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Multidimensionale Hierarchisierung von Hafenstandorten

1. Akteursbasierende Bewertung von Hafenstandorten

1.2 Multidimensionale Hierarchisierung von Hafenstandorten

1.2 Multidimensionale Hierarchisierung von Hafenstandorten

Seehäfen als komplexe Standortsysteme des maritimen Transports werden in ihrer Wahrnehmung und Bewertung in der Regel ausschließlich auf ihre Funktion als Umschlags-punkt von Waren reduziert. Die sich daraus ergebene Einordnung ihrer Bedeutung beruht somit monokausal auf der Menge der transportierten Güter, dem Vergleich mit anderen Standorten und einer daraus abgeleiteten Hierarchie. Wie im einführenden Kapitel an histori-schen Beispielen dargelegt wurde, ist die langfristige und ortsgebundene Bedeutung eines Hafens aber von weitaus mehr Faktoren abhängig als von momentan auftretenden Warenvo-lumina. Da sich in den vielfältigen Akteursgruppen, die die Hafentätigkeit ermöglichen und das Hafensystem insgesamt konstituieren, die Projektionen vieler dieser Faktoren wiederfin-den lassen, erscheint eine akteursbasierte Betrachtung des Hafennetzwerks als geeignete Möglichkeit, die Bedeutung von Hafenstandorten darzustellen. Dabei sollen nicht nur eine oder wenige Akteursgruppen des maritimen Transports in die Betrachtung einbezogen wer-den, sondern ein möglichst repräsentatives Abbild der involvierten Akteure in die Untersu-chung aufgenommen werden.

Diese Arbeit geht somit von einer Hierarchie der weltweiten Hafenstandorte hinsichtlich der Bedeutung und Kontrollfunktion für die maritime Transportwirtschaft aus. Dabei werden die Häfen nicht als unabhängige Einheiten verstanden, sondern als Knoten innerhalb eines komplexen Systems aus unterschiedlichen Standorten. Dieses wiederum lässt sich in regio-nale und sektorenspezifische Teilbereiche untergliedern.

Das hierfür notwendige Verständnis von Häfen erfordert eine neue Definition und Ab-grenzung des Untersuchungsobjekts in funktionaler und prozessorientierter Form. Daher werden die in dieser Arbeit zu ermittelnden Hierarchien und Beziehungen zwischen den Standorten auf akteursbasierter Macht- und Kontrollebene, parallel zur Weltstadtforschung und den daraus resultierenden global cities, als „global ports“ bezeichnet. Diese analoge Nomenklatur bezieht sich allerdings ausschließlich auf die Grundkonzeption des stadtgeo-graphischen Ansatzes und nicht auf die dort verwendete Methodik.

Aus dieser grundlegenden Problemstellung ergeben sich folgende Hypothesen, die im Verlauf der Arbeit auf bestehende und eigene Forschungsergebnisse angewandt und hin-sichtlich ihrer Validität überprüft werden sollen.

Aus der isolierten Betrachtung der Umschlagsfunktion von Häfen und dem Vergleich dar-aus resultierender Aufkommenszahlen kann keine abschließende Aussage über die

Bedeu-22 1. Akteursbasierende Bewertung von Hafenstandorten tung eines Standorts abgeleitet werden, da hierfür mehr Aspekte zu beachten sind. Häfen sind zum einen zentrale Logistikknoten der Welthandelsströme einer globalisierten Weltwirt-schaft, die in globalen Produktionsnetzwerken transnationaler Unternehmen organisiert ist.

Aufgrund der Einbettung von Hafenstandorten in diese Netzwerke und daraus resultierende Wertschöpfungsketten, sind sie auch in diesem funktionalen Kontext zu betrachten. Zum anderen sind im Transportwesen und insbesondere im Hafensystem durch verschiedene technische, politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen Spezialisierungen und Erwei-terungen des maritimen Tätigkeitsfeldes aufgetreten, die eine funktionale Neudefinition des Hafens erforderlich machen.

Weiterhin sind durch diese funktionale Neudefinition auch die bisher angewandten räum-lichen Parameter zur Abgrenzung des Hafens nicht mehr ausreichend, da die zusätzlich ein-geschlossenen Aktivitäten andere Standortanforderungen und damit -ausprägungen aufwei-sen als bisher berücksichtigte Prozesse.

Zu diesem Zweck ist es sinnvoll, das Hafensystem als komplexes Akteursnetzwerk auf-zufassen, dessen Mitglieder anhand der hafenbezogenen Prozesse funktional abgegrenzt werden können. Diese Akteursgruppen bestehen aus Branchen, die sich aus privaten wie öffentlichen Unternehmen und Institutionen zusammensetzen.

Die interne Organisation der Akteure ist Ergebnis und damit Ausdruck von zugrunde lie-genden Machtbeziehungen und Einflussnahmen beispielsweise innerhalb eines Unterneh-mens. Da die räumliche Ausprägung dieser Strukturen auch Aussagen über die Machtgefüge zwischen Standorten des Unternehmens zulässt, können aggregierte Netzwerke dieser Art Hierarchien zwischen maritimen Standortagglomerationen der Akteure abbilden.

Häfen sind deshalb in dualer Form im weltweiten Standortnetzwerk eingebunden. Be-trachtet man die regionalen Repräsentanten globaler Akteursstrukturen in ihrer Zusammen-stellung an einem Knoten, geben diese den Anteil des globalen Einflusses an diesem Stand-ort wieder. Sind Branchen zentraler Bedeutung an einem StandStand-ort von externem Einfluss bestimmt und somit nur schwach an diesen Hafen gebunden, deutet dies auf eine geringe Stabilität des gesamten lokalen Hafensystems hin.

In einer weiteren Form der Einbindung in das globale Hafennetzwerk ergeben die aggre-gierten Verbindungen der Akteurs- und Branchenbeziehungen die relative Netzposition eines Standorts. Da die aggregierten Verbindungen auf Akteursebene die Bezüge zwischen den Standorten in Richtung und Stärke widerspiegeln, werden durch die Betrachtung dieser Be-ziehungen Über- und Unterordnungen zwischen Häfen abgebildet. Dabei sind Häfen, deren Akteursgruppen sich vornehmlich aus hochrangigen Unternehmensteilen mit Einflussmög-lichkeiten auf andere Niederlassungen zusammensetzen, in einer hierarchisch höheren Posi-tion im globalen Kontext einzuordnen als Standorte, die mehrheitlich abhängige

Niederlas-1.2 Multidimensionale Hierarchisierung von Hafenstandorten 23 sungen beheimaten. Eine dominante Rolle im Hafenstandortnetzwerk durch eine besonders starke Konzentration von hochrangigen Funktionen maritimer Unternehmen, Institutionen und Organisationen bedeutet damit eine hohe Entscheidungs- und Kontrollmacht gegenüber anderen Häfen.

Durch diese Bewertung der Knoten des weltweiten Hafennetzwerks sind nicht nur Rang-folgen von Standorten im Bezug auf die verorteten Kontrollfunktionen möglich. Auch die fun-dierte Auswahl besonders dominanter beziehungsweise stark abhängiger Häfen ist aufgrund dieser akteursbasierten Betrachtung möglich. Zudem können regionale Teilbereiche des Ha-fennetzwerks hinsichtlich ihrer internen Struktur oder ihrer Beziehung zu anderen Regionen untersucht werden. Außerdem ist durch die differenzierte Betrachtung der Akteursgruppen eines Hafens eine branchenspezifische Aussage zur Standortstabilität möglich. Anhand die-ser können problematische Abhängigkeiten in zentralen Bereichen des lokalen Interaktions-musters erkannt und bewertet werden.

24 2. Theoretische Grundlagen und Konzeption