zunehmend freier mit dem Gehörten/Eingeprägten umgeht, wenn es darum geht, Redeabsichten zu realisieren, gilt der Begriff Produktion. Durch eine tiefere Analyse und Segmentierung der chunks erhöht sich die morphosyntaktische und semantisch-lexikalische Flexibilität. Die kreativen und freien Produktionen nehmen zu und die Kinder werden variabler in ihrer Ausdrucksweise.

Beispiel:

Das Kind verfügt über verschiedene Strukturen (... is wearing .... und ...has....), um seine Redeabsichten (eine Person zu beschreiben) auszudrücken. Diese setzt es variabel ein, indem es die chunks auf vielfache Weise spaltet und neu kombiniert.

Der Schüler verfügt also über eine größere wort- und satzinterne Flexibilität, wodurch er sich vielfältiger ausdrücken kann (Peltzer-Karpf & Zangl 1998: 135).

Dabei werden zunehmend auch Konnektoren (and) genutzt, um sich zusammenhängend zu äußern.

27 1_L3 K2 The boy is wearing a short and a pair of shoes.

28 1_L3 L3 Very good.

29 1_L3 K2 The girl has a skirt 30 1_L3 L3 Great.

31 1_L3 K2 and a pair of shoes and two yellow socks.

32 1_L3 L3 Good.

33 1_L3 K2 She is wearing a green short äh sh

Ein anderes Kind benutzt in seinen Äußerungen u.a. viele verschiedene Strukturen (it`s ...., .... is wearing ...., .... has ....), einen Konnektor (and) und eine Präposition (on the floor). Auch wenn es sich nicht fehlerfrei ausdrückt, zeigt es doch, dass es auch auf vielfältige sprachliche Elemente zurückgreift und diese kontextgebunden neu kombiniert, um sich zu äußern:

204 1_L3 K7 Crown, yes. And, and the window it`s rain.

205 1_L3 L3 Yes.

206 1_L3 K7 And two ballons and a cake on the floor 207 1_L3 L3 Great.

208 1_L3 K7 And a boy. She´s wearing green trousers 209 1_L3 L3 Right

210 1_L3 K7 And orange yellow green pullover 211 1_L3 L3 Wonderful

212 1_L3 K7 And a cat.

213 1_L3 L3 Hmh

214 1_L3 K7 And a boy has orange hmh shorts

Die vier Phasen (Imitation, Reproduktion, Teilreproduktion und Produktion) sind nicht als völlig getrennte Elemente zu verstehen, sondern überschneiden sich häufig.

Außerdem sind sie oft in der Praxis nicht zu unterscheiden, da hierbei interne Prozesse ablaufen, die nicht ohne Weiteres nachvollziehbar sind.

Benutzt man die Begriffe Imitation, Reproduktion, Teil-Reproduktion und Produktion, so kann im zweistündigen Englischunterricht der Grundschule erwartet werden, dass alle Schüler imitieren, reproduzieren und teil-reproduzieren. Einige

Kinder werden auch produzieren, d.h. sie beginnen mit tiefergehenden internen Analyse- und Reorganisierungsprozessen, die sich in ihrer extensiven Experimentierfreudigkeit niederschlagen. Die Anzahl der Kinder, die diese weitere Entwicklungsstufe erreichen, hängt von der jeweiligen Klasse mit ihren besonderen Bedingungen (Kontext, Schüler, Lehrkraft) ab.

3.7 Kompensation und Bereicherung der elementaren sprachlichen