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III. Empirische Untersuchung – Strategien der Inszenierung von Gender im

1. Forschungsfrage, -vorhaben und -design (Magdalena Tschmelak)

Das Hauptgewicht dieses Kapitels liegt darin, unser Forschungsvorhaben, dessen Ziel es ist, Aneignungsweisen von Gender-Inszenierungen junger Erwachsener im Alltag aufzuzeigen, hervorzuheben und näher zu erläutern. Gender ist etwas, das wir tagtäglich mit uns herumtragen, inszenieren und präsentieren. Inszenierungen von Gender sind weder im Alltag noch in der Theorie etwas Neues, allerdings ist es eine Thematik, bei der es durchaus, wie im Laufe unserer Arbeit bereits erwähnt, wichtig wäre, dass sie auch die Aufmerksamkeit der Forschung und Wissenschaft erhält, die dieser Thematik zustünde. Die meisten AutorInnen in diesem Bereich leisten mit ihren Werken Pionierarbeiten und wir wollen mit unserer Arbeit in diesem Sinne ein kleines Stück beitragen, sodass die alltäglichen Gender-Inszenierungen, die unser soziales Sein im Kollektiv positiv oder negativ beeinflussen können, mehr in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt werden. Es gibt natürlich schon einige Werke, Studien und Diskurse zu dieser Thematik, die wir im Laufe unserer theoretischen Auseinandersetzung auch zitiert bzw. auf die wir verwiesen haben, doch wird meist nur auf ein oder zwei Punkte von all den möglichen Aneignungsweisen zur Inszenierung eingegangen. Was wir mit unserer Arbeit leisten wollen ist, abgeleitet vom Stand der derzeitigen Forschung, eine zusammengefasste, überblicksmäßige Aufstellung darüber zu liefern, welche Aneignungsweisen junge Erwachsene tatsächlich im heutigen Alltag einsetzen, um ihr Geschlecht zu präsentieren. Also mit anderen Worten wollen wir den Ist-Zustand aufzeigen und hervorheben. Wir wollen aufzeigen, was wir alles meist unbewusst tun, das anderen, also Interaktions-partnerInnen zeigt oder suggeriert, dass man eine Frau, ein Mann, beides oder etwas anderes repräsentiert. Das kann von kleinen Gesten und der Mimik über das Schminken in der Früh, bevor man das Haus verlässt, bis hin zur Verkleidung alles Mögliche sein. So können die Ergebnisse dieser Forschungstätigkeit beispielsweise dazu beitragen, die Gesellschaft ein Stück weit zu sensibilisieren.

Damit wir die Ziele dieser Arbeit und die Beantwortung unserer Forschungsfrage erreichen und adäquate Ergebnisse bekommen, haben wir uns als Forschungsfeld die Praxis, also genauer gesagt den Alltag ausgesucht. Der Alltag zeigt uns nicht nur am besten die Dinge, die wir unbewusst tun, sondern auch welche Folgen das, was wir tun, für uns hat bzw. wie andere InterakteurInnen in unserem Alltag darauf reagieren und was sie wahrnehmen. Daher ist der Alltag für uns und unsere Arbeit

129 nicht nur der Ort, an dem wir junge Erwachsene und ihre Inszenierungen innerhalb vieler sozialer Situationen und Interaktionen sehen können, sondern auch ein Raum, in dem wir gleichzeitig die Reaktionen anderer Individuen auf die Gender-Inszenierungen wahrnehmen können. Wie uns die Thematiken und deren AutorInnen im ersten Teil der Arbeit gezeigt haben, lernen junge Erwachsene speziell durch die sozial anerkannten und immer wieder reproduzierten Vorstellungen und durch soziale Interaktionen mit anderen ihr eigenes Geschlecht, sowie dessen Rollenbild, kennen und ebenso auch die Situation von Anderen. Des Weiteren lernen sie selbst durch Beobachten und Nachahmen, also durch eigene Inszenierungen und die Rückmeldung von außen, damit umzugehen. Wir haben im ersten Teil der Arbeit auch viele Aspekte von Gender angesprochen und thematisiert. Diese sind als Grundlage nötig, um zu verstehen, woher Genderidentität kommt, woran wir uns orientieren und warum es Folgen hat, wenn man sich schlussendlich für ein Geschlecht oder eine Orientierung entschieden hat. Sie stellen auch ein Grund-wissen dar, um diese Thematik und vor allem Veränderungen in diesem Bereich im Alltag erreichen zu können. Es ist nicht damit getan, die eine oder andere Orientierung mehr oder weniger auch noch anzuerkennen. Es hängen viel mehr Bereiche und Probleme an der Frage: „Bub oder Mädchen?“ Es ist wichtig, dass sich PädagogInnen mit dieser Thematik auseinandersetzen und sich mit Vorgängen im Alltag und unserem Zusammenleben kritisch auseinandersetzen, um irgendwann alle in ein Boot der Vielfalt holen zu können. In der Auseinandersetzung mit der Literatur zu dieser Thematik wurde klar, dass die derzeitigen Ideen zur Lösung des Zweigeschlechterproblems und seiner Abneigung gegenüber anderer Lebenswelten/-formen, die Akzeptanz gerade dieser anderen Orientierungen oder das Konzept der Androgynie sind. Es sind durchaus mögliche Wege, allerdings sollte wie bei jedem Problem dabei der Beginn, also die Entstehung des Problems nicht vergessen werden. Daher gilt es nun im nachfolgenden empirischen Teil unserer Arbeit durch eine von uns gewählte Forschungsmethode die Inszenierungen von jungen Erwachsenen in ihrer Geschlechteridentitätsfindung zu erfassen, hervorzuheben und zu analysieren. Demnach lief unsere Forschungsarbeit, wie die nachfolgende Grafik zeigt, in sieben Schritten ab:

130 1. • Erstellung der Forschungsfrage und der Hypothesen

2.

• Festlegung der Hilfsmittel für die Forschung unter Berücksichtigung der Beobachtungstechnik

3. • Erstellung eines strukturierten Beobachtungsbogens

4. • Auswahl der Beobachtungsorte und ProbandInnen

5. • Eine Beobachtung durchführen vor der eigentlichen Haupterhebung

6. • Haupterhebung: Beobachtungen durchführen

7. • Datenverschriftlichung und Analyse

Abbildung 1: Ablauf der Forschungsarbeit (vgl. Diekmann 2012, S. 74)

Diese Grafik der sieben Schritte unserer Forschungsarbeit zeigt deutlich, dass unser Vorgehen entsprechend einer empirischen Untersuchung ablief. Zur näheren Erläuterung werden wir nun genauer auf diese unsere sieben Schritte der Forschung eingehen. Im ersten Schritt ging es um die Erstellung einer Forschungsfrage und so beruht unserer Arbeit auf der Frage:

„Welche Aneignungsweisen oder Verhaltens- bzw. Ausdrucksformen entwickeln und verwenden Jugendliche, um ihr Geschlecht zu inszenieren?“

Dadurch, dass wir dieser ausformulierten Frage in unserer Forschung und Arbeit folgten, entwickelten sich im Vorfeld auch einige offene Hypothesen, deren Entwick-lung ebenso ein Teil unseres ersten Schrittes war. Im Rahmen unserer empirischen Forschungsarbeit sollte also nicht nur unsere Hauptfragestellung beantwortet werden, sondern auch die von uns aufgestellten offenen Hypothesen ihre Bestätigung oder Widerlegung finden. Die erste Hypothese beschäftigt sich mit der Einflusswirkung bzw. der hartnäckigen Stabilität der Stereotypen Mann und Frau. Sie

131 geht davon aus, dass diese Stereotypen junge Erwachsene immer noch so stark beeinflussen, dass sie sich nur als Mann oder Frau und vor allem den stereo-typischen Erwartungen entsprechend inszenieren. So haben wir folgende erste Hypothese formuliert:

Gender-Inszenierungen von jungen Erwachsenen sind stark beeinflusst und abhängig von den traditionellen Geschlechterstereotypen.

Um das eigene Interesse der jungen Erwachsenen an einer Geschlechter-inszenierung nach den gesellschaftlichen Vorstellungen, wie ein Mann ist und wie eine Frau ist, zu präzisieren haben wir diese zweite Hypothese formuliert:

Junge Erwachsene versuchen den gesellschaftlichen Vorstellungen eines Mannes und einer Frau zu entsprechen und so ihr Geschlecht darzustellen.

Die Nicht-Identifizierung bzw. dass es Individuen in- und außerhalb von Interaktionen nicht möglich ist, das Geschlecht eines anderen Individuums zuzuordnen oder zu bestimmen, soll, wie im ersten Teil der Arbeit beschrieben, zu Ängsten und Unsicherheiten führen. Aufgrund dieses angeblich entstehenden Gefühls der Irritation lautet unsere dritte Hypothese wie folgt:

Die Unbestimmtheit der Geschlechterzugehörigkeit verursacht Unsicherheit, Ängste und Ablehnung.

Unsere letzten zwei Hypothesen beziehen sich im Grunde auf die stereotypischen Vorstellungen, dass Jungs eher ungestylt, natürlich auftreten und Mädchen versuchen, so sexy wie möglich zu sein. Unsere letzten beiden Hypothesen lauten:

Junge männliche Erwachsene setzen heute genauso wie junge weibliche Erwachsene Accessoires wie Schmuck, Schals, Taschen, Schuhe, etc., Haarstyle

und Hygieneartikel wie Gel, Make-up, Parfum, etc. bei ihren Inszenierungen ein.

Junge weibliche Erwachsene folgen heute mehr denn je bei ihren Inszenierungen den aktuellen Schönheitsidealen.

132 Im zweiten Schritt haben wir uns, wie die obige Grafik zeigt, mit Hilfsmitteln für die Forschung unter Berücksichtigung der Beobachtungstechnik, die eine nicht teilneh-mende, halbverdeckte, strukturierte Beobachtung ist, auseinandergesetzt. So haben wir uns für das Hilfsmittel eines strukturierten Beobachtungsbogens entschieden.

Diesen haben wir dann im dritten Schritt erstellt. Der Beobachtungsbogen besteht aus einer anfänglichen Situationsanalyse, in der die Nummerierung der Beobach-tung, der Tag der BeobachBeobach-tung, der Sozialraum, in der die Beobachtung stattfand, die ungefähre Dauer der Beobachtung, die gesamt Anzahl der beobachteten Jugendlichen, sowie die Anzahl der Jungen und Mädchen getrennt und das ungefähre Alter der Jugendlichen festgehalten wird. Des Weiteren besteht der Beobachtungsbogen aus den zu beobachtenden Kategorien. Diese sind die Inszenierungsmittel (Kleidung, Accessoire, Frisur, Körperschmuck, Make-up, Präsentation von nackter Haut), das Verhalten (Körpersprache, Stimmlage, Gestik, Mimik), die Interaktionen (Gesprächsstile, Gruppierungen, Hierarchien, etc.) und weitere Beobachtungen, die zusätzlich notiert werden. Im vierten Schritt ging es darum, den Beobachtungsort und die ProbandInnen auszuwählen. Wir wählten als unsere ProbandInnen und Stichprobe junge Erwachsene im Alter zwischen 12 und 20 Jahren aller Nationalitäten oder Milieus. Was den Ort der Forschung angeht, haben wir uns für alltägliche Situationen entschieden, das heißt, wir haben Beobachtungen im öffentlichen Raum (Parks, Plätze, Einkaufszentren, öffentliche Verkehrsmittel etc.) und Jugendzentren durchgeführt. Unser Bestreben war es, diese Umgebungen in allen vier Grazer Sozialräumen aufzusuchen.

Abbildung 2: Sozialräume Graz (Graz 2016, o.

S.)

133 Sozialraum eins besteht, wie die Grafik zeigt, aus den Bezirken Andritz, Mariatrost, Geidorf, Ries, Innere Stadt, St. Leonhard und Waltendorf; der zweite Sozialraum aus Jakomini, St. Peter und Liebenau; der dritte Sozialraum aus Gries, Puntigam, Straßgang und Wetzelsdorf. Der vierte Sozialraum besteht noch aus den Bezirken Eggenberg, Lend und Gösting. Wir haben in jedem der vier Sozialräume fünfund-zwanzig Beobachtungen durchgeführt, was insgesamt hundert beobachtete junge Erwachsene ausmacht und versucht, dabei ungefähr gleich viele Jungen wie Mädchen zu beobachten. Im fünften Schritt haben wir eine Vorbeobachtung in einem Jugendzentrum durchgeführt, um zu überprüfen, ob alle unsere bisherigen Vorbe-reitungen und geplanten Durchführungsmethoden funktionieren bzw. ob wir etwas Essentielles, um brauchbare Daten zu gewinnen, vergessen haben. Nach dieser Vorbeobachtung haben wir im sechsten Schritt begonnen, unsere Hauptbe-obachtungen durchzuführen und im Zuge dessen versucht, die vier Sozialräume so weitläufig wie möglich zu nutzen. Im letzten und siebten Schritt ging/geht es nun um die Verschriftlichung der erhobenen Daten. In Zuge dessen möchten wir die oben genannten fünf Hypothesen und unsere Forschungsfrage zu verifizieren oder zu falsifizieren bzw. zu beantworten.

Nach dieser Aufstellung des Forschungsvorhabens und -designs wird nun nachfolgend unsere Methode zur Erhebung von adäquaten Daten dargestellt und beschrieben.