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Das Sample besteht aus 16 Experteninterviews mit Schreibzentrumsleitenden. Als LeiterIn gelten diejenigen Personen, die offiziell – z. B. auf der Homepage des Schreibzentrums – als „writing center director“ ausgewiesen sind und die offiziell hauptverantwortlich sind für das Schreibzentrum. Das Aufgabengebiet und die Ver-antwortlichkeit dieser Personen können sehr unterschiedlich aussehen. So sind ei-nige LeiterInnen offiziell nur mit einem kleinen Prozentsatz ihrer Arbeitszeit als ProfessorIn für das Schreibzentrum zuständig, während andere keinerlei Lehr- und Forschungsverpflichtungen jenseits der Schreibzentrums haben. Und während ei-nige mit allen Verantwortlichkeiten ganz auf sich gestellt sind, haben andere Koordi-natorInnen oder AssistentInnen, die beispielsweise administrative Aufgaben oder die Ausbildung der Peer-TutorInnen übernehmen. Anzutreffen sind auch Leitungs-teams, in denen alle Aufgaben geteilt werden. In das Sample eingegangen ist auch ein Interview mit einem Leitungsteam aus drei Personen. Dieses wurde aus for-schungsökonomischen Gründen als eine Leitungsperson in das Kodiersystem über-nommen.

Als ExpertInnen wurden in diesem Zusammenhang zunächst Leitende definiert, die bereits sehr lange Schreibzentren leiten und es geschafft haben, diese in ihre Hoch-schulen in dem Sinne zu etablieren, dass das Schreibzentrum als offizielle Universi-tätseinrichtung mit eigenem Budget besteht. Darüber hinaus handelt es sich bei den meisten befragten Experten um Leitende, die durch eine Vielzahl von Publikationen im Feld der Schreibzentrumsforschung und Schreibzentrumstheorie in die Öffent-lichkeit getreten sind. Daher war davon auszugehen, dass diese Personen auch in ih-rer Eigenwahrnehmung ExpertInnen sind, da sie sich regelmäßig als ExpertInnen zu Wort melden und das Feld der Schreibzentrumsforschung nachhaltig geprägt ha-ben.

Im Verlauf des Forschungsprojekts wurde – im Sinne des Theoretical Sampling nach Strauss und Corbin (1996, s. u.) – das Sample erweitert, und es wurden auch Schreibzentrumsleitende interviewt, die über weniger Erfahrung verfügen. Dies er-schien sinnvoll, um eine größere Auswahl an Schreibzentren in die Forschung ein-zubeziehen. Durch die Hospitationen wurde deutlich, dass Hochschulen in den

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USA sehr unterschiedlich sein können. Deshalb dehnte ich die Interviews auf Schreibzentren aus, die möglichst verschiedene Hochschulkontexte repräsentieren, wobei die Auswahl der Experten auf Empfehlungen der bereits interviewten Exper-ten beruhte. Im Sample ist z. B. eine Hochschule vertreExper-ten, die eine technische Aus-richtung und überwiegend männliche Studierende hat, ein Frauen-College, eine Hochschule die überwiegend afroamerikanische Studierende immatrikuliert, eine kirchliche Hochschulen sowie eine Hochschule, an der überwiegend nicht-traditio-nelle Studierende studieren, die einen Migrationshintergrund haben und oft bereits im Berufsleben stehen und/oder Kinder haben.

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über das Sample:

Tab. 2: Übersicht über Hochschulen und Schreibzentren der ExpertInnen Art der HochschuleGße Hochschule (Studieren- denzahl)Gße SZ-TeamSZ be- steht seit Leitung Ge- schlecht Leitung: ca. Jahre Erfahrung in SZ-Leitung

Leitung: Faculty/Aca- demic StaffInstitutionelle AnbindungBesonderheit Öffentlich, Forschungsuniversit12.00025 (nur Leitung fest)1981m30FacultyEnglish Department Privat, Liberal Arts College90033 (nur Leitung fest)1987w24Faculty (Full Prof.)zentrale Einheitnur Frauen Öffentlich, Forschungsuniversit58.00040 (drei fest inkl. Lei- tung)?w29FacultyCollege of Arts and Sciencesbes. viele nicht trad. Stud. Öffentlich, Forschungsuniversit6.50020 (inkl. Leitung)1975w27Faculty (Full Prof.)Interdisciplinary Humanities Departmenttechnisch, 75% Männer Privat, Liberal Arts College1.10080 Peer-TutorInnen, Leitung 1 Prof. mit 25% der Arbeitszeit1986m26Faculty (Full Prof.)zentral, beim Vizeps.r akademische Angelegenhei- ten Öffentlich, Forschungsuniversit40.000110, davon 5 feste MA (inkl. Leitung)1969m30Academic StaffEnglish Department/ Graduate Program in Rhe- toric and Composition Öffentlich, Forschungsuniversit30.00030, davon 4 feste MA inkl. Leitung1989w14Faculty (Full Prof.)

eigene zentrale Einheit zusammen mit WAC-Pro- gramm, expository writing program und learning and teaching center, beim Präsidium Öffentlich, Forschungsuniversit39.60030 + Leitung1976w27Academic StaffEnglish Department Öffentlich, Forschungsuniversit39.60044 (davon 1 Leitung und ein Assistant Director fest und 2 Sekretärinnen)1976w21Faculty (Full Prof.)English Department/ Graduate Program in Rhe- toric and Composition Privat, Forschungsuniversit24.50030?m6FacultyEnglish Department

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(Fortsetzung Tab. 2) Art der HochschuleGße Hochschule (Studieren- denzahl)Gße SZ-TeamSZ be- steht seit Leitung Ge- schlecht Leitung: ca. Jahre Erfahrung in SZ-Leitung

Leitung: Faculty/Aca- demic StaffInstitutionelle AnbindungBesonderheit Öffentlich, Forschungsuniversit35.00056 (davon 3 feste MA inkl. Leitung)1988w13Academic Staffzentral, beim Vizepsident r Undergraduates Öffentlich, Forschungsuniversit32.00060, davon 2 feste MA (inkl. Leitung)1934w22Faculty (Full Prof.)Department for Rhetoric (anfangs: English Department) Öffentlich, Forschungsuniversit53.00039 (davon 10 feste MA inkl. 3 Leiterinnen)1972

w w w 15 10 7

Academic Staff +Faculty ohne Tenure+ Academic Staff

Department of Writing Studies Privat, Forschungsuniversit11.00030 (inkl. Leitung)1982w11

Faculty (Asso- ciate Prof.), seit 18. Le- bensjahr Peer- Tutorin

English Departmentkatholisch Öffentlich, Universität mit Fokus auf Lehre (Liberal Arts)8.00010, davon 1 Leitung und 1 fester MA2003w7FacultyUniversity College, anfangs English Department

historically black univer- sity (HBCU) Privat, Forschungsuniversit20.00074, davon 4 feste MA1996m6FacultyInstitut for Writing Studies (anfangs: English Depart- ment)

Folgendes lässt sich zu diesem Sampel festhalten:

Ist die Hochschule eine öffentliche oder eine private Hochschule?

5

11

Öffentliche Hochschulen Private Hochschulen

Abb. 5: Anteile öffentlicher und privater Hochschulen

Elf ExpertInnen leiten Schreibzentren an öffentlichen Hochschulen und fünf an pri-vaten Hochschulen.

Ist die Hochschule eine Forschungsuniversität oder ein Liberal Arts College?

Forschungsuniversitäten Liberal Arts Education 3

13

Abb. 6: Anteile Forschungsuniversitäten und Liberal Art Colleges

Von diesen Hochschulen sind 13 Forschungsuniversitäten, d. h., sie bieten sowohl BA- als auch MA- und Promotions-Studiengänge an und forschen. Drei der Hoch-schulen sind sogenannte Liberal Art Colleges. Sie legen den Schwerpunkt auf Bil-dung für BA-Studierende (Undergraduates) und möchten ihnen zwar eine Fachaus-bildung in Schwerpunktfächern ermöglichen, streben darüber hinaus aber eine möglichst breite Allgemeinbildung und allgemeine intellektuelle Fähigkeiten an (Cronon, 1998). Liberal Arts Colleges sind häufig klein, familiär und legen Wert auf ein gutes Betreuungsverhältnis. Viele Forschungsuniversitäten verfolgen in ihren Studiengängen übrigens auch die von Cronon (1998) dargelegten Ziele. Die BA-Studiengänge sind daher häufig hochschulintern verschiedenen Colleges zugeordnet (z. B. College of Arts and Sciences, oft synonym als Schools bezeichnet).

Die Größe der in das Sample einbezogenen Hochschulen reicht von 900 bis 58.000 immatrikulierten Studierenden. Unterteilt man die Hochschulgrößen in klein (unter 1.200 Studierende), mittelgroß (1.200 bis 20.000 Studierende) und groß (mehr als

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20.000 Studierende), ergibt sich folgende Verteilung innerhalb des Samples: Neun Schreibzentren sind an großen Hochschulen angesiedelt, fünf gehören zu mittelgro-ßen Hochschulen und zwei zu kleinen Hochschulen (vgl. Abbildung 7).

Wie viele Studierende sind an der Hochschule eingeschrieben?

2

< 1.200 Studierende 1.200–20.000 Studierende

> 20.000–60.000 Studierende 5

9

Abb. 7: Hochschulgröße

Die Größe der Teams in den verschiedenen Schreibzentren ist ebenfalls sehr unter-schiedlich. Werden alle Teammitglieder mitgerechnet, also neben der Leitungsper-son und fest angestellten Mitarbeitenden auch die Peer-TutorInnen (Undergraduates und Graduates), ergibt sich folgendes Bild:

Wie viele Personen gehören zum Schreibzentrumsteam?

Interview I1 I2 I3 I4 I5 I6 I7 I8 I9 I10 I11 I12 I13 I14 I15 I16 120

100 80 60 40 20 0

Abb. 8: Teamgröße

Die Teamgröße liegt zwischen 10 und 110 Teammitgliedern. Allerdings ist die Team-größe offenbar unabhängig von der HochschulTeam-größe. So hat eine der kleinsten Hoch-schulen (mit 1.100 Studierenden) eines der größten Schreibzentrumsteams (80 Team-mitglieder). Daraus ergibt sich ein theoretisch angenommenes Betreuungsverhältnis von 13,8 Studierenden pro Schreibzentrumsteammitglied. Das schlechteste

theore-tisch angenommene Betreuungsverhältnis liegt im Sample demgegenüber bei 1.450 eingeschriebenen Studierenden pro Schreibzentrumsteammitglied (vgl. Abbil-dung 9).

Wie viele eingeschriebene Studierende kommen auf ein Schreibzentrums-Teammitglied? (Theoretisches Betreuungsverhältnis)

Interview I1 I2 I3 I4 I5 I6 I7 I8 I9 I10 I11 I12 I13 I14 I15 I16

1.600,0 1.400,0 1.200,0 1.000,0

600,0 400,0

0,0 200,0 800,0

Abb. 9: Theoretische Betreuungsrelation

Viele der besuchten Schreibzentren bestehen schon sehr lange. Das älteste wurde bereits 1934 gegründet, eines 1969, mehrere in den 1970er und 1980er Jahren. Das jüngste besuchte Schreibzentrum war neun Jahre alt, bei zwei Schreibzentren ist das Gründungsjahr nicht erfragt worden (vgl. Abbildung 10). Allerdings wurde in den Interviews deutlich, dass die Schreibzentren sich im Laufe der Jahre sehr verändert haben und die ersten Institutionen nicht unbedingt den jetzigen glichen, z. B. in Be-zug auf die institutionelle Anbindung, die pädagogische Arbeit, die Größe oder die Bezeichnung.

Seit wie vielen Jahren existiert das Schreibzentrum an der Hochschule?

Interview I1 I2 I3 I4 I5 I6 I7 I8 I9 I10 I11 I12 I13 I14 I15 I16 80

70 60 50

30 20

0 10 40 90

Abb. 10: Bestehenszeitraum der Schreibzentren

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Die interviewten ExpertInnen haben unterschiedlich lange Erfahrung in der Leitung von Schreibzentren. Die kürzeste Zeit der Leitungserfahrung liegt bei sechs Jahren, die längsten haben 24–30 Jahre lang Schreibzentren geleitet (z. T. an unterschiedli-chen Hochschulen, vgl. Abbildung 11).

Seit wie vielen Jahren leitet der/die ExpertIn ein Schreibzentrum?

Interview I1 I2 I3 I4 I5 I6 I7 I8 I9 I10 I11 I12 I13 I14 I15 I16 30

25 20 15 10 5 0 35

Abb. 11: Leitungserfahrung der ExpertInnen in Jahren

Die ExpertInnen sind überwiegend als Faculty eingestellt, was in Deutschland Stel-len als wissenschaftlichen MitarbeiterInnen oder ProfessorInnen entsprechen würde. Sieben der Zwölf Faculty-Stellen sind Tenure-Track-Positionen oder Professu-ren. Vier der ExpertInnen sind „Academic Staff“. In Deutschland wären solche Posi-tionen in etwa vergleichbar mit akademischen VerwaltungsposiPosi-tionen, wie man sie z. B. häufig in Career Centern, Studienberatungen usw. findet (vgl. Abbildung 12).

Wie ein Blick in die Tabelle 2 zeigt, ist die institutionelle Anbindung dabei unter-schiedlich: Es gibt sowohl zentrale Einheiten, denen das Schreibzentrum angehört, als auch die Zugehörigkeit zu Departments, wobei diese Departments überwiegend English Departments sind.

Ist die Leitungsperson als „Academic Staff“ oder als „Faculty“ angestellt?

Academic Staff Faculty (davon 7 als Full-Professor

oder mit Tenure auf dem Weg zum Full-Professor)

4

12

Abb. 12: Stellung der ExpertInnen als Faculty oder Academic Staff

Zuletzt sei noch ein Blick auf die Geschlechterverteilung geworfen. Denn auch wenn binäre Geschlechterkategorien aus Genderperspektive überholt scheinen, spielen sie in den Diskursen zur Schreibzentrumsleitung eine Rolle. So werden Marginalisie-rung und niedriger Status von Schreibzentrumsleitenden in der Literatur damit in Verbindung gebracht, dass überproportional viele Schreibzentren von Frauen gelei-tet werden. Diese Proportionen werden auch in dem hier untersuchten Sampel sichtbar. Elf der interviewten ExpertInnen sind weiblich, fünf männlich (vgl. Abbil-dung 13).

Biologisches Geschlecht der Leitungsperson

weiblich männlich

Im Dokument Von der Innovation zur Institution (Seite 118-126)