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Kontext: Die lokalen Spezifika der Hochschule

Im Dokument Von der Innovation zur Institution (Seite 169-172)

6.1 Kontextfaktoren für die Institutionalisierungsarbeit von

6.1.4 Kontext: Die lokalen Spezifika der Hochschule

Der hochschulische Kontext hat über die oben beschriebenen Dimensionen hinaus immer auch spezifische lokale Charakteristika. Die Institutionalisierungsarbeit kann nicht von diesen getrennt gedacht werden. Sämtliche Aktionen und Interaktionen der ExpertInnen sind darauf ausgerichtet, das Schreibzentrum innerhalb dieses spe-zifischen Kontextes zu legitimieren. In der Literatur wird sogar bezweifelt, dass es kontextunabhängige Ratschläge für die Leitung von Schreibzentren geben kann:

„[...] we don’t sufficiently warn newcomers that writing centers cannot all function in si-milar ways or adopt rigid policies and approaches and that writing centers aren’t for those who crave absolute answers. Even the guidelines worked out every week by more experienced writing center administrators cannot be removed from a variety of contexts and compromises that influence writing centers in practice.“ (Harris, 1991, 64)

Entsprechend lautet auch der Titel eines Sammelbandes, der unterschiedliche Schreibzentren vorstellt, „Writing Centers in Context” (Kinkead & Harris, 1993). Die Ergebnisse der hier vorliegenden Studie unterstreichen, dass die ExpertInnen diese Korrelation ihres Schreibzentrums mit seinem Hochschulkontext reflektieren und ihr strategisches Handeln auf die Kontextbedingungen ausrichten.

6.1.4.1 Ergebnisse

In den folgenden Zitaten betonen die ExpertInnen, dass – bei aller Ähnlichkeit, die Schreibzentren generell möglicherweise aufweisen – der lokale Kontext die lokalen Schreibzentren prägt:

„And I think that's something, when you look at writing centers, that the context of the location and the school and everything is relevant to how the center should be config-ured. The same approach isn't gonna work from place to place. Of course you can learn from what other people are doing, but should make it serve the local purposes.“

„What I think what is interesting about writing center work is you can listen to a whole bunch of different people and read stuff and read Kenneth Bruffee or whatever, but fi-nally you are the one on that site and what's gonna be created for your school is gonna be unique. It's so much dependent on the personalities of the people you are working with and traditions of the school and who your administrator is and where the money is, it's gonna be a whole different bargain.“

Der lokale Kontext prägt zum Beispiel die gesamte Außendarstellung des Schreib-zentrums, die sowohl Werbematerialien, Veranstaltungsangebote oder die Namens-gebung für das Schreibzentrum oder dessen Mitarbeitende umfasst als auch die Ge-staltung der Räumlichkeiten der Schreibzentren. So nennen sich Schreibzentren etwa auch „Center for Excellence in Writing“, „Writing Studio“ oder „Multiliteracies Center“, und die Peer-TutorInnen nennen sich mitunter „Coach“ oder „Counselor“.

Die Räume variieren von bibliotheksartigen oder computerlaborartigen Räumen bis hin zu Wohnzimmeratmosphäre oder Studentenclub mit Sperrmüllmobiliar. Diese Variation erklären die ExpertInnen damit, dass das Schreibzentrum im Einklang mit

der Mission der jeweiligen Hochschule stehen sollte. Je nach Ausrichtung der Hoch-schule orientiert sich das Schreibzentrum an anderen Werten, um Legitimation im spezifischen Kontext zu erlangen. So wird z. B. an einer forschungsstarken Universi-tät die Forschung auch im Schreibzentrum betont oder an einem Liberal Arts Col-lege die familiäre Atmosphäre und die persönlichen Bildungsmöglichkeiten, die das Schreibzentrum den Studierenden ermöglicht.

Die Schwerpunkte, die das Schreibzentrum in seiner Arbeit setzt, werden also be-stimmt vom lokalen Kontext:

„I think it’s just a matter of really paying attention to what the university cares about.

What do they say in their strategic plan and in their vision and finding ways that you can connect your work with that.“

Beispielsweise beinhaltet das Sample dieser Studie ein Schreibzentrum, dessen Uni-versität für ihre Ausbildung in literarischem Schreiben bekannt ist. Entsprechend bietet dieses Schreibzentrum Schreibgruppen für literarisches und biografisches Schreiben an und publiziert jedes Semester eine Zusammenstellung literarischer und biografischer Texte, die in den Schreibgruppen entstanden sind oder in den Schreibberatungen besprochen wurden. Andere Schreibzentren legen Wert darauf, als Ressource für Forschung wahrgenommen zu werden, da die Universität großen Wert darauf legt:

„On this campus, because it is a research campus, they can see the center as also gener-ating research.“

Wie der Experte im folgenden Interviewausschnitt erklärt, muss das Schreibzentrum immer dazu beitragen, die Ziele zu erreichen, die sich die jeweilige Hochschule für ihre Studierenden stellt:

„My job is to say: where is the writing center in this? It isn't just about what we want them to learn out of first year writing. Or what we want them to learn in this upper division, more disciplinary writing course. What do we want them to learn more gener-ally? Including the time that they spend in the writing center. So I like thinking of the writing center and being an advocate for the writing center within that whole. Within the writing program but also the whole within the institution. And so I am engaged in all kinds of conversations along those lines. To think how does the writing center contrib-ute to institutional goals for student learning?“

6.1.4.2 Implikationen

Die Definition des Selbstverständnisses des Schreibzentrums, der Rolle des Schreib-zentrums, der Schwerpunkte der Arbeit und der Außendarstellung bis hin zur räumlichen Gestaltung und zur Namensgebung müssen also zur jeweiligen Hoch-schule passen, um Legitimation für das Schreibzentrum zu erlangen. Um dies zu ermöglichen, ist es für Schreibzentrumsleitende wichtig, diesen Kontext zu reflektie-ren. Aus neoinstitutionalistischer Perspektive ist gerade diese Reflexion des Kontex-tes – also ein bewussKontex-tes Wahrnehmen der Werte und Normen – schwierig, da es sich

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um einen institutionalisierten Kontext handelt. Institutionen sind, wie dargelegt, da-durch gekennzeichnet, dass sie nicht mehr bewusst wahrgenommen werden und normativ wirken, ohne in Frage gestellt zu werden. Hinzu kommt, dass es nicht „die Hochschule“ ist, die Werte und Normen prägt, sondern diese werden kontinuierlich geprägt von sich stetig verändernden Akteursgruppen. Dabei kann es durchaus vor-kommen, dass vorherrschende Werte von offiziell nach außen dargestellten Maxi-men entkoppelt werden. Beispielsweise wird keine Universität öffentlich verkünden, dass die Lehre weniger wichtig als die Forschung sei, da es ein gesellschaftlicher Auftrag der Universitäten ist, Studierende zu bilden. Zugleich ist es nach wie vor so, dass Forschungserfolg für die Reputation von WissenschaftlerInnen einen deutlich höheren Stellenwert hat als Lehrerfolg.

Wie also könnten Schreibzentrumsleitende vorgehen, um das Schreibzentrum in-nerhalb des spezifischen institutionellen Kontextes zu legitimieren? Seit im Zuge neuer Governancestrukturen an Hochschulen Ziele formuliert werden müssen (vgl.

Kapitel 2.1.1), stellen die meisten Hochschulen auf ihrer Homepage die Besonderhei-ten ihrer Institution dar oder müssen zumindest Ziele für Akkreditierungsanträge und Zielvereinbarungen formulieren. Solche Dokumente könnten Ausgangspunkte für die Reflexion Schreibzentrumsleitender sein: Wird Exzellenz und Forschung be-tont? Dann kann auch das Schreibzentrum das Wort Exzellenz aufgreifen, seinen Wert für die Förderung der Forschungsaktivitäten von Studierenden herausstellen und selbst durch Forschung sichtbar werden. Wird Internationalität hervorgehoben?

Dann kann auch das Schreibzentrum sich als eine Institution definieren, die Inter-nationalität fördert, z. B. durch Angebote zum fremdsprachigen Schreiben, durch mehrsprachige Peer-TutorInnen oder durch internationale Kooperationen. Wirbt die Hochschule mit einem familiären Klima, könnte das Schreibzentrum sich als eine Art Salon darstellen, in dem intellektuelle Gespräche stattfinden können und Unter-stützung geleistet wird. Und möchte die Hochschule Studierende vor allem auf künftige Berufe vorbereiten, kann der Schwerpunkt stärker auf berufliche Textsorten gelegt werden.

Allerdings muss zugleich auch davon ausgegangen werden, dass die offiziellen Statements nicht immer den tatsächlich an der Hochschule vorherrschenden Wer-ten und Normen entsprechen. Dies liegt, wie bereits erläutert, an der spezifischen organisationalen Struktur von Hochschulen: Selbst wenn die Hochschulleitung be-stimmte Werte propagiert, kann es durchaus sein, dass diese von einflussreichen Akteursgruppen innerhalb der Hochschule nicht geteilt werden und die tatsächli-chen Aktivitäten entkoppelt werden von dem Bild, das nach außen gezeigt wird. Es besteht daher die Gefahr, durch eine zu explizite Ausrichtung des Schreibzentrums auf z. B. ein Mission Statement einer Hochschule Widerstand bei wichtigen Akteu-rInnen auszulösen. Entsprechend erfordern die Bemühungen, die Legitimierung durch den Hochschulkontext zu erlangen, eine fortlaufende Beobachtung und Refle-xion dieses Kontextes, um AkteurInnen und strategische Handlungsfelder zu identi-fizieren. Bevor diese Handlungsfelder und das strategische Vorgehen der

ExpertIn-nen genauer betrachtet werden, soll jedoch zunächst noch ein weiterer Kontext der Institutionalisierungsarbeit einbezogen werden.

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