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Gütertransport: Verkehrsträger und Multimodalität

2. Theoretische Grundlagen und Konzeption

2.2 Transport und Logistik

2.2.2 Gütertransport: Verkehrsträger und Multimodalität

Im Allgemeinen ist Transport die physische Bewegung von Gütern oder Personen von ei-nem Ort zu eiei-nem anderen (u. a. STEFANSSON,G.2006,S.79). Für das vorliegende Thema ist es allerdings sinnvoll, Personenbewegungen von der Betrachtung auszuschließen. Betrachtet man das System des Transports, so besteht es aus Transportgütern, aus Transportmitteln und aus dem durch Ausgangs-, Ziel- und Umschlagsknoten gebildeten Transportnetzwerk. Das

40 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption Ziel eines Transportsystems ist es vorrangig, die Mobilität zu maximieren sowie alle Arten auf-tretender Kosten zu minimieren (STOUGH, R. R.; RIETVELD, P. 1997, S. 208). Dabei können Transportgüter in Industrieerzeugnisse und Rohstoffe unterschieden werden (HAHN,B.2009, S.93), wobei letztere wiederum in organische, mineralische und energetische Rohstoffe un-tergliedert werden können. Entsprechend den Eigenschaften des jeweiligen Guts wird es ent-weder als Massengut oder als Stückgut behandelt (vgl. Tab. 2).

Rohstoffe

(inhaltlich und graphisch geringfügig modifizierte Ausschnittsdarstellung nach W OI-TSCHÜTZKE,C.P.2002,S.330)

Nach der Art des Gutes, der zurückzulegenden Entfernung und anderen Einflussfaktoren sind für den Transport unterschiedliche Verkehrsmittel geeignet. Obwohl die Seeschiff, welche in Kapitel 2.3 genauer betrachtet wird, das zentrale Element des maritimen Transports und damit auch dieser Arbeit darstellt, sind, insbesondere für den im weiteren Verlauf verwendeten erweiterten Blickwinkel des maritimen Sektors, auch andere Transportmittel und deren Eigen-schaften von Bedeutung. Es sollen deshalb absteigend nach Relevanz für diese Arbeit die wichtigsten Transportmittel und deren Eignung für den Gütertransport beschrieben werden.

Das Seeschiff stellt, unabhängig von der speziellen Ausprägung seiner Nutzung, den Ver-kehrsträger mit der größten Ladekapazität und den daraus folgenden niedrigsten Kosten je Gewichts- und Entfernungseinheit dar. Es eignet sich damit sehr gut für große Ladungsmen-gen über weite Distanzen, weshalb das Seeschiff auch den bei weitem höchsten Anteil am gesamten weltweiten Transportvolumen einnimmt. Lediglich die geringe Geschwindigkeit und die Bindung an Hafenstandorte, wodurch für den landseitigen Weitertransport zusätzliche Transportmittel notwendig werden, schränken das Leistungsvermögen des Seeschiffs ein (NUHN,H.;HESSE,M.2006,S.114ff.).

Ähnliche Vor- und Nachteile sind auch beim Binnenschiff zu finden, dessen Route aller-dings zudem durch das vorhandene System an natürlichen und künstlichen Wasserstraßen vorgegeben ist. Dadurch sinkt die Flexibilität und Geschwindigkeit im Vergleich zum Seeschiff nochmals (NUHN,H.;HESSE,M.2006, S.99ff.). Jedoch erreicht es trotz der an die Bedingun-gen der Flüsse und Kanäle angepassten Größe ein hohes Ladevolumen und damit günstige Kosten je transportierter Einheit. In Kombination mit der geringen Geschwindigkeit eignet es

2.2 Transport und Logistik 41 sich somit besonders für den Transport von Massengütern, wird allerdings auch für Stückgut eingesetzt. Nachteilig wirken sich auf das Binnenschiff zudem die nicht flächenhafte Abde-ckung von Quell- und Zielgebieten sowie die Abhängigkeit von Natureinflüssen auf die Befahr-barkeit der Wasserstraßen aus (WOITSCHÜTZKE,C.P.2002,S.133).

Mit einer etwas höheren Flächenabdeckung (Netzbildungsfähigkeit) und Geschwindigkeit ist die Eisenbahn dem Binnenschiff zwar überlegen, niedrigere Kapazität und höhere Kosten lassen jedoch ein Profil entstehen, das trotzdem immer noch eher für Massengutverkehr ge-eignet ist als für Stückgut, allerdings einen schnelleren und witterungsunempfindlicheren Transport gewährleistet (NUHN,H.;HESSE,M.2006,S.64). Der nur selten mögliche Endpunkt-verkehr macht zudem, wie bei allen bisher beschriebenen Transportmitteln, Umladevorgänge unausweichlich, die zusätzlichen Kosten- und Zeitaufwand mit sich bringen (WOITSCHÜTZKE, C.P.2002,S.107).

Im Gegensatz dazu bietet der Lkw-Transport mit einer sehr hohen Straßennetzdichte eine nahezu lückenlose Flächenbedienung und eine, im Vergleich zum wasser- und schienenge-bundenen Verkehr, bessere Transportgeschwindigkeit (NUHN, H.; HESSE, M. 2006, S. 35ff.).

Dies und die hohe Flexibilität haben trotz relativ hoher Kosten zu einem starken Anstieg des Straßentransports in den letzten Jahrzehnten geführt (WOITSCHÜTZKE,C.P.2002,S.91).

Wenn auch für den Kontext dieser Arbeit kaum relevant, sollen noch das Flugzeug, das vor allem Waren mit hohem Wert oder geringer Haltbarkeit sehr schnell aber auch zu sehr hohen Kosten transportiert (NUHN,H.;HESSE,M.2006, S.136;WOITSCHÜTZKE,C.P.2002,S.

202f.), und der Rohrleitungstransport erwähnt werden, der für meist flüssige oder gasförmige Massengüter, die in großen Mengen regelmäßig in feste Verkehrsrichtungen fließen, sehr kos-tengünstig ist (NUHN,H.;HESSE,M.2006,S.88;WOITSCHÜTZKE,C.P.2002,S.212).

Sind bei einem Transportvorgang mehrere Verkehrsträger involviert, spricht man von In-termodalität (CUADRADO,M. et al.2004, S.322). Der Begriff „Kombinierter Verkehr“ wird vor allem im Zusammenhang mit der Reduktion von Straßenverkehr zu Gunsten anderer Ver-kehrsmittel verwendet (SLACK,B.1998, S. 263). Zielsetzung des intermodalen Transports ist es im Allgemeinen, die Kosten- und Geschwindigkeitsvorteile der unterschiedlichen Trans-portmittel so zu kombinieren, dass der Nutzen für den gesamten Vorgang insgesamt maxi-miert wird (VAN KLINK,H.A.; VAN DEN BERG,G.C.1998,S.2). Dabei ist aber auch der bei je-dem Umladevorgang anfallende zusätzliche Kosten- und Zeitaufwand zu berücksichtigen.

Dadurch wird intermodaler Transport meist erst ab einer bestimmten Gesamtdistanz rentabel, welche beispielsweise in Westeuropa bei etwa 150 km liegt. Allerdings sind Kriterien wie Vo-lumen und Häufigkeit des Güteraufkommens sowie spezielle Anforderungen an die Sendung zu berücksichtigen, weshalb intermodaler Verkehr in der Regel erst ab etwa 500 km einge-setzt wird (JANIC,M. et al. 1999, S. 423; VAN KLINK,H.A.; VAN DEN BERG,G.C.1998,S.3).

42 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption Werden alle Aktivitäten des gesamten Transports unter der Leitung eines Akteurs (multi-modal transport operator – MTO) durchgeführt, nennt man dies Multi(multi-modalität (VAN SCHIJNDEL, W.-J.;DINWOODIE,J.2000,S.233;ISLAM,D.M.Z. et al. 2006, S. 571f.).

2.2.3 Transportnetzwerke

Netzwerke bestehen aus einem System von Knoten und Verbindungen (Kanten), wobei die jeweilige Ausprägung dieser Elemente vom spezifischen Kontext abhängt. So kann es sich beispielsweise um Bahnhöfe und Gleise, um Flughäfen und Flugrouten, aber auch um Akteure und deren Beziehungen zueinander handeln (vgl. LOWE,J. C.;MORYADAS,S.1975, S. 54ff.;

GLÜCKLER,J.2007). Fasst man Metropolen oder global cities als Knoten in gebündelten trans-nationalen Netzwerken auf (u. a. GLÜCKLER, J. 2004, S. 29; FOWLER, C. S. 2006, S. 1429), zeigt dies die Möglichkeit auf, multiskalare und multithematische Netze synoptisch zu kombi-nieren. Der Austausch zwischen Knoten beschränkt sich daher nicht auf physische Güterbe-wegungen, sondern kann auch Informationen oder Machtbeziehungen beinhalten (KNOKE,D.;

KUKLINSKI,J.H.1982,S.12ff.). Die im Folgenden aufgeführten Eigenschaften von Netzwerken im Allgemeinen und Transportnetzwerken im Speziellen sind deshalb nicht nur für das Ver-ständnis physischer Abläufe im maritimen Verkehr, sondern auch für weite Teile der methodi-schen Umsetzung dieser Arbeit von Bedeutung.

In Transportnetzwerken sind die Kanten meist die von den Verkehrsträgern mit Transport-gütern befahrenen Wege, während die Ausgangs- und Zielpunkte eines Transportvorgangs die Knoten des Netzwerks darstellen, eventuell ergänzt durch Umladepunkte oder Distributi-onszentren. Transportnetzwerke kann man in vier grundlegende Typen unterscheiden (vgl. im Folgenden u. a. JANIC,M. et al. 1999, S. 422f.; NUHN,H.;HESSE,M.2006,S.289f.). Bei einem point-to-point-System (Abb. 10a) ist jeder Punkt mit jedem anderen direkt verbunden, wodurch die Strecke für jeden einzelnen Transportvorgang minimiert wird und Umladevorgänge ver-mieden werden. Da die Gesamtlänge des Netzwerks und die Summe aller Vorgänge jedoch maximal sind, versuchen alternativ verschiedene Varianten die Netzwerkleistung zu optimie-ren. Eine Möglichkeit dazu ist die Etablierung einer trunk line (Abb. 10b), die das Transport-aufkommen auf einer zentralen Achse bündelt. Die etwas längeren Wege einzelner Vorgänge stehen einer deutlichen Reduktion der Gesamtdistanz gegenüber.

2.2 Transport und Logistik 43

Abb. 10: Typen von Transportnetzwerken

Im Gegensatz dazu wird beim ring-Netzwerktyp (Abb. 10c) die Summe aller Wege mini-miert, jedoch werden einzelne Sendungen oft über das Mehrfache der im point-to-point-Verkehr notwendigen Distanz transportiert. Ist der Ring nicht geschlossen, verstärkt sich die-ser Effekt, da bei einem pendulum-Netzwerk (Abb. 10c) zwischen zwei Knoten hin- und wieder zurückgefahren wird. Im Fall eines hub-and-spoke-Systems (Abb. 10d) wird ein zusätzlicher zentraler Umschlagsknoten eingerichtet, wodurch ein Kompromiss zwischen der Reduktion der Gesamtdistanz und der Länge eines einzelnen Transportweges geschaffen wird. Meist treten die beschriebenen Netzwerktypen nicht in Reinform auf, sondern sind in Mischformen und Modifikationen in der Realität zu finden.

Neben dem grundsätzlichen Aufbau sind auch die Eigenschaften und die Bewertung eines Netzwerks sowie dessen Optimierung relevant für die Betrachtung des maritimen Transport-systems. In der praxisnahen Forschung wurden beispielsweise die Synchronisierung von Vor-gängen an Systemschnittstellen (u. a. RODRIGUE,J.-P.1999; KOZAN,E.2006) oder die Opti-mierung eines Gesamtnetzwerks, beispielsweise zur Distribution (KELLEHR, G. et al. 2003;

CATTRYSSE,D. et al. 1996), untersucht.

Dabei kann das Netzwerk auf der Ebene eines einzelen Knotens oder Akteurs analysiert werden, indem man dessen Einbindung durch die Anzahl und Stärke der Verbindungen zu anderen Knoten bewertet (LOWE,J.C.;MORYADAS,S.1975,S. 81ff.). Eine weitere Möglichkeit

44 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption ist die Betrachtung von Knotenpaaren und die Eigenschaften deren Beziehungen (KNOKE,D.;

KUKLINSKI,J.H.1982,S. 16ff.). Auf einem dritten Level der Untersuchung kann schließlich das gesamte Netzwerk betrachtet werden. Hierbei werden vor allem die Konnektivität (Gamma-Index), die Komplexität (Alpha- und Beta-(Gamma-Index), die Effizienz (beispielsweise gemessen an der durchschnittlicher Pfadlänge) und der Abdeckungsgrad von Teilbereichen eines Netzwerks herangezogen (DUCRUET,C.;NOTTEBOOM,T.E.2010,S.5ff.; LOWE,J.C.;MORYADAS, S. 1975, S. 88).

Analysen hinsichtlich dieser Eigenschaften von Netzwerken können in der Transportwirt-schaft auf unterschiedlichen Maßstabsebenen durchgeführt werden. Beispielsweise sind das Design von Flugliniennetzen (international), die Routenplanung einer Spedition (regional), der Ablaufprozess von Güterverkehrszentren (lokal) oder auch die interne Struktur eines Unter-nehmens oder einer UnterUnter-nehmensgruppe durch die Methoden der Netzwerkanalyse erfass-bar.

Für das hier vorliegende Thema zur maritimen Transportwirtschaft sind Netzwerke deshalb besonders relevant. Zu den wichtigsten Eigenschaften von Netzwerken zählen in diesem Zu-sammenhang auch die Zentralität und Zwischenposition (intermediacy) im Sinne von FLEMING

und HAYUTH (1994), die in verschiedenen Formen und Erweiterungen Verwendung fanden (zum Beispiel: DUCRUET,C.; NOTTEBOOM, T.E. 2010). Zentralität bedeutet dabei die Größe des Knoten selbst, dessen Funktion, die verkehrsgenerierenden Einflüsse auf ihn (FLEMING,D.

K.; HAYUTH,Y.1994, S.3) sowie die Nähe zu Quell- und Zielmärkten (DUCRUET,C.; N OTTE-BOOM,T.E.2010,S.5;LUTZKY,N.et al. 1980, S. 191). Das Maß der Zentralität ist allerdings für jede Maßstabsebene einzeln zu definieren (FLEMING,D.K.;HAYUTH,Y.1994,S.18).

Intermediacy hingegen drückt die relative Lage eines Knotens im Bezug auf andere unter Berücksichtigung von deren Austauschbeziehungen aus und kann deshalb auch als in-betweenness- oder en-route-Lage bezeichnet werden (HAYUTH,Y.; FLEMING,D. K. 1994, S.

188). Da sich aber beide Eigenschaften meist überlagern und sich ihre Ursachen und Wirkun-gen nicht vollständig voneinander trennen lassen, ist eine exakte Bestimmung des Einflusses der Zentraltität oder der intermediacy kaum möglich (FLEMING,D.K.;HAYUTH,Y.1994,S.17).

2.2.4 Logistik

Da jedoch Transport mehr beinhaltet als die physische Güterbewegung von einem Punkt zu einem anderen unter Berücksichtigung der eingesetzten Mittel und des genutzten Weges, sondern vielmehr integrativer Bestandteil des heutigen Wirtschaftssystems ist (WINKELMANS, W.1992,S.65), bedarf es eines erweiterten Verständnisses der zugrunde liegenden

Prozes-2.2 Transport und Logistik 45 se. Eine dieser breiteren Betrachtungsweisen des Transports stellt die Logistik dar (MCCALLA, R.J. et al. 2004, S. 475; NOPPE,R.;PLEHWE,D.2007, S. 77f.).

Nach der Definition des Council of Logistics Management (CLM) ist Logistik die Planung, Implementierung und Kontrolle des effizienten und effektiven vorwärts wie rückwärts gerichte-ten Flusses von Gütern, Dienstleistungen und notwendiger Informationen sowie Lagerung zwischen Transportquelle und -ziel entsprechend der Anforderungen des Kunden (CLM 2004;

STEFANSSON,G.2006,S.79). Logistik muss somit die nahtlose Eingliederung des Transport-vorgangs sowohl zwischen Unternehmen als auch innerhalb der globalen Produktionsnetz-werke transnationaler Unternehmen gewährleisten (CHEUNG,R.K.et al. 2003, S. 245).

Die Herausbildung der Logistik als Erweiterung des traditionellen Transportwesens ist auf zwei Entwicklungen unterschiedlichen Ursprungs, aber interdependenter Kausalität zurückzu-führen.

Zum einen sind Unternehmen des sekundären Sektors zunehmend gezwungen, sich auf ihre Kernkompetenzen im Bereich der Produktion zu konzentrieren und davon abgeleitete Un-ternehmenssegmente wie etwa Distribution auszulagern (outsourcing) (SKJOETT-LARSEN, T.

2000,S.126;CHEUNG,R.K. et al. 2003, S. 246; VAN LAARHOVEN,P.et al. 2000, S. 425). 2002 hatten schon etwa 94% aller europäischen Unternehmen entsprechende Bereiche ausgeglie-dert (NOTTEBOOM,T.E.;MERCHX,F.2006,S.551). Dadurch haben Transportunternehmen die Möglichkeit erhalten, Aufgaben wie Lagerhaltung oder Konsolidierung auszuführen und somit einen höheren Anteil an der Gesamtwertschöpfung zu übernehmen (EVANGELISTA,P.; M OR-VILLO,A.2000,S.336;SKJOETT-LARSEN,T.2000,S.112; VAN SCHIJNDEL,W.-J.;DINWOODIE,J.

2000,S.233;ABRAHAMSSON,M.;WANDEL,S.1998,S.181).

Zum anderen führten die bereits erläuterten Prozesse der Deregulierung und Liberalisie-rung des globalen Wirtschaftsystems auch zu einem transparenten und standardisierten Transportmarkt (vgl. u. a. FABBE-COSTES, N. et al. 2006; NUHN,H. 1998, S.161ff.), dessen starker Wettbewerbsdruck Tarifsenkungen und geringe Gewinnmargen zur Folge hatte (CHEUNG,R.K. et al. 2003, S. 246; MARKIDES,V.;HOLWEG,M.2006,S.336). Ebenfalls ermög-licht durch verschiedene Deregulierungsmaßnahmen kam es zu Angebotsdifferenzierungen und -spezialisierungen (MARKIDES,V.;HOLWEG,M.2006,S.341;PETERS,M.J. et al. 1998, S.

168), die mit den erläuterten Prozessen auf Seiten der Transportnachfrage vergleichbar sind.

Die aus diesen Gründen entstandene Angebotsdiversität des Transportmarktes und der ver-stärkte Organisationsbedarf zwischen den einzelnen Akteuren (VAN SCHIJNDEL, W.-J.; D IN-WOODIE,J.2000,S.233) erhöhte wiederum die Wirkung der ersten Triebfeder des Logistiksek-tors, da die erweiterten Anforderungen den outsourcing-Prozess von Transportfunktionen be-schleunigten.

Aufgrund der fast vollständigen Durchdringung des Transportwesens mit den unterschied-lichen Formen logistischer Funktionalität soll für den weiteren Verlauf der Ausführungen, so

46 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption nicht anders hervorgehoben, Transport auch das oben erweiterte Verständnis der Logistik beinhalten.

Die beschriebene Entwicklung hat außerdem dazu geführt, dass die unter 2.1 dargelegten Kooperationen zwischen Akteuren des Wirtschaftssystems im besonderen Maße auch im Lo-gistiksektor zu finden sind. Im Bereich der horizontalen Kooperationen sind vor allem in der maritimen Transport- und Logistikwirtschaft zahlreiche Branchen, wie etwa Linienbetreiber (NOTTEBOOM,T.E.;WINKELMANS,W.2001,S.75f.) oder Spediteure (KRAJEWSKA,M.A.;K OPF-ER, H. 2007), betroffen, deren spezifische Ausprägungen jedoch bei der Beschreibung der entsprechenden Akteursgruppe des Hafensystems dargelegt werden (vgl. Kap. 2.5).

Des weiteren werden vermehrt Kooperationen vertikaler Art vereinbart. So pflegen verant-wortliche Unternehmen des Transportwesens (carrier) und deren Kunden (shipper) in vielen Fällen eine enge Zusammenarbeit (GIBSON,B.J. et al. 2002, S. 669f.; EVANGELISTA,P.;M OR-VILLO,A.2000,S.336;KENT,J.L.;PARKER,R.S.1999,S.398ff.), die in unterschiedlichen Ko-operationsformen Ausdruck findet. Da Logistikdienstleister somit oft, in langfrisitigen Partner-schaftsabkommen eingebettet, alle Prozesse zwischen dem Versender und Empfänger planen und ausführen, treten sie als sogenannte third party logistic (3PL) Unternehmen (SKJOETT -LARSEN,T.2000,S.112;STEFANSSON,G.2006,S.77; VAN LAARHOVEN,P. et al. 2000, S. 426;

MUKHOPADHYAY,S.K.;SETAPUTRA,R.2006,S.717) oder als freight integrator (NOTTEBOOM,T.

E.;MERCHX,F.2006,S.552ff.) auf. Diese Formen der Zusammenarbeit verzeichneten insbe-sondere im Laufe der letzten Jahrzehnte einen raschen Anstieg hinsichtlich Marktdurchdrin-gung und Verbreitung. So belegt eine Studie zu den 500 größten Unternehmen der USA, dass etwa 80% der Befragten in 3PL-Kooperationen eingebunden sind (WANG,Q. et al. 2006, S.

794). Im asiatisch-pazifischen Raum waren es 2003 sogar 84% (ZHOU,G.et al. 2008, S. 263).

Eine Zusammenfassung von Auswahlkriterien und Erfolgsfaktoren für Partnerschaften die-ser Art wird unter anderem bei GIBSON et al. (2002) gegeben. Zudem zeigen zum Beispiel HALL und OLIVIER (2005) eine konkrete Anwendung für eine strategische Partnerschaft an-hand der Zusammenarbeit des produzierenden Wirtschaftssektors und des Logistiksektors in der Automobilindustrie des pazifischen Raums. Die in diesem und vielen anderen Bereichen vorzufindenden Kooperationen zwischen Produzenten und Logistikunternehmen ermöglichten beiden Parteien, die Transportabläufe so nahtlos wie möglich in den Produktions- und Distri-butionsprozess einzubetten.

2.2 Transport und Logistik 47 2.2.5 Wertschöpfungsprozesse in logistischen Ketten

Aus der fast nahtlosen Verwebung logistischer Abläufe mit der Herstellung und Bereitstel-lung von Gütern ist es nahezu unmöglich geworden, die Glieder der Transportketten und Pro-duktionsabfolgen getrennt zu betrachten (CARBONE,V.; DE MARTINO,M.2003,S.311). Globale Produktionsnetzwerke transnationaler Konzerne und internationaler Unternehmen sind durch die Elemente der Logistik zu einem komplexen System mit einer unüberschaubaren Anzahl an Ausgangspunkten und einer räumlich wie funktional differenzierten Abnahmeseite verschmol-zen, dessen dazwischenliegende Knoten vielfache und vielfältige Interdependenzen zu annä-herend allen Elementen des Systems aufweisen (BHATNAGAR,R.; VISWANATHAN,S.2000,S.

14). Um die Prozesse, die dieses Netzwerk zum Zwecke der Wertschöpfung und abschlie-ßenden Fertigstellung eines Produkts durchlaufen, theoretisch wie praktisch fassbar zu ma-chen, findet in vielen Fällen die supply-chain-Betrachtungsweise Anwendung. Grundlegend hierfür sind die wirtschaftswissenschaftlichen Konzepte der value chain (PORTER, M. 1980) und der global commodity chain nach GEREF (1995)(nachHENDERSON,J. et al. 2002, S. 440), deren sozial-gesellschaftliche Elemente jedoch für die Ziele dieser Arbeit kaum sinnvoll an-wendbar erscheinen, sowie der geographische Ansatz der production chain nach DICKEN

(1998). Eine supply chain verbindet Hersteller, Kunden und Akteure des Transportwesens durch vornehmlich vertikale Wertschöpfungsprozesse (LOPEZ, R. C.; POOLE, N. 1998, S. 33;

PEDERSEN, P. O.2001, S. 87) und ermöglicht die Koordination der jeweiligen Versorgungs-ströme und Informationsflüsse (LEE,T.-W. et al. 2003, S. 243; DEWITT,T. et al. 2006, S. 291;

PEDERSEN,P.O.2001,S.87). Das Augenmerk liegt bei diesem Ansatz auf dem Einbezug der gesamten Kette (chain) und der Kontrolle darüber (vgl. Abb. 11).

48 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption

Abb. 11: Logistische Wertschöpfungsketten globaler Unternehmens- und Produktionsnet-werke

Ziel aus Sicht eines Elements der Kette ist es daher, die vor- und nachgelagerten Prozes-se in die eigene Planung einzubeziehen (HSU,C.-C. et al. 2008, S. 297) und wenn möglich zu steuern oder zudem auch auf darüber hinaus reichende Abläufe Einfluss zu nehmen (HEAVER, T. et al. 2000, S. 364; JACOBS,W.; HALL,P.V.2007,S.330). Dies geschieht meist mit Hilfe von Kooperationen, Beteiligungen oder Zusammenschlüssen (HALL,P.V.;OLIVIER,D.2005,S.

291;GIBSON,B.J. et al. 2002, S. 669). Da diese Bemühungen um Einfluss nicht nur von einem Teil der supply chain ausgehen, sondern jeder Akteur entsprechend seiner Möglichkeiten (Größe, Finanzkraft, …) versucht, einen Teil der Kette zu kontrollieren, entsteht ein komplizier-tes Geflecht von Macht- und Kontrollbeziehungen unterschiedlicher Richtung und Stärke (vgl.

u. a. HALL,P.V.;OLIVIER,D.2005,S.292;AIRRIESS,C.A.2001,S.238;GOLICIC,S.L.2007,S.

725). Macht kann in diesem Zusammenhang innerhalb von Konzernen, zwischen unterschied-lichen Unternehmen oder anderen Akteuren ausgeübt werden, sich auf monetäre, funktionale oder zeitliche Bereiche beziehen und auf Verbindungen innerhalb von oder zwischen Standor-ten bezogen sein (HENDERSON,J. et al. 2002, S. 451). Ausdruck kann diese Macht in einer

2.2 Transport und Logistik 49 relativen Position oder Dominanz gegenüber anderen Akteuren oder in bestimmten Hand-lungsmustern finden (JACOBS,W.;HALL,P.V.2007,S.330).

Elemente der supply chain sind somit ihre Akteure, Warenströme, Informationen, Abhän-gigkeits- und Machstrukturen, die auf unterschiedlichen Ebenen und räumlichen Zusammen-hängen ablaufen (LEE, T.-W. et al. 2003, S. 245ff.). Die darin beinhalteten Akteursbe-ziehungen schließen beispielsweise Hersteller-Zuliefer-Interaktionen (HSU,C.-C. et al. 2008;

CORSTEN,D.;FELDE,J.2005;GOLICIC,S.L.2007;HOYT,J.;HUQ,F.2000), mehrseitige Lager-haltungskoordination (CHAN,J.W.K.2005;BAKER,P.2007;MAGABLEH,G.M.2007) sowie die Zusammenarbeit mit 3PL-Unternehmen (BHATNAGAR, R.; VISWANATHAN,S. 2000, S. 15) und spezialisierten Transportdienstleistern wie Schiffslinienbetreiber (HALL,P.V.;OLIVIER,D.2005, S.279) oder Konstellationen um ein fokales Produktionsunternehmen (HALL,P.V.;OLIVIER,D.

2005;DUBOIS,A.;PETERSEN,A.-C.2002,S.37) ein. Supply chains sind nicht nur im sekundä-ren Sektor zu finden, sondern werden beispielsweise auch für die Betrachtung landwirtschaft-licher Produktionsprozesse verwendet (LE HERON, R. et al. 2001). Durch unterschiedliche Standortbedingungen oder unternehmerische Traditionen treten zwischen verschiedenen, aber auch innerhalb einzelner supply chains teilweise erhebliche Gestaltungsabweichungen auf, wie HALLDORSSON et al. (2008) an Beispielen aus Nordamerika und Skandinavien be-schreiben oder DEWITT et al. (2006) für spezielle kulturellreligiöse Kontexte belegen.

Die unterschiedlichen Ausprägungen von Teilprozessen in einer Kette sind auch Ausdruck der territorialen Einbettung (vgl. Kap. 2.1) der involvierten Akteure. Wertschöpfungsketten, als prozessorientierte Betrachtungsweise von Teilbereichen eines oder mehrere globaler Produk-tionsnetzwerke, sind in ihren durchlaufenden Standorten ebenfalls durch die Eigenschaften und Anforderungen der beteiligten Akteure im Raum verankert. Dabei hängt die embedded-ness der gesamten Kette insbesondere von der territorialen Einbettung wichtiger Prozessab-schnitte oder von Schlüsselakteuren ab (JACOBS,W.;HALL,P.V.2007,S.328). Network em-beddedness wird im Kontext der supply chain als Einbindung eines Akteurs oder eines Stan-dortes in die Transportkette aufgefasst. Dabei wird nach JACOBS und HALL (2007) der Grad der embeddedness in Einfügung (insertion), Integration und Dominanz unterschieden (J A-COBS,W.;HALL,P.V.2007,S.329ff.).

Abbildung 12 gibt neben der Prozessabfolge in einer logistischen Transportkette mit den parallel ablaufenden Koordinations- und Informationsströmen auch die Wertsteigerung (value adding) der Fracht wieder, die durch die einzelnen Elemente der Kette bewirkt wird (H ENDER-SON,J. et al. 2002, S. 439; CARBONE,V.; DE MARTINO,M.2003,S.306;COE,N.M.;YEUNG,H.

W.2001,S.372). Dabei kann der Wert, der durch die Orts- und Zeitveränderung eines Trans-portvorgangs oder einer Logistikdienstleistung herbeigeführt wird (value adding logistics –

50 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption VAL), den von ortsgebundenen Produktionsschritten sogar überschreiten (WINKELMANS, W.

1992,S.66;BICHOU,K.;GRAY,R.2004,S.50).

Die beschriebenen Entwicklungen haben dazu geführt, dass die Wettbewerbsfähigkeit ei-nes Akteurs kaum noch isoliert betrachtet werden kann, so dass weniger die Effizienz oder Produktivität von Unternehmen verglichen werden können, sondern vielmehr globale logisti-sche Ketten miteinander konkurrieren (ROBINSON,R.2002,S.248).

Abb. 12: Wertsteigerung durch die Prozesse der logistischen Kette