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III. Empirische Untersuchung – Strategien der Inszenierung von Gender im

2. Methoden und Durchführung der Analyse (Eva Schirmetz)

2.1. Methode der Beobachtung

Zur Erhebung empirischer Daten gibt es in den unterschiedlichsten Disziplinen eine Vielzahl von Methoden, die für die eigene Fragestellung herangezogen werden können, um diese zu beantworten. In den Sozialwissenschaften wie auch in den anderen Disziplinen existiert eine Vielzahl an Techniken zur Erhebung und

134 Auswertung von Datenmaterialien. Andreas Diekmann (2012) schildert dazu folgende Methoden und Verfahren: „persönliche, schriftliche und telefonische Interviews, qualitative Befragung, systematische Beobachtungsverfahren, Inhaltsanalyse von Texten, Verfahren der Stichprobenziehung, Einstellungsmessung und Skalierung, Radomized-Response-Technik und nichtreaktive Verfahren, experimentelle und quasiexperimentelle Längs- und Querschnittstudien“ (Diekmann 2012, S. 18).

Diekmann bezeichnet diese Verfahren, Methoden und Techniken als Werkzeugkiste, die der empirischen Sozialforschung zur Verfügung steht. Der Ort, an dem diese Methoden zum Einsatz kommen, um relevante Daten zu erlangen, ist das soziale Feld. Wie es auch zu Schäden kommen kann, wenn man das falsche Werkzeug benutzt, so kann es auch bei der falschen Methodenwahl in der Sozialforschung zu Schäden bzw. zu verfälschten Ergebnissen kommen. Um also zu den benötigten Daten zu gelangen, ist es wichtig, die richtige Methode auszuwählen. Es können auch verschiedene Methoden miteinander kombiniert werden, wenn es für die Forschung von Vorteil ist. Dies nennt man Methodentriangulation. Denn es nicht jede Methode ist gleichermaßen gut geeignet, um die Forschungsfrage zu beantworten (vgl. Diekmann 2012, S. 18f.).

Um empirische Daten für einen Überblick der Genderinszenierung von jungen Erwachsenen Mädchen und Burschen in Graz zu erhalten, haben wir uns für die Methode der Beobachtung entschieden. Die erhobenen Daten haben wir mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Philipp Mayring (1978) analysiert und ausgewertet.

„Ist von der Erhebungsmethode der Beobachtung in der Sozialforschung die Rede, so wird darunter jedoch spezifischer die direkte Beobachtung menschlicher Handlungen, sprachlicher Äußerungen, nonverbaler Reaktionen (Mimik, Gestik, Körpersprache) und anderer sozialer Merkmale (Kleidung, Symbole, Gebräuche, Wohnformen usw.) verstanden“ (Diekmann 2012, S. 548).

Bei der Beobachtung werden Personen im sozialen Feld genau auf die Forschungsfrage hin beobachtet. Das Handeln, die Körpersprache, das Aussehen und die Kleidung etc. können hier wesentliche Punkte sein, die im Fokus der Forschung stehen und die zu beobachten sind. Die Methode der Beobachtung ist schon seit vielen Jahren eine viel verwendete Methode, um soziale Situationen und Prozesse zu erforschen. Allgemein gesehen sind fast alle empirischen Methoden Beobachtungsverfahren, da wir in jeglicher Situation Vorgänge beobachten können (vgl. Diekmann 2012, S. 548).

135 Wie bei vielen anderen Methoden gibt es auch bei der Beobachtung verschiedene Arten von Techniken, die an das Forschungsvorhaben angepasst werden müssen.

Es lassen sich fünf Dimensionen in Anlehnung an Jürgen Friedrichs (1973) unterscheiden:

1. Offene - verdeckte Beobachtung: Inwieweit wissen die Beobachteten Personen über den/die BeobachterIn Bescheid?

2. Nichtteilnehmende - teilnehmende Beobachtung: Inwieweit bindet sich der/die BeobachterIn in die Beobachtung mit ein?

3. Systematische - unsystematische Beobachtung: Wird nach einem bestimmten Schema oder offen an die Beobachtung herangegangen?

4. Natürliche - künstliche Beobachtung: Wird in einem bestimmten Feld oder in einem speziellen Raum mit künstlich hergestellter Situation beobachtet?

5. Selbstbeobachtung - Fremdbeobachtung: Meistens werden andere Personen beobachtet. Doch welchen Stellenwert hat dabei die Selbstreflexion der/des ForscherIn?

(vgl. Friedrichs 1973 zit. n. Flick 2011, S. 282)

Welche dieser Methoden angewendet wird, hängt allein vom Forschungsgegenstand und der Forschungsfrage ab. Unser gewähltes Verfahren setzt sich aus einer halbverdeckten/verdeckten, nichtteilnehmenden Beobachtung mittels eines struktu-rierten Beobachtungsbogens zusammen. Die beobachteten Personen, also die Jugendlichen, die für unsere Forschungsfrage relevant sind, wurden anhand des Zufallsprinzips ausgewählt. Die Jugendlichen sollten folgenden Kriterien entsprechen: Sie sollen aus dem Raum Graz stammen und etwa zwischen 12 – 20 Jahre alt sein. Wir wollten ungefähr 100 Jugendliche untersuchen, die auf die vier Sozialräume von Graz verteilt sind. Je Sozialraum wurden ca. 25 Jugendliche in den unterschiedlichsten Situationen beobachtet. Wir gingen in verschiedene Jugend-zentren, EinkaufsJugend-zentren, Parks, öffentliche Plätze etc., um eine Vielzahl von Jugendlichen zu beobachten. Wir verwendeten eine nichtteilnehmende Beobach-tung, da sie denn Vorteil hat, dass man sich nicht auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren muss. Hier kann man sich auf die Beobachtung des sozialen Geschehens konzentrieren und dieses auch gleich protokollieren, anhand freier

136 Notizen oder mittels eines strukturierten Beobachtungsbogens (vgl. Diekmann 2012, S. 563ff.). Die Beobachtung kann neben der teilnehmenden und nichtteilnehmenden auch entweder offen oder verdeckt ausgeführt werden. Sind die Interaktions-partnerInnen informiert über das Forschungsvorhaben, so wird von einer offenen Beobachtung gesprochen. Bei der verdeckten teilnehmenden Beobachtung lässt sich der/die BeobachterIn bei den InteraktionspartnerInnen nicht als solche/r erkennen.

Im Gegensatz dazu sollte man bei der verdeckten nichtteilnehmenden Beobachtung von den untersuchten Personen nicht als BeobachterIn bemerkt werden (vgl.

Diekmann 2012, S. 564f.). Wir haben ein halbverdecktes/verdecktes Verfahren gewählt. Halbverdeckt deshalb, weil wir teilweise in Jugendzentren waren und wir hier die MitarbeiterInnen informieren mussten und wir uns in den Jugendzentren nicht irgendwo verstecken konnten, um die Jugendlichen zu beobachten. Wir waren also für die Jugendlichen sichtbar und sie konnten uns auch auf unsere Anwesenheit ansprechen. Verdeckt waren unsere Beobachtungen dann, wenn wir in Einkaufszentren, Parks, öffentlichen Plätzen etc. unterwegs waren, um zu beobach-ten. Die verdeckte Beobachtung wirft auch meist eine forschungsethische Frage auf, ob das verdeckte Beobachten auch ethisch vertretbar ist. Eine verdeckte Beobachtung kann dann als ethisch vertretbar und legitim gesehen werden, wenn den untersuchten Personen kein Schaden zugefügt wird, sondern soziale und/oder politische Phänomene enthüllt/aufgedeckt werden. Daher muss man bei jeder einzelnen empirischen Forschung abwiegen, ob sie die Intimsphäre betrifft oder nicht. In der Sozialforschung muss man bedenken, dass es sich meist um harmlose Alltagssituationen handelt, die untersucht werden. Ist die verdeckte Beobachtung nun ethisch vertretbar, weist sie einen bedeutenden Vorteil auf, da sie nichtreaktiv ist.

Das heißt so viel wie, dass die untersuchten Personen sich nicht beeinflusst werden und sie ihr Verhalten nicht verändern, um „besser“ zu erscheinen. Dies ist aber meist nur dann der Fall, wenn eine verdeckte nichtteilnehmende Beobachtung angewendet wird (vgl. Diekmann 2012, S. 565ff.). Nichtteilnehmend ist die Beobachtung dann, wenn sie die Kriterien erfüllt, die schon Patricia Adler und Peter Adler (1998) beschrieben haben: „Reine Beobachter verfolgen den Fluß der Ereignisse. Verhalten und Interaktionen gehen weiter, wie sie dies ohne die Anwesenheit eines Forschers tun würden, ohne von Störungen unterbrochen zu werden“ (Adler&Adler 1998, zit. n.

Flick 2011, S. 282). Die zu beobachtenden Personen stehen mit uns nicht in Interaktion und können ihr gewohntes Verhalten weiterführen. Die Beobachtung hat

137 zwei unterschiedliche Grade der Ausprägung - entweder strukturiert oder unstruktu-riert. Wird ein Leitfaden, wie wir ihn für unsere Arbeit anwenden, verwendet, so kann dieser genau dazwischen platziert werden. Denn im Leitfaden wird die Aufmerk-samkeit auf gewisse Punkte gelenkt. Um objektiver an die Forschung heranzugehen, ist es sinnvoller, wenn es zwei BeobachterInnen gibt. Wichtig ist hierbei, dass sie womöglich zu den gleich Resultaten kommen sollten (vgl. Diekmann 2012, S. 569).

Wir verwendeten für die Beobachtung einen strukturierten Beobachtungsbogen. Die Funktion des Beobachtungsbogens liegt darin, die Validität der Beobachtung zu steigern. Doch es ist fast unmöglich die gesamte Totalität der sozialen Situationen zu erheben. Man erfasst immer nur einen gewissen Ausschnitt. Unseren verwendeten Beobachtungsbogen, der der Arbeit im Anhang beigefügt ist, haben wir gemeinsam zusammengestellt. Am Anfang unseres Beobachtungsbogens ist die Situations-analyse beigefügt, die die Dokumentation des Beobachtungstages, des Sozialraums, der Dauer der Beobachtung, des Alters der Jugendlichen und der Anzahl der Jugendlichen ermöglicht. Weiters beinhaltet der Beobachtungsbogen ein System von Überkategorien und die dazugehörigen Unterkategorien, mit denen wir einen Überblick in der Genderinszenierung von Jugendlichen geben möchten.

Die Überkategorien sind: die Inszenierungsmittel, das Verhalten und die Inter-aktionen, in denen man vielleicht einen Unterschied in der Genderinszenierung von Mädchen und Jungen sehen und beobachten kann. Als Unterkategorie der Inszenierungsmittel zählen die Kleidung, die Accessoires, die Frisur, der Körper-schmuck und das Make-up. Die Körpersprache, die Stimmlage, die Gestik und die Mimik zählen zur Unterkategorie des Verhaltens. Bei der Überkategorie Interaktionen werden die verschiedenen Konstellationen von Gruppierungen der Jugendlichen beobachtet. Es wird darauf geachtet, welche Themen innerhalb der Gruppen besprochen werden, die vielleicht stereotypisch sind, ob Hierarchien erkennbar sind und ob vielleicht Mädchen oder Jungen ausgeschlossen werden usw. Im Weiteren können noch andere Auffälligkeiten unter dem Punkt Sonstiges protokolliert werden.

In manchen Bereichen des Beobachtungsbogens haben wir auch die Häufigkeit des Vorkommens mit Hilfe von Strichen dokumentiert. Wir haben dabei auch zwischen Mädchen und Jungen unterschieden und am Schluss die allgemeine Häufigkeit festgehalten. Diese Aufzeichnungen der Häufigkeit werden dann später für die Auswertung benötigt. Im Anschluss haben wir dann die mittels Beobachtungsbogen gesammelten Daten ausführlich transkribiert und qualitativ bearbeitet. Wir verwenden

138 zur Auswertung unserer Daten die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring, die nun nachfolgend beschrieben wird.