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Akteure der Organisations- und Koordinationsebene sowie übergeordnete Dienstleistungen Dienstleistungen

2. Theoretische Grundlagen und Konzeption

2.5 Akteure des Hafensystems

2.5.8 Akteure der Organisations- und Koordinationsebene sowie übergeordnete Dienstleistungen Dienstleistungen

In den vorangegangenen Kapiteln wurden die wichtigsten Akteursgruppen und deren Ko-operations- und Integrationsbestrebungen beschrieben, die mit dem physischen Transport direkt betraut sind oder in mittelbar unterstützender Funktion in einem Abschnitt des Hafensys-tems tätig sind. Jedoch sind für die Herstellung des gesamten logistischen Produkts des mari-timen Transports noch weitere Mitglieder der port community notwendig, die abschnittsüber-greifend und ohne physisch in Abläufe einzugreifen als Teil des maritimen Clusters eines Ha-fens agieren. Diese sind in der unter 2.4.5 dargelegten Systematik eher an zentral-urbanen

2.5 Akteure des Hafensystems 117 Akteursagglomerationen orientiert und liegen damit oft außerhalb des eigentlichen Hafenge-biets im Sinne der administrativen Flächeneinteilung.

An der Schnittstelle zwischen operativen Abläufen und disponierenden Koordinationsfunk-tionen sind Seehafenspediteure (shipping agent / port agent / liner agent) angesiedelt. Sie sind für die Organisation des Frachtflusses innerhalb des landseitigen Hafensystems verant-wortlich und damit zuständig für die Koordination der verschiedenen operativen Akteursgrup-pen und die Sicherstellung des notwendigen Informationsaustausches mit Zollamt, Hafenbe-hörde oder anderen Beteiligten. Als Repräsentanten der Schifffahrtsunternehmen an einem Hafenstandort sind sie entweder eine Niederlassung in deren Standortnetzwerken oder selbstständige Unternehmen, die meist für mehrere Linien- oder Trampunternehmen arbeiten (CUADRADO,M. et al. 2004,S. 324f.;NOTTEBOOM,T.E.;WINKELMANS,W.2001, S.74f.). Eine wachsende Filialdichte von eigenen shipping agents der großen Schifffahrtsunternehmen an wichtigen Standorten, oft auch als joint venture mit ortsansässigen ehemals unabhängigen Maklern (HEAVER,T.2000,S.303;MARTIN,J.;THOMAS,B.J.2001,S.287), ist Indiz für die Be-deutung dieser Funktion und damit auch für diese Akteursgruppe. Dieser Trend zur unterneh-menseigenen Kontrolle landseitiger Vorgänge durch seeseitige Akteure ist ebenfalls als ab-schnittsübergreifende vertikale Integration zu interpretieren.

Während Seehafenspediteure die carrier in Form von Schifffahrtsunternehmen repräsen-tieren, vertreten freight forwarder als Frachtführer die Interessen der shipper (HENSHER,D.

A.;CHOW,G. 1999,S. 366;MARTIN,J.;THOMAS,B.J.2001,S.285). Von dieser Funktion als Bindeglied zwischen dem Eigentümer der Fracht und dem carrier ausgehend haben freight forwarder durch die Anforderungen logistischer Abläufe und den Anspruch nahtloser Prozess-verbindungen innerhalb der supply chain weitere Aufgaben übernommen (HEAVER, T. et al.

2000,S.369;MARTIN,J.;THOMAS,B.J.2001,S.285). Sie organisieren und überwachen wert-steigernde Tätigkeiten beispielsweise durch Konsolidierungsprozesse im Bereich der Fracht-lagerung (CHEUNG,R.K. et al. 2003,S.248). Neben dem Versuch nicht nur Teile der Trans-portkette, wie das Hafensystem oder Abschnitte daraus, zu koordinieren, sondern die gesamte Logistikdienstleistung als 3PL anzubieten (MARKIDES,V.; HOLWEG,M. 2006,S.336;CHEUNG, R.K.et al. 2003,S.252;MURPHY,P.R.;DALEY,J.M.2001), bemühen forwarder sich zuneh-mend, zusätzliche Hafenfunktionen (z. B. Packen oder IT-Betreuung) selbst auszuführen (MARKIDES,V.;HOLWEG,M.2006,S.336) oder auch als seeseitige Akteure aufzutreten. Im Fall der vertikalen Angebotserweiterung fungieren Frachtführer als Anbieter von Transportleistun-gen ohne eiTransportleistun-gene Schiffskapazitäten, so dass hier von einem non vessel operating common carrier (NVOCC) gesprochen wird (PASSAS,N.;JONES,K.2007,S.85f.). Funktional

überneh-118 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption men sie damit ähnliche Tätigkeitsbereiche wie die in Kapitel 2.5.2 beschriebenen shipping-management-services-Unternehmen.

Agieren freight forwarder als 3PL, so treten sie in Konkurrenz mit anderen maritimen Ak-teursgruppen, die ebenfalls bemüht sind, diese Funktion als one-stop-shop (NOTTEBOOM,T.

E.;MERCHX,F.2006,S.553) mit door-to-door-Logistikdienstleistungen (HEAVER,T. et al. 2000, 369;NOTTEBOOM,T.E.2004,S.101;MCCALLA,R.J. et al. 2004,S.475) auszufüllen. Die wich-tigsten und bisher erfolgreichsten Beispiele hierfür kommen aus den Bereichen der Linien-schifffahrt und der Terminalbetreiber (EVANGELISTA, P.; MORVILLO, A. 2000, S. 345; N OTTE-BOOM,T.E.;MERCHX,F.2006,S.550;NOTTEBOOM,T.E.;WINKELMANS,W.2001,S.74). Diese haben durch die in Kapitel 2.1.3 bzw. 2.2.4 beschriebenen vertikalen Integrationen Transport-leistungen des See- und Landwegs sowie des Hafenbetriebs in ihrem Angebotsspektrum (NOTTEBOOM,T.E.2004,S.102). Zusätzliche logistische Dienstleistungen, die der Wertschöp-fung und -steigerung dienen (MARTIN,J.;THOMAS,B.J.2001,S.285;MARKIDES,V.;HOLWEG, M.2006,S.341;NOTTEBOOM,T.E.;MERCHX,F.2006,S.551), werden ebenfalls von den mari-timen 3PL-Unternehmen angeboten, die in ihrem Kernbereich Schifffahrtsgesellschaften, Ter-minalbetreiber oder Frachtführer sind. Die Funktion als 3PL wird meistens durch einen eige-nen Unternehmensteil oder eine übergeordnete Muttergesellschaft ausgeübt (NOTTEBOOM,T.

E.; MERCHX,F. 2006,S. 553). Insbesondere hinsichtlich der Ausrichtung von Terminalunter-nehmen hat sich der Fokus der Aktivtäten enorm gewandelt. Von einer lokalen Ausrichtung auf einen Hafen über die Wahrnehmung der Vorteile eines Hafennetzwerks (NOTTEBOOM,T.

E.2004, S. 103) haben sich mittlerweile einige zu integrativen Logistikdienstleistern entlang der gesamten supply chain entwickelt.

In Folge der Angebotsdiversifikation im Bereich der Frachtführer und der damit verbunde-nen Aufweichung der ursprünglichen Funktion ist eine klare Bestimmung eines Akteurs in die-sem Sektor kaum noch möglich (MARKIDES,V.;HOLWEG,M.2006,S.337). In dieser Hinsicht erschwerend treten zudem vermehrt horizontale Konzentrationsprozesse sowie strategische Kooperationen an einzelnen Standorten auf (KRAJEWSKA, M. A.; KOPFER, H. 2007, S. 366).

Dennoch wird die Nachfrage nach unabhängigen Frachtführern im maritimen Bereich die zent-rale Funktion dieser Akteursgruppe weiterhin sicherstellen (MARTIN,J.;THOMAS,B.J.2001,S.

289).

Des Weiteren gehören dieser übergeordneten und mehreren Abschnitten des physischen Transports im Hafensystem zuzuordnenden Kategorie der port community auch Akteure der maritimen Finanz- und Versicherungsbranche, des Consultings, des IT-Services und der Aus-bildung an.

2.5 Akteure des Hafensystems 119 Im wichtigen Bereich der Finanzierung von meist kapitalintensiven maritimen Transport-leistungen (WILMSMEIER, G.; SÁNCHEZ, R. J. 2010, S.180) und von Hafenaktivitäten ist eine klare Dichotomie festzustellen zwischen einem sehr konzentrierten Markt der spezialisierten Banken und Finanzdienstleister mit nur wenigen großen Akteuren (KIND,H. J.;STRANDENES, S.P.2002,S.229;SALETH,J.2010,S.211ff.) einerseits und dem weiten Feld an globalen und regionalen Banken ohne maritimen Hintergrund andererseits. Da auch letztere mit vielen Mit-gliedern der port community zusammenarbeiten und es zudem eine breite Vielfalt an unter-schiedlichen Finanzierungsinstrumenten, wie geschlossene Schiffsfonds spezialisierter Emis-sionshäuser, gibt (SALETH,J.2010,S.213ff.), die aber auf global vergleichender Basis bislang kaum untersucht wurden, kann über die genaue Struktur dieser Akteursgruppe keine detaillier-tere Beschreibung auf Grundlage von bestehenden Forschungserkenntnissen erfolgen.

Auch bezüglich der Rolle und Marktsituation spezialisierter Versicherungen des Schiff-fahrts- und Hafensektors wurden bislang nur wenige Untersuchungen vorgenommen, obwohl P&I (Protection and Indemnity – Versicherung und Entschädigung) 27% der Schiffskosten ausmachen (am Beispiel Brasiliens: PIRES,F.C.M. jr. 2001,S.170). Bisher wurde lediglich bei einer Untersuchung vor dem Hintergrund des norwegischen maritimen Clusters eine hohe globale Marktkonzentration festgestellt (JAKOBSEN,E.W.2006, S.41), so dass über weitere Aspekte der Akteursgruppe an dieser Stelle ebenso keine weitere Beschreibung gegeben werden kann, wie über die maritime Consultingbranche.

Des Weiteren sind Klassifizierungsgesellschaften (classification societies) und auf mari-time Belange spezialisierte juristische Dienstleister (JAKOBSEN,E.W.2006,S.40; B ROWN-RIGG,M.2006,S.99) Teil des maritimen Clusters. Aber auch zu den entsprechenden Akteurs-gruppen dieser Bereiche der port community kann aufgrund des gering ausgeprägten For-schungsstandes an dieser Stelle keine genauere Beschreibung erfolgen.

Auf die Notwendigkeit von systematischen Analysen im Bereich des Trainings und der Ausbildung von Seefahrern und maritimen Fachkräften allgemein wurde zwar unter anderem vor dem Hintergrund multikultureller Mannschaftszusammenstellungen und steigenden techni-schen und betriebswirtschaftlichen Anforderungen hingewiesen (vgl. u.a. HORCK,J.2004;L O-RANGE,P.2001,S.23), detaillierte Studien zu dieser Akteursgruppe fehlen jedoch weitgehend.

In Verbindung mit Forschung und Entwicklung im Hafenbereich wird Ausbildung zwar in theo-retischer Form in nationale maritime Cluster eingebettet (vgl. u. a. VALLAT,F.; PERENNEZ,P.

2006,S.81;BECH,M.S.2006, S.66;JAKOBSEN,E.W.2006,S. 40;BROWNRIGG,M.2006,S.

99), eine genauere Beschreibung von Funktion und Marktsituation bleibt aber aus.

120 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption Das Hafeninformationssystem, von ROH et al. (2007) als eigenständige Phase des Hafen-logistikprozesses beschrieben (ROH,H.-S. et al. 2007,S.283), bedarf an jedem Verbindungs-punkt zwischen operativem Ablauf, koordinierender Aktivität und Datenübermittlung einer pas-senden technischen Infrastruktur und des notwendigen Wissens, diese einzusetzen (LEE, T.-W. et al. 2000, S.133). In diesem EDI-System in einem Hafen sind meist auch Sicherheits- und Kontrollsysteme implementiert (CHLOMOUDIS,I.C. et al. 2003,S.82), welche einer beson-deren Betreuung bedürfen. In einigen Fällen haben Mitglieder der port community in einem joint venture eine gemeinsame Betreuung dieses Informationsnetzwerks etabliert (MARTIN,J.;

THOMAS,B.J.2001,S.286). Dennoch ist auch in diesen Fällen Spezialwissen beispielsweise in der Anwendung von ERP-Software (CHOI,H.R. et al. 2003,S.206) bei den Akteuren des Hafens notwendig, welches auch durch externe Beratung gestützt oder als ausgelagerte Dienstleistung in die Unternehmen eingebracht wird. Die in diesem Bereich tätigen maritimen IT-Unternehmen wurden als eigenständige Akteursgruppe bislang kaum beachtet und werden deshalb hier auch nicht genauer erörtert. Im Beispiel des globalen Terminalbetreibers PSA nahm dessen überlegene Software für die effiziente Nutzung des EDIs im Hafen von Singapur eine Schlüsselrolle im erfolgreichen Bestreben des Unternehmens ein, andere Akteure des Hafens zur engen Zusammenarbeit oder Integration mit PSA International zu bewegen (vgl.

AIRRIESS,C.A.2001,S.238ff.).