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1. Akteursbasierende Bewertung von Hafenstandorten

1.1 Einordnung in den Stand der Forschung

1.1.5 Global-city-Forschung

Grundlegend für die global-city-Forschung ist vor allem HALLs (1966) Publikation zu Weltstädten, welche sich, nach den bereits zuvor erschienen Ausführungen zu Städten und internationalen Stadtsystemen (u. a. BERRY,B.J.L.1964), zum ersten Mal Kombinationen von Merkmalen zur Bedeutungsmessung widmete, die über einseitige Betrachtungen (v. a.

von Einwohnern) hinausgingen. Er regte an, die dort angesiedelte poltische Macht, Flugha-fenverbindungen, Banken, den Hafenverkehr und den Informationsaustausch zu bewerten, und verschob den Forschungsfokus von der Betonung der Produktions- zur Dienstleistungs-funktion von Städten (HALL,P.1966, S. 7ff.).

Die von ihm aufgestellten Annahmen zur Rangfolgemessung von Weltstädten wurde durch FRIEDMANN und WOLFF (1982) zuerst durch die Schaffung theoretischer Grundlagen untermauert und später von FRIEDMANN (1986) anhand der Formulierung der world city hypo-thesis konzeptionalisiert. FRIEDMANN (1986) verband die Annahmen von HALL (1966) mit der von GLICKMANN (1984), FRÖBEL et al. (1980) und FEAGIN und SMITH (1987) konstatierten in-ternational division of labour und berücksichtige gleichzeitig die prozess- und flussorientiert Arbeit von CASTELLS (1972), die später in die Veröffentlichung „the rise of the network society“ mündete (CASTELLS,M. 1996). Somit beruhten die als commanding nodes (F RIED-MANN, J. 1995, S. 23) der Weltwirtschaft verstandenen world cities vor allem auf der Betrach-tung wichtiger Unternehmen und deren Standortverteilung innerhalb des internationalen Städtesystems.

Von den dadurch angestoßenen Untersuchungen ist insbesondere die Arbeit von SASSEN

(1991) hervorzuheben, in der sie das Konzept der world cities auf London, New York und Tokyo als global cities anwendet, wobei sie von der von FRIEDMANN (1986) verfolgten Me-thodik der Hauptsitzanalyse Abstand nimmt. In ihren späteren Veröffentlichungen liegt der Fokus auf dem Verhältnis der wichtigsten Metropolen zur Weltwirtschaft und auf deren dadurch bedingten Status als global cities (SASSEN, S. 1995, 1997, 1998).

Es folgten weitere Veröffentlichungen, die zur kritischen und konstruktiven Weiterentwick-lung der Weltstadthypothesen führten. Dabei trugen unter anderem KNOX (1995, 1998) durch die Einordnung der Weltstädte in ein globales System, TAYLOR (1995) durch die Untersu-chung des Verhältnisses von Weltstädten zu ihren jeweiligen Nationalstaaten, ABU-LUGHOD

(1995) durch den Vergleich von Chicago, New York und Los Angeles sowie KEELING (1995) und RIMMER (1998) durch ihre Herausarbeitung der Rolle von Transport und Verkehr zur Fortschreibung dieses Forschungszweiges bei.

Einen wichtigen Anstoß zur Weiterentwicklung der attributorientierten zur relationalen Be-trachtungsweise von global cities gaben SMITH und TIMBERLAKE (1995). Deren Typologie von

18 1. Akteursbasierende Bewertung von Hafenstandorten Austauschbeziehungen zwischen Städten wurde insbesondere von ALLEN (1999) und T AY-LOR (1997) fortgeschrieben und mit der Feststellung ergänzt, dass das Fehlen belastbarer, international vergleichbarer Daten zur Untersuchung und Bewertung von Weltstädten ein großes Hindernis für die weitere Forschung darstelle.

Um diesem Problem entgegenzuwirken gründeten TAYLOR und BEAVERSTOCK die Globa-lization and World Cities group and network (GaWC), deren Aufgabe es ist, die Weltstadtfor-schung zusammenzuführen und durch die Betrachtung als world city network auf empirischer Basis Rangfolgen der global cities zu erstellen (HALL, P. 2002, S. 113ff.). Die daraus hervor-gegangen methodischen Untersuchungen stellen eine konsequente Weiterentwicklung der von CASTELLS (1972), SASSEN (1991) und FRIEDMANN (1986) erarbeiteten räumlichen Logik dar. Anhand der Analyse hinsichtlich der Hierarchie von Niederlassungsnetzwerken großer Unternehmen zentraler Dienstleistungsbranchen wurden Rangfolgen von Weltstädten und deren Einteilung in Alpha-, Beta- und Gamma-global cities erarbeitet (BEAVERSTOCK, J. V. et al. 1999, 2000, 2000a; TAYLOR, P. J. 1999, 2001).

Es folgte eine Vielzahl an Untersuchungen, die an diese Methodik und deren zugrunde liegenden Annahmen des hierarchisch gegliederten Weltstadtnetzwerks anschloss (u. a.

DERUDDER,B. et al. 2003; TAYLOR, P. J. 2005, 2007; TAYLOR, P. J. et al. 2002; 2002a). Diese Forschungsbeiträge und weitere methodische Anmerkungen (z. B. TAYLOR, P. J. et al.

2002b) oder die Einordnung des global-city-Ansatzes in die urbane Zentralitätsforschung (HALL, P. 2002) wurden in einigen zusammenfassenden Darstellungen (z. B. DERUDDER, B.

2006: Where we stand: a decade of empirical world cities research) aufbereitet.

Besondere Forschungsschwerpunkte lagen auf der Analyse von Städtepaaren (z. B. für Frankfurt und London: HOYLER, M. 2004), der Betrachtung einzelner Standorte (z. B. für London: BEAVERSTOCK, J. V. et al. 2003) und der Fokussierung auf einzelne Aspekte oder Branchen innerhalb des Weltstadtnetzwerks. So untersuchte KRÄTKE die weltweite Vertei-lung und Konzentration von Medienstandorten (KRÄTKE, S. 2002, 2002a, 2003; KRÄTKE, S.;

TAYLOR, P. J. 2004), während VAN DER WUSTEN (2006) ähnliche Ansätze für Politik und Ju-risdiktion verfolgte und GLÜCKER (2004) Weltstädterangfolgen aufgrund der Verteilung von Unternehmensberatungen erarbeitete. Auch die Austauschbeziehungen zwischen global cities hinsichtlich hochqualifizierter Arbeitskräfte wurde mit Hilfe des methodischen Grundge-rüsts der Weltstadtforschung analysiert (BEAVERSTOCK, J. V. 2004, 2007; FAULCONBRIDGE, J.

R.; BEAVERSTOCK, J. V. 2007).

Eine Kombination des global-city-Ansatzes mit wirtschaftswissenschaftlichen Aspekten wurde durch SASSEN (1998) aufgezeigt, indem sie die Bedeutung von Städten mit dem Ver-lauf von Wertschöpfungsketten in Verbindung brachte (SASSEN, S. 1998, S. 90f.). Weitere

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19 Arbeiten innerhalb dieser Schnittstelle wurden unter anderem von PANREITER et al. (2004) und BROWN et al. (2007) veröffentlicht.

Aber auch im Bezug auf die Verkehrs- und Transportforschung, insbesondere die Ver-kehrsgeographie, wurden methodische wie inhaltliche Aspekte erfolgreich mit der Weltstadt-theorie zusammengeführt. Vor allem die Strukturen des internationalen Flugverkehrs wurden früh als Indikator für die Einordnung von Weltstädten erkannt (SMITH,M.;TIMBERLAKE,D.A.

1995;O‟KELLY,M. E. 1998) und wurden zudem im Rahmen der GaWC-Forschung auch als eigenständiges Untersuchungsmerkmal für global cities herangezogen (DERUDDER,B. et al.

2007; ADEY,P. et al. 2007). Insgesamt ist die Transportfunktion in vielen Fällen als entschei-dendes Kriterium für das Entstehen und die Rangordnung von global cities konstatiert wor-den (KEELING,D.J.1995;HAMILTON,K.;HOYLE,S.1999).

Der für diese Arbeit besonders relevante Bereich des maritimen Transports wurde bereits im wegweisenden Beitrag von GLICKMANN (1984) durch den Bezug zum Hafen von New York und den Verweis auf RIMMERS (1984) Abhandlung über japanische Seehäfen verwendet. In ähnlicher Weise zieht ABU-LUGHOD (1995) für die Bewertung New Yorks als Weltstadt die Rolle des Hafens heran (ABU-LUGHOD,J.L. 1995, S. 173). Zuletzt wurde während der Aus-arbeitung dieser Arbeit von VERHETSEL und SEL (2009) ein Beitrag erstellt, der eine direkte Verbindung zwischen der global-city-Theorie und dem Standortnetzwerk maritimer Unter-nehmen herstellt. Diese Arbeit von VERHETSEL und SEL nutzt das methodische Vorgehen zur Ermittlung von global cities zur Ermittlung von hierarchischen Beziehungen und Rangfolgen der maritimen Weltstädte unter Einbezug der Niederlassungsnetzwerke von ausgewählten Linien- und Terminalbetreibern. Über diese unmittelbare Adaption der global-city-Theorie hinausgehend wird in der vorliegenden Arbeit ein in Kapitel 2 und 3 im Detail beschriebener Ansatz verfolgt, der auf einer grundsätzlich anderen Herangehensweise und Berechnungs-methodik beruht.

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