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Regionaler Überblick über die globale Konkurrenzsituation

2. Theoretische Grundlagen und Konzeption

2.7 Wettbewerb der Hafenstandorte

2.7.1 Regionaler Überblick über die globale Konkurrenzsituation

Der folgende Überblick über die Entwicklung der größten Häfen seit der Mitte des 20.

Jahrhunderts kann als Fortsetzung der Zusammenfassung über historische Welthäfen des einführenden Kapitels betrachtet werden. Jedoch ist zu beachten, dass sich die Interpretation von Welthäfen im Sinne der dort verwendeten Maßstäbe auf die Betrachtung von Umschlags-zahlen verschoben beziehungsweise eingeengt hat.

Beginnend mit der Einführung des Containers im Stückgutverkehr war in den folgenden Jahrzehnten zunächst eine geringe, erst ab den 1970er Jahren eine steigende Anzahl von Häfen mit standardisierten Umschlagsanlagen ausgestattet. Die Innovation des Containers und der damit verbundene Umschlag in Häfen diffundierte ausgehend von den Ursprungsregi-onen Nordamerika und Europa zuerst nach Australien und Japan, später nach Ost- und Süd-ostasien (SLACK,B.1998,S.266;VIGARIE,A.1999,S.6).

In den nachfolgenden Tabellen (Tab. 8 und Tab. 9) ist diese Entwicklung anhand der Um-schlagszahlen der jeweils 20 größten Containerhäfen ausgewählter Jahre im Zeitraum zwi-schen 1970 und 2009 nachzuvollziehen.

134 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption

Francisco 336 Rotterdam 2.920 Singapur 14.135

3 Long Beach 282 Kaohsiung 2.779 Kaohsiung 5.693

Tab. 8: Die 20 umschlagsstärksten Containerhäfen 1970, 1987 und 1997

(zusammengestellt nach: VERLAQUE,C.1975,S.110ff.; BIEBIG,P.;WENZEL,H. 1989,S.

21)

Die aufstrebenden und exportorientierten Staaten bzw. deren Seehäfen finden in der darin abzulesenden Entwicklung ebenso ihren Niederschlag wie die Kontinuität von zentralen Kno-ten des Seeverkehrs wie Singapur oder Hongkong. Mit zunehmender Loslösung der Contai-nerterminals von den ehemaligen Häfen gemischter Funktion (NUHN,H.1996,S.422) und der Auslagerung bzw. Neugründung von Häfen an Standorten mit ausreichend Tiefgang, rückten allerdings auch neue Umschlagspunkte in die Riege der größten Häfen der Welt auf. Dieses ab den 1980er Jahren einsetzende Aufbrechen des bis dahin weitgehend geltenden (einseiti-gen) Zusammenhangs zwischen Welthäfen und Weltmetropolen (SLACK,B.1998,S.275;P IN-DER, D.; SLACK,B. 2004, S.1) verlief gleichzeitig zur stabilen Entwicklung anderer zentraler Knoten im maritimen Transport. Die komplexen Strukturen des Netzwerks und des Wettbe-werbs zwischen einzelnen Hafenstandorten ließen für jeden Kontinent und dessen Unterregi-onen mehrere Haupthäfen entstehen (SLACK,B. 1998, S.270). Das enorme Wachstum der Weltwirtschaft und die noch größeren Steigerungsraten des Welthandels ab den 1990er

Jah-2.7 Wettbewerb der Hafenstandorte 135 ren bewirkten entsprechend des verlagerten global-ökonomischen Schwerpunkts (vgl. Kap.

2.1) auch eine Verschiebung des Umschlags auf die Seehäfen Ostasiens. Dass sich diese Veränderung nicht nur auf die größten 20 Häfen der Welt niederschlug, sondern das gesamte System der Welthäfen betraf, zeigt die Zusammensetzung der 100 umschlagsstärksten Con-tainerhäfen des Jahres 2009 (vgl. Tab. 67 im Anhang und Abb. 47).

Rang

Tab. 9: Die 20 umschlagsstärksten Containerhäfen 2001, 2005 und 2009

(zusammengestellt nach: WOITSCHÜTZKE,C.P.2002,S.419;LLOYDS MIU2007,S.8;

YOUNG,B. 2010,S.6f.)

Auch auf regionaler Ebene und innerhalb von ranges kam es zu Umschlagsverschiebun-gen. So konnte das nördliche Europa, und hier insbesondere die north range, seinen Vor-sprung an Umschlag und Zentralität im Seehandelsnetz gegenüber dem mediterranen Raum weiter ausbauen. Das nahe und sehr gut erschlossene ökonomische Hinterland in Verbindung mit nahezu optimaler Ausstattung an Infra- und Suprastruktur ermöglichte es den Häfen Le

136 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption Havre, Antwerpen, Rotterdam, Bremen und Hamburg, sich zu den Zentren des Massen- und Stückguts in Europa zu entwickeln (DEECKE,H.2002,S.58;NOTTEBOOM,T.;WINKELMANS,W.

1999,S.59ff.). Diese sind nicht nur mit der Versorgung der jeweiligen Länder betraut, sondern nach der politischen und wirtschaftlichen Zusammenführung Europas auch verstärkt mit der der angrenzenden Staaten in Westeuropa (vgl. u. a. BAIRD,A.J.2004). Zudem erfuhr das Hin-terland der north range in den 1990er Jahren eine Erweiterung durch die Öffnung Osteuropas.

Durch dieses einschneidende Ereignis kam es jedoch gleichzeitig zur Peripherisierung des Ostseeraums, dessen Häfen (z. B. Kopenhagen oder Danzig) nun weitgehend indirekt, bei-spielsweise über den Knoten Hamburg, mit den transkontinentalen Routen verbunden sind, wenngleich Göteborg innerhalb dieses Regionalsystems noch eine relativ zentrale Position einnimmt (NUHN,H.1994,S.285;PRIEBS,A.2002,S.224;MARCADON,J.1999,S.17f.).

Die Häfen der britischen Inseln, in den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg und auch in der Anfangsphase der Containerisierung noch führend im weltweiten Vergleich, büßten, mit Aus-nahme von Southampton (vgl. GILMAN,S.2004) und den ausgelagerten Londoner Häfen Fe-lixstowe und Thamesport (FLEMING,D.K.1997,S.180;BAIRD,A.1999,S.114f.;MARCADON,J.

1999,S.17), ihre europäische und globale Vormachtstellung ein und werden heute kaum di-rekt in die Hauptrouten des Seetransports eingebunden.

Ähnlich erging es den europäischen Atlantikhäfen, von denen nur noch manche von ihrer günstigen (Insel-)Lage profitieren (z. B. Las Palmas) oder für die Versorgung des, aus zentral-europäischer Sicht, peripheren Hinterlandes notwendig sind (z. B. Lissabon).

Die rückläufigen Marktanteile französischer Häfen wie Le Havre oder Marseille sind unter anderem auf die weitgehende Ablehnung von Investitionstätigkeiten transnationaler Terminal-betreiber zurückzuführen, welche in anderen europäischen Ländern im Laufe der letzten Jahre einen hohen Anteil in diesem Bereich erwerben konnten (SLACK, B.; FREMONT, A. 2005, S.

124ff.; NOTTEBOOM,T.E.2002).

Der schon in den vorangegangenen Epochen ins Abseits geratene Mittelmeerraum war bis in die 1980er Jahre durch politische Instabilität einzelner Staaten, die Abschottung verschie-dener Regionen und die nur unzureichend ausgebauten Verkehrsverbindungen zum europäi-schen Zentralraum gekennzeichnet (EXLER,M.1996, S.224f.; GOUVERNAL,E. et al. 2005,S.

108). Nachdem zuvor lediglich Häfen nahe den Schifffahrtslinien, wie Marsaxlokk (Malta), Al-geciras oder Gioia Tauro, von ihrer Funktion als Zwischenhalt und Umladepunkt profitierten (RIDOLFI,G. 1999, S. 29ff.;WEBER, J. F.2001, S. 32f.), gelang es nun Häfen wie Valencia, Barcelona, Marseille, Genua und La Spezia als direkte Anlaufstellen der Containerlinienbetrei-ber und damit als gateways für das angeschlossene Hinterland zu fungieren (GOUVERNAL,E.

et al. 2005, S.109; SONG,D. et al. 2005, S. 27;WEHRHAHN,R. 2004, S. 20f.; MARSHALL, R.

2001,S.89ff.). Zuvor war dies lediglich einzelnen Häfen im Massengutverkehr, und dabei

ins-2.7 Wettbewerb der Hafenstandorte 137 besondere im Rohölbereich, gelungen (NUHN, H. 1994, S. 288). Durch die Verbesserungen bezüglich jedes der oben genannten Hemmfaktoren (vgl. u. a. MUSSO,E.;FERRARI,E.2001;

GOUVERNAL,E. et al. 2005, S.109ff.) sind im Mittelmeerraum weitere Zuwächse, auch durch die Märkte in Südosteuropa, und eine Hinterlandausweitung in das zentrale europäische Fest-land zu erwarten (DEECKE,H.2002,S.40;GOUVERNAL,E.et al. 2005,S.107). Auch stieg die Konnektivität innerhalb des Mittelmeerraums und zu anderen Regionen in den letzten Jahren stetig an, so dass nicht nur verstärkte transhipment-Tätigkeiten zu beobachten sind, sondern auch die Interkonnektivität der südeuropäischen gateways wuchs (DUCRUET,C.;NOTTEBOOM, T.E.2010,S.11). Allerdings sind die hohen transhipment-Raten von Algeciras (85%) und Gio-ia Tauro (95%) (NUHN,H.2010, S.155) in Verbindung mit teilweise gegebener Abhängigkeit von einer oder wenigen Liniengesellschaften ein Indikator für eine räumliche Instabilität einiger wichtiger Knoten im Mittelmeergebiet.

Weitere umschlagsstarke Häfen, insbesondere für Massengut, im europäischen Randbe-reich sind Constanza am Schwarzen Meer und St. Petersburg als europäisches gateway Russlands (HEIDELOFF,C.;STOCKMANN,D.2005, S.1;DUCRUET,C.;NOTTEBOOM,T.E.2010, S.14).

Im östlichen Mittelmeer sind zudem die israelischen Häfen Haifa und Ashdod, das syrische Lattiaka und die ägyptischen Häfen nahe und am Verlauf des Suezkanals einschließlich Ale-xandria weiterhin wichtige Knoten im Weltseeverkehr, während Piraeus seine zentrale Knoten-funktion für diesen Teil des Mittelmeers weitgehend eingebüßt hat (DUCRUET,C.;NOTTEBOOM, T.E.2010,S.14).

Die in West- und Ostküste aufgeteilte Hafenregion Nordamerikas konnte von der mit ra-schem wirtschaftlichem Wachstum verbundenen Vormachstellung der USA nach dem 2. Welt-krieg und den dadurch induzierten Güterströmen profitieren. Insbesondere die Hafenpaare der Ostküste in Long Beach / Los Angeles, San Francisco/Oakland und Seattle/Tacoma sowie das kanadische Vancouver konnten in großem Maße an der wachsenden Bedeutung des Pazi-fikhandels partizipieren (MCCALLA,R.J.1994,S.207). Sie wurden zudem zu Ausgangspunk-ten für Landbrücken nach New York, welches seine, unter anderem aus der Pionierrolle im Containerverkehr erwachsene, Vormachtstellung an der Ostküste der USA gegenüber Charleston, Hampton Roads, Miami, Port Everglades und Savannah behaupten konnte (MCCALLA,R. J.1999, S. 21;DUCRUET,C.;NOTTEBOOM,T.E.2010,S. 14;SHASHI-KUMAR,N.

1999,S.106). Im Golf von Mexiko hat sich in den Häfen von New Orleans und Houston, die insbesondere für den Transport von flüssigem Massengut von weltweiter Bedeutung sind, auch ein umschlagsstarker Containerverkehr entwickelt, dessen zentrale Knotenpunkte jedoch eher im karibischen Raum zu finden sind (DUCRUET,C.;NOTTEBOOM,T.E.2010,S.11).

138 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption In Mittel- und Südamerika bildete sich eine deutliche Dichotomie zwischen transhipment-Häfen wie z. B. den karibischen Standorten San Juan, Kingston und Panama Stadt (MCCALLA, R.J.2004;S.410ff.) einerseits und Exporthäfen für Massen- und Stückgut wie Buenos Aires oder Santos bei Sao Paulo andererseits. Letzterer konnte durch seine gateway-Funktion für das prosperirende Hinterland zum wichtigsten Containerhafen Südamerikas mit untergeordne-ten feeder-Häfen etwa in Venezuela und der Karibik aufsteigen (HEIDELOFF,C.;STOCKMANN, D. 2005, S. 5;DUCRUET,C.; NOTTEBOOM, T.E. 2010, S.11ff.). An der Westküste gelang es Buenaventura (Kolumbinen) als zweiter wichtiger Umschlagsknoten neben Callao (Peru) auf-zusteigen (DUCRUET,C.;NOTTEBOOM,T.E.2010,S.14).

Der afrikanische Kontinent ist, abgesehen von den erwähnten Hafenstandorten im Ein-flussbereich des Suezkanals, von dezentralen Strukturen geprägt, welche unter anderem auf die koloniale Vergangenheit der meisten Häfen als gateways kleinteiliger Küstenabschnitte zurückzuführen sind (vgl. GLEAVE, M. B. 1998; HOYLE, B.; CHARLIER, J. 1995). Lediglich in Südafrika ist die Konzentration von internationalen, in Abidjan (Elfenbeinküste) von regionalen Verkehrsströmen, festzustellen (DUCRUET,C.;NOTTEBOOM,T.E.2010,S.14).

Auf den Strecken zwischen Asien und Europa bildeten sich einige stark frequentierte Um-schlagsknoten heraus, die durch günstige Lagerbedingungen und niedrige Gebühren Marktan-teile gewinnen konnten. Häfen in aufstrebenden Schwellenländern, die zudem eigenen Ver-kehr generieren, oder Standorte in OPEC-Ländern konnten zudem vom hohen Exportauf-kommen flüssiger Massengüter profitieren.

Die wirtschaftliche Prosperität und die daraus folgende Entwicklung des maritimen Trans-portsektors in Ost- und Südostasien (Kap. 2.3.1) spiegelt sich auch in den Wachstumsraten der dortigen Seehäfen wider (LEMPER,B.2009, S.15), so dass dieser Raum in den letzten Jahrzehnten zur „world´s main container region“ wurde (NOTTEBOOM,T.2004,S.86). Zu die-ser wirtschaftlichen Entwicklung kommen als weiterer Erklärungsfaktor für die hohe Intensität maritimer Transportvorgänge auch die geographischen Gegebenheiten dieses Erdteils hinzu, welche durch die Insellage vieler Länder den Seeverkehr als verbindendes Element benöti-gen. In diesem Gebiet zwischen Japan und Singapur waren die japanischen Häfen von Tokyo, Yokohama, Kobe und Nagoya schon früh nach der Einführung des Containers führende Kno-tenpunkte des globalen Stückgutverkehrs (vgl. u .a. OBA,S.2001, S. 319). Allerdings wurde ihnen dieser Status ab den 1980er Jahren von den aufstrebenden Standorten Hongkong, Sin-gapur und Kaohisung streitig gemacht (FREMONT,A.;DUCRUET,C.2005,S.421). Auch Manila, als 1971 eröffneter und damit erster Containerhafen Asiens, konnte seine Rolle im internatio-nalen maritimen Netzwerk nur bedingt behaupten (FRANZ,J.C.1981,S.190).

2.7 Wettbewerb der Hafenstandorte 139 Gleichzeitig sind in Ostasien auch die meisten Welthäfen des Massengutverkehrs zu fin-den (HEIDELOFF,C. et al. 2006,S.6). Ursächlich für den Aufstieg der Häfen dieser Region ist zu einem nicht geringen Anteil die weltwirtschaftliche Integration Chinas und die daraus resul-tierende sprunghafte ökonomische Expansion dieses Landes. Dadurch entstand an der chine-sischen Küste eine Vielzahl großer Massenguthäfen (v. a. Shanghai), die für den Import von Rohstoffen benötigt werden, und Containerhäfen zum Export dort produzierter Güter. Von die-sem hohen Transportaufkommen konnten aber auch zahlreiche en-route-Häfen profitieren (HEIDELOFF,C. et al. 2006,S.8), die als Umschlags- und transhipment-Knoten des asiatischen Raums eine zentrale Rolle im weltweiten Güterverkehr eingenommen haben. Häfen mit zu-sätzlicher Funktion als gateway für potente Hinterlandgebiete (z. B. Hongkong für den Süden Chinas) profitierten zusätzlich (FREMONT,A.;DUCRUET,C.2005,S.421). Die höchsten Wachs-tumsraten waren deshalb im Verlauf des letzten Jahrzehnts für chinesische Häfen zu be-obachten (YAP, W.Y.; LAM, J. S. L. 2004, S. 338), welche 2007 mehr als 27% der weltweit transportierten Container umschlugen (LEMPER,B.2009,S.19). Eine genauere Beschreibung der Konkurrenzsituation einzelner Häfen vor allem dieser Region erfolgt im anschließenden Kapitel im Rahmen der Analyse der 20 größten Häfen des Welthandels.

Abschließend ist für Australien, neben dem insgesamt hohen Aufkommen exportdominier-ter Massengutverkehre der dortigen Bergbauindustrie, im Containerverkehr eine Verschiebung des Verkehrsschwerpunkts von Sydney zugunsten Melbournes zu beobachten (DUCRUET,C.;

NOTTEBOOM,T.E.2010,S.11ff.).

140 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption

Abb. 47: Die 100 umschlagsstärksten Containerhäfen 2009

2.7 Wettbewerb der Hafenstandorte 141