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Lernpotential der Aufgaben

Im Dokument Englisch/ Französisch (Seite 115-124)

Part 4: Follow-up activity

2.4.3.3 Lernpotential der Aufgaben

Die AufgabeIndia News(2_4_HSV_E_India_news) dient der Entwicklung des Hör-sehverstehens von Texten, die nicht durchgehend in einer vertrauten Standardvari-ante formuliert sind. Dabei wird nicht nur das Verstehen der zentralen Aussagen ge-übt, sondern auch das Deuten der visuellen Elemente in ihrem kulturellen Kontext.

Sie kann mit anderen Aufgaben der Filmanalyse z.B.Slumdog Millionaire kom-biniert werden oder als Ergänzungsaufgabe thematisch z.B. in die komplexere LernaufgabeCross-cultural relations between Asia and the Western World eingebet-tet werden. Bei der Kombination mit dieser umfassenderen Lernaufgabe kann die AufgabeIndia Newsz.B. nach der Analyse der Darstellung der Erfahrungen des Protagonisten im RomanThe Reluctant Fundamentalistgenutzt werden, um zum Vergleich die Erfahrungen von US-Amerikanern in Indien heranzuziehen.

Die Aufgabe kann auf erhöhtem Niveau ab dem zweiten Halbjahr der Kurs-phase eingesetzt werden.

Beim ersten Sehen sollen die Schülerinnen und Schüler sich auf die Art und Funktion des Films sowie das Thema konzentrieren. In lernstärkeren Gruppen, die bereits mit der Filmanalyse vertraut sind, sollten die Stützmaterialien zu den Filmgenres und Funktionen der Texte nicht vorgegeben werden. Die Informatio-nen könInformatio-nen als Möglichkeit der inneren Differenzierung auch an einzelne Schü-lerinnen und Schüler gegeben werden, die in diesem Bereich noch unsicher sind.

Als Alternative wäre es auch denkbar, den Film erst ohne Text zu präsentieren, um anhand der visuellen Elemente die Darstellung Indiens zu beschreiben. Da die Bilder das Verstehen des Textes unterstützen, eignen sie sich als Grundlage für die Antizipation der Inhalte.

Die erste Teilaufgabe (2_4_HSV_E_India_news, Part 1) sollte zunächst allein bearbeitet werden, dann werden die Ergebnisse mit einem Partner verglichen und schließlich im Plenum besprochen. In Lerngruppen, denen das Hörseh-verstehen noch schwer fällt, könnte auch der Titel vor dem ersten Sehen vor-gegeben werden. Die Formulierung Curry Favor – US job hopefuls pack for India ermöglicht es, den Inhalt des Filmbeitrages zu antizipieren, was das anschließende Verstehen erleichtern würde.

Als Alternative zur TeilaufgabePart 2:Topic(2_4_HSV_E_India_news, Part 2) können leistungsstärkere Schülerinnen und Schüler das Thema des Filmes auch in eigenen Worten formulieren und ihr Ergebnis anschließend mit der Wahl der anderen abgleichen.

India News:

Varietäten des Englischen verstehen

Durchführung und Möglichkeiten der Differenzierung

Antizipation der Inhalte

Die danach folgenden Teilaufgaben Part 3 (2_4_HSV_E_India_news, Part 3) undPart 4(2_4_HSV_E_India_news, Part 4) werden nach dem individuellen An-fertigen von Notizen in Gruppen bearbeitet. Bei der vierten Teilaufgabe können die Informationen mit den Begriffen der Filmtechnik weggelassen werden. Hier können die Schülerinnen und Schüler ggf. auch selbstständig auf dieSkills-Seiten ihrer Lehrwerke zurückgreifen.

In sehr heterogenen Gruppen kann die vierte Teilaufgabe auch als Zusatzauf-gabe nur von den leistungsstärkeren Schülerinnen und Schülern bearbeitet wer-den. Die zusätzliche Anschlussaufgabe – die TeilaufgabePart 5 (2_4_HSV_E_In-dia_news, Part 5) – dient der abschließenden Bewertung des Films. Hier kann erst in kleinen Gruppen diskutiert werden, bevor die Meinungen dann im Plenum ausgetauscht werden.

Für Schülerinnen und Schüler, die auch Russischunterricht haben bzw. in an-deren Fächern die Beziehungen USA-Russland in ihrer historischen Entwicklung thematisiert haben, eignet sich in besonderer Weise die Anschlussaufgabe, bei der auch diese Beziehungen berücksichtigt werden. Gemeinsam kann in solchen Gruppen überlegt werden, wie ein russischer Bericht über die steigende wirt-schaftliche Kraft und zunehmende Attraktivität Indiens für die IT Branche sowie die Gefahren desBraindrains für die USA als gezielte anti-amerikanische Propa-ganda gewertet werden kann.

Da der Text sprachlich sehr anspruchsvoll ist, sollte die Aufgabe auf erhöhtem Niveau gegen Ende der Qualifikationsphase eingesetzt werden.

Der Aufgabenfokus der Aufgabe Foodbank (2_4_HSV_E_Foodbank) ist de-tailliertes Hörsehverstehen; neben diese funktionale kommunikative Kom-petenz tritt die Text- und MedienkomKom-petenz, die hier eine besondere Rol-le spielt, da die mediaRol-le Darstellung des ProbRol-lems wesentliche Aussagen über das soziale Problem macht (Ausgrenzung, Vorurteile, Scham, Ausweglosigkeit).

Obwohl es sich bei dem Video um eine Produktion des englischen Verlagshauses The Guardian handelt, sollte auch erkannt werden, dass das gezeigte Problem kein spezifisch britisches ist, sondern auch unser eigenes Land/andere europä-ische Länder/die USA betrifft. In diesem Zusammenhang müssen im anschlie-ßenden Unterrichtsgespräch auch interkulturelle Fragen bearbeitet werden.

Ausgehend vom Titel des Videos können im Sinne einer vorentlastenden Sprechaufgabe die Bedeutung von Lebensmitteltafeln sowie (Vor-)Urteile in Be-zug auf deren Nutzer antizipiert und vorhandenes Weltwissen aktiviert werden.

Zur Erschließung des Hörsehtextes werden zunächst visuelle Darstellungsmit-tel thematisiert und analysiert, erst in einem zweiten Schritt konzentrieren sich die SuS auf Hörinhalte. Auf diese Art und Weise wird die Komplexität des Videos etwas reduziert.

Die Sprache der gezeigten Frau ist nicht immer deutlich, sie spricht recht schnell und gelegentlich in unvollständigen Sätzen, sodass der Text ausgespro-chen anspruchsvoll ist. Zum besseren Verständnis der Aussagen der jungen Mut-ter sollte das Video oder Ausschnitte daraus mehrmals gesichtet werden. Zu die-sem Zweck sollte das Video auch gestoppt werden, um den SuS Gelegenheit zu geben, sich Notizen zu machen. Es wird eine Reihe von unterstützenden Materi-alien angeboten, die das Erschließen der Textaussagen erleichtern sollen.

Foodbank:

detailliertes Hörsehverstehen sowie Text- und Medienkompetenz

Auch sollte den SuS die Möglichkeit gegeben werden, sich untereinander aus-zutauschen, so dass das Textverstehen letztlich das Ergebnis von Gruppen- oder Partnerarbeit ist.

Durch die Zusammenschau der visuellen Darstellungsmittel mit den trans-portierten Inhalten soll schließlich die Intention des Videos verstanden werden.

Als weiterführende Aufgabe soll nach einer kritischen Reflexion des Videos, das sich auf eine unkommentierte Darstellung der jungen Mutter beschränkt, ein Kommentar produziert werden, der bei einer erneuten Sichtung des Videos als Hintergrundkommentar gesprochen werden soll. Zu diesem Zweck kann auf die Daten einer Grafik zugegriffen werden. Die Sozialform wechselt hierbei zwi-schen Einzel- und Partner- sowie Plenumsarbeit.

Französisch: LernaufgabeWelcome(2_4_HSV_F_Welcome)

Die Schüler kennen die Textsorte „Spielfilm“ (long métrage) und wissen, dass der Einsatz kinematographischer Mittel – insbesondere durch das Zusammenwirken der Elemente von Bild- und Tonspur – ein typisches Merkmal für einen Kinofilm ist.

Der Protagonist Bilal bietet den Schülern durch sein jugendliches Alter, seinen Mut, seine Offenheit und seinen unerschütterlichen Einsatz für seinen Traum ein hohes Identifikationspotenzial.

Im Unterricht wurden zuvor Aspekte der aktuellen französischen Einwande-rungspolitik sowie historische und geografische Fakten (z.B. La France en Euro-pe) thematisiert.

Es handelt sich in allen Sequenzen um authentische Sprachverwendung in unterschiedlichen alltäglichen Situationen. In Sequenz 1 ergibt sich eine relativ hohe Sprachhürde durch schnellen Szenenwechsel ohne Überleitung, unvermit-telte Wechsel im Sprachduktus, funktionale Sprache (au commissariat, devant le juge) und hohes Sprechtempo. Die Bildspur unterstützt den Verstehensprozess teilweise gut, sprachlich schwierig ist jedoch der discours du juge: Der Richter spricht nicht partnerbezogen, sondern distanzsprachlich (langue de distance), sein monologischer Vortrag entspricht abgelesenem Sprechen. Der junge Kurde Bilal, der kein Französisch spricht, ist dem Richter sprachlich noch mehr ausgeliefert als die Lerner. Eine vertiefende Aufgabe zum Hörverstehen (Lückentextübung) auf Grundlage einer Transkription ermöglicht den Schülern das Detailverstehen dieses Textteiles und das Arbeiten an der Textoberfläche.

In Sequenz 2 wird nähesprachliches (langue de proximité), relativ unmarkiertes Französisch verwendet. Sowohl die Bildspur als auch die Dialogsituation unter-stützen das Verstehen der eindeutigen Situation teilweise stark (z.B. Mimik, Ges-tik). Schwieriger ist die hohe Sprechgeschwindigkeit (v.a. Dialog Marion-Simon) sowie die Verschleifung von Sprache (Simonmâche les mots). Hier dient das Auf-gabenformat Qui dit quoi ?dem lautlichen Identifizieren. Es bereitet auch auf den weiteren Umgang mit der Sequenz vor, z.B. auf die Charakterisierung von Marion und Simon.

Die Sequenz 3 ist sprachlich ebenfalls anspruchsvoll, aber durchgängig klar und bildgestützt sowie inhaltlich gut vorbereitet durch die Arbeit an der zweiten

Welcome:

Filmanalyse, Wechsel im Sprachduktus, hohes Sprech-tempo

Sequenz. Hier kann man sehr gut unterscheiden zwischen Nähesprache (in der Wohnung / auf der Straße / im Auto) und Distanzsprache (auf dem Kommissari-at: strategisch / Verhörsituation, partnerbezogen).

In die Hörsehverstehensaufgaben ist der analytische Zugang teilweise inte-griert und sollte entsprechend den Standards der Text- und Medienkompetenz anschließend vertieft werden, z.B. durch die Auseinandersetzung mit der Hand-lungsweise der Figuren unter Einbeziehen der Deutung und Bewertung der filmi-schen Gestaltungsmittel.

Weiterführend bietet sich im Rahmen der Standards der interkulturellen kom-munikativen Kompetenz an, die Ergebnisse der Analyse als Grundlage der Aus-einandersetzung mit fremden und eigenen Haltungen und Einstellungen zum Filmthema zu nutzen (z.B. Illegale Einwanderer – kein Recht auf Menschenrech-te?) und auch einmal den Perspektivwechsel zu vollziehen (z.B. die Sicht der Gesetzgebung).

Die Sequenzen können darüber hinaus genutzt werden, um die Kompetenz Sprachbewusstheit in den Fokus zu stellen. Hier bietet sich die Thematisierung über unterschiedliche Zugänge an: z.B. nähesprachliche versus distanzsprachli-che Dialoge oder Untersuchung funktionaler Spradistanzsprachli-che (vor Gericht und auf dem Kommissariat).

2.4.3.4 Standardbezug

Die drei Lernaufgaben decken mit leichten Schwerpunktsetzungen sämtliche Standards zum Hörsehverstehen nahezu vollständig ab. Dabei wird Hörsehver-stehen in umfangreichere Lernaufgaben integriert eingesetzt, um im Anschluss über die Inhalte zu sprechen und zu schreiben. Auch die interkulturelle kommu-nikative Kompetenz sowie die Text- und Medienkompetenz tragen zum Gesamt-konzept der Aufgaben bei, da eine Begegnung mit Personen aus verschiedenen Ländern stattfindet, die fremd- und eigenkulturelles Verstehen erfordern, und da Filmszenen gezeigt werden, bei denen an filmisches Vorwissen angeknüpft werden kann. Die folgenden Standards zum Hörsehverstehen lassen sich daher mit den Lernaufgaben in den Unterricht einbringen:

• einem Hör- bzw. Hörsehtext die Hauptaussagen oder Einzelinformationen entsprechend der Hör- bzw. Hörseh-Absicht entnehmen (alle drei Aufgaben)

• textinterne Informationen und textexternes Wissen kombinieren (alle drei Aufgaben)

• in Abhängigkeit von der jeweiligen Hör-/Hörseh-Absicht Rezeptionsstrategien anwenden (vor allem in Foodbank: part 2 und Welcome: Activités pendant le visionnage,Aufgaben 1 und 2)

• Stimmungen und Einstellungen der Sprechenden erfassen (Foodbank: part 2 undWelcome: M5 Aufgabe 2)

• gehörte und gesehene Informationen aufeinander beziehen und in ihrem kul-turellen Zusammenhang verstehen (alle drei Aufgaben)

Integration der Text- und Medien-kompetenz

Potentiale für eine Erweiterung hinsichtlich interkultureller Kompetenz und Sprachbewusstheit

In den Lernaufgaben werden auch Elemente des erhöhten Niveaus berücksichtigt:

• Hör- und Hörsehtexte auch zu wenig vertrauten Themen erschließen (alle drei Aufgaben)

• implizite Informationen erkennen und einordnen und deren Wirkung inter-pretieren (vor allem inFoodbank: part 2undWelcome: Activités pendant le visi-onnage, Aufgabe 2)

• implizite Einstellungen oder Beziehungen zwischen Sprechenden erfassen (alle drei Aufgaben)

• Hör- und Hörsehtexte verstehen, auch wenn schnell gesprochen oder nicht Standardsprache verwendet wird (alle drei Aufgaben)

• einem Hör- bzw. Hörsehtext die Hauptaussagen oder Einzelinformationen entsprechend der Hör- bzw. Hörseh-Absicht entnehmen, auch wenn Hinter-grundgeräusche oder die Art der Wiedergabe das Verstehen beeinflussen (alle drei Aufgaben).

In allen filmischen Präsentationen der Lernaufgaben sind die Hör- und Bildan-teile notwendige Elemente im Prozess der Bedeutungskonstruktion. In den ein-zelnen Aufgaben haben die visuellen Elemente jedoch eine jeweils spezifische Beziehung zu dem Hörtextanteil der gesamten Aufgabe.

2.4.4 Ausblick

Das Hörsehverstehen sollte als rezeptive Kompetenz neben dem Hör- und Lese-verstehen im Fremdsprachenunterricht einen festen Platz einnehmen. Als be-sonderer Grund dafür ist einerseits die damit verbundene Erweiterung der Texte im Unterricht durch den Einbezug von Filmen zu nennen. Filme und filmische Szenen stellen eine Bereicherung für den Fremdsprachenunterricht dar, und zwar sowohl motivational als auch interkulturell und medial. Andererseits hat empirische Forschung deutlich belegt, dass durch audiovisuelle Texte insbeson-dere die soziopragmatischen Fähigkeiten von Lernenden gefördert werden (vgl.

Timpe 2013), da Hörsehverstehensaufgaben vielfältige Möglichkeiten bieten, sich mit angemessenem Sprachverhalten auseinanderzusetzen. Es gilt, dieses Potential von Aufgaben zum Hörsehverstehen gezielt zu nutzen, denn die so-ziopragmatische Ebene der Sprachverwendung hat eine zentrale Bedeutung für gelingende fremdsprachliche Kommunikation. So kann beim Hörsehverstehen sprachliches Handeln in authentischen Situationen intuitiv erfasst oder auch ge-zielt analysiert werden. Es werden Lerngelegenheiten geschaffen, die den erfolg-reichen Erwerb eines angemessenen sprachlichen Handelns in der Fremdsprache auf hohem Niveau ermöglichen können. Damit wird ein entscheidender Beitrag zum Erreichen des in den Bildungsstandards ausgewiesenen Niveaus der funkti-onalen kommunikativen Kompetenzen geleistet. In der Alltagspraxis des Fremd-sprachenunterrichts lässt sich authentisches Sprachhandeln dagegen gerade mit Blick auf die üblichen Unterrichtsmaterialien nur sehr eingeschränkt erfahren.

2.5 Leseverstehen

Franz-Joseph Meißner / Konrad Schröder Aufgabenentwicklung: Jessica Bial, Dorothea Nöth,

Susanne Walker-Thielen, Hanno Werry

Lesen nimmt im schulischen Fremdsprachenunterricht traditionell eine zentra-le Stellung ein. Es gilt als Voraussetzung für den Erwerb von Bildung, und das Fremdsprachenlernen war mitunter sogar relativ einseitig über das Lesen gesteu-ert. In einem Unterricht, der kommunikative Mündlichkeit kaum berücksich-tigte, wurde das Lesen zudem weitgehend auf seine Rolle für die Ausbildung der Schreibkompetenz reduziert. Ebenso wenig wie bei den anderen kommunikativ-funktionalen Kompetenzen wurde derProzessdes Lesens aufgegriffen, geschwei-ge denn unterrichtlich thematisiert.

Die PISA-Studie definiertLesekompetenzals

Fähigkeit, geschriebene Texte zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren, um eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln … (Baumert, Stanat & Demmrich 2001: 22)

PISA erweiterte auch den Textbegriff, insbesondere zugunsten diskontinuierlicher Texte (Text in Kombination mit Grafiken, Statistiken, Cartoons, Bilder). Um zu erkennen, was für das jeweilige Leseinteresse von Bedeutung ist, müssen die Schü-lerinnen und Schüler zielführende Strategien entwickeln und unterschiedliche Le-sestile anwenden, insbesondere Relevantes von Irrelevantem unterscheiden.

Das Konzept der Lesekompetenz in den Bildungsstandards für die Allgemeine Hochschulreife und seine Anbindung an den erweiterten Textbegriff knüpfen an die gymnasiale Bildungstradition an und entsprechen der propädeutischen Aufgabe der Sekundarstufe II, wobei sowohl Studium und Beruf (vgl. die Franzö-sischaufgabePaul Bocuse) als auch lebenspraktische Bezüge von Bedeutung sind.

2.5.1 Lesen in fremdsprachendidaktischen Kompetenzmodellen

Beim Lesen in fremden Sprachen kommen Bedingungen hinzu, die sich aus der „Fremdsprachlichkeit“ und „Fremdkulturalität“ der Texte ergeben. Aufzu-fangen sind daher vor allem das vergleichsweise geringere Maß an Vertrautheit mit der Zielsprache und mit zielkulturellen Themen und Konventionen (common grounds). Schon hier wird deutlich, dass das fremdsprachliches Lesen zwei grund-legend unterschiedliche Leseabsichten verfolgt:

1. das themengerichtete und das literarische Lesen sowie

2. das Lesen zum Zweck des Ausbaus zielsprachlicher und mehrsprachlicher Kompetenz und der Sprachlernkompetenz.

fremdsprachliche Leseabsichten

Beide Formen fremdsprachlichen Lesens müssen sich in Leseaufgaben wider-spiegeln.

Leseaufgaben gehen implizit oder explizit von einer Modellierung der Lese-kompetenz aus. Solche Modelle haben

• die „Psychologie“ bzw. „Psycholinguistik des Lesens“ soweit zu berücksich-tigen, als dies für die Konstruktion von Lernaufgaben zur Förderung fremd-sprachlicher Lese-, Sprach- und Lernkompetenz notwendig ist sowie

• das Lesen innerhalb pädagogisch operationalisierbarer Kompetenztheorien zu erklären.

Wie Modelle zu den anderen Teilkompetenzen müssen auch die zum Lesen ei-nen Bezug zum mehrsprachigen mentalen Lexikon der Lerei-nenden herstellen, das sprachliche Schemata (Wortformen und Bedeutungen,Chunks, Modi, As-pekte usw.) nach bestimmten Organisationsprinzipien speichert. Die Art der Or-ganisation entscheidet über den Zugriff auf das sprachliche Material, entweder zu rezeptiven oder zu produktiven Zwecken. Je zahlreicher die Merkmale zu Form, Bedeutung, Gebrauch und Funktion solcher Schemata und je vernetzter sie miteinander sind, desto leichter fallen Identifikations- und Findungsprozes-se. Lernaufgaben müssen so gestaltet sein, dass sie den Aufbau solcher die Flüs-sigkeit des Lesens bewirkender Schemata befördern.

Die Forschungen zum Fremdsprachenerwerb bzw. zum interlingualen Trans-fer unterstreichen, dass nicht nur die Muttersprache beim Erlernen fremder Spra-chen mitspielt, sondern auch die einem Individuum bekannten SpraSpra-chen und die entsprechenden Sprachlernerfahrungen.

Zur Förderung der Sprachlernkompetenz im Hinblick auf das Leseverstehen ist die Lerndiagnose ein unverzichtbares Instrument: Auch sie kann nicht ohne Rückgriff auf ein Modell der Lesekompetenz erfolgen.

Das von Artelt et al. (2001) für das muttersprachliche Lesen erstellte und von Neugebauer et al. (2010) modifizierte Modell nennt vier interagierende Va-riablenkomplexe, die jedes Lesen konstituieren: (1) Leser (Vorwissen, lexikali-scher und grammatilexikali-scher Zugriff, Einstellungen, Kenntnis von Textmerkmalen, Lernstrategiewissen), (2) leserseitige mentale Aktivitäten (adaptiver Einsatz von Lernstrategien und Lesestilen, Überwachung der Lesehandlung, Selbstregulation und Mobilisierung von Wissens- und Handlungsressourcen, (3) Merkmale des zu rezipierenden Textes (Textdichte, Textstruktur, textimmanente Stützen zur Akti-vierung des Inferenzpotentials), (4) Leseförderung und Lesestile (verstehendes, kritisches, reflexives, involviertes, spracherwerbsgerichtetes, strukturierendes Le-sen,skimmingundscanning). Lesen kann reflexiv oder „naiv“ sein. Letzteres ist der Fall, wenn es als Handlung selbst nicht analysiert und im Unterrichtsdiskurs nicht entsprechend thematisiert wird.

Um der Aufgabenkonstruktion speziell für das fremdsprachliche Lesen mehr Anhaltspunkte zu geben, wird das „Modell zum Leseverstehen im Fach Eng-lisch“ von Nold/Willenberg (2007) um Elemente ergänzt, die insbesondere das spracherwerbsorientierte Lesen und die lesebezogene Sprachlernkompetenz umfassen.

die Modellierung des fremdsprach-lichen Lesens

Abb. 1: Fremdsprachliche Lesekompetenz1

Erläuterungen zu Abb. 1: Grundsätzlich interagieren alle Variablen. Alle Aktivitäten sind abhängig von den Faktoren um Einstellungen/Haltungen (vertikal gesetzt). Alle Beziehungen sind mehrdirektional: Pfeile signalisieren also nur die Einleitung entspre-chender Prozesse, nicht aber deren Rückwirkungen auf erneute Initiationsimpulse. Da das Lesen sowohl sequentiell als auch parallel und mehrdirektional ablaufende Prozesse bündelt, ist für die Aufgabenkonstruktion im Prinzip die Gesamtheit des Tableaus zu berücksichtigen. Gleichwohl ist eine Fokussierung auf einzelne Faktoren unerlässlich.

Mit „lernersprachlichen Defizienzen“1verbinden sich neue Lernziele, die sich Leser in der Auseinandersetzung mit dem Text und dem Weiterbau der Sprachkompetenz setzen.

1 „Lernersprache“ (interlanguage) bezeichnet einen Kompetenzstatus zu einem gegebenen Zeit-punkt des Fremdsprachenerwerbs. Kennzeichen sind Systematizität, Dynamik (Veränderbar-keit) und Individualität. Die idiosynkratische Lernersprache weicht u. U. erheblich von der Zielsprache ab, zeigt Spuren der Muttersprache und oft der zuvor erworbenen Sprachen.

Lesen

Volitionale Dimension mit Fokus auf Inhalt und oder Spracherwerb

Informationsverarbeitung Opti-mierung der Lese- und der Sprachkompetenz

Ausgehend von der grundlegenden Unterscheidung zwischen inhalts- und sprach-erwerbsorientiertem Lesen ist bei der Gestaltung von Aufgaben die Komplemen-tarität beider Leseabsichten zu berücksichtigen. Hierzu ist zu beachten, dass sich sprachbasierte Sinnkonstruktionen in einem komplexen Wechselspiel von Pro-zessen bilden. Hierbei interagiert das thematische und konzeptuelle Vorwissen mit den Sprachformen und den in ihnen liegenden Bedeutungen und Funkti-onen. Thematische Bedeutungskonstruktionen wechseln mit inhaltlichen und sprachlich-formalen Plausibilitätsproben. Je früher und präziser Formen, Bedeu-tungen und Funktionen identifiziert werden, desto rascher und besser gelingt die Kommunikation. Fragen zum Inhalt könnten etwa lauten: Was sagt der Text?

Ist meine Deutung richtig? Welches zielkulturelle Wissen benötige ich, um den Inhalt besser zu verstehen? Fragen zur Sprache hingegen sind: Welche Struktu-ren habe ich nicht oder nicht richtig/hinreichend verstanden? Wodurch kann ich das sprachliche Defizit ausgleichen? Wo führt die Lektüre mein bisheriges zielsprachliches Wissen und Können weiter? Während inhaltsbezogenes Lesen stark auf das thematische Vorwissen zugreift und dieses die inhaltliche Verarbei-tung prägt, verlangt spracherwerbsorientiertes Lesen die Identifikation sprachli-cher Formen, ihrer Bedeutungen und Funktionen. Das für das Behalten sprach-licher Formen entscheidende Moment ist ihr verstehender Abgleich (d.h. von Wörtern, Kollokationen, syntaktischen Regularitäten, Aspekten, Modi usw.) mit den Bedeutungen und Funktionen, die sie transportieren. Schon dies zeigt, dass die Grenzen zwischen inhaltlichem und sprachorientiertem Lesen nicht immer trennscharf zu ziehen sind. Grundsätzlich gilt: Je mehr Sprachformen ad hoc mit Bedeutung gefüllt werden können, desto schneller und präziser gelingt das Textverständnis, desto mehr Zeit bleibt für die inhaltliche Auseinandersetzung mit den neuen Informationen.

Schwache oder mit einer Fremdsprache noch wenig vertraute Leser müssen zahlreiche sprachform- und inhaltsbezogene Plausibilitätsproben

Schwache oder mit einer Fremdsprache noch wenig vertraute Leser müssen zahlreiche sprachform- und inhaltsbezogene Plausibilitätsproben

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