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Hörverstehen in Verbindung mit weiteren Kompetenzen Beim HV nutzen wir unsere Fähigkeiten gewöhnlich in kommunikativen

Im Dokument Englisch/ Französisch (Seite 87-91)

Part 2: Film Production Geförderte Kompetenzen

2.3.1 Theoretische Grundlagen des Hörverstehens

2.3.1.2 Hörverstehen in Verbindung mit weiteren Kompetenzen Beim HV nutzen wir unsere Fähigkeiten gewöhnlich in kommunikativen

Situ-ationen, die sich in Bezug auf die Frage unterscheiden, welche weiteren Kom-petenzen integrativ eingesetzt werden müssen; etwa das Lesen unterstützender Materialien, das Anfertigen von Notizen oder die mündliche Paraphrasierung des Gehörten.

Um die Frage zu klären, welche Facetten des HV in entsprechenden kom-munikativen Aufgaben schwerpunktmäßig herausgefordert werden, ist es zudem hilfreich zu bedenken, inwiefern der Hörer aufgefordert ist, an der Interaktion teilzuhaben. Es lassen sich vier verschiedene Hörerrollen unterscheiden (vgl.

Rost 1993: 5f.; Bejar et al. 2000: 10f.):

1. Die erste Rolle nehmen Hörer in interaktiven Situationen ein, in denen sie vor dem Hintergrund des Verständnisses der Situation aufgefordert sind, rasch auf die Äußerungen der Gesprächspartner zu reagieren. HV alterniert hier in der Regel mit dem Sprechen.

Im Unterricht versuchen Rollenspiele und Diskussionen, oft in Kleingruppen, diese Hörerrolle einzuüben. Hier können sich die Kommunikationspartner durch Nachfragen, Wiederholungen und Umformulierungen bei der Kon-struktion ihres Verständnisses unterstützen.

2. Die zweite Rolle entspricht der eines Adressaten, dem nur begrenzt Raum für eine Beteiligung an der Kommunikation gegeben wird (z. B. als Lernender bei einem Lehrervortrag).

3. Die dritte Rolle, die eines Zuhörers, ist dadurch charakterisiert, dass keine direkte verbale Reaktion erwartet wird, beispielsweise beim Hören eines Radiobeitrags.

4. Die vierte Rolle ist die eines Mithörers, der z.B. im Bus zufällig eine Unterhal-tung mitbekommt, an der er selbst nicht direkt beteiligt ist.

Kommunikative Situationen stellen in Abhängigkeit von der jeweiligen Hörer-rolle unterschiedliche Anforderungen an unsere HV-Fähigkeiten. So wird der Prozess des HV in interaktiven Situationen dadurch überlagert, dass der Hö-rer gleichzeitig bemüht ist, eine angemessene verbale Reaktion vorzubereiten.

In weniger interaktiven Situationen, etwa beim Mithören eines Gesprächs, kann fehlendes Wissen über den Kontext und den Gegenstand des Gesprächs das Verstehen erschweren oder gänzlich unmöglich machen (vgl. Grotjahn 2005).

Textverständnis:

mentale Repräsen-tation des Gehörten

Integration weiterer Kompe-tenzen

verschiedene Hörerrollen

Anforderungen unterschiedlicher kommunikativer Situationen

Alle Situationen gleichen sich aber darin, dass die präsentierten Informatio-nen flüchtig sind und in dem Tempo verarbeitet werden müssen, das die Spre-cher vorgeben. Nur selten, beispielsweise bei Tonaufnahmen, Audiodateien oder Podcasts im Internet, kann der Hörer das Gesagte in mehreren Durchgängen entschlüsseln.

Lernende nehmen das HV im Vergleich mit anderen Situationen der Sprach-verwendung oft als besonders schwierig wahr. Schwierigkeiten ergeben sich hauptsächlich daraus, dass das fremdsprachliche und zielkulturelle oder inter-kulturelle Wissen der Lernenden nicht so schnell verfügbar ist, wie es für die Ent-schlüsselung eines in natürlichem Sprechtempo gesprochenen Textes notwendig wäre. Die Morphemgrenzen im kontinuierlichen Lautstrom zu erkennen und die Entscheidung zu treffen, welche Bedeutung eines Wortes im gegebenen Kontext vermutlich gemeint ist, ist mit einem mangelhaft automatisierten Sprachwissen schwer möglich. Hinzu kommt im Unterricht die Angst, mit einem nur bruch-stückhaften Verständnis des Hörtextes dem weiteren Geschehen nicht folgen zu können.

Diese besondere Anforderung an die Verstehensprozesse des Hörers zeigt, dass beim Erwerb der HV-Kompetenz im Vergleich zum Leseverstehen ganz eigene Lernprozesse bewältigt werden müssen.

In alltäglichen Situationen mündlicher Kommunikation verarbeiten Hörer In-formationen, die im Gegensatz zu typischen Lesetexten Merkmale gesprochener Sprache aufweisen (z. B. unvollständige Sätze, Wiederholungen, Fehlstarts, Hesi-tationsphänomene, Eröffnungs- und Abschlusssignale). Im Unterschied zum Hö-ren in realen Situationen fehlen bei Übungen zum HV im Unterricht oft visuelle Informationen zum Kontext der Gesprächssituation sowie die Gestik und Mimik der Sprecher, die der Hörer üblicherweise entschlüsseln und zur Unterstützung seines sich entwickelnden Verständnisses einsetzen könnte (z. B. Rost 2002).

HV-Kompetenz im Hinblick auf zielkulturell lebensweltliche und realitäts-nahe Situationen zu entwickeln verlangt die Auswahl entsprechender Texte.

Nicht jeder Text ist in gleicher Weise als HV-Vorlage geeignet. Die Forschung zur Sprechsprache unterscheidet grundlegend zwischen den Kriterien „Entstehung“

und „Kanal“. Hörtexte sind natürlich Texte, die typischerweise gesprochen wer-den. Ihre Entstehung geschieht in der Regel „spontan“ und ohne aufwändige Satzplanung. Ihre Anwendung ist zudem oft hochgradig an sprechsituative Rou-tinen bzw. Kollokationen gebunden: Et avec ça? – Darf es noch etwas sein? Une dorade, mais une belle. – Eine Dorade, aber eine große.Gerade durch die Anwen-dung solcher komplexer Formeln (Kollokationen) erhält die Sprechsprache ihr vergleichsweise hohes Tempo und das HV sein enges Zeitfenster. Als Texte ge-sprochener Sprache haben geeignete HV-Vorlagen typische Muster, wie folgende Synopse am Beispiel des Französischen deutlich macht:

Sprachplanung akustischer Kanal visueller Kanal

sprech-sprachlich ʒəvɛpa je vais pas

schreib-sprachlich ʒənvɛpa je ne vais pas

Schwierigkeiten beim Hörverstehen in der Fremdsprache

die genuinen Bedingungen des Hörverstehens

Die Sprech- und Schreibregister unterscheiden sich natürlich nicht nur im Hinblick auf grammatische Phänomene. Generell ist Sprechsprache zu den fa-miliären oder nähesprachlichen Registern hin geöffnet, was sich nicht nur im Französischen mit erheblichen lexikalischen Unterschieden und „elliptischen“

Sprechweisen verbindet: voiture – bagnolle (Auto), ta gueule (halt die Klappe/

Schnauze),clope – cigaretteusw. (Meißner 2006; 2008). Hierneben stehen erheb-liche Bandbreiten, was die phonische Realisierung der Rede angeht, die verstan-den werverstan-den soll: Sprechtempo, dialektale Aussprachen, „Verschlucken“ ganzer Wörter u. a. m. Dies bedeutet, dass HV in der Breite der relevanten Textsorten geübt werden muss. Was die Internationalität des Englischen alslingua franca angeht, so sind des Weiteren dessen primärsprachliche Großregister wieBritish, Indian, American, African, Australian Englishbetroffen (vgl. Ahrens et al. 1995:

27ff.), aber eigentlich auch die Art und Weise, wie Chinesen, Japaner, Deutsche usw. Englisch sprechen (Hüllen 1995: 55ff.).

Abhängig von den Erwartungen, die Hörer der kommunikativen Situation entgegenbringen, verfolgen sie mehr oder weniger bewusst unterschiedliche Ver-stehensabsichten (vgl. Europarat 2001: 71). Solche sollten für die Modellierung authentischer Hörsituationen und bei der Entwicklung und Auswahl von HV-Aufgaben berücksichtigt werden. So können wir unsere Aufmerksamkeit etwa auf die Entnahme spezifischer Informationen (z. B. Datum, Uhrzeit, Namen, Be-dingungen eines Zusammenhangs), auf das Verständnis zentraler Gedankengän-ge, auf die Gesamtaussage einer Äußerung oder die Interpretation nur implizit vermittelter Informationen richten.

Das HV bietet einen eigenen elementaren Zugang zur Fremdsprache, der für die Lernenden nicht zuletzt im fortgeschrittenen Kompetenzerwerb von zent-raler Bedeutung bleibt. Das HV ist eine Kompetenz, die über den sehr basalen Kompetenzbereich hinausgehend umfangreiches routiniertes Sprachwissen ab-fordert. Über das Hören werden die Lernenden mit bislang unbekannten Wör-tern, Ausdrucksmöglichkeiten und Varietäten der Fremdsprache auf eine Weise vertraut, die ein schriftlich basierter Lehrgang nicht ersetzen kann. Dies erklärt, weshalb die Förderung des HV eine langfristige Aufgabe eines jeden kommuni-kativ orientierten Unterrichts sein muss.

In der natürlichen Spracherwerbssituation erfolgt der Aufbau der Sprach-kompetenz vorrangig über die Mündlichkeit, und zwar in einer reichhaltigen und differenzierten Sprachverwendung in kommunikativer Interaktion mit sehr zahlreichen Sprachpartnern. Im schulischen Fremdsprachenunterricht ist indes die Situation eine ganz andere. Die Lernenden hören im Vergleich zum natür-lichen Spracherwerb zu wenig authentisches Sprechen von viel zu wenigen au-thentischen Personen (Idiolekte). Daher muss der Unterricht so gestaltet werden, dass er die Nachteile des schulisch gelenkten Spracherwerbs möglichst gut kom-pensiert und den Lernenden genügend Gelegenheiten zur Entwicklung dieser komplexen Fähigkeit gibt.

Es ist zu beobachten, dass die Frustrationen, die Lernende bei gescheitertem HV empfinden, oft auf mangelnde Erfahrung im Umgang mit der akustisch-phonetischen Ebene der Fremdsprache, ihrer Varietäten und Register zurückzu-führen sind (vgl. Meißner 2006; Rossa 2009: 140; Field 2008: 3). So ist

beispiels-

weise mangelndes bzw. mangelhaft eingeübtes Wissen zur Umgangssprache, der man etwa in Filmen oder TV-Debatten begegnen kann, ein zentrales Problem beim HV in der Fremdsprache (vgl. Köller et al. 2006). Unter dem Eindruck, dass die Bedeutung des Gehörten nur mit Mühe zu entschlüsseln ist, verlassen sich die Lernenden stärker auf ihr Erfahrungswissen und rekonstruieren die Lücken in ihrem Verständnis mit zunehmend spekulativen und inhaltlich ungenauen Schlussfolgerungen (vgl. Rossa 2012: 132 ff.).

Wenn es gelingt, die fundamentalen Fähigkeiten der Segmentierung und Wor-terkennung zu verbessern, können die Lernenden die Aufmerksamkeit stärker auf die Konstruktion eines kohärenten Verständnisses richten. Zudem können sie die Bedeutungen in einem Hörtext müheloser mit ihrem Weltwissen verknüp-fen, wenn sie in die Lage versetzt werden, die explizit dargebotenen Informatio-nen genauer zu entschlüsseln. LerInformatio-nende müssen also wiederholt Gelegenheiten bekommen, sich mit der Formebene gesprochener Texte auseinanderzusetzen.

Im Sinne der Differenzierung und Begleitung ihrer individuellen Lernprozesse können die Lernenden im Unterricht außerdem durch visuelle und schriftliche Stützmaterialien (vgl. Hummel/French 2010) und ein Training metakognitiver Strategien (vgl. Vandergrift/Tafaghodtari 2010) bei der Weiterentwicklung ihrer HV-Kompetenzen unterstützt werden.

Mit Blick auf die Umsetzung der Bildungsstandards für die Allgemeine Hoch-schulreife im Fremdsprachenunterricht der gymnasialen Oberstufe wurden ex-emplarische Lernaufgaben publiziert (KMK 2014: 188 ff.), die illustrieren, mit welchen Aufgabenstellungen die Weiterentwicklung einzelner Kompetenzen verfolgt werden kann. Die Entwicklung der Lernaufgaben als Arrangements mehrerer Einzelaufgaben berücksichtigte einerseits das Ziel, die Aufgaben inhalt-lich an der „thematischen Organisation des gymnasialen Oberstufenunterrichts“

(KMK 2014: 188–189) auszurichten und nach dem Vorbild realer (kommunikati-ver) Herausforderungen komplexe Interaktions- und Aushandlungsprozesse an-zustoßen, innerhalb derer die Lernenden verschiedene Kompetenzen einsetzen.

Andererseits sollen die Einzelaufgaben Gelegenheiten bieten, funktional kommunikative Teilkompetenzen weiterzuentwickeln. Bei der Auswahl oder Konstruktion solcher Einzelaufgaben kommt es darauf an, die genuinen Be-dingungen der jeweiligen kommunikativen Aktivität in den Mittelpunkt zu stellen. Kompetenzorientiert unterrichten bedeutet in diesem Zusammenhang konkret, in Aufgaben zum HV inhaltlich bedeutsame und lebensweltlich sowie curricular relevante Hörtexte bereitzustellen, die sich durch typische Merkmale gesprochener Sprache auszeichnen. Die Lernenden sollen bei der Bearbeitung der Lernaufgaben Gelegenheiten erhalten, sich im Umgang mit der Flüchtigkeit gesprochener Sprache zu üben, die Mitteilungsabsicht der Sprecher aufzuneh-men und sprachliche Merkmale zu identifizieren (Laute, Lautkombinationen, Wörter, Sprechweisen und Sprechstile). Hierbei ist es hilfreich, wenn sie in die Lage versetzt werden, gedanklich die Plausibilität des Gehörten zu prüfen, etwa in Form von inhaltsgerichteten (Wer, was ist warum gemeint?), sprachlichen (Welches Wort wird mit welchem anderen Wort zusammen gebraucht? Wer sagt was, wie?) und auf den Kontext (Was will der Sprecher in dieser Situation sagen?) gerichteten Fragen.

Fähigkeiten der Segmentierung und Worterken-nung stärken

Lernaufgaben zum Hörverstehen

2.3.2 Das Hörverstehen in den Bildungsstandards

Im Dokument Englisch/ Französisch (Seite 87-91)