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Elemente des maritimen Transportsystems – Güterarten und Schiffstypen

2. Theoretische Grundlagen und Konzeption

2.3 Maritimer Transport und Logistik

2.3.2 Elemente des maritimen Transportsystems – Güterarten und Schiffstypen

Das maritime Transportsystem ist ein Netzwerk in dem in Kapitel 2.2.3 beschriebenen Sinn, dessen Kanten unter anderem durch die im vorangegangenen Abschnitt aufgeführten Seerouten gebildet werden. Würde man den maritimen Bereich weiter fassen und auch direkt abgeleitete oder abhängige landseitige Verkehre in die Betrachtung einschließen, so wären auch Schienen-, Straßen- und Binnenwassersysteme Kanten des Netzwerks. Knoten hinge-gen sind im engsten Sinne des Transports Terminals, definiert als Einrichtung zur Verbindung von Transportnetzwerken unterschiedlicher Modi (SLACK,B.1999a,S.244;OTTJES,J.A. et al.

2007,S.15;STEFANSSON,G.2006,S.79), weiter gefasst sind es Häfen und deren funktional integriertes Umfeld.

Es werden nun im Folgenden zuerst die Kanten des Seeverkehrs genauer betrachtet, um im Anschluss (Kap. 2.4) die Abläufe und Eigenschaften der Knoten auch unter Abhängigkeit von diesen untersuchen zu können. Da die Auswahl und Bewertung der an Knoten ansässi-gen Akteure Ziel dieser Arbeit ist, sind die Kanteneiansässi-genschaften des maritimen Verkehrs direkt mit den dazu notwendigen Prozessen und den daran beteiligten Akteuren verbunden. Zum Verständnis des Beziehungsnetzwerks von Häfen ist somit die Einführung der verschiedenen Transportsysteme notwendig.

Wichtigstes Element ist dabei das Seeschiff, das durch seine unterschiedlichen Ausprä-gungen und seine Entwicklung ab dem 2. Weltkrieg maßgeblichen Anteil an der Struktur des maritimen Transports hatte. Bei der Typisierung von Seeschiffen (vgl. Abb. 14) unterscheidet man zunächst, ob es sich um ein Schiff zum Transport von Passagieren oder Gütern handelt.

2.3 Maritimer Transport und Logistik 55 Letztere werden als Frachtschiffe bezeichnet. Zudem gibt es noch die Gruppe von Fähren und Ro/Ro-Schiffen (Roll-on/Roll-off), die sowohl Passagiere als auch Güter befördern können, sowie Spezialschiffe, die beispielsweise für Schleppdienste im Hafenbereich, als Eisbrecher oder zur Fischerei verwendet werden. Innerhalb der Kategorie der Frachtschiffe kommt je nach Art des transportierten Guts (vgl. Kap. 2.2.2) ein Massengut- oder ein Stückgutschiff zum Einsatz.

Abb. 14: Schiffstypen

Zu ersterem Typ zählen zum einen Schiffe für trockenes Massengut wie Kohle, Getreide oder Erze (SJOSTROM, W.2004, S.108). Diese Güter werden entsprechend ihrer jeweiligen Eigenschaften seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zunehmend mit Spezialfrachtern transportiert (NUHN,H.;HESSE,M.2006,S.117). Als flüssiges Massengut werden Erdöl, des-sen Derivate und Erdgas bezeichnet (MANGAN,J.et al.2008,S.30). Auch hier wurden speziel-le Tanker entwickelt, die den jeweiligen Anforderung des Transports und des Umschlags am besten gerecht werden.

Aufgrund der Homogenität von Massengut, das keiner spezifischen Behandlung jeder Ein-heit (Korn, Tropfen,…) bedarf und für jede weitere Menge nur geringfügig höhere Gesamtkos-ten generiert, sind Skaleneffekte (ecomomies of scale) bei größerer Ladungsmenge beson-ders wirksam (HILLING,D.;HOYLE,B.S.1984,S.12;NUHN,H. 1996a,S.22;WILMSMEIER,G.;

SÁNCHEZ,R. J.2010, S.182f.). Verstärkend wirkt sich zudem die Länge der Seerouten aus, die bei trockenen Massengütern meist zwischen Entwicklungsländern des Südens, bei flüssi-gem Massengut zwischen dem arabischen Golf, und Industrieländern der Nordhalbkugel ver-laufen (MOKIA,Z.;DINWOODIE,J.2002,S.41). Spezialisierung und Größenwachstum der

Tan-56 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption ker und Frachter für trockenes Massengut führten dazu, dass sich die Tragfähigkeit beispiels-weise von Tankern seit den 1930er Jahren (12.000 dwt; dwt – dead weight tonnage) um das 40-fache erhöht hat (auf mehr als 500.000 dwt). Allerdings sind Schiffe, die 140.000 dwt über-schreiten (Massengut-Schiffsklasse Suezmax), nicht mehr in der Lage, den Suezkanal zu durchfahren, wodurch längere Wegstrecken in Kauf genommen werden müssen (DIKOS,G.;

PAPAPOSTOLOU,N. 2002, S. 179). Skaleneffekte, die durch den Transport in VLCCs/VLOCs (Very Large Crude Carriers / Very Large Ore Carriers) mit über 200.000 dwt und mehr als 23 m Tiefgang bzw. ULCCs (Ultra Large Crude Carriers) mit mehr als 300.000 dwt und über 27 m Tiefgang (HILLING,D.;HOYLE,B.S.1984, S.12;HILLING,D.;BROWNE,M. 1998,S.246f.) ent-stehen, gleichen diesen Nachteil allerdings mehr als aus.

Zur Beförderung von Stückgut war bis in die 1960er Jahre ein hohes Maß an Zeit- und Kostenaufwand für jedes zu transportierende Gut notwendig. Durch die Heterogenität der Wa-ren wurden sie in Paketen, Säcken, Kisten oder Bündeln von unterschiedlicher Größe und Gewicht einzeln per Hand auf-, ab- und umgeladen (DEECKE,H.2002,S.40). Ein Schweizer Importeur zählte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts 50 dieser Vorgänge allein von der Ankunft des Schiffs im Seehafen bis zur Ankunft der Ware in Basel (VIGARIE,A.1999,S.3), wodurch Stückgut mehr als die Hälfte der Transportzeit in Häfen verbrachte (CHILCOTE,P.W.

1988,S.127). Erst durch die Einführung eines Transportbehältnisses konnten diese Hemm-nisse beim Transport von Stückgut überwunden werden (CULLINANE,K.;KHANNA,M.2000,S.

181). Als Standardbehältnis hat sich der 1956 vom Reeder McLean entwickelte Container durchgesetzt (PAWLIK,T.1999,S.32f.; SLACK,B.;NUHN,H.2010,S.153ff.), dessen Länge von 20 Fuß auch heute, bei zusätzlicher Nutzung von 40- und 60-Fuß-Containern, als Mengenein-heit (TEU) Verwendung findet (FRANZ,J.C.;SIEMSGLÜSS,K.1981,S.27f.). Durch die Standar-disierung und Mechanisierung des Umschlags konnten die hierfür notwendige Arbeitskraft um etwa 90% und die Umschlagskosten um etwa 80% reduziert werden (BREITZMANN,K.-H.1993, S.2). Zudem besteht nun die Möglichkeit, sonst zwingend im Hafen durchzuführende Tätigkei-ten (wie etwa Konsolidierung) an Orte im Binnenland auszulagern (HILLING,D.;HOYLE,B.S.

1984,S.10).

Ein weiterer durch die Einführung des Containers bedingter Effekt auf Stückgutschiffe ist, dass diese nun den selben Skaleneffekten unterliegen wie Massengutfrachter (WEBER,J.F.

2001,S.30;STRANDENES,S.P.2004, S.135), da Container keiner individuellen Behandlung mehr bedürfen. Mit erweiterter Kapazität sinken auch die Kosten je TEU-sm, deren Einspa-rung bei einer Kapazität von 10.000 TEU gegenüber einem Schiff mit 4.000 TEU auf 50% ge-schätzt wird (NOTTEBOOM,T.E.2004,S.88f.). Folglich wurden immer größere Containerschif-fe gebaut, deren Entwicklung in Tabelle 4 abzulesen ist. Auch hier fanden wichtige Schiff-fahrtskanäle und die entsprechenden maximalen Schiffsgrößen als Namensgeber der

jeweili-2.3 Maritimer Transport und Logistik 57 gen Generation Verwendung. Das Jahr 1996 wird mit dem Eintritt von Schiffsgrößen über 6.000 TEU als Beginn einer neuen Phase angesehen, in welcher erneut die Forcierung des Schiffsgrößenwachstums verstärkt wird (CULLINANE,K.;KHANNA,M.2000,S.182).

Generation Zeitraum Bezeichnung Kapazität (in TEU)

Jedoch sind abgesehen von sinkenden Kosten je zusätzlich transportierter Einheit auch andere Faktoren bei der Gestaltung eines möglichst wirtschaftlichen Frachtschiffs zu berück-sichtigen. Geschwindigkeit, Pünktlichkeit, Kraftstoffverbrauch und Ausstattung des Schiffs sind weitere Charakteristika, die entsprechend der jeweiligen Rahmenbedingungen Einfluss auf die Markteignung eines Frachters haben (BUXTON,I.L.;AKGUL,B.U.1989,S.27;MCCONVILLE,J.

2001,S.321;BENDALL,H.B.;STENT,A.F.1999,S.150;WILMSMEIER,G.;SÁNCHEZ,R.J.2010, S.185).

Die technische Innovation der Containerisierung im Stückguttransport und der rasche An-stieg des Welthandels insbesondere im Bereich von (Halb-)Fertigwaren haben durch ihre gegenseitige Verstärkung zu konstant hohen Wachstumsraten in der Containerschifffahrt ge-führt (LEMPER, B. 2009, S. 13f.), die einer volatileren Entwicklung im Massengutverkehr gegenüber stehen (HEIDELOFF,C.;STOCKMANN,D. 2005, S.4). Sie gilt somit als dynamisch-stes Segment der Seeschifffahrt (GÖPFERT,I.;BRAUN,D.2008,S.6) und kann als „das physi-sche Rückgrat des internationalen Güteraustauschs“ (DEECKE, H. 2002, S. 37) bezeichnet werden. Viele Autoren führen deshalb die Container als die Erfindung an, die den bei weitem größen Einfluss auf das gesamte Transportsystem in den Industrie- und Entwicklungsländern hatte (LOO,B.P. Y.;HOOK,B.2002, S.221;DEECKE,H. 2002,S. 40, SLACK,B.1998,S.264;

VIGARIE, A. 1999, S. 3). Erst durch den Container war die effiziente Nutzung intermodaler Transportketten im Stückgutverkehr möglich. Er stellt damit die Grundvoraussetzung zur Her-ausbildung der Logistik und globaler Produktionsnetze dar (PEDERSEN, P. O. 2001, S. 87).

Problematisch gestalten sich jedoch die Folgen unpaariger Verkehre beispielsweise zwischen

58 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption Asien und Europa, da die Transportbehältnisse für die weniger nachgefragte Relation nach Asien oft leer oder nur mit Ballast beladen befördert werden (MANGAN,J.et al. 2008,S.32;

LOPEZ,E.2003).

Entsprechend den Anforderungen der zu transportierenden Güter haben sich Spezialfor-men des Containers gebildet, die zur Kühlung (reefer container) oder auch zur Versendung von Flüssiggas dienen. Auch Konstruktionsabweichungen wie open-top oder half-height finden Verwendung (FRANZ,J.C.;SIEMSGLÜSS,K.1981,S.35f.; NUHN,H.2010,S.153).

Auch wenn der überwiegende Teil des Stückguttransports mittlerweile als containerisierte Fracht stattfindet, wird dennoch auch konventionelles Stückgut umgeschlagen und verschifft.

Dabei handelt es sich um nicht containersierbare Güter oder Projektladung, die beispielsweise aus Gründen von Volumen oder Sperrigkeit nicht für den Containertransport geeignet sind.

Der Umschlag solcher Güter ist zeitaufwendig und nur schwer mechanisierbar oder automati-sierbar (WOITSCHÜTZKE,C.P.2002,S.389).

Des weiteren gibt es Schiffstypen, die sowohl für Passagiere als auch für den Gütertrans-port verwendet werden können. Bei Fähren oder Ro/Ro-Schiffen wird die Ladung auf Lkws oder Anhängern horizontal in die Schiffe gefahren (WOITSCHÜTZKE,C.P.2002,S.394), wäh-rend bei den spezialisierten Containerschiffen das Lo/Lo-Verfahren (Lift-on/Lift-off) genutzt wird, das das Hinein- und Herausheben der Container vorsieht (DEECKE, H. 2002, S. 42).

Durch die höhere individuelle Mobilität der ebenfalls oft containerisierten Ladung erhöht sich zwar die Be- und Entladegeschwindigkeit und führt somit zu kürzeren Hafenliegezeiten (MCCONVILLE,J. 2001,S.321), die Ladekapazität solcher Schiffe ist aber deutlich reduziert.

Ro/Ro-Verkehre sind vor allem in den skandinavischen Ländern weit verbreitet (SLACK, B.

1999,S.11), stellen im Bezug auf die gesamte weltweite Flotte aber nur einen Anteil von etwa 2% dar (TAHAR,R.M.;HUSSAIN,K.2000,S.15).

Neben dieser speziellen Mischform ist es in vielen Fällen sinnvoll, trotz der Vorteile von Spezialfrachtern, Schiffe einzusetzen, die für den Transport unterschiedlicher Güterarten ge-eignet sind. Mehrzweckschiffe können konventionelles und standardisiertes Stückgut, aber auch Massengut transportieren, wobei deren Ladeanteil meist in flexibler Form variierbar ist.