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Transnationale Unternehmens- und Wertschöpfungsstrukturen

2. Theoretische Grundlagen und Konzeption

2.1 Weltwirtschaft und Welthandel

2.1.3 Transnationale Unternehmens- und Wertschöpfungsstrukturen

Aus den beschriebenen Handelserleichterungen ergaben sich komparative Kosten-vorteile durch unterschiedliche Produktionsbedingungen in den verschiedenen Ländern und Regionen, welche wiederum zu einer verstärken internationalen Arbeitsteilung führten (FRÖBEL,F.et al.

1980;GLICKMANN,N. J.1987;HESSE,M.;RODRIGUE,J.-P.2006,S.502;NEIBERGER,C. 2006,

32 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption S.281;BHATNAGAR,R.;VISWANATHAN,S.2000,S.13). Einzelne Produktionsschritte oder voll-ständige Wertschöpfungsprozesse wurden beispielsweise in Länder mit niedrigeren Lohnver-hältnissen oder weniger strengen Umweltvorschriften verlagert (FEAGIN, J. R.; SMITH, M. P.

1987, S. 3ff.; NUHN,H.1997,S. 137f.; PALLIS,A.A.; DE LANGEN,P.W.2010,S.10;WRIGHT,R.

2002, S.69ff.). Dies ließ, in Kombination mit horizontalen und vertikalen Konzentrationspro-zessen, also Zusammenschlüsse und Übernahmen von Unternehmen der gleichen Branche oder vor- bzw. nachgelagerten Bereichen (u.a. RODRIGUEZ-POSE,A.;ZADEMACH,H.-M. 2007;

CHAPMAN,K.2003;CHEUNG,R.K.et al. 2003, S. 246;BRAKMAN,S. et al. 2005;BRAKMAN,S. et al. 2006), transnationale und multinationale Konzerne (TNK bzw. MNK) entstehen (u. a.

HENDERSON,J. et al. 2002). Da diese auch für das maritime Transportwesen und deren in die-ser Arbeit zu untersuchende Akteure von großer Bedeutung sind, sollen die Strukturen von transnationalen Unternehmensformen und deren Einbettung in globale Produktionsnetzwerke (GPN) im Folgenden kurz dargestellt werden.

Die ländergrenzenübergreifenden Strukturen von transnationalen und multinationalen Konzernen sind als hierarchisch gegliederte Netzwerke konstruiert (CHLOMOUDIS,I. C. et al.

2003, S. 79), die international verteilte Aktivitäten funktional integrieren (COE,N.M.et al. 2004;

NEIBERGER,C.2006,S.281;SCHAMP,E.W. 1996). Im Gegensatz zu multinationalen Konzer-nen, deren Organisationstruktur stärker an die integrierten Länder angepasst ist, wodurch na-tionale Untergruppierungen entstehen, sind die Netzwerke transnana-tionaler Konzerne davon fast vollständig unbeeinflusst. Unternehmensteile beider Konzernarten sind nach ihren spezifi-schen Standortanforderungen optimal auf globaler Ebene verteilt und über eine interne Ord-nung verbunden. Diese vertikal und horizontal integrierten Konzerne und Unternehmen sind zentrale Elemente in globalen Produktionsnetzwerken (NOTTEBOOM, T. E.; WINKELMANS,W.

2001,S.72;JACOBS,W.;HALL,P.V.2007,S.328) (vgl. Abb. 7). Diese aus Informationen, Wa-ren, Teilen und Endprodukten unterschiedlicher Sektoren bestehenden Netzwerke (HESSE,M.;

RODRIGUE,J.-P.2006,S.502f.; HENDERSON,J. et al. 2002, S. 454) haben sich als (vorläufig) geeignetste Organisationsform in einer globalisierten Weltwirtschaft herausgestellt (LEMOINE, W.; DAGNAES, L. 2003, S. 212). Unternehmen, die unter dem Verband eines Konzerns zu-sammengeschlossen sind, werden von einer zentralen Konzernführung geleitet, während Gruppen von Unternehmen normalerweise einer weniger engen Bindung und einer dezentra-leren Leitung unterworfen sind (KUJATH,H.J.2002,S.290).

2.1 Weltwirtschaft und Welthandel 33 Durch die fokale Position der TNKs und MNKs nehmen diese auch eine dominante Rolle im Welthandel ein (CHAPMAN,K.2003,S.309;NOTTEBOOM,T.E.;MERCHX,F.2006,S.550;N OT-TEBOOM,T.E.;WINKELMANS,W.2001,S.72). DICKEN (2002) beziffert den Anteil des Handels von transnationalen Konzernen auf etwa zwei Drittel des gesamten Welthandels (entspricht dem gesamten Welthandelsvolumen abzüglich des asiatischen Anteils), wobei ein Großteil davon auf konzerninterne Vorgänge zurückzuführen ist (DICKEN,P.2002S. 46f.; DOUGLASS, M.2000,S.43).

Abb. 7: Unternehmensstrukturen und -interaktionen in globalen Produktionsnetzwerken

Die globalwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die dargelegten Strukturen von inter-nationalen Konzernen und der komplexen Gestaltung globaler Produktionsnetzwerke haben zur gestiegenen Notwendigkeit von Kooperationen zwischen den beteiligten Akteuren geführt (u. a. ABRAHAMSSON,M.;WANDEL,S.1998;NOTTEBOOM,T.E.;WINKELMANS,W.2001,S.72), die damit einen höheren Grad an Ordnung und Planungssicherheit zu erreichen suchen. Eine klare Trennung zwischen Wettbewerb und Zusammenarbeit ist bei der besonders im letzten Jahrzehnt rasch ansteigenden Anzahl an Kooperationen (ZINELDIN,M.;BREDENLÖW,T.2003, S.449) und dem sich daraus ergebenden Beziehungsnetzwerk (Abb. 8) kaum mehr möglich (LEMOINE,W.; DAGNAES,L.2003, S.212). Die Arten von Kooperationen können nach Dauer und Intensität der Zusammenarbeit unterschieden werden (ABRAHAMSSON, M.; WANDEL, S.

1998,S.186ff.), die von gegenseitigem Vertrauen bei tagesbasierten Transaktionen bis hin zu gemeinsam betriebenem Marketing sowie regem Austausch an Wissen und Personal reichen

34 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption kann (LEMOINE,W.;DAGNAES,L.2003,S.212;HSU,C.-C.et al. 2008). Auch die Konzentration auf einen strategischen Partner der Beschaffungs- oder Abnehmerseite und der damit verbun-denen Reduktion von Markt- und Wettbewerbsmechanismen kann darin beinhaltet sein (CORSTEN,D.; FELDE,J.2005, S.446). Noch intensiver ist die Zusammenarbeit in Form von joint ventures. Dabei kombinieren zwei oder mehr Unternehmen weniger als ihre gesamten Vermögenswerte, um eine neue alleinstehende Einheit zu bilden (TOKMAN,M. et al.2007,S.

444). Beteiligte Partner teilen sich somit Risiko und Erträge in einer langfristig konzipierten Kooperation, deren Ende meist nicht festgelegt ist (TOKMAN,M.et al. 2007, S. 444). Weniger intensiv, aber in vergleichbarer Umsetzung, können auch Anteile am Eigenkapital anderer Akteure als ein Ausdruck von Kooperation interpretiert werden, wenngleich die Partnerschaft hierbei eine einseitige Machtbeziehung zu Gunsten des sogenannten shareholders beinhaltet.

Eine Kooperation verfolgt meist entweder die Zielsetzung, durch Skaleneffekte oder ande-re Synergieeffekte die Marktposition innerhalb einer Branche zu stärken (NOTTEBOOM,T.E.;

WINKELMANS,W.2001,S. 75f.) oder aber vor- bzw. nachgelagerte Prozesse enger zu binden.

Man spricht analog zu Fusions- und Übernahmevorgängen von horizontaler und vertikaler Kooperation. Vorteile einer kooperativen Zusammenarbeit sind der reduzierte Kostenaufwand durch Rahmenvereinbarungen, gegenseitige Lernprozesse, geringere Häufigkeit von Fehlern und erhöhte Kapazitäten in anderen Unternehmensbereichen (CORSTEN,D.;FELDE,J.2005,S.

446f.; SLACK,B.et al. 2002, S. 66; SKJOETT-LARSEN,T.2000, S. 112).

2.1 Weltwirtschaft und Welthandel 35

Abb. 8: Kooperationsformen in globalen Unternehmens- und Produktionsnetzwerken

Der Aufbau von internationalen Konzernen und Unternehmen kann neben den bisher an-geführten Elementen der Organisation auch auf räumlicher Ebene betrachtet werden. Einer-seits sind Aufgabenbereiche und Funktionen in einem Konzern unterschiedlichen Teilen zu-gewiesen, welche dem zentralen Management untergeordnet sind. Andererseits ist die räumli-che Verortung von Hauptsitz und untergeordneten Niederlassungen unterschiedliräumli-cher Funkti-on und Hierarchie dem Spannungsfeld zwischen strategischer und operativer Ausrichtung des Konzerns sowie dem sozialen, kulturellen und politischen Umfeld des räumlichen Kontextes geschuldet. Die Standortverteilung ist zwar von der Organisationsebene beeinflusst, aber nicht mit dieser kongruent. Der Zusammenhang zwischen Organisationsstruktur, räumlicher Veror-tung von Unternehmensstandorten und deren Interaktionen ist in Abbildung 9 vereinfacht dar-gestellt.

36 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption

Abb. 9: Raumbezogene Projektion globaler Unternehmens- und Produktionsnetzwerke Aus dem Aufbau von multinationalen Konzernen leitet sich meist eine engere Bindung zwischen Organisation und Standortverteilung ab als bei transnationalen Strukturen (H ENDER-SON,J. et al. 2002, S. 447f.). Innerhalb eines einzelnen internationalen Unternehmens sind ähnliche Mechanismen wie in Konzernen zu beobachten, während der Aufbau von Gruppen von Unternehmen sehr von der jeweiligen Motivation und Art der Gruppenzusammenstellung bestimmt ist. Insgesamt ist es weltweit bei immer noch vorhandenen regionalen Unterschieden der Unternehmens- und Organisationskultur wie in vielen anderen Bereichen zu einer Anglei-chung und Homogenisierung dieser Ausprägungsmerkmale gekommen.

Dennoch ist daraus nicht eine beliebige Verlegbarkeit und Austauschbarkeit eines Nieder-lassungsstandortes abzuleiten. Neben der Verankerung einer Filiale im beschriebenen organi-satorischen Netzwerk innerhalb der eigenen Unternehmensstruktur und im gemeinsamen glo-balen Produktionsnetzwerk mit anderen Unternehmen (network embeddedness) (HENDERSON, J.et al. 2002, S. 452) besteht auch eine räumliche Einbettung (territorial embeddedness). Die-se entsteht durch die Einbindung der Unternehmensaktivitäten in lokale oder nationale öko-nomische, aber auch soziale Vorgänge, die sie beeinflussen und von denen sie beeinflusst werden (JACOBS,W.;HALL,P.V.2007,S. 328;HENDERSON,J. et al. 2002, S. 452ff.). Weitere

2.1 Weltwirtschaft und Welthandel 37 Kriterien, die auf den Grad der räumlichen Verankerung Einfluss nehmen, sind Investitionen in physische Infrastruktur, Engagement in lokale Ressourcen (z. B. Arbeitskräfte), die Einbindung in politisch-soziale Strukturen (JACOBS,W.;HALL,P.V.2007,S.330) und die Eigentümerstruk-tur des Unternehmens. Die territoriale Einbettung kann mit der Dichte und Stärke der persönli-chen und wirtschaftlipersönli-chen Verbindungen als entgegensteuernde Kraft zu optimierenden Be-strebungen im Bereich der Netzwerkeinbettung interpretiert werden (HENDERSON, J. et al.

2002, S. 457; JACOBS,W.;HALL,P.V.2007,S.330). Es trifft somit auch für Standortnetzwerke zu, was THRIFT (2002) für seine hyperactive world für alle Arten von transnationalen und inter-nationalen Netzwerken feststellt: Sie sind immer sowohl global als auch lokal in ihren Ausprä-gungen (THRIFT,N. 2002,S. 39). Ähnlich argumentieren TAYLOR et al. (2002), wenn sie von einem global-local nexus sprechen (TAYLOR,P.J. et al. 2002, S. 444).

Aus Sicht der Standorte ist deren langfristige wirtschaftliche Stabilität von der vorherr-schenden Form der territorialen Einbettung ansässiger Niederlassungsarten abhängig, die sich auf die räumliche und funktionale Integration des Standorts auswirkt (vgl. KUJATH,H. J.

2002,S.295ff.). Dabei ist zum einen die kohärente und intensive Zusammenarbeit der Akteure an einem Standort von Bedeutung, (u. a. MAILLAT,D.1998,S.3ff.), die die territoriale Veranke-rung abhängiger Netzwerkelemente erhöht, und zum anderen die Verortung von hochrangigen Unternehmensfunktionen und deren Einfluss und Macht hinsichtlich anderer Standorte (ALLEN, J.1999,S.182ff.).

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