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3. Die Kompetenz Sprechen im Englischunterricht der Grundschule Grundschule

4.2 Merkmale einer Aufgabe

4.2.2 Perspective: Fokussierung auf den Inhalt

Nach Nunan, einem der prominentesten Vertreter des TBLLs, versteht man unter Aufgaben „a piece of classroom work which involves learners in comprehending, manipulating, producing or interacting in the target language while their attention is principally focused on meaning rather than on form.” (Nunan 1989: 11). Demnach sind Aufgaben primär auf den Inhalt, die Bedeutung einer Äußerung und nicht auf die sprachliche Form fokussiert. Auch Ellis vertritt in Rückgriff auf Nunan, Skehan, Long, Richards und weitere diesen Standpunkt, den er im Vergleich zu Breen als

„enge Definition“ bezeichnet.18 Dabei grenzt er Aufgaben explizit von Übungen ab19:

„´Tasks` are activities that call for primarily meaning-focused language use. In contrast, ´exercises` are activities that call for primarily form-focused language use.“

(Ellis 2003: 3).

Nicht der inhaltliche, sondern der formale Aspekt, die Sprachrichtigkeit, ist also bei Übungen entscheidend während die inhaltliche Ausrichtung, das kommunikative Ziel, bei Aufgaben im Mittelpunkt steht.

Auch Littlewood folgt in seiner Darstellung des Hong Kong Syllabus der grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Aufgaben und Übungen (vgl. Littlewood 2000: 41ff). Er macht deutlich, dass bei Aufgaben die Form berücksichtigt wird, wie auch bei Übungen der Inhalt. Seiner Meinung nach ist es jedoch nicht eine Entweder-oder-Klassifizierung, sondern vielmehr eine Frage des Grades, nach dem der Fokus von Aufgaben und Übungen differenziert werden kann:

Since (...) it is often impossible to draw a clear dividing line between activities where the focus is on form (´exercises` in the Hong Kong context) and activities where the focus is on meaning (´tasks`), it is useful to think of a continuum with varying degrees of focus on form and/or meaning. Activities can be classified according to where they lie on this continuum.

(Littlewood 2000: 43)

Littlewood entwirft auf dieser Grundlage eine fünfstufige Skala, die von nicht-kommunikativem Lernen (non-communicative learning) bis zur authentischen Kommunikation (authentic communication) führt20, wobei die kommunikative Absicht sowie die Kontextualisierung graduell von der Übung (exercise) über die Übung - Aufgabe (exercise - task) bis hin zur Aufgabe (task) zunimmt. Zugleich steigt dabei auch die Vorhersehbarkeit des Gebrauchs der sprachlichen Mittel, was bei der Beschreibung der Stufe „Structured communication“ deutlich wird:

In the examples given so far, it has been possible to predict the exact language that is needed in order to perform the exercise or task. As we move to the next category along the continuum, we enter a domain in which the focus shifts further onto the communication of meanings. This means that, as we move further into this domain, it becomes increasingly

18 Ellis führt aus, dass Breen (1989) von einer weit gefassten Definition ausgeht, in der er alle sprachlichen Aktivitäten als Aufgabe fasst und dabei auch Übungen mit einschließt (Ellis 2003: 3).

19 Haß übersetzt sowohl exercises als auch tasks als Aufgaben (Haß 2006: 205). Wenngleich er sie nach ihrer Fokussierung auf Inhalt und Form unterscheidet, ist die Nutzung des gleichen Begriffes für unterschiedliche Inhalte schwierig. Deswegen wird in dieser Arbeit von Übungen gesprochen, wenn es um exercises geht und von Aufgaben bei tasks.

20 Die Zwischenschritte, die er benennt, sind pre-communicative language practice, communicative language practice und structured communication (Littlewood 2000: 43).

difficult to predict what language will be required and therefore to associate an activity with the practice of specific linguistic structures.

(Littlewood 2000: 48)

Einhergehend mit dem Fokus auf Inhalt kommt es also zu einer (relativen) Unvorhersehbarkeit des sprachlichen Ausdrucks bei der task in process. Relativ ist sie deswegen, weil die Lehrkraft durch die Strukturierung der Aufgabe die Nutzung der sprachlichen Mittel lenken kann: „It is, however, possible to structure the activity in such a way that it is likely to elicit a particular range of language and, above all, so that the teacher knows that the students are equipped with language to perform it.”

(Littlewood 2000: 48) Dass die Kinder überhaupt befähigt sind, mit ihren sprachlichen Ressourcen eine Aufgabe zu lösen, ist insbesondere in der Grundschule wichtig, in der die kommunikative Kompetenz der Kinder elementar ist (vgl. Kap. 3).

Demzufolge spielen hier ebenso Übungen eine wichtige Rolle.

Ähnlich wie Littlewood argumentieren Häussermann und Piepho mit einem breiten, fließenden Übergang zwischen Übungen und Aufgaben (vgl. Häussermann & Piepho 1996: 235). Auch sie machen in diesem Zusammenhang deutlich, dass Übungen maßgeblich dazu dienen, ausgewählte sprachliche Elemente in kontrollierter Weise zu trainieren und dass, als Konsequenz dessen, bei der Übung eine geringe Fehlertoleranz herrscht (vgl. Häussermann & Piepho 1996: 196). Bei Aufgaben hingegen werden „mentale Operationen“ (vgl. Häussermann & Piepho 1996: 235) ausgelöst (vgl. Kap. 4.2.5), sodass es eher zu formalen Fehlern kommen kann.

Häussermann & Piepho nutzen zur Unterscheidung von Aufgaben und Übungen die Begriffe

freisetzend und bindend. Die Übung ist stark bindend. Die Inhaltsebene, die Ausdrucksebene und die Regelebene (was will ich sagen? wie sage ich es? welche Regel muß ich dabei beachten?) sind eng zusammengefügt. (...) Eine Aufgabe ist immer freisetzend. Sie setzt den Lerner frei - mit der Maßgabe, daß da höchst ungewöhnliche Sachen passieren können.

(Häussermann & Piepho 1996: 196f)

Bei Häussermann & Piepho wird also deutlich, dass auch bei den Übungen der Inhaltsaspekt nicht zu vernachlässigen ist und sich ebenso bei der Aufgabe die Freisetzung sowohl in inhaltlicher als auch sprachlicher Weise darstellt.

Diesen Überlegungen folgend muss bei der Darstellung des fließenden Übergangs von Übungen zu Aufgaben nicht nur die Gegenüberstellung von Form und Inhalt als Unterscheidungsmerkmal hervorgehoben werden. Vielmehr steht die starke Vorhersehbarkeit der sprachlichen Mittel bei geringer inhaltlicher Freiheit einer geringen Vorhersehbarkeit der sprachlichen Mittel bei großer inhaltlicher Gestaltungsfreiheit gegenüber. Anders ausgedrückt wird der Schüler bei der Übung sowohl bei der Verwendung der sprachlichen Mittel, die korrekt sein sollen, als auch beim Inhalt eingeschränkt, während er bei Aufgaben inhaltliche und sprachlich-gestalterische Freiheit genießt. Aufgaben sind also insgesamt offener gestaltet als Übungen und haben ein kommunikatives und realitätsbezogenes Handlungsziel. Die Lerner nutzen alle sprachlichen (und nichtsprachlichen) Ressourcen, die ihnen zur Verfügung stehen, um sich verständlich zu machen und finden eigene Lösungen, die nicht immer mit denen übereinstimmen, die die Lehrkraft vorher antizipiert hat.

Solch eine polarisierende Darstellung bedarf jedoch weiterer Klärung, da sonst der Eindruck entsteht, dass die Aufgabe mehr Wertschätzung erfährt und wichtiger sei als die Übung (Rösler 2006). Dabei stehen sie zueinander in „fruchtbarer

Wechselbeziehung“ (Häussermann & Piepho 1996: 235), da sie sich gegenseitig bedingen: Weiß ein Lerner, was er ausdrücken möchte, hat aber nicht die Kompetenz, sich sprachlich oder nichtsprachlich zu äußern, scheitert er. Er scheitert jedoch ebenso, wenn er sich sprachrichtig äußern kann, aber kein kommunikatives Ziel hat. Nur im gegenseitigen Wechselspiel unterstützen Übungen und Aufgaben die Ausdrucksfähigkeit des Lerners:

Of course, there is a place in a communication-based classroom for practice and drill; the difference is in the motivation for the practice and drill. In a communication-based classroom, the practice and drill take place not for their own sake but in order for a student to participate in a specific communicative setting: to talk about classroom material, to discuss information related to specific interests, or to contribute in some other way to an information exchange that is meaningful to all the participants.

(Curtain & Pesola 1994: 101)

Auch Cameron macht dies deutlich, wenn sie auf Studien verweist, nach denen Kinder in Immersionsprogrammen im Hörverstehen und Sprechen Muttersprachlern nicht nachstehen, aber Schwierigkeiten in grammatischer Korrektheit haben: „It seems that focusing on meaning is important, but it is not enough für continued language development.“ (Cameron 2001: 30). Sie weist darauf hin, dass es seit einiger Zeit zunehmend die Tendenz gibt, die Bedeutung der Form aufzuwerten (vgl.

Cameron 2001: 30).

Gerade auch im Frühen Fremdsprachenunterricht, in der die Kinder sich in den ersten Phasen des Spracherwerbs befinden und somit über elementare fremdsprachliche Kompetenz verfügen, kommen den Übungen eine nicht zu unterschätzende Rolle zu.

Stets finden sie aber im Hinblick dessen statt, dass sie zur Befähigung zur Realisierung von Aufgaben, also zur kommunikativen Handlungsfähigkeit führen.

Dieser Ansatz hat gerade für die Kompetenz Sprechen besondere Implikationen.

Denn Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth machen mit Verweis auf Legutke deutlich, dass Schüler sich gerade beim Sprechen im Fremdsprachenunterricht hauptsächlich auf die korrekte Sprachverwendung fokussieren (vgl. Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth 2004: 61f). Das Lernen im fremdsprachlichen Klassenzimmer hat

a negative effect on the general language learning atmosphere which does not encourage students to experiment freely and easily with the target language to express their personal meanings. There is evidence that it is students` main concern to produce language which is formally accurate.

Personal response or initiation of topic is not usually asked for: “[…] the learners never choose what to say, they simply work out how to say what they are told to say.” (THOMPSON 1996: 13).

(Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth 2004: 61)

Inhalte sind also von zweitrangiger Bedeutung für den Schüler. Um dem entgegenzusteuern, bedarf es im Rahmen des TBLLs der gezielten Auswahl von Themen, die die Schüler zu einer Fokussierung auf den Inhalt führen.

Exkurs: Themen im aufgabenorientierten Fremdsprachenunterricht

Zunächst sollten die Themen des Englischunterrichts der Lebenswelt der Kinder entsprechen und für sie aktuell und interessant sein. Wenn die Kinder ihr Ich verdeutlichen können, sie etwas von sich berichten können, was sie angeht und bewegt, trägt das zu ihrer Motivation, zu sprechen, bei (vgl. Häussermann & Piepho 1996: 236).

Allerdings muss hier differenziert werden. In den Richtlinien finden sich z.B.

Themen, von denen ausgegangen wird, dass sie den Interessen und Bedürfnissen der Kinder entsprechen. Zu ihnen gehören u.a.: Ich, meine Familie und meine Freunde, Schule, Farben und Zahlen, Freizeit (Hobbies, Sport, Musik), Tiere , Essen und Trinken, Einkaufen, Körper und Kleidung, Tages- und Jahresablauf, Wetter, Feste, Wohnung.21

Sarter weist darauf hin, dass dies sicherlich Themen sind, die aus der Lebenswirklichkeit der Schüler stammen, dass aber nicht klar ist, wieweit diese den Wünschen der Kinder entsprechen. Oft haben Kinder Vorstellungen davon, was sie in der Fremdsprache lernen möchten. Diese „sind z.T. sehr viel direkter und zielorientierter, und ein Eingehen auf sie könnte motivationsverstärkend für die Behandlung der anderen Themen wirken.“ (Sarter 1997: 87). Als Beispiel nennt sie ein Kind, das lernen wollte, was man sagen muss, wenn man auf Toilette geht, mit der Begründung, dass sie das schließlich wissen müsse, wenn sie im Ausland sei.

Dies macht zum einen deutlich, dass es wichtig ist, die Interessen der Kinder herauszufinden. Zum anderen zeigt es, dass die Wünsche der Kinder sehr individuell sind, da die Kinder ihren eigenen Sozialisationshintergrund, der von persönlichen Alltags-, Allerwelts- und Spezialinteressen und -wissen geprägt ist, haben. Insgesamt scheint es sinnvoll, auf Basis der einzelnen Klasse bestimmte Themenbereiche zu reduzieren oder zu erweitern.

Neben den Interessen der Schüler spielen aber auch die Vorlieben und Interessen der Lehrkraft sowie gesellschaftliche und curriculare Anforderungen eine Rolle.

Dementsprechend richten sich die Themen auch nach den intendierten sprachlichen Kompetenzen und dem Bildungswert. Darüber hinaus kommt der interkulturelle Aspekt bei der Wahl eines Themas zum Tragen. Wenn es darum geht, dass die Kinder dazu befähigt werden, mit Menschen anderer kultureller Herkunft zu kommunizieren, „müssen vor allem solche Themen ausgewählt werden, anhand derer die interkulturelle Dimension gelehrt und gelernt werden kann.“ (Doyé 2005: 34).

Doyé macht den Vorschlag, dass der Bezug zum Zielsprachenland bzw. den Zielsprachenländern im Sinne des fächerübergreifenden Lernens dadurch hergestellt werden kann, dass Themen, die im Gesamtunterricht behandelt werden, auch im Englischunterricht bearbeitet werden (z.B. Food and Drink, Clothes) (vgl. Doyé 2005: 34). Auch wenn dies sicherlich bei einigen Themen sinnvoll und möglich ist, bietet es sich nicht bei allen an. So muss nicht bei jedem Thema dieser Bezug hergestellt werden, sondern kann exemplarisch bei einigen geschehen.

Ein Thema gewinnt im Rahmen des task-in-process in jeder Klasse eine andere Gestalt, wenn all die genannten Aspekte berücksichtigt werden. Im Zusammenspiel von Interessen und Bedürfnissen (von Schülern und Lehrkraft) sowie von Anforderungen (der Gesellschaft und des Curriculums) entscheidet sich, wie es sich

21 Teilweise ist die Begrifflichkeit in den Ländern anders geregelt, doch sind die Inhalte vergleichbar.

entwickelt, wie intensiv es behandelt wird und welche Schwerpunkte gesetzt werden.

Somit ist ein Thema immer Anstoß für einen interaktiven und individuellen Prozess im Klassenzimmer, dessen Ziel die Kommunikation ist.