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Kontext: Spezifika von Schreibzentrumsarbeit

Im Dokument Von der Innovation zur Institution (Seite 149-166)

6.1 Kontextfaktoren für die Institutionalisierungsarbeit von

6.1.2 Kontext: Spezifika von Schreibzentrumsarbeit

Eng mit dem organisationalen Feld verbunden, können die spezifischen Bedingun-gen von Schreibzentrumsarbeit an Hochschulen als ein weiterer Kontext kategorisiert werden, der die Institutionalisierungsarbeit prägt. Gemeint sind damit spezifische Herausforderungen, aber auch spezifische motivationale Aspekte, die hochschul-übergreifend typisch für die Arbeit der ExpertInnen sind. Als intervenierende Bedin-gungen lassen sie sich nur theoretisch vom organisationalen Feld der Schreibzen-trumsarbeit differenziert kategorisieren. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden diese Ergebnisse im Folgenden jedoch als eigener Kontext dargestellt.

6.1.2.1 Ergebnisse

Die in der Analyse herausgearbeiteten Probleme und Herausforderungen der Exper-tInnen decken sich weitgehend mit Problemen, die auch in der Schreibzentrumslite-ratur immer wieder diskutiert werden. Welche Probleme typisch sind für Schreib-zentrumsleitende, lässt sich gut aus solchen Handbüchern ablesen, die explizit für Schreibzentrumsleitende zusammengestellt wurden. Dazu zählen zum Beispiel Silk (2003), Murphy & Stay (2006) und Myers-Breslin (1999). Themen, die immer wie-der diskutiert werden, betreffen zum Beispiel die Auswahl und Ausbildung von Peer-TutorInnen, die Zusammenarbeit mit Lehrenden, die Evaluation der Schreibzen-trumsarbeit, den Umgang mit Diversität, strategisches Networking innerhalb der Hochschule und den Umgang mit „Misconceptions“ und dem damit verbundenen niedrigen Prestige von Schreibzentren.

Auffällig ist, dass insbesondere misconceptions, also divergierende Vorstellungen an-derer Stakeholder von Schreibzentrumsaufgaben, ein Problem sind. Diese führen dazu, dass die ExpertInnen ihre Arbeit als nicht genügend wertgeschätzt wahrneh-men bzw. dass die Schreibzentrumsarbeit nicht genügend durch andere Stakeholder legitimiert wird, was in der Folge beispielsweise zu Unterfinanzierung führen kann.

Die Veränderung der divergierenden Wahrnehmungen anderer AkteurInnen kann also als eine zentrale Herausforderung angesehen werden. Die als kontextgerichtete Institutionalisierungsarbeit subsumierten Strategien antworten auf diese Herausfor-derung. Ihnen gegenüber stehen jedoch viele positive Aspekte der Arbeit bei der Lei-tung von Schreibzentren, die die Institutionalisierungsarbeit der ExpertInnen inso-fern beeinflussen, als sie die AkteurInnen motivieren. So schreibt Harris:

„Those who opt to stay in the world of writing centers do so because it is compatible with who they are as individuals and with what they can be effective at. Enjoyment of and effectiveness in student-centered collaborative work in writing centers is usually ac-companied by a particularly strong preference for avoiding hierarchies. In my case, some

61 Aufgelistet auf der Homepage der Gesellschaft für Schreibdidaktik und Schreibforschung e. V., verfügbar unter http://

www.schreibdidaktik.de/index.php/ausbildung-qualifizierung/weiterbildung [29.10.2015].

deep personal discomfort with rules and power structures led me to revel in creating and strengthening the guidelines for a non-hierarchic place like our Writing Lab, and I con-tinually note how prevalent this is among others in my world.“ (Harris, 2001, 435–436) Bevor die Ergebnisse im Einzelnen dargestellt werden, soll hier eine Expertin zitiert werden, die bei einem Schul-Schreibzentrum beobachten konnte, wie sich ein Schreibzentrum entwickelt, wenn es bei der Institutionalisierung nicht auf die typi-schen Schwierigkeiten stößt:

„I did some consulting for a high school writing center in our area. They started a new writing center. And they really started it up with complete administrative support. They were so enthusiastic about it, it was unbelievable. And it seems as if they knew what they were getting. Everyone was on the same page and the director was really dynamic.

And she managed to find a staff of student tutors who were really dynamic. And in the space of a year, with all of that lined up, they have an unbelievable writing center. It is as if it has been there for ten years. They hit these targets in terms of the numbers of students they work with, and with different kinds of assignments and everybody is happy.

Tutors have graduated and they are now getting jobs at the university writing centers.

The success of it in the space of one year was striking. And it occurred to me that it was just that they started out without hitting the struggles that are normal for most people.

I don't know anyone else who is gonna have that experience but that is what it could look like. One in a million. But for the rest of us it is like one of those things that doesn't work and then you have to, you know, you go crazy.“

Ein Schreibzentrum aus einer Million, so vermutet diese Expertin, wird das Glück haben, dass alles so unkompliziert verläuft wie in diesem Beispiel. Alle anderen wer-den mit großer Wahrscheinlichkeit auf die im Folgenwer-den dargelegten Probleme tref-fen.

Herausforderungen

„Misconceptions“ sind Außenwahrnehmungen von der Arbeit des Schreibzentrums, die nicht der Wahrnehmung, den Ansprüchen und den Ideen der ExpertInnen ent-sprechen. Das Thema der „Misconceptions“, also der divergierenden Vorstellungen Außenstehender (Lehrender, Studierender usw.) über Schreibzentren, wird auch in vielen Artikeln und über Jahre hinweg diskutiert (z. B. Hayward, 1983; Masiello &

Hayward, 1987; Endicott & Haviland, 1992; Harris, 2001; Mullin, 2000; Devet, 2009;

Bandy, 1997). Der Klassiker dieser Texte ist Stephen Norths Artikel „The Idea of a Writing Center“ (North, 1995 [1984]), in dem er die Vorstellungen seiner Kollegen im English Department zum Anlass nimmt, das Konzept eines Schreibzentrums zu er-klären.62 Die von den ExpertInnen genannten problematischen Außenwahrnehmun-gen werden im FolAußenwahrnehmun-genden vorgestellt.

62 Zehn Jahre nach der Publikation seines Essays schrieb North mit „Revisiting the Idea of a Writing Center“ einen Essay, in dem er sich kritisch mit den von ihm selbst im Artikel propagierten Vorstellungen auseinandersetzt, die er nun zum Teil für zu idealisiert, übertrieben und verallgemeinert findet. Allerdings ist dieser Essay nicht annähernd so populär und viel zitiert wie der erste (North, 1994). Eine Übersetzung beider Essays auf Deutsch ist im Sammelband von Drey-fürst und Sennewald (2014) enthalten.

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Nachhilfeinstitutionen

Eine Aufgabe, die Schreibzentren offenbar häufig zugeschrieben wird, ist es, „nach-zubessern“ („remediation“). Es soll bei denjenigen Studierenden „nachgebessert“

werden, die nicht genügend Schreibkompetenzen mit an die Universität bringen.

Solche Studierenden werden von Lehrenden auf das Schreibzentrum verwiesen, um sich helfen zu lassen. Hinter dieser Wahrnehmung steht zum einen die Geschichte der amerikanischen Schreibzentren, welche früher als „Writing clinics“ bezeichnet wurden: Orte, an denen Probleme diagnostiziert und therapiert werden (vgl. Kapi-tel 3.5.1); zum anderen lässt sich diese Wahrnehmung aber auch einfach damit erklä-ren, dass Außenstehende divergierende Vorstellungen von dem haben, was in einem Schreibzentrum geschieht:

„And there are faculty and students who misunderstand what we do, have inappropriate expectations for what we do. […] When I think about it theoretically, or in a broad way nationally, is that because a writing center isn't a course, because it isn't a library, be-cause it isn't things that are kind of so familiar and second nature to people in the uni-versities. That we essentially are a blank slate, in some ways waiting to respond to inter-ests, to needs, to possibilities, to opportunities, to requinter-ests, that it’s easy for people to expose their expectations or wishes on a writing center. And some people are great at asking about what we do and asking how we can partner and support each other. But others just, it’s what Steven North said about a certain kind of ignorance about writing centers and the idea of a writing center in 1984, is they think they know what we do. Or they think they should be able to decide what we do and so and so. That's a challenge.“

Da Schreibzentren sich häufig als „offen für alle Studierenden“ charakterisieren („big tent model“, Salem, 2014), können diese Außenwahrnehmung nicht grund-sätzlich konträr zu denen der ExpertInnen sein. Problematisch sind sie jedoch inso-fern, als sie offenbar schnell zu einem Stigma werden für diejenigen, die das Schreibzentrum aufsuchen und zu einem Imageproblem auch für diejenigen, die im Schreibzentrum arbeiten:

„I think one of the biggest challenges we face here is working against the remedial label that is put on writing centers. That the only reason you would go to a writing center is if you are struggling as a writer or your teachers told you go to the writing center – your writing stinks.“

Studierende, die das Schreibzentrum aufsuchen, weil sie von ihren Lehrenden als

„schlechte” Schreibende identifiziert wurden, können unwillig sein, ihr Schreiben zu verbessern. Sie kommen dann lediglich ins Schreibzentrum, um in irgendeiner Form etwas zu tun, um ihre Note aufzubessern. Für das in Schreibzentren inten-dierte Collaborative Learning ist das eine denkbar ungünstige Voraussetzung. Erfah-rungsgemäß spricht es sich unter den Studierenden auch sehr schnell herum, dass ein Schreibzentrum ein Anlaufort für weniger gute Studierende ist. Das kann Stu-dierende davon abhalten, das Schreibzentrum für Rückmeldungen auf ihre Texte aufzusuchen, um sich nicht selbst als „schlecht“ zu identifizieren. Und darüber hi-naus könnte es Studierende zu der Annahme verleiten, in Schreibzentren würden

besser Schreibende ihre Texte korrigieren. Für diejenigen, die in Schreibzentren ar-beiten, insbesondere Leitungspersonen, bringt das Image als Nachhilfeinstitution zudem wenig bis gar kein Renommee.

Verwechslung mit Fachtutoring

Eine weitere divergierende Außenwahrnehmung ist die, dass Peer-Tutoring in Schreibzentren gleichzusetzen sei mit „content tutoring“, also fachlicher Beratung.

Dazu muss man wissen, dass es in den USA oft mehrere „Tutoring Center“, „Learn-ing Center“ oder „Student Success Center“ gibt, an die sich Studierende wenden können. Häufig genießen die dortigen TutorInnen nicht eine so umfangreiche Aus-bildung wie die Peer-TutorInnen in Schreibzentren, sondern werden ausschließlich nach fachlichem Können ausgesucht. Sie werden auch meistens nicht in ihrer Arbeit durch fachlichen Austausch und Supervision begleitet, sind nicht in die Forschung eingebunden und fahren nicht auf Konferenzen, um sich über die Grenzen der eige-nen Institution hinweg auszutauschen. Daher köneige-nen Qualitätsunterschiede in der Arbeit und ein unterschiedliches Rollenverständnis angenommen werden. Eine der interviewten ExpertInnen griff auf das lerntheoretische Konzept der Unterscheidung zwischen Surface Learning und Deep Learning zurück, um den Unterschied der Content-TutorInnen zu den Schreibzentrums-Peer-TutorInnen zu erklären. Surface Learning umfasst das Auswendiglernen von Faktenwissen und produziert kurzfristig abrufbares Wissen. Deep Learning umfasst langfristig gespeichertes Wissen sowie Strategien, um dieses Wissen zu erarbeiten und an die eigenen Wissensbestände an-zuknüpfen. Zum content tutoring sagt die Expertin:

„So it’s kind of like a supplemental instruction. So we have a set of tutors, they are peer learning assistance, they call them PLA. And they facilitate the tutoring groups after class or at night. And that's supplementing the learning of the content, material. But I am not sure that they are engaged in strategies that are about deep learning. I like to think they are. In some places I am sure they are. But in a lot of cases it’s more surface learning.“

Im deutschen Kontext könnte man diese TutorInnen eventuell mit FachtutorInnen vergleichen, die in Tutorien versuchen, den Stoff großer Vorlesungen noch einmal so nachzuarbeiten, dass alle Studierenden ihn verstehen können. Auch hierzulande besteht oft das Problem, dass diese TutorInnen keine Ausbildung und keinen Aus-tausch haben, sondern aufgrund ihres fachlichen Könnens ausgesucht werden und sich folgerichtig als eine Art HilfslehrerInnen betrachten, nicht aber als Peer-Tuto-rInnen, die auf Augenhöhe in ein gemeinsames Erarbeiten von Wissen involviert sind (Rothärmel, 2015).

Diese Außenwahrnehmung wird von den ExpertInnen in zweierlei Hinsicht proble-matisiert: Zum einen müsste, wenn es um Fachinhalte geht, angenommen werden, dass alle Schreib-Peer-TutorInnen auch fachliche Rückmeldung zu den besproche-nen Texten geben könbesproche-nen. Die Annahme, es ginge um fachliche Rückmeldungen, führt dann zu einem (durchaus berechtigten) Misstrauen gegenüber der

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keit, Studierende für eine solche Aufgabe einzusetzen. Denn fachlich können Stu-dierende nur selten die Lehrenden ersetzen, und sie können es erst recht nicht in Bezug auf alle Fächer. Zum zweiten führt diese divergierende Außenwahrnehmung zu einem fehlenden Verständnis für die Kosten, die Schreibzentren haben. Aus- und Fortbildung werden häufig ebenso wenig berechnet wie Vor- und Nachbereitungszei-ten für die Schreibberatung.

Schreibzentren als Serviceinstitutionen

Von vielen ExpertInnen als problematisch empfunden wird auch die Wahrnehmung von Schreibzentren als Service-Einheiten. Einige ExpertInnen sehen in einer solchen Wahrnehmung ein Missverständnis, weil es im Schreibzentrum nicht darum gehe, Studierenden Service zu bieten. Service impliziere Dienstleistung, d. h. die Vorstel-lung, dass andere Menschen jemandem die Arbeit abnehmen und man diese dafür bezahlt – in Anbetracht der immensen Studiengebühren in den USA eine näherlie-gende Idee als in Deutschland. Dass diese Wahrnehmung nicht nur von Studieren-denseite bestehen kann, sondern auch vonseiten der Verwaltung, zeigt das folgende Zitat, in dem eine Expertin berichtet, wie ein neuer Dekan ans Department geholt worden war, der das Schreibzentrum explizit nicht als akademische Institution wahr-nahm, sondern als eine Serviceeinrichtung, die dazu da ist, Studierenden den erfolg-reichen Abschluss der obligatorischen Schreibkurse zu Studienbeginn zu ermögli-chen:

„And he said quite frankly: You are a service school. We need you only for the service courses. We are a highly focused research university in science and technology. So we have always been seen as adjunct.“

Hinzugefügt werden sollte aber, dass das Wort „Service“ (to serve) dennoch häufig in den Interviews genutzt wurde. So beispielsweise in folgendem Zitat einer Expertin:

„Our mission is to serve the university as a whole.” Auch wird die Zuordnung von Schreibzentren zu Service-Einheiten wie “Learning Centers” nicht generell abge-lehnt, sondern kann auch eine Strategie sein.

Schreiben als isolierbare Fertigkeit

Ein weiteres von den ExpertInnen identifiziertes Problem sind auseinandergehende Vorstellungen von Schreibprozessen und vom Schreiben lernen. So scheinen viele Menschen anzunehmen, Schreiben sei eine Fertigkeit, die sich getrennt von Inhal-ten trainieren lasse, wie dieses Zitat illustriert:

„People want to separate writing out from thinking, writing out from reading, writing out from speaking and writing out from participation in a discourse community. They want it to be something like riding a bicycle, that you can ride it just as well whether you are riding in chemistry or in mechanical engineering.“

Demgegenüber hat die Schreibprozessforschung gezeigt, dass Schreiben keine Kom-petenz ist, die man zu einem bestimmten Zeitpunkt abschließend entwickelt hat.

Schreiben kann Schreibende immer wieder vor neue Herausforderungen stellen,

ab-hängig von der Aufgabenstellung, der Aufgabenumgebung, den AdressatInnen usw.

(vgl. Kapitel 3.2).

Die ExpertInnen verorten sich fachlich in diesen Diskursen und sehen Schreibzen-tren daher nicht nur als Orte für SchreibanfängerInnen, sondern auch als Orte, an denen sich versierte Schreibende über ihre Texte austauschen können. Im Sinne von Stephen North‘ viel zitiertem Essay The idea of a writing center (1995) gehen sie dabei davon aus, dass Schreibende den Austausch über das Schreiben brauchen. Im Ge-gensatz zu Norths Vorstellung reduzieren viele Lehrende das Schreiben auf ein Be-herrschen von Grammatik- und Orthografieregeln, wenn sie über die Aufgaben von Schreibzentren nachdenken. Obwohl in der Wissenschaft Peer-Review-Verfahren in-stitutionalisiert sind, scheint ein Austausch über Texte unter Peers in Bezug auf das wissenschaftliche Schreiben Studierender außerhalb des Vorstellungsbereichs vieler Lehrender zu liegen.

Verwechslung mit Sprachlernförderung

Einige ExpertInnen finden es problematisch, wenn Schreibzentren als Hilfseinrich-tungen für nichtmuttersprachliche Studierende wahrgenommen werden, auch wenn sie der Meinung sind, dass Schreibzentren für Nicht-MuttersprachlerInnen wichtige Anlaufstellen sein sollten. Sie sehen durchaus, dass Nicht-MuttersprachlerInnen häufig größere Schwierigkeiten beim akademischen Schreiben haben als Mutter-sprachlerInnen und entsprechende Unterstützungsangebote brauchen. Anerkannt wird von den ExpertInnen auch, dass Schreibzentren gute Anlauforte für Nicht-Mut-tersprachlerInnen sind, weil sie individuelle Angebote machen und mit Peer-Tutor-ing arbeiten. Dieses gemeinsame Arbeiten macht sie attraktiv für ausländische Stu-dierende, die dankbar sind für den durch das Schreibzentrum ermöglichten regelmäßigen Kontakt mit anderen Studierenden, wie das folgende Zitat zeigt:

„We are trying to internationalize and various groups on campus did research about what was necessary and what would happen if we had 300 more students on campus who were from different countries. And everybody said, everybody said, the center for writing and speaking. That's ground zero for international students, that's where they come. Not only for the help with the writing of things and the speaking but for the basics of what an American college paper is like. This is very different from country to country, as you know. And so we are ones to do that. Nobody else is doing that.“

Schreibzentren scheinen häufig in der Lage zu sein, relativ schnell auf aufkom-mende Bedürfnisse zu reagieren. Daher hat sich an einer anderen Universität das Schreibzentrum einfach deshalb der ausländischen Studierenden angenommen, weil diese gegenüber den Mitarbeitenden des Schreibzentrums klare Wünsche äu-ßerten, die von anderen Stellen nicht schnell erfüllt werden konnten, wie z. B. den Wunsch nach Konversationsgruppen, in denen auch Wortschatzarbeit gemacht wird (vgl. Abschnitt 6.6).

Diese Flexibilität von Schreibzentren, auf institutionelle Veränderungen und neu entstehende Bedürfnisse zu reagieren, ist einerseits eine große Stärke. Dennoch

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hen viele der ExpertInnen gerade die Hinwendung zur Zielgruppe ausländischer Studierender mit Sorge. Sie fürchten, das Schreibzentrum werde mit dieser Ziel-gruppe auf die oben bereits beschriebene „Nachbesserung“ festgeschrieben:

„We have worked very, very hard for a long time, and the writing center director before me did really work hard on that, too, so that the representation of the writing lab is not being remedial, but is being for all students. And it can be really easy for it to be per-ceived as remedial when 75 % of our clients are ESL [English as a Second Language, KG]

students. So we are kind of afraid of losing that.“

Oft seien es zwar eher die besonders guten Studierenden, die ins Ausland gingen, und ihre Schreibkompetenzen könnten sehr hoch sein. Sie würden jedoch in den Augen Lehrender dadurch zu Problemfällen, dass sie sprachliche Schwierigkeiten und eine andere akademische Sozialisation hätten, durch die sie mit den geforderten Textsorten nicht vertraut sind. Allerdings betrachten die ExpertInnen das Problem ambivalent, da sie Schreibzentren für alle Studierenden öffnen wollen und die Öff-nung für spezifische Zielgruppen, wie beispielsweise ausländische Studierende, zu-gleich auch als Legitimierungsstrategie erkannt haben.

Mangelnde Wertschätzung der Arbeit

Viele ExpertInnen scheinen häufig den Eindruck zu haben, ihre Arbeit werde nicht genügend wertgeschätzt. Auch dieses Phänomen wird in der Schreibzentrumslitera-tur vielfach diskutiert. Die Arbeit im Schreibzentrum kann verbunden sein mit ei-nem niedrigen Prestige, zumindest im Vergleich zu anderen Institutionen wie bei-spielsweise Lehrstühlen. Das zeigt sich in Zitaten wie diesem:

„And I always felt that I was doing things that are important here and if nobody cared about it at least I felt that it was important. But it was frustrating. Terribly frustrating.

Because, yeah, you are at the bottom of the food chain. That is an expression in English:

The bottom of the food chain. And I was at the bottom.“

In der Schreibzentrumsliteratur wird im Zusammenhang mit dem niedrigen Pres-tige der Schreibzentrumsarbeit unter anderem die Frage gestellt, inwiefern sich hier auch eine Genderkomponente zeigt: Überproportional viele Schreibzentrumsleitun-gen sind mit Frauen besetzt. Da die Mehrheit der Schreibzentrumsleitenden weib-lich ist (Babcock & Thonus, 2012, 62–63), wird das niedrige Prestige mit der generel-len geringeren Achtung und Bezahlung weiblicher Arbeit in Verbindung gebracht, aber auch mit vermeintlich weiblichem Verhalten. So spricht Nancy Grimm von

In der Schreibzentrumsliteratur wird im Zusammenhang mit dem niedrigen Pres-tige der Schreibzentrumsarbeit unter anderem die Frage gestellt, inwiefern sich hier auch eine Genderkomponente zeigt: Überproportional viele Schreibzentrumsleitun-gen sind mit Frauen besetzt. Da die Mehrheit der Schreibzentrumsleitenden weib-lich ist (Babcock & Thonus, 2012, 62–63), wird das niedrige Prestige mit der generel-len geringeren Achtung und Bezahlung weiblicher Arbeit in Verbindung gebracht, aber auch mit vermeintlich weiblichem Verhalten. So spricht Nancy Grimm von

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