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Kriterien zur Auswahl von Lesetexten und zur Konstruktion von Leseaufgaben

Im Dokument Englisch/ Französisch (Seite 130-133)

Part 4: Follow-up activity

2.5.2 Leseverstehen in den Bildungsstandards für die Allgemeine HochschulreifeAllgemeine Hochschulreife

2.5.3.3 Kriterien zur Auswahl von Lesetexten und zur Konstruktion von Leseaufgaben

Die fremdsprachliche Leseförderung beginnt spätestens bei der Auswahl von Texten. Relevante Auswahlkriterien sind u.a. in bunter Folge:

(1) der sprachliche und der inhaltliche Schwierigkeitsgrad eines Textes (für eine bestimmte Lerngruppe) bzw. seine Anforderung an das Text- und Lesever-ständnis sowie an das Text- und Leseverstehen;

(2) seine Eignung für den weiteren Ausbau der zielsprachlichen und zielkultu-rellen Kompetenz; in Anlehnung an Vygotskys (1934) Theorie der zone of proximal developmentsollten Texte leicht oberhalb (aber nicht außerhalb) der Reichweite des Leseverständnisses und Leseverstehens liegen;

(3) die leserseitigen Merkmale: Alter, Geschlecht, Lebenssituation, Interessen, Vorwissen, Motivation etc.;

(4) die Relevanz des Themas im Sinne der Lehrpläne bzw. der Abiturprüfung;

hier betonen die Bildungsstandards als Kriterien die Auseinandersetzung mit

„Klischeehaftigkeit“ und „Realitätsbezug“ (KMK 2014: 92);

(5) die kurz- und langfristige motivatorische Wirkung, die von dem angesteuer-ten Leseerlebnis auf eine Lerngruppe zu erwarangesteuer-ten ist. Hiermit ist eng die emo-tionale Leseerfahrung verbunden, die nicht zuletzt beim Lesen literarischer Texte eine Rolle spielt (Frederking 2013);

(6) der über das Leseerlebnis bewirkte weitere Ausbau der Sprachlernkompe-tenz. Dies schließt neben der Kontrolle der Leseprozesse auf den Ebenen von Selbstregulation und Lesehandlung auch die kompetente Benutzung der Hilfsmittel ein.

Hilfreich für die Konstruktion von Leseaufgaben ist das „Drei Ebenen-Modell“

von van Dijk/Kintsch (1983). Es unterscheidet zwischen der (a) wortbezogenen Ebene

Aufgaben können hier bei einzelnen Schlüsselwörtern für ein Thema oder bei zielkulturellen Hochwertwörtern ansetzen. Aufgabenformate betreffen z.B. klei-ne Wortgeschichten oder Szenarien, die die Verwendung der Begriffe im kollek-tiven Gedächtnis der zielkulturellen Gemeinschaft prägen. Auf der Ebene der Hilfsmittel aktivieren entsprechende Aufgaben Strategien zur Klärung (Disambi-guierung): ko-textuelles Erschließen, Erschließen über formkongruente Wörter aus anderen Sprachen (Typ: enthusiasm< Enthusiasmus). Auch die angeleitete Internet-Recherche kann zielführend sein.

zentral: die Aus-wahl von Texten

Theorie derzone of proximal development

(b) der propositionalen Ebene

Aufgaben betreffen das orientierende und das detaillierte (mikroskopische) Lese-verständnis und Leseverstehen. Nicht nur im Zusammenhang mit fiktionalen Texten liefert die Stilanalyse Impulse für die Konstruktion entsprechender Auf-gaben.

(c) der durch die Aktivität des Rezipienten gegebenen Situation

Repräsentationen entstehen im Zusammenspiel zwischen den im Text liegen-den Informationen und leserseitig interagierenliegen-den Variablen wie Motivation, Interesse, Aufmerksamkeit, Vorwissen, Vertrautheit mit dem Stoff, einem Autor, einer Textsorte usw. Erneut betont dies neben dem Wissen und dem Können die Relevanz des Wollens und des Fühlens beim Lesen in Verbindung mit langfris-tig wirkenden Erfahrungen mit Texten und Textsorten bis hin zu den Lesege-wohnheiten. Diese Gemengelage ist individuell verschieden. In der Arbeit mit Lerngruppen ist daher ein Kompromiss zwischen der Individualität der Lerner und der gemeinsamen Textvorlage zu suchen. Er wird möglich, wenn Aufgaben so angelegt werden, dass sie auch die individuellen Bedeutungskonstruktionen sichtbar machen, so dass ein entsprechendes Unterrichtsgespräch über diese in-dividuellen Prozesse zustande kommt.

Für Textauswahl, Aufgaben und Steuerung des Unterrichts speziell in der Sekun-darstufe II ist mit Blick auf die Förderung lernerseitiger Selbstwirksamkeit die Frage gestellt, inwieweit die im Verlauf der Sekundarstufe II behandelten Stoffe infe-rentiell einander „stützen“. Es sollten sich zwischen ihnen dichte und plausible Beziehungen herstellen lassen. Diese liefern die Grundlage für den erfolgreichen Transfer und das zielführende Vergleichen sprachlicher und vor allem inhaltlicher Bezüge. Positive Leseerlebnisse wirken auf Motivation und Interesse für das Lesen, das Sprachenlernen, die Beschäftigung mit fremden Kulturen usw. zurück.

Problemorientierte Aufgaben lassen in besonderer Weise die Herstellung dichter und plausibler Beziehungen zwischen unterschiedlichen Texten zu. Sie gestatten den Schülerinnen und Schülern das Einbringen bisheriger Lese- und Wissenserfahrungen, individueller Sichtweisen und Überlegungen. Leseaufga-ben können diesen Schritt befördern, indem sie sehr konkret nach individuel-len Lesarten und vorhandenen Erfahrungen mit dem Lesen, mit den Lesestoffen und nach den Wirkungsweisen auf den einzelnen Leser fragen (Wie und warum verstehst du diesen Text so, wie du ihn verstehst? Worin besteht seine Relevanz für dich selbst? Warum hast du ihn gerne/ungerne gelesen? Für das Gespräch im Klassenraum könnte hinzukommen: Warum versteht eigentlich Lukas diesen Text an dieser Stelle anders als Svenja?).

Das „reflexive Lernen“ verlangt Metakognition (s. Kap. 2.10 Sprachlernkompe-tenz). Zu den Aufgabenformaten gehören vor allem Notizen zur Art und Weise, wie Textinhalte entschlüsselt und konstruiert bzw. wie inhaltliche Positionen zum Text erarbeitet wurden und/oder das Erstellen und die Analyse von individuellen Laut-Denk-Protokollen in der Klasse. Die Literatur spricht davon, dass „Lerner ihren eigenen Lernprozess erforschen“. Im Falle des Lesens berührt dies die eingesetzten Lesestrategien und die Kompetenzen im Bereich der Nutzung der Hilfsmittel usw.

dichte und plau-sible Beziehungen zwischen Texten und Themen als Grundlage für erfolgreichen Transfer

Lerner als Forscher – reflexives Lernen und Leseförderung

Traditionelle Aufgabenformate zur Überprüfung des Leseverstehens sind:

• Mehrfachwahlaufgaben

• richtig/falsch-Aufgaben, nach Möglichkeit mit Angabe der konkreten Refe-renz im Text

• kombinierte Einpassaufgaben und sog.table completionbzw. Ergänzungsaufga-ben (Es können Argumente in Tabellen aufgenommen werden, die insgesamt die Beziehungen zwischen den Argumenten sichtbar machen.)

• Lückentext

• Vervollständigen eines Textausschnitts; eventuell auch „nur“ von Sätzen

• kurze Antworten zum Text

Solche überkommenen Formate lösen keine metakognitiven oder selbstreflexi-ven Operationen aus. Dies ändert sich, wenn die Formate nicht nur nach Inhal-ten eines Textes fragen, sondern nach den Prozessen, welche die Schülerinnen und Schüler zu einer konkreten, einer möglichen oder einer fehlenden Antwort zum Inhalt veranlassten. Dann nämlich werden Fragen zum Text zu Fragen des Textverständnisses und des Textverstehens, das sich von Individuum zu Indi-viduum unterschiedlich gestaltet. Solche Fragen lauten etwa: Warum und wie bist du zu dem Ergebnis gekommen? … hast du diese Lösung angekreuzt? … hast du diese neuen Argumente zusammengestellt? Wieso hast du den Text um diese Erweiterungen ergänzt? Warum hast du welches Hilfsmittel eingesetzt?

Welche Vorteile bietet es für deinen Spracherwerb? Die identifizierten Prozesse werden dann in Kleingruppen – kollaborativ – verglichen und diskutiert. In Bezug auf das gemeinsame Lernen zeigt sich, welche Strategien warum zielfüh-rend eingesetzt wurden. Die Klärung solcher Fragen ist für jede Form der Le-sediagnostik von Belang. Sie liefert Grundlagen für die Individualisierung des Leseunterrichts.

Die Notwendigkeit metakognitiv zielender Aufgaben zeigt sich auf dem Feld des Lesens, wie angeklungen, in der engen Verbindung mit Selbstregulation, der reflexiven Steuerung bzgl. der Planung der Lesehandlung sowie der Evaluation des eigenen Leseprozesses. Konkret betroffen sind:

• der Wille, etwas Bestimmtes zu lesen und die Definition der konkreten Lese-absicht

• die Identifikation und Aktivierung des inhaltlich und sprachlich relevanten Vorwissens

• die Anwendung zielführender Strategien im Hinblick auf das Zusammenspiel von Leseabsicht, Lesestil und Textsorte

• der Einsatz von Strategien zum Wechsel der Leseabsichten innerhalb der Re-zeption eines bestimmten Textes

Zu nennen sind konkret:

• der Wechsel vom suchenden (bestimmte Wörter, Namen usw.) zum überflie-genden (grobe inhaltliche Identifikation von Textpassagen) und zum detail-lierten oder mikroskopischen Lesen (möglichst alle relevanten Informationen im Text sowie im geforderten Inferierungspotential erkennen)

• vom inhalts- zum spracherwerbsgerichteten Lesen (und eventuell umgekehrt) von Fragen zum

Text zu Fragen des Textverstehens

Planung der Lesehandlung und Evaluation des eigenen Lese-prozesses

Hervorgehoben wurde bereits die Kompetenz, papierne und elektronische Wör-terbücher sowie KonkordanzwörWör-terbücher angemessen zu benutzen (Meißner 2003: 404f.; Zöfgen 2010)5;

Weitere Verfahren/Aufgabenformate zur Förderung metakognitiver Anteile in Leseprozessen und deren Steuerung sind:

• das analytische und (selbst-)reflexive Sprechen (oder Schreiben) über den ei-genen Rezeptions- und Sinnkonstruktionsprozess; hierzu gehört auch die Aus-wertung von Lautdenk-Protokollen

• das Sprechen über notwendige inhaltliche und sprachliche Plausibilitätspro-ben (ko- bzw. kontextuelles Raten) im Rahmen des Lesens und der Lesepro-zessanalyse

• das Sprechen über „sprachliche“ Fragen an den Text und das tiefere Lesever-stehen auch im Rahmen kooperativer Lernformate und -arrangements

• das Sprechen über die begründete Beurteilung von Lösungs- bzw. Disambigu-ierungswegen bei sprachlichen Unsicherheiten

• das Sprechen über die Erfahrung bei der Nutzung von Hilfsmitteln

Stets betroffen bei der Vermittlung/Förderung von Strategien sind (1) die Be-wusstmachung bereits vorhandener Strategien, (2) die Informationen über die betroffene Strategie, (3) die Erprobung und Ausführung der strategisch basierten Lesehandlung und (4) die Bewertung / Evaluation der angewandten Strategien.

Eine Beschreibung von Aufgabenformaten greift zu kurz, wenn sie sich nicht auch zur Verwendung der Formate im Unterricht äußert. Die Beispielaufgaben (nicht nur) zum Leseverstehen machen daher an zahlreichen Stellen deutlich, wie Aufgaben in verschiedene Sozialformen des Unterrichts eingebunden wer-den können (vgl. die einschlägigen Beiträge in Klein et al. 2013).

Es entspricht der komplexen Interaktion der an der Lesehandlung – von der Planung über die Durchführung bis hin zu Kontrolle und Evaluation – beteilig-ten Faktoren, wenn Aufgaben zunehmend offen angelegt sind.

Im Rahmen der reflexiven Bearbeitung von Lesekompetenzaufgaben ist die Selbstdiagnose der eigenen Lesehandlung einschließlich ihrer Einleitung, Durch-führung und Bewertung unverzichtbar. Im Rahmen des Unterrichts ist daher auch die Selbstevaluation ein zu behandelndes Thema. Hierauf geht das folgende Teilkapitel ein.

Im Dokument Englisch/ Französisch (Seite 130-133)