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Konzeption des maritimen Transportnetzwerks

2. Theoretische Grundlagen und Konzeption

2.3 Maritimer Transport und Logistik

2.3.3 Konzeption des maritimen Transportnetzwerks

Nachdem die Lage der wichtigsten Seewege, die Güterarten und die ihnen entsprechen-den Schiffstypen beschrieben sind, gilt es als weitere Eigenschaft der Kanten des maritimen Transportnetzwerks, die zugrunde liegenden Systematiken einzelner Routenverläufe zu

erläu-2.3 Maritimer Transport und Logistik 59 tern. Diese haben auf Häfen, als Knoten des Netzwerks, und auf die Einbindung der entspre-chenden Akteure in transnationale Verflechtungen entscheidenden Einfluss.

Schiffsrouten können entweder in Form von Tramp- oder Linienverkehr organisiert sein.

Als Trampschifffahrt (oder auch: Charterverkehr) werden Gelegenheitsverkehre bezeichnet, die nach Bedarf stattfinden und vor allem Massengut oder Projektladung transportieren (SJOSTROM,W.2004,S.108;NUHN,H.;HESSE,M.2006,S.124;LOPEZ,R.C.;POOLE,N.1998, S.35). Entsprechend werden sie meist mit konventionellen Stückgutschiffen, Mehrzweckschif-fen oder Massengutfrachtern durchgeführt (WOITSCHÜTZKE,C.P.2002,S.394). Werden keine langfristigen Verträge mit einem Unternehmen der Transportnachfrage geschlossen (Kontrakt-fahrten), sondern Aufträge für bestimmte Fahrten (voyage charter) oder Zeiträume (time char-ter) vergeben (DIKOS,G.; PAPAPOSTOLOU, N. 2002, S. 179), richten sich Preise und andere Bedingungen nach der Marktsituation.

Im Gegensatz dazu unterliegt die Linienschifffahrt, die den überwiegenden Teil des Stück-gutverkehrs ausmacht (WILMSMEIER,G.; SÁNCHEZ, R. J. 2010, S. 182), festgelegten Routen und einem regelmäßigen Fahrplan, der eine häufige Bedienung von Relationen und damit auch hohe Fixkosten beinhaltet (SLACK,B.1998,S.269). Die aufgebauten großen und kosten-intensiven Netzwerke setzen zur Rentabilität eine hohe Frachtauslastung voraus (GÖPFERT,I.;

BRAUN,D.2008,S.6;NOTTEBOOM,T.E.2004,S.88).

Ausgehend von den unter 2.2.3 beschriebenen Transportnetzwerktypen kann der Linien-verkehr entsprechend seiner Gesamtstruktur und den darin beinhalteten Prozessen und Ebe-nen betrachtet werden. Für die Linienbetreiber stehen dabei zwei meist gegensätzliche Ziel-setzungen im Vordergrund. Einerseits soll der Schiffsraum möglichst effizient ausgelastet sein, und andererseits wird eine möglichst große Marktabdeckung angestrebt (SLACK,B.1999,S.

11).

In seiner einfachsten Form findet der Linienverkehr als linearer Pendeltransport (vgl. im Folgenden Abb. 17) zwischen zwei verkehrsgenerierenden Destinationen statt (EXLER, M.

1996,S.112). Im Stückgutbereich findet man reine Pendelverkehre nur noch selten auf Haupt-relationen. Dort werden meist en route / intermediacy liegende Zwischenhalte zur weiteren Auslastung der Verbindung genutzt (NOTTEBOOM,T.E.2004,S. 95;BREITZMANN,K.-H.1993, S.84). Auf Nebenverbindungen, die häufig als feeder-Transporte oder im Kurzstreckensee-verkehr (short-sea-shipping) bedient werden, sind diese Pendelfahrten die Regel (SLACK, 1998,S.270). In einer häufigen Variante geht der Pendelverkehr allerdings von einer zentra-len Region aus (in Abb. 17 würde das der Region B entsprechen), die mit zwei entgegenge-setzt liegenden anderen Regionen verbunden ist (SLACK,B.1999,S.12).

60 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption Nimmt man regelmäßige Kontraktfahrten in der Trampschifffahrt in den erweiterten Be-reich des linearen Pendelverkehrs, so sind Massengüter fast vollständig in diesen Typus ein-zuordnen. Die in Abbildung 15 zusammengefassten Relationen des globalen Tankerverkehrs geben einen stellvertretenden Eindruck vom linienhaften Charakter dieser Verkehre einerseits und der durch die vorwiegende Verwendung von Schiffsgrößen implizierten Häufigkeit, Re-gelmäßigkeit und Aufkommensstärke andererseits. Nicht aufgenommen sind Tanker der Han-dymax-Klasse (40.000 dwt), die zusammen mit den Schiffen der Aframax-Größe (80.000 dwt) den Großteil des Rohöl- und Ölproduktevolumes transportieren (DIKOS,G.;PAPAPOSTOLOU,N.

2002,S.179).

Abb. 15: Hauptrouten des Tankerverkehrs

Die im weiteren Verlauf beschriebenen Linienverkehrsarten sind fast ausschließlich im containerisierten Stückgutverkehr zu finden, da bei den übrigen Güterarten die soeben darge-legte Form des Pendelverkehrs vorherrscht.

Als erste Erweiterung des linearen Verlaufs werden Schleifen (loops) in den Routenverlauf integriert. Diese ermöglichen auch bei disperser Verteilung von Häfen innerhalb einer Region, die Potenziale dieser Standorte zu bündeln. Ungleichgewichte bei Transportnachfrage oder -angebot können so auf der entsprechenden Seite der Route ausgeglichen werden (B REITZ-MANN,K.-H. 1993,S. 90f.). Bei insgesamt niedrigem Transportaufkommen im Vergleich zum Ladevolumen der eingesetzten Schiffe oder hoher Interkonnektivität der auf Zwischenhalten liegenden Standorte ist auch die Etablierung einer zweiten Schleife am anderen Ende der Route möglich. Ähnlich zum linearen Routenverlauf bezeichnet man dies bei einem zentralen

2.3 Maritimer Transport und Logistik 61 Knoten entgegengesetzt verlaufender Schleifen als pendulum-Verkehr (NUHN,H.; HESSE, M.

2006,S.126;SLACK,B.1998,S.270f.).

Ein im Containerverkehr weit verbreitetes System, das auch in der Argumentation um die Wertigkeit von Häfen oft verwendet wird, ist das hub-and-spoke-Prinzip. Hierbei werden die Ladungen zweier Regionen jeweils in einem zentralen Hafen (hub) über Sammelverkehre in Form von Pendelrouten gebündelt und dann auf einer Hauptstrecke (mainline) zu dem hub der anderen Region transportiert (HAYUTH,Y.;HILLING,D.1992,S.48;NOTTEBOOM,T.E.2004,S.

94). Dort werden die Ladungen wiederum umgeladen (transhipment) und durch feeder-Linien auf die untergeordneten Hafenstandorte verteilt (DUCRUET,C.; NOTTEBOOM,T.E.2010,S.5, DEECKE,H.2002,S.57). Da in hubs die Konzentration von Ladeaufkommen besonders hoch ist und verstärkend hinzukommt, dass für jeden Container, der den Hafen durchläuft, zwei Vorgänge (Be- und Entladen) notwendig sind und deshalb auch so erfasst werden (DEECKE, H.2002,S.39), verstärken sich die hierarchischen Unterschiede zwischen feeder-Linien und linearen Pendelverkehren auf Ebene der Häfen. Das statistisch erfasste Umschlagsvolumen eines hubs ist somit deutlich höher als das eines feeder-Hafens.

Eine in den 1980er Jahren entstandene Variante des hub-and-spoke-Prinzips für den mari-timen Transportsektor sind round-the-world-Routen (Abb. 17d). Hierbei fahren Schiffe mit höchster Ladekapazität entlang des sogenannten Containergürtels in einer regelmäßigen Rundfahrt um die Welt (SLACK,B.1998,S.270;EXLER,M.1996,S.125ff.). Die dabei in entge-gengesetzte Richtungen (eastbound/westbound) angelaufenen mainports dienen als hubs für ihre jeweilige Region und die darin befindlichen anderen Hafenstandorte (EXLER,M.1997,S.

745; NUHN, H. 1996, S. 422). Von diesen Drehscheiben des maritimen Seeverkehrs ausge-hend verlaufen feeder-Routen in nördlicher und südlicher Richtung (BENDALL,H.B.;STENT,A.

F.1999,S.146) sowie regionale Verkehre unterschiedlicher hierarchischer Staffelung (N OTTE-BOOM,T.E.2004,S.95). Ebenso wie beim hub-and-spoke-System verringert sich die Anzahl der direkt von Schiffen der höchsten Größenklasse angelaufenen Häfen enorm (DUCRUET,C.;

NOTTEBOOM,T.E.2010,S.3).

Vorteil dieser Routenführung ist die Möglichkeit alle wichtigen Regionen der Welt mit einer relativ kleinen Flotte bedienen zu können (SLACK,B.1998,S.270;SLACK,B.1999,S.12). Au-ßerdem wird eine hohe Auslastung der größten Containerschiffe, die sonst unter dem Druck hoher Anschaffungskosten nur auf Strecken höchsten Aufkommens eingesetzt werden kön-nen, auf der mainline gewährleistet. Letzteres gilt auch als ursächlich für die Einführung von hub-and-spoke-Verkehren (HILLING, D.; HOYLE, B. S. 1984, S. 10; NUHN, H. 1994, S. 284).

Nachteilig wirken sich jedoch die oft langen Zeiträume aus, die eine Sendung auf der Haupt-route verbringt bzw. warten muss, bis ein Haltepunkt fahrplangemäß bedient wird. Nur noch wenige Linienbetreiber verwenden heute round-the-world-Linien in ihrer ursprünglichen Form.

62 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption Zu den oben angeführten Nachteilen dieses Systems kam nach der Überschreitung der Pa-namax-Grenzen die Limitierung der Schiffsgröße auf der Hauptlinie (SLACK,B.1999,S.11).

Abb. 16: Hauptrouten und wichtige Häfen im Liniennetz von Maersk Line

Die beschriebenen grundlegenden Liniensysteme stellen jeweils nur einen Routenverlauf eines einzelnen Betreibers dar. Da Größe, räumliche Spezialisierung und die Marktstrategie von Schifffahrtsunternehmen unterschiedlich ausgeprägt sind und gestiegene Serviceanforde-rungen auf Seiten der Transportnachfrage vorherrschen (DUCRUET, C.; NOTTEBOOM, T. E.

2010,S.3;BENDALL,H.B.;STENT,A.F.1999,S.150;NOTTEBOOM,T.E.2004,S.95), sind in der Realität Modifikationen und Überlagerungen der Liniensysteme (vgl. zum Beispiel Abb. 16) zu finden (SLACK,B.1998,S.270;GUY,E.2003,S.232).

Wenn beispielsweise ein round-the-world-Routennetzwerk eines Betreibers mit einem Pendelverkehr mit loop Schnittmengen an Häfen aufweist (Abb. 17e), kann dadurch das Leis-tungsvermögen des Gesamtnetzwerks erhöht werden, da Vorteile unterschiedlicher Netzarten kombiniert werden können (WILMSMEIER,G.;SÁNCHEZ,R.J.2010,S.183). Umladepunkte zwi-schen diesen Linientypen fungieren als transhipment-Häfen und erlangen dadurch zusätzliche Bedeutung.

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Abb. 17: Linienverkehrsarten

Zu den Linienverkehren, die vornehmlich auf internationalen Güteraustausch im transkon-tinentalen Maßstab abzielen, kommen noch Kurzstreckenverkehre wie short-sea-shipping o-der Küstenschifffahrt hinzu. Beide Formen können ebenso als feeder-Element Verwendung finden, treten aber auch unabhängig von übergeordneten Warenströmen auf (MANGAN,J. et al. 2008, S. 32; WOITSCHÜTZKE, C. P. 2002, S. 396; ROWLINSON, M. P.; LEEK, B. M. 1997;

SALDANHA,J.;GRAY,R.2002, S. 77f.; EVANGELISTA,P.;MORVILLO,A.2000,S.348).

Insgesamt ergibt sich eine komplexe Kombination aus variantenreichen Liniensystemen unterschiedlicher Betreiber, die Bündelungen, Hierarchien und Peripherisierung von Verbin-dungen beinhaltet (WEBER, J. F. 2001, S. 32; DUCRUET, C.; NOTTEBOOM, T. E. 2010, S. 3;

WILMSMEIER,G.;SÁNCHEZ,R.J.2010,S.181). Ein Beispiel hierfür liefert MCCALLA (2004) mit der mehrere Ebenen umfassenden hierarchischen Gliederung des Liniennetzsystems im

kari-64 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption bischen Raum. Eine weitere und besonders weitreichende Konsequenz ist die fortschreitende Konzentration von Linienverkehren auf wenige Hafenstandorte, die als hubs und transhipment center genutzt werden (PINDER,D.;SLACK,B.2004,S.7).

Die Komplexität verstärkend kommt hinzu, dass durch Allianzen und andere Arten der Zu-sammenarbeit Verknüpfungen zu anderen maritimen Netzwerken bestehen (NOTTEBOOM,T.

E.2004, S.95;SLACK,B.2004, S.28f.). Betrachtet man die horizontalen Kooperationen (vgl.

Kap. 2.2), so erhöhen diese zusätzlich die Anforderungen an Koordination und Planung der Gesamtliniensysteme.

Um die Auswirkungen vertikaler Zusammenarbeit auf maritime Netzwerke (vgl. ebenfalls Kap. 2.2) untersuchen zu können, bedarf es zuerst einer Darstellung der Elemente des mari-timen Transports, die nicht durch ein Seeschiff abgewickelt werden.