• Keine Ergebnisse gefunden

Theoretische Grundlagen des Hörsehverstehens .1 Hörsehverstehen als Prozess – in Verbindung mit.1 Hörsehverstehen als Prozess – in Verbindung mit

Im Dokument Englisch/ Französisch (Seite 100-104)

Part 2: Film Production Geförderte Kompetenzen

2.4.1 Theoretische Grundlagen des Hörsehverstehens .1 Hörsehverstehen als Prozess – in Verbindung mit.1 Hörsehverstehen als Prozess – in Verbindung mit

weiteren Kompetenzen

Schon das reine Hörverstehen verlangt den Einsatz besonders differenzierter Ver-arbeitungsprozesse. Dabei sind Wahrnehmungs- und Verstehensprozesse ebenso beteiligt wie der Einsatz von strategischen Prozessen, beispielsweise zur Steue-rung oder FokussieSteue-rung der Aufmerksamkeit.

Die Verstehensprozesse schließen sowohl das Erkennen und Konstruieren von Bedeutung als auch das Interpretieren von sprachlichen Äußerungen ein. Dem-entsprechend sind Lautketten sowie lexikalische, grammatische und darüber hi-nausgehende textuelle Elemente zu erkennen, miteinander zu verknüpfen und zu ordnen, um mögliche Bedeutungen eines gehörten Textes zu konstruieren und auf ihre Schlüssigkeit im Fortlauf des Gehörten zu überprüfen. Zugleich fin-det ein Abgleich von Gehörtem und abgerufenem inhaltlichen Vorwissen statt.

Denn die durch das Gehörte aktivierten Assoziationen, Schemata und Skripte (vgl. Kap. 2.7) werden als Vorwissen in die sich entwickelnde Bedeutungskonst-ruktion einbezogen. So sind beispielsweise in der LernaufgabeIndia News, die im weiteren Verlauf dieses Kapitels vorgestellt wird, Wissenselemente über Indien abzurufen und mit dem Gehörten zu verbinden. Dabei können auch affektive Komponenten, wie Einstellungen zu Indien, eine Rolle spielen.

parallele Verarbei-tung gesprochener und visuell kodierter Texte

Erkennen, Konstruieren, Interpretieren

Auch beim visuellen Dekodieren findet eine Bedeutungskonstruktion statt, und zwar auf der Basis einer strategisch gelenkten Entschlüsselung der visuell wahrgenommenen Stimuli in Verbindung mit abgerufenem oder assoziiertem Vorwissen aus dem bildlichen Bereich. Bildverstehen entsteht entsprechend in einem Prozess der Wahrnehmung von Visuellem, der Analyse und der Reflexion darüber. Beispielsweise wird in der ersten Filmszene der französischen Lernauf-gabeWelcome(siehe unten) ein kurdischer Flüchtling gezeigt, dessen Aufenthalt in Frankreich illegal ist. Dies an Hand von visuellen Details annähernd zu er-schließen und die Erkenntnis in das Bedeutungsgeflecht des Films einzuordnen, ist eine herausfordernde Aufgabe, die auch interkulturelle Kompetenz und Medi-enkompetenz herausfordert.

Es handelt sich dabei nicht um einen additiven Prozess im Sinne einer Kom-bination von Einzelelementen, sondern vielmehr um einen Prozess der inte-grierenden Bedeutungskonstruktion hin zu einem Gesamtbild. So entsteht das Gesamtbild des kurdischen Flüchtlings in Welcome durch das Zusammenspiel von sprachlichen Äußerungen, dem Aussehen und Verhalten von Personen in einem visuellen Kontext sowie von Vorwissenselementen zur Interpretation der Situation.

Nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand sind die sprachlichen und stra-tegischen Kompetenzanteile, wie bereits im Kapitel 2.3 dargelegt, auch beim Hörsehverstehen grundlegend. Da jedoch Hörtext und Bild im Bedeutungskon-struktionsprozess des Hörsehverstehens aufeinandertreffen, sind darüber hinaus spezifische Verarbeitungsprozesse ins Auge zu fassen, die für das Hörsehverste-hen deutlich bestimmend sind.

Beim Hörsehverstehen werden die Verarbeitungsprozesse bei parallel laufen-den Impulsen von Sprache und Bild eher unterstützt und erleichtert, bei komple-mentären Impulsen eher erweitert und ergänzt, während sie bei widersprüchli-chen Impulsen auch gestört werden können (vgl. Porsch/Grotjahn/Tesch 2010, 144ff). Der Hörtext und der visuelle Text können beispielsweise in Cartoons, Film- und Fernsehsequenzen parallel zueinander aufgestellt sein und somit gleichlaufende Bedeutungen so unterstreichen, dass ein passendes Gesamtmo-dell von sprachlicher und visueller Bedeutung entstehen kann. Bei komplemen-tärer Aufstellung kann es zu einander ergänzenden Bedeutungen kommen. Sind Hörtext und Bild jedoch konträr zueinander aufgestellt, wie insbesondere im Falle von Ironie, sind die Rezipienten herausgefordert, Widersprüchliches zu erkennen und zu durchschauen (vgl. Porsch/Grotjahn/Tesch 2012, 2010). So steht beispielsweise inWelcomedas Poster„Welcome“im Kontrast zu der filmi-schen Szene danach. Allerdings ist in diesem Fall das Poster ein eigenständiges visuelles Element, das der Rezeption des Filmes zwar inhaltlich zugeordnet ist, zeitlich jedoch nicht parallel zum Film verarbeitet wird.

Die Art der Hörtext- und Bildverarbeitung hängt darüber hinaus auch von spezifischen Textsorten bzw. Genres der Hörsehtexte und -materialien ab. Ent-sprechend dem textsortenspezifischen Gewicht der auditiven und visuellen An-teile in einem Hörsehtext sind Ausprägungen in zwei Richtungen erkennbar.

In einer öffentlichen Rede im Fernsehen kann der visuelle Anteil beispielsweise auf die Präsentation der sprechenden Person eingegrenzt sein, vielleicht ergänzt

Bildverstehen als Zusammenspiel verschiedener Wissensbereiche

mit komple-mentären bzw.

widersprüchlichen Informationen umgehen

Verarbeitung verschiedener Textsorten und Genres

um einen Eindruck des räumlichen Kontextes der Rede. Bei dieser Textsorte ist das visuelle Element des Hörsehtextes auf den unmittelbaren Kontext der spre-chenden Personen beschränkt; es wird dementsprechend von kontextbezogenen Visualisierungen gesprochen (vgl. Posch/Grotjahn/Tesch 2010: 148 – im An-schluss an Ginther 2001, 2002). In diesem Fall kommt dem Hörtext die Funktion des Hauptmediums in der Hörseherfahrung zu.

Umgekehrt kann die Bildpräsentation so dominant gegenüber der sprachli-chen Mitteilung sein, dass im Extremfall eine reine Bilddekodierung ausreicht, um die erforderlichen oder gewünschten Mitteilungen zu erschließen oder zu konstruieren. Visuell dominante Hörsehtexte dieser Art lassen sich zur Textsorte der inhaltsbezogenen Visualisierungen rechnen, die von Ergänzungen der audi-tiven Mitteilungen bis zu völlig eigenständigen Mitteilungen reichen. Bezüglich dieser Frage illustriert beispielsweise der visuelle Anteil zu Beginn der Filmszene in der LernaufgabeFoodbank(siehe unten), dass der visuelle Impuls einer filmi-schen Kameraeinstellung eine durchaus dominante Rolle spielen kann. Erweist sich der visuelle Stimulus bei einer Aufgabe zum Hörsehverstehen als unverhält-nismäßig dominant, bleibt die Kritik nicht aus, es handele sich nicht mehr um eine sprachliche Kompetenz, die hier gefördert wird (vgl Buck 2001: 114, 123).

Entsprechend dieser theoretischen Klarstellung wird von Hörsehverstehen nur in solchen Fällen gesprochen, bei denen es sich um eine rezeptive Sprachkompe-tenz im Umgang mit sprachlich und zugleich visuell kodierten Texten handelt.

Dem sprachlichen Anteil kommt dabei eine unverzichtbare Rolle für die Kon-struktion von Bedeutung zu, wobei inhaltsbezogene Visualisierungen typischer-weise auf „den Inhalt des verbalen Stimulus“ (ibid.) bezogen sind und folglich die visuelle Präsentation erst im Zusammenspiel mit Sprache ihre volle Bedeu-tung gewinnt. So gehören beispielsweise Bildgeschichten oder Videoclips nur dann zum Bereich der doppelt kodierten Hörsehtexte, wenn ihre Rezeption auch tatsächlich von einem Höranteil abhängt.

2.4.1.2 Hörsehverstehen und lernrelevante Anforderungen

Die Besonderheiten der Beziehungen zwischen auditiven und visuellen Stimuli in Hörsehtexten und die unterschiedlichen Gewichtungen von Hören und Sehen in bestimmten Textsorten des Hörsehverstehens legen noch nicht endgültig fest, welche Anforderungen mit einem bestimmten Hörsehtext verbunden sind. Um hier letztlich ein klares Verständnis des Anforderungsprofils eines Hörsehtextes zu erlangen, ist es nötig, die kognitiven Prozesse bei der Verarbeitung von Hör-und Bildstimulus näher zu untersuchen. MayersCognitive Theory of Multimedia Learning(Mayer 2005; s. auch Posch/Grotjahn/Tesch 2010: 145) ermöglicht es, hier entscheidende Einsichten zu gewinnen.

Er verbindet die Erkenntnisse aus der Theorie der dualen Kodierung (Paivio 1986) mit Feststellungen zur Begrenztheit des Arbeitsgedächtnisses und berück-sichtigt die aktiven strategischen Fähigkeiten im Prozess der Informationsver-arbeitung. So ist zu beobachten, dass selbst ein Hörsehtext mit komplementä-ren Hör- und Bildinformationen Fremdsprachenlernende auf unterschiedlichen Niveaus ihrer fremdsprachlichen Kompetenzentwicklung vor verschiedene An-forderungen stellt. Der Grund hierfür liegt in den unterschiedlich ausgepräg-relative Bedeutung

von bildlichen bzw. sprachlichen Informationen

kognitive Prozesse bei der Verarbei-tung von Hör- und Bildstimulus

Anforderungs-bereiche:

Gedächtnisleis-tung, sprachliche und strategische Kompetenzen

ten sprachlichen und strategischen Kompetenzen der Lernenden, die den Be-deutungskonstruktionsprozess unterschiedlich komplex werden lassen. Ferner ist nicht zu übersehen, dass inhaltsbezogene Visualisierungen den Verstehens-prozess eher erleichtern, während kontextbezogene Visualisierungen nur in bestimmten Fällen einen positiv erleichternden Einfluss haben, beispielsweise wenn sie Sprecherwechsel visualisieren, während in anderen Fällen positive Ef-fekte eher ausbleiben (ibid., 148f).

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass sich aus der Forschung zum Text-verstehen – hier ist in der Regel das LeseText-verstehen gemeint – auch Erkenntnis-se auf das HörErkenntnis-sehverstehen übertragen lasErkenntnis-sen. Entsprechend den Forschungen von Kintsch (vgl. Kintsch 1998; Nold/Willenberg 2007: 22f) hängt der Erfolg rezeptiver Verstehensprozesse davon ab, inwiefern es dem Leser/Hörer gelingt, ein gedankliches Abbild der inhaltlichen Bedeutungen eines Textes (Situations-modell) zu konstruieren, das es ermöglicht, den Gesamtzusammenhang eines Textes zu erfassen. Entsprechend gibt Kintsch Merkmale von Texten und Vari-ablen der Textverarbeitenden an, die einen Einfluss auf den Verstehensprozess ausüben.

Diese Erkenntnisse können genutzt werden, um in Lernaufgaben differenzierte Anforderungen und Lerngelegenheiten zu schaffen:

• Schnelles Dekodieren erleichtert den Verstehensprozess. Wer schnell dekodie-ren kann, ist weniger darauf angewiesen, andere Elemente des Verstehenspro-zesses (z.B. Diskursstruktur oder domänenspezifisches Wissen) kompensato-risch zu aktivieren.

• Ein umfangreiches, vor allem domänenspezifisches Wissen wirkt sich verste-henserleichternd aus (vgl. Kintsch 1998: 287).

• Die Anzahl der in einem Textabschnitt enthaltenen neuen Informationen hat einen Einfluss auf den Textverarbeitungsprozess. Je besser sich die Informatio-nen verknüpfen lassen, desto eher kann ein Gesamtbild des Textes entwickelt werden (vgl. Kintsch 1998: 285).

• Fragen zum Text, deren Antworten explizit darin enthalten sind, richten das Augenmerk auf die Verarbeitung der Textoberfläche und reduzieren die Be-deutung des domänenspezifischen Vorwissens (vgl. Kintsch 1998: 305).

• Eine Aufgabe, bei der in einem Text entweder nur wörtlich genannte Haupt-ideen identifiziert oder nur nach wörtlich vorkommenden Textdetails gesucht wird, verhindert die aktive Rolle der textverarbeitenden Rezipienten, da wenig Problemlösen, Erschließen von Zusammenhängen und Schließen von sprach-lichen oder inhaltsprach-lichen Lücken (Inferieren) erforderlich sind. Damit wird die Tiefenverarbeitung eher unterbunden (vgl. Kintsch 1998: 313). Schülerinnen und Schüler mit einer hohen Kompetenz werden durch eine solche Aufgaben-stellung eher benachteiligt, da sie nicht entsprechend herausgefordert wer-den, während schwachen Rezipienten damit geholfen werden kann.

• Ein Text mit einer geringen Kohärenz wird von Schülerinnen und Schülern, die über ein hohes Maß an textrelevantem Weltwissen verfügen, erfolgreicher verarbeitet, weil er sie zur Tiefenverarbeitung herausfordert. Schwächere oder wenig informierte Textverarbeitende haben mit solchen Texten größere Prob-leme (vgl. Kintsch 1998: 314).

Konstruktion eines gedanklichen Abbilds des Textes

Differenzierung:

Anforderungen, Lerngelegenheiten

Bedeutung des Vorwissens

Die Erkenntnisse von Kintsch machen deutlich, dass die Schwierigkeit einer Hörerfahrung – und analog auch der Höranteil in einer Hörseherfahrung – von Faktoren bestimmt wird, die stark von der fremdsprachlichen Kompetenz und dem bereichsspezifischen Vorwissen der einzelnen Personen abhängt. Es ist da-mit zu rechnen, dass bedingt durch das jeweilige Fremdsprachenniveau und das bereichsspezifische Vorwissen der Verstehensprozess für den einen zu einer po-sitiven Herausforderung wird, während er für den anderen zu einer Unter- oder Überforderung geraten kann. Diese Erkenntnisse lassen sich mit entsprechenden Forschungsergebnissen im Gefolge von Mayers Theorie zum multimedialen Ler-nen verbinden (vgl. Porsch/Grotjahn/Tesch 2010: 145f). Wenn beispielsweise die kognitive Anforderung oder Komplexität einer Text-Bildsequenz in Betracht gezogen wird, ist die erforderliche Aufnahmekapazität des Arbeitsgedächtnisses in bestimmten Fällen ein Problem. So kann ein zu niedriges Fremdsprachenni-veau angesichts der beispielsweise zu gering ausgebildeten Automatismen zu ei-ner Überlastung des Arbeitsgedächtnisses in der Sprachverarbeitung führen, oder es kann auf Grund eines zu gering entwickelten Vorwissens zu einer Störung in der Bedeutungskonstruktion kommen. Zu einer Beeinträchtigung können dabei auch ungenügend ausgebildete kulturelle und interkulturelle Aspekte der Fremd-sprache und des Vorwissens sowie mangelnde Text- und Medienkompetenzen führen (ibid., 182f).

2.4.2 Das Hörsehverstehen in den Bildungsstandards

Im Dokument Englisch/ Französisch (Seite 100-104)