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Traditionelle organisations- und führungstheoretische Ansätze

Im Dokument Von der Innovation zur Institution (Seite 33-36)

2.2 Neoinstitutionalistische Perspektiven

2.2.1 Traditionelle organisations- und führungstheoretische Ansätze

Bürokratische organisationstheoretische Ansätze umfassen Vorstellungen von Orga-nisationen, die zurückgeführt werden können auf Max Weber und die gekennzeich-net sind durch ein hierarchisches Grundverständnis, aus dem heraus gezielt auf In-dividuen eingewirkt wird. Diesen Sichtweisen zufolge können Organisationen gelenkt werden durch die Herstellung und Überwachung von hierarchischen Struk-turen, die dazu führen, dass Mitarbeitende einem logischen Plan folgen, um die Ziele der Organisation zu erreichen (Pellert, 1999).

Human-Ressource-Ansätze umfassen sowohl psychologische Ansätze als auch grup-penorientierte Ansätze. Psychologische Ansätze gehen davon aus, dass die Motiva-tion der Mitarbeitenden eine wesentliche Rolle dafür spielt, die OrganisaMotiva-tionsziele zu erreichen. Führung erfolgt nach dem Prinzip der Bedürfniserfüllung im Aus-tausch gegen Arbeitskraft. Eines der wesentlichen Bedürfnisse ist dabei die Zusam-menarbeit mit KollegInnen. Gruppenorientierte Ansätze gehen davon aus, dass Teams von Mitarbeitenden mehr zur Erreichung der Organisationsziele beitragen können als einzelne MitarbeiterInnen. Um die Vorteile von Teams nutzen zu kön-nen, ist es in diesen Ansätzen die Aufgabe von Führung, produktive Gruppenpro-zesse zu ermöglichen. Zur Sachorientierung muss also die Gruppendynamikorien-tierung hinzukommen. Dazu gehört es, Kooperation zu ermöglichen, indem gute Bedingungen für Kommunikation geschaffen und produktive Konflikte zugelassen werden (Pellert, 1999).

Sowohl bürokratische als auch psychologische und gruppenorientierte Human-Res-source-Ansätze gehen davon aus, dass die Organisationsziele durch rational agie-rende Führungskräfte erreicht werden, die der Schlüssel für die Steuerung der Mit-arbeitenden im Sinne der Organisationsziele sind. Der Rational-Choice-Theorie folgend (Diefenbach, 2009), wird für die Führungskräfte davon ausgegangen, dass Handlungsentscheidungen auf rationalen und vernünftigen Entscheidungen basie-ren bzw. dass Phänomene (z. B. das Erreichen von Organisationszielen) auf das Handeln von Individuen zurückzuführen sind. Eine entsprechend wichtige Rolle spielen Führungspersonen. Deshalb hat sich die Führungsforschung als eigenes Ge-biet entwickelt (Leadership studies). Es beinhalt diverse Ansätze und Richtungen, die der Frage nachgehen, wie Führungspersonen (in der Literatur oft begrifflich gleich-gesetzt mit ManagerInnen) Organisationen oder die Gesellschaft beeinflussen. Be-trachtet werden nach Yukl und Van Fleet (1992) beispielsweise

individuelle Eigenschaften von Führungspersonen,

Führungsverhalten,

Interaktionsmuster,

Rollenverhältnisse,

die Wahrnehmung der geführten Mitarbeitenden,

der Einfluss von Führungspersonen auf Mitarbeitende,

der Einfluss von Führungspersonen auf Zielsetzungen,

der Einfluss von Führungspersonen auf die Organisationskultur.

Insgesamt gesehen geht es dabei vor allem um die Frage, was Leitung effektiv oder ineffektiv macht. Allerdings ist auch die Definition von Effektivität strittig bzw. sehr subjektiv (Yukl & Van Fleet, 1992). Frühe Forschungen, insbesondere in den 1920er und 1930er Jahren, haben vor allem die Eigenschaften von Leitungspersonen in den Blick genommen und versucht herauszuarbeiten, welche Eigenschaften gute Lei-tungspersonen kennzeichnen. Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten waren laut Yukl und Van Fleet aber inkonsistent und widersprüchlich und zeigten eher, welche Charaktereigenschaften Menschen tendenziell dazu bringen, Führungspositionen einzunehmen, als dass sie etwas über die Qualität dieser Führung aussagten.

Arbei-2 Theoretischer Rahmen: Hochschul- und Institutionsforschung 33

ten in den 1950er Jahren konnten dann zumindest einige Eigenschaften herausar-beiten, die mit höherer Wahrscheinlichkeit mit Führungserfolg korrelieren, nämlich ein hohes Energielevel, Stresstoleranz, Integrität, emotionale Reife und Selbstver-trauen. Spätere Studien zur Motivation von Leitungspersonen haben diese Eigen-schaften in Relation gesetzt zu den drei Kategorien Machtbewusstsein, Zielorientie-rung und Gemeinschaftsgefühl sowie zu situativen und kontextuellen Faktoren.

Eigenschaftsorientierte Führungsforschung gilt mittlerweile als überholt, da sich Ei-genschaften nicht isoliert von Handlungen, Situationen und Kontexten betrachten lassen. Dennoch ist die Erforschung von Eigenschaften von Führungspersonen ab den 1990er Jahren als Charisma-Forschung erneut fokussiert worden (Steyrer, 1999). Dabei wird Charisma aber weniger als Eigenschaft einer Person verstanden, sondern als eine Funktion, die situativ zur Motivierung und zur Kreativitätsförde-rung eingesetzt wird (Blutner et al., 1999).

Weitere Arbeiten der Führungsforschung lassen sich den Verhaltensansätzen zuord-nen. Unterschieden werden bei Verhaltensansätzen sogenannte Führungsstile wie demokratischer Führungsstil, autokratischer Führungsstil usw. Einige Verhaltensan-sätze haben sich zunächst darauf konzentriert, das Verhalten von Führungspersonen nach sachorientiertem Stil und personenorientiertem Stil zu unterscheiden. Diese Taxonomie hat sich aber für die Forschung als zu unterkomplex erwiesen. Die Füh-rungsstile werden inzwischen nicht mehr als sich ausschließende Verhaltensweisen gesehen, sondern situativ betrachtet und eingesetzt. Zu den Verhaltensansätzen ge-hören auch partizipative Führungsansätze, bei denen Leitungspersonen die Mitar-beitenden an der Führung teilhaben lassen.

„Die Verhaltensansätze wurden ab den 1960er Jahren ergänzt durch situative Ansätze, die darauf fokussieren, wie Leitungspersonen ihr Verhalten an Rollenerwartungen, Pro-bleme und Anforderungen in unterschiedlichen Situationen anpassen. Dabei ist auch die Frage nach Macht relevant: Wie bekommen oder verlieren Führungspersonen Macht, wie beeinflusst Macht das Verhalten von Führenden und Geführten, und wie hängen Macht und Effektivität zusammen?“ (Yukl & Van Fleet, 160 f.)

Neuere Führungsforschung ist gekennzeichnet durch eine Abkehr vom Fokus auf die Führungspersonen und durch eine Hinwendung zu dem gesamten Gefüge der jeweiligen Organisation. In solchen Ansätzen wird die Organisation als ein Muster von Beziehungen gesehen. Wichtig ist die Dynamik des Ganzen, die sich aus allem, auch aus dem die Organisation umgebenden Kontext, ergibt. Strukturen sind nicht festgelegt, sondern bilden Zeitpunkte ab. Zugrunde liegt solchen Ansätzen eine systemische Weltsicht, die davon ausgeht, dass Menschen unterschiedliche Perspek-tiven auf die Welt haben, die sich aber wechselseitig bedingen. Daher ist eine Ausei-nandersetzung damit nötig, wie die Beteiligten ihre Sicht auf die Organisation kon-struieren; Führungspersonen können also nicht unabhängig betrachtet werden (Pellert, 1999, 98 f.). Aus systemischer Perspektive werden auch partizipative und kooperative Führungsstile wieder interessant. Diese sind zwar schon seit den 1930er Jahren immer wieder thematisiert worden, z. B. in Kurt Lewins Studien zu

Gruppen-dynamik (Lewin et al., 1968, vgl. Schreyögg, 2008, 411 f.). Diese werden jedoch durch die systemische Perspektive und den Einbezug des Kontextes erweitert.

Durch die Abkehr vom Fokus auf die einzelne Führungsperson haben sich auch die Begrifflichkeiten verändert. Statt von Führung wird mittlerweile eher von Change Management gesprochen. Veränderungen stehen deshalb im Mittelpunkt der Füh-rungsaufgaben, weil permanenter Wandel heutzutage als der normale Zustand gilt.

In früheren Sichtweisen schien die Bewältigung von Veränderung immer nur punk-tuell nötig, während Stabilität und Ordnung als Normalzustand galten. Mittlerweile ist ständig Innovation gefragt, und Zeiten der Stabilität scheinen damit die Aus-nahme zu sein (Schreyögg, 2008). Damit finden sich Führungspersonen ständig komplexen Situationen ausgesetzt. Diese erfordern ein anderes Führungsverständ-nis als in stabilen Zeiten:

„Beim Management von Stabilität zeigt sich Führungsqualität in der Fähigkeit, Ziele vorzugeben, Situationen zu analysieren, Soll-Ist-Abweichungen zu erkennen und Maß-nahmen anzuregen, die der Zielerreichung dienen. Beim Management von Instabilität entscheidet sich Führungsqualität in der Fähigkeit, emotional resonanzfähige Visionen zu entwickeln und überzeugend zu vermitteln, die Entwicklung ungewöhnlicher Szena-rien zu fördern, Leistungeinbrüche einzukalkulieren, Fehler als Teil des Lernen zu akzep-tieren, persönlich mit Unsicherheit umzugehen und die eigene Risikobereitschaft glaub-würdig vorzuleben.“ (Kruse, 2009, 76, zit. n. Wippermann, 2014, 101)

Wie dieser Überblick zeigt, hat sich das Verständnis davon, wie Organisationen ge-leitet werden, gewandelt. Doch auch wenn inzwischen nicht mehr nach Charakter-eigenschaften von Führungspersonen gesucht oder ein reines Kausalprinzip bei der Zielerreichung angenommen wird, bildet die Rational-Choice-Theory doch den Hin-tergrund der meisten vorgestellten Ansätze. Daran üben neoinstitutionalistische Per-spektiven grundlegende Kritik. Neoinstitutionalistische ForscherInnen bezweifeln vor allem, dass Führungspersonen aus rationalen Gründen autonom und zielgericht handeln und ihre Intentionen wie gewünscht verwirklichen können, weil sie dafür zu stark vom institutionellen Kontext beeinflusst seien. Diese Perspektive wird im Folgenden genauer erläutert.

Im Dokument Von der Innovation zur Institution (Seite 33-36)