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Selbstinszenierung von Mädchen und Jungen. Eine Untersuchung über Aneignungsweisen der Gender-Inszenierungen von jungen Erwachsenen.

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Academic year: 2022

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Selbstinszenierung von Mädchen und Jungen

Eine Untersuchung über Aneignungsweisen der Gender-Inszenierungen von jungen Erwachsenen

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts an der Fakultät für Umwelt-, Regional- und Bildungswissenschaften

der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von:

Eva SCHIRMETZ, Bakk. phil.

Magdalena Theresa TSCHMELAK, Bakk. phil.

am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft Begutachterin: Ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Regina Mikula

Graz, 2016

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2 Ehrenwörtliche Erklärung

Wir Eva Schirmetz, Bakk. phil. und Magdalena Tschmelak, Bakk. phil. erklären ehrenwörtlich, dass wir die vorliegende Masterarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst haben, nicht andere, als die angegebenen Quellen verwendet haben und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht haben.

Ort, Datum Eva Schirmetz Magdalena Tschmelak

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3 Kurzzusammenfassung

Das Anliegen dieser Masterarbeit ist es, auf das Thema der Gender-Inszenierung bei jungen Erwachsenen aufmerksam und den Menschen diese Thematik besser begreiflich zu machen. Gender und vor allem Lebensformen, die nicht dem traditionellen Bild entsprechen, rücken immer mehr in die Öffentlichkeit. Daher haben wir uns zum Ziel gesetzt, die Selbstinszenierung des Geschlechts und die Aneignungsweisen bzw. Ausdrucksformen der jungen Erwachsenen zu erforschen.

Um brauchbare Ergebnisse zu erlangen, werden Grazer ProbandInnen im Alter von 12 – 20 Jahren an öffentlichen Plätzen und Räumen aufgesucht und deren Insze- nierungen in nicht-teilnehmenden, strukturierten Beobachtungen festgehalten. Die Ergebnisse unserer Untersuchung zeigen auf, dass über die Inszenierung des Geschlechts im Jugendalter gesagt werden kann, dass sie immer noch in einem engen Zusammenhang mit traditionellen und stereotypischen Vorstellungen, die in unserer Gesellschaft verankert sind, stehen. Aufgrund dessen sollte die gender- sensible Pädagogik im Jugendalter sich noch mehr entwickeln und an Präsenz in der Gesellschaft gewinnen.

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4 Abstract

The aim of this paper is to draw attention to and to give people an understanding of the subject of gender self-staging of girls and boys. Gender and especially lifestyles which do not correspond to the traditional images of men and women are coming increasingly under public scrutiny. Therefore we have set the goal to explore gender self-staging and the related appropriation modes or expressions of young adults. In order to obtain useful results subjects from Graz aged between 12 – 20 years were observed in public places and spaces and the process of self-staging was documented by non-participating structured observations. The results of our analysis show that gender self-staging at a young age is closely related to traditional and stereotypical ideas that are anchored in our society. As a consequence the gender- sensitive education in adolescence should develop even more and gain more presence in the community.

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5 Danksagung

Mein persönlicher Dank geht an…

…unsere Betreuerin Ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Regina Mikula für die hilfreiche Begleitung und Unterstützung während der Entstehung dieser Arbeit.

…die Einrichtungen, die uns so freundlich unterstützt haben.

…meine Forschungspartnerin Eva Schirmetz, für die wunderbare Zusammenarbeit und die spannende Zeit an dieser Arbeit.

…Freunde, die mich immer wieder motiviert haben.

…meine Brüder, mein Cousin und Familie, die immer meine Felsen in der stürmischen Brandung sind und die ich unendlich liebe.

Vielen Dank!

Mein besonderer persönlicher Dank gilt…

…meinen Eltern!

Sie haben mir nicht nur das Studium ermöglicht und mich die gesamte Studienzeit über begleitet und unterstützt, wo sie nur konnten, sondern in erster Linie haben sie mir immer wieder den Mut und die Kraft gegeben weiterzumachen, nicht aufzugeben und das anzustreben, was ich erreichen möchte, auch wenn andere sagen, dass dies niemals zu schaffen ist. Sie haben mir immer wieder geholfen, die Tiefen meiner Vergangenheit zu überwinden und mir wunderbare Höhen geschenkt, sowie mich bei der erfolgreichen Erlangung der Matura, vielen persönlichen Fortschritten und nun dem Abschluss an der Universität unterstützt.

…von Herzen DANKE!

Magdalena Tschmelak

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6 Danksagung

Mein persönlicher Dank geht an…

...unsere Betreuerin Ao. Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Regina Mikula, für ihre hilfreiche Unterstützung. Durch kritisches Hinterfragen und konstruktive Kritik verhalf Sie uns zu unserer Arbeit.

…die Einrichtungen, die so hilfsbereit waren und uns unterstützt haben.

…meine Forschungspartnerin und Freundin Magdalena Tschmelak für die tolle Zusammenarbeit und tatkräftige Unterstützung.

…Herrn Tschmelak, welcher zahlreiche Stunden verbracht hat, um unsere Arbeit Korrektur zu lesen.

…meine FreundInnen, die mir immer zur Seite standen und mich immer wieder aufs Neue motivierten.

…meine Eltern und meine Schwestern, die mich in meinem gesamten Studium unterstützt haben und stets ein offenes Ohr für meine Sorgen hatten und manchmal auch mein Gefühlschaos ertragen mussten.

Vielen lieben Dank!

Eva Schirmetz

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7 Inhaltsverzeichnis

Vorwort ... 12

I. Einleitung (Eva Schirmetz & Magdalena Tschmelak) ... 13

II. Perspektivische Klärung von Gender (Eva Schirmetz & Magdalena Tschmelak) ... 17

1. Der Blickwinkel – Geschlecht aus verschiedenen Perspektiven (Eva Schirmetz) 17 1.1. Gender in der Erziehungswissenschaft ... 17

1.2. Geschlecht als biologische Determination ... 19

1.3. Geschlecht aus psychologischer Sicht ... 22

1.4. Geschlecht als sozial-gesellschaftliche Konstruktion ... 25

1.5. Sex & Gender – Der Unterschied ... 30

2. Theoretische Diskurse zu Konstruktivismus und Dekonstruktivismus (Magdalena Tschmelak) ... 33

2.1. Konstruktivismus ... 34

2.2. Radikaler Konstruktivismus ... 38

2.3. Ethnomethodologischer Konstruktivismus ... 41

2.4. Sozialer Konstruktivismus und die Perspektive des Doing gender ... 42

2.5. Pädagogischer Konstruktivismus ... 52

2.6. Dekonstruktivismus ... 55

2.7. Dekonstruktion der Ontologie der Geschlechter ... 57

2.8. Das kulturelle System der Zweigeschlechtlichkeit ... 60

2.9. Männlich-weiblich-menschlich – Die Vielfalt ... 68

2.9.1. Vielfalt – ergebnisoffen ... 68

2.9.2. Das Konzept der Androgynie ... 71

2.9.2.1. Anfänge und Visionen ... 72

2.9.2.2. Auswirkungen des Androgynie-Konzepts ... 74

(8)

8

2.9.2.3. Kritik ... 76

2.9.2.4. Ausblick ... 77

3. Entwicklung zur Geschlechtsidentität (Eva Schirmetz) ... 78

3.1. Identitätsbegriff ... 78

3.2. Theorien der Geschlechterrollenentwicklung... 80

3.2.1. Die psychoanalytische Theorie ... 80

3.2.2. Die soziale Lerntheorie ... 81

3.2.3. Kognitive Entwicklungstheorie... 82

3.2.4. Theorie des Geschlechtsschemas ... 83

3.3. Identitätsentwicklung von jungen Erwachsenen ... 84

3.3.1. Psychoanalytisches Entwicklungsmodell von Sigmund Freud ... 84

3.3.2. Entwicklungsmodell von Erik Erikson ... 86

3.3.3. Entwicklungsaufgaben nach Robert J. Havighurst ... 89

3.3.3.1. Charakteristika der Entwicklungsaufgaben ... 89

3.3.3.2. Entwicklungsaufgaben im Überblick ... 91

3.3.4. Zusammenfassung der Entwicklungsmodelle ... 93

3.4. Identität durch Sozialisation, Erziehung und Bildung ... 94

3.4.1. Primäre Sozialisation ... 96

3.4.1.1. Familie und Erziehung als Sozialisationsinstanz ... 96

3.4.1.2. Selbstsozialisation ... 101

3.4.1.3. Imitation und Identifikation mit Modellen ... 101

3.4.2. Sekundäre Sozialisation ... 103

3.4.2.1. Schule und Bildung – als Sozialisationsinstanz ... 104

3.4.2.2. Peer-group als Sozialisationsinstanz ... 106

3.4.2.3. Medien als Sozialisationsinstanz ... 108

3.4.3. Tertiäre Sozialisation ... 110

4. Kultur und Macht – Geschlechterverhältnisse (Magdalena Tschmelak) ... 111

5. Theorien und Probleme der Inszenierung (Magdalena Tschmelak) ... 117

(9)

9

5.1. Performanz und die Körperinszenierung ... 118

5.2. Gender-Inszenierung und ihre Hilfsmittel ... 121

5.3. Probleme und Kritik von Inszenierung ... 124

III. Empirische Untersuchung – Strategien der Inszenierung von Gender im Alltag (Eva Schirmetz & Magdalena Tschmelak) ... 127

1. Forschungsfrage, -vorhaben und -design (Magdalena Tschmelak) ... 128

2. Methoden und Durchführung der Analyse (Eva Schirmetz) ... 133

2.1. Methode der Beobachtung ... 133

2.2. Qualitative Inhaltsanalyse ... 138

2.3. Forschungsablauf ... 140

3. Gender-Inszenierung – Darstellung der Rohdaten (Eva Schirmetz & Magdalena Tschmelak) ... 141

3.1. Beobachtungen im Sozialraum 1 ... 142

3.1.1. Beobachtungsbogen A ... 143

3.1.2. Beobachtungsbogen B ... 148

3.1.3. Beobachtungsbogen C ... 153

3.1.4. Beobachtungsbogen D ... 156

3.1.5. Zusammenfassung ... 161

3.2. Beobachtungen im Sozialraum 2 ... 167

3.2.1. Beobachtungsbogen A ... 167

3.2.2. Beobachtungsbogen B ... 171

3.2.3. Beobachtungsbogen C ... 175

3.2.4. Beobachtungsbogen D ... 179

3.2.5. Beobachtungsbogen E ... 183

3.2.6. Zusammenfassung ... 189

3.3. Beobachtungen im Sozialraum 3 ... 194

3.3.1. Beobachtungsbogen A ... 194

(10)

10

3.3.2. Beobachtungsbogen B ... 198

3.3.3. Beobachtungsbogen C ... 201

3.3.4. Beobachtungsbogen D ... 206

3.3.5. Beobachtungsbogen E ... 209

3.3.6. Zusammenfassung ... 215

3.4. Beobachtungen im Sozialraum 4 ... 220

3.4.1. Beobachtungsbogen A ... 221

3.4.2. Beobachtungsbogen B ... 225

3.4.3. Zusammenfassung ... 233

4. Interpretation und Erläuterung (Eva Schirmetz & Magdalena Tschmelak) ... 239

4.1. Analyse der Aneignungsformen ... 239

4.1.1. Inszenierungsmittel zur Gender-Darstellung ... 240

4.1.1.1. Kleidung ... 240

4.1.1.2. Accessoires ... 245

4.1.1.3. Frisur ... 248

4.1.1.4. Make-up ... 251

4.1.1.5. Körperschmuck ... 253

4.1.2. Verhalten zur Gender-Darstellung ... 254

4.1.2.1. Körpersprache/Körperhaltung ... 255

4.1.2.2. Stimmlage ... 257

4.1.2.3. Gestik ... 258

4.1.2.4. Mimik ... 261

4.1.3. Interaktionen zur Gender-Darstellung ... 262

4.2. Notizen des Alltags – Szenen der Genderinszenierung ... 265

4.2.1. Ereignis 1 ... 266

4.2.2. Ereignis 2 ... 268

4.2.3. Ereignis 3 ... 270

4.2.4. Ereignis 4 ... 273

(11)

11

4.2.5. Fazit ... 275

4.3. Diskussion und Verifizierung der Forschungsfrage und Hypothesen ... 275

IV Resümee (Eva Schirmetz & Magdalena Tschmelak) ... 282

Literaturverzeichnis... 285

Abbildungs-/Tabellenverzeichnis ... 295

Anhang ... 300

(12)

12 Vorwort

Mit der vorliegenden Arbeit wollen wir zeigen, dass „Geschlecht“ kein einfacher genau definierter Begriff ist. In der heutigen Gesellschaft ist die Vorstellung der Zweigeschlechtlichkeit, Mann und Frau, mit all ihren Zuschreibungen immer noch vorherrschend und stark in unserer Sozialisation und so in unserem Verhalten verankert. Wir möchten mit dieser Arbeit genauer hinschauen und eintauchen in die verschiedenen Perspektiven und Diskurse über „Geschlecht bzw. Gender“ und dabei herausstreichen, dass Geschlecht, Gender oder Mann/Frau-Sein nicht nur aus einem Blickwinkel gesehen werden kann. Wir selbst haben in unseren Jugendjahren und auch heute noch immer wieder mit den typisch gesellschaftlichen Vorstellungen von Weiblich-Sein zu kämpfen, um ihnen zu entsprechen und gleichzeitig eigene Individuen und Persönlichkeiten sein. Daher versuchen wir mit dieser Arbeit durch die Betrachtung von theoretischen Abhandlungen und jungen Erwachsenen be- züglich ihrer Gender-Inszenierungen im Alltag aufzuzeigen, dass es heute mehr als nur ein Vorbild gibt, um das eigene Geschlecht darzustellen und mit starker Persönlichkeit zu vertreten.

Eva Schirmetz & Magdalena Tschmelak

(13)

13

I. Einleitung

(Eva Schirmetz & Magdalena Tschmelak)

„Brauchen wir wirklich ein wahres Geschlecht? Mit einer an Halsstarrigkeit grenzenden Beharrlichkeit haben die modernen Gesellschaften des Westens diese Frage mit Ja beantwortet“ (Foucault 1980, S. 58).

Die Frage „Junge/Mädchen“, „männlich/weiblich“ wird in der Welt der Wissenschaft schon seit Jahren gestellt und aus den diversen Perspektiven verschiedenster Disziplinen betrachtet. Seit der Antike entwickelte sich eine Ablehnung gegen die Vorstellung von mehr als einem Geschlecht, sowie einer Wahlmöglichkeit der Individuen über ihr eigenes Geschlecht. Der Ursprung dieses Denkens liegt in den Entwicklungen im Besonderen seit dem 17. Jahrhundert im Bereich der Medizin und der gesellschaftlichen Macht- und Kontrollverhältnissen. Die Aufgabe der Bestim- mung des Geschlechts lag nun in der Verantwortung von Spezialisten und die Gesellschaft erhält die Aufgabe, die Einhaltung dieser Zuschreibung vom Individuum einzufordern (vgl. Foucault 1980, S. 59f.). Historisch gesehen hielten sich und domi- nierten die Ansichten, was „typisch männlich“ und „typisch weiblich“ ist, die soge- nannten Stereotypen, lange Perioden in unserer gesellschaftlichen Entwicklung und auch heute sind diese in unserer „modernen“ Gesellschaft noch stark im Verhalten und Denken der Menschen verankert. Jedoch versuchen die Menschen heute mehr, sich eine individuelle Persönlichkeit zuzulegen und zu entwickeln, ohne sich dabei von gesellschaftlich vorgegebenen Vorstellungen und Ansichten beeinflussen zu lassen. Es handelt sich dabei um eine Entwicklung zum Individuum bei der gesell- schaftlich gesetzte Rahmenbedingungen nicht mehr der ausschlag-gebende Punkt sind, an denen sich die jungen Menschen orientieren (vgl. Reiss 2003, S. 16f.). Jeder Einzelne kann heute selbst über sein Geschlecht entscheiden, auch wenn es nicht sein biologisches ist, allerdings bringt diese Entscheidung auch Probleme, Unge- rechtigkeiten, Schwierigkeiten und mögliche Ausgrenzungen von außen mit sich (vgl.

Foucault 1980, S. 60). Die pädagogische Auseinandersetzung mit dem Thema

„Geschlecht“ und die dazu durchgeführten Forschungen haben in der heutigen erziehungswissenschaftlichen Arbeit und Forschung bereits eine lange Tradition. Die Schwierigkeit hier ist nur, der Thematik die ihr zustehende Aufmerk-samkeit zu verschaffen. Die Thematisierung findet zuweilen eher am Rande der pädagogischen und erziehungswissenschaftlichen Aufmerksamkeit statt (vgl. Klinger 2014, S. 32).

Um diesen Entwicklungen und dem Wandel in der Gesellschaft, was die Thematik

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14 der Geschlechterkategorisierungen betrifft, Herr zu werden und anerkannte Veränderungen zu erreichen, ist es nötig, diese Thematik ernsthaft und ganzheitlich ins Zentrum der Betrachtungen zu stellen, wo wir Sabine Klinger (2014) durchaus zustimmen. Allerdings gehört dazu auch, sich den Bereich der Geschlechtsidentität genauer anzusehen und sich der schon von Judith Butler (1991, 2014) auf- geworfenen Frage: „Was geschieht mit dem Subjekt und der Stabilität der Geschlechter-Kategorien (gender categories), wenn sich herausstellt, dass diese scheinbar ontologischen Kategorien durch das epistemische Regime der vermeint- lichen Heterosexualität hervorgebracht und verdinglicht werden?“ (Butler 2014, S. 8) zu stellen.

In dieser Arbeit soll die „Krise der Adoleszenz“, die Thematik der Geschlechter- inszenierung im Jugendalter untersucht werden. Die Problematik und Relevanz dieses Themas liegt darin, bei der Thematik Geschlecht nicht nur von den gesellschaftlich vorherrschenden und anerkannten Kategorisierungen auszugehen, sondern sich auch die individuellen Umsetzungen im Alltag anzusehen sowie in dieser Arbeit im Speziellen den Druck auf die jungen Erwachsenen den Kate- gorisierungen zu entsprechen und gleichzeitig individuell aufzutreten. Durch die Identität, die junge Erwachsene bilden bzw. entwickeln, wird in unserer Gesellschaft festgelegt, welchen Platz er/sie in der Gesellschaft einnehmen wird und gleichzeitig ist dieser dann verbunden mit Verpflichtungen und bestimmten Verhaltensweisen, die von und innerhalb der Gesellschaft erwartet werden. Für den jungen Erwachsenen geht es eben darum, welche Rolle und welchen Stand er/sie in Zukunft in der Gesellschaft darstellen wird (vgl. Lahmer 2005, S. 184). Aufgrund dessen wird über die sogenannte Geschlechteridentität diskutiert, da junge Erwachsene heute mehr als nur ein Vorbild haben, an denen sie sich auch in der Geschlechterfrage orien- tieren können. Junge Erwachsene werden zunehmend über verschiedenste Bereiche wie Mode, Körperkult, Sprache und materiellem Besitz bzw. einer extrem extrover- tierten und technologisch verbundenen und offenen Gesellschaft gefordert, sich neu zu inszenieren (vgl. Gaugele/Reiss 2003, S. 9). Die anhaltenden traditionellen Bilder und die heutzutage stetig wachsende gleichzeitige Fülle an Auswahlmöglichkeiten der Inszenierung des Selbst führen bei den jungen Erwachsenen zu zunehmender Verwirrung und einem gewissen Grad an Überforderung (vgl. Lahmer 2005, S. 184).

Diese Arbeit gibt einen Einblick in die verschiedenen Perspektiven von „Geschlecht“

und theoretischen Diskursen über die Geschlechterdebatten hinsichtlich der Katego-

(15)

15 risierungen. Dementsprechend interessiert uns im Besonderen die Frage nach Aneignungsweisen oder Verhaltens- bzw. Ausdrucksformen von jungen Erwach- senen, um ihr Geschlecht im Alltag zu inszenieren. In dieser Arbeit wird außerdem mit Hilfe einer nicht-teilnehmenden halbverdeckten strukturierten Beobachtung betrachtet, wie junge Erwachsene sich heute in der sogenannten Vielfalt der Geschlechtsidentitäten zurechtfinden, sich Wege und Möglichkeiten schaffen, um ihre Vorstellung von ihrem Geschlecht darzustellen. Es geht uns dabei nicht nur darum, einzelne Ausdrucksformen aufzuzeigen, sondern auch zu demonstrieren, dass die Geschlechtsidentitätsfindung für junge Erwachsene auch heute noch sehr stark von gesellschaftlichen Normen durch unsere Sozialisation von klein auf geprägt wird und nicht ohne sie stattfinden kann. Wie Elke Gaugele und Kristina Reiss (2003) gehen auch wir davon aus, dass heutzutage Individualität unter jungen Heran- wachsenden immer noch „das zentrale geschlechterübergreifende Handlungs-, Ästhetisierungs- und Deutungsmuster“ ist (Gaugele/Reiss 2003, S. 10). Es bedeutet, dass junge Erwachsene heute versuchen, ihre Individualität dadurch darzustellen, indem sie auf Verhaltens- und Darstellungsmuster zugreifen, die geschlechter- übergreifend sind, denn dadurch, dass sie sowohl „typisch Mann“ als auch „typisch Frau“ nutzen, entsteht ein einzigartiger Mix. Diesen Vorgang und dessen Folgen werden wir in unserer theoretischen und empirischen Arbeit zu erläutern versuchen.

Diese Arbeit besteht aus Theorie und Empirie, die in vier große Bereiche geteilt die Thematik ganzheitlich betrachtet. Der erste Teil gliedert sich in fünf große Kapitel und mehreren Unterkapiteln, in denen Basisbegrifflichkeiten erörtert werden. Ebenso wollen wir in diesem ersten Teil aufzeigen, von welchen Definitionen und Überle- gungen wir ausgehen und auf welchen Theorien und Ansichten sich diese Arbeit aufbaut. Des Weiteren soll dann ein Überblick über theoriebezogene Diskurse der Geschlechterdebatte, der Geschlechtsidentitätsfindung, der Macht der Geschlechter- rollen in unserer Gesellschaft und die daraus resultierenden Probleme und Schwierigkeiten für junge Erwachsene bei ihrer Geschlechtsidentitätsfindung gege- ben werden. Beim zweiten, dem empirischen Teil, soll speziell auf die gewählten Ausdrucksformen der jungen Erwachsenen ihr Geschlecht zu inszenieren, durch eine durchgeführte nicht-teilnehmende halbverdeckte strukturierte Beobachtung und an- schließende Interpretation der Daten eingegangen werden. Dieser zweite Teil besteht aus vier großen Kapiteln, in denen das Forschungsvorhaben und -design, die Methode und Durchführung, sowie die Ergebnisdarstellung und deren Analyse

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16 thematisiert werden. Der dritte Teil beinhaltet ein Kapitel, das ein kurzes Resümee der gesamten Arbeit darstellt, mit Gedanken zu den Ergebnissen der Forschungs- arbeit und abschließenden Überlegungen, auf Basis unserer Recherchen und unserer Forschungsarbeit, über offen gebliebene Fragen.

(17)

17

II. Perspektivische Klärung von Gender

(Eva Schirmetz & Magdalena Tschmelak)

In diesem ersten Teil geht es uns darum, Begriffe, Perspektiven und Konzepte vorzustellen, die bei der Inszenierung von Gender eine große Rolle spielen. Diese sind die diversen Perspektiven von Geschlecht/Gender, theoretische Diskurse zu Konstruktivismus und Dekonstruktivismus, die Entwicklung von Identität, die Macht der Geschlechterverhältnisse und die Probleme bei der Inszenierung. Es soll ein Basiswissen erläutert werden, damit die erhobenen Daten über Gender- Inszenierungen von jungen Erwachsenen und im Besonderen unsere interpretativen Gedanken dazu besser nachvollzogen werden können. Daher beginnen wir zunächst nachfolgend die verschiedenen, für diese Arbeit wichtigen Perspektiven von Geschlecht/Gender darzustellen.

1. Der Blickwinkel – Geschlecht aus verschiedenen Perspektiven

(Eva Schirmetz)

Die Thematik Geschlecht kann man aus vielen verschiedenen Perspektiven beleuchten. Während die Medizin/Biologie den Menschen und dessen Körper mit seinen Funktionen und Fehlfunktionen vor Augen hat, sucht die Psychologie nach Gesetzmäßigkeiten des Erlebens und Verhaltens. Die Soziologie hingegen be- schäftigt sich weniger mit dem Individuum selbst, sondern mehr mit dem Zusammenleben von Menschen und den Interaktionen zwischen den Menschen.

Ganzheitlich gesehen ist der Gegenstand Geschlecht derselbe – Frau, Mann, Junge, Mädchen – doch jede Disziplin hat eine andere Sichtweise oder einen anderen Blick- winkel auf das Thema Geschlecht (vgl. Rendtorff 2006, S. 82). Daher wird folgend auf Gender in der Erziehungswissenschaft, sowie das biologische, das psycho- logische, das soziale Geschlecht und den Unterschied zwischen sex und gender eingegangen.

1.1. Gender in der Erziehungswissenschaft

Wenn zu Beginn von der Frage ausgegangen wird, was Erziehungswissenschaft mit Geschlecht zu tun hat, so stößt man auf unterschiedliche Ebenen. Die Gender-

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18 thematik stand nie im Mittelpunkt des Interesses der Erziehungswissenschaft, vielmehr ist sie bis heute der Frauen- und Geschlechterforschung überlassen (vgl.

Rendtorff 2005, S. 19ff.). Der Aspekt „Gender“ wird in der Erziehungswissenschaft bis heute nur sehr zögerlich behandelt. Jahrhundertelang wurde von einer Gewiss- heit bezüglich des Frau- und Mann-Seins ausgegangen. Aufgrund der fortschrei- tenden Wissenschaft und auch der Politik verlor die Gewissheit über das Frau- und Mann-Sein seine Überzeugungskraft. Der biologische Unterschied von Frau und Mann wurde nicht mehr als „Marker“, sondern als „Ursache“ der Unterscheidung gesehen. In weiterer Folge wuchs der Druck, auf die Positionen von Frauen und Männern in der Gesellschaft, stetig an (vgl. Rendtorff/Moser 1999, S. 11f.). „Auf eine Phase der ‚Gewissheit‘ über die Unterschiedlichkeit von Mann und Frau folgt also eine des wachsenden Begründungsdrucks, der die wechselseitigen Argumente prägt und schärft“ (Rendtorff/Moser 1999, S. 12). Es entwickelt sich allerdings auch eine dritte Phase, die vonseiten der Reformpädagogik, die Frage nach dem Geschlechter- verhältnis ausblendet oder als überwunden erklärt. Durch den Einfluss der Frauenbewegung und Frauenforschung wurde diese dritte Phase intensiver mitein- bezogen und der Geschlechtergedanke wurde genauer überprüft. Gerade hier wurde die Erziehungswissenschaft das letzte Mal mit der Geschlechterproblematik konfron- tiert. Diese Problematik wurde nicht erziehungswissenschaftlich aufgenommen und thematisch-systemisch untersucht, sondern an die pädagogischen Handlungsfelder weitergegeben. Die Erziehungswissenschaft stellte sich der Problematik nur in sehr geringem Ausmaß. Die Gender-Debatte wurde daher fast ausschließlich von engagierten Frauen, Lehrerinnen und Pädagoginnen in der Zweiten Frauenbewe- gung geführt (vgl. Rendtorff/Moser 1999, S. 13). „Es zeigt sich also, dass das Grundthema der Frauen- und Geschlechterforschung in der Erziehungswissenschaft keinesfalls den Charakter eines Gruppeninteresses oder einer Betroffenheitsliteratur hat, (…)“ (Rendtorff 2005, S. 23). Die Geschlechterthematik wurde fast aus- schließlich von Autorinnen thematisiert, diskutiert und nur wenig allgemein rezipiert.

Beiträge von Männern konzentrierten sich meist nur auf Kritik zu diesem Thema (vgl.

Rendtorff/Moser 1999, S. 14f.). Die Erziehungswissenschaft und auch andere Diszi- plinen zeigen kaum Interesse und sogar Spott und Abwehr gegenüber der Genderthematik. Dieser Haltung liegt die Sicht zugrunde, dass der Frauen- und Geschlechterforschung eine Vermischung von wissenschaftlichen Fragen mit Partialinteresse vorgeworfen wird. Diese Vermutungen machen der Frauen- und

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19 Geschlechterforschung in vielerlei Hinsicht zu schaffen (vgl. Rendtorff 2005, S. 31f.).

Daher wird in den nachfolgenden Kapiteln auf solche Aspekte eingegangen, die eine Herausforderung für die Erziehungswissenschaft darstellen. Die Geschlechterproble- matik kann nicht nur innerhalb eines Fachbereiches betrachtet werden. Ein weiteres Problem für die Erziehungswissenschaft ist der Umstand, dass die Frauen- und Geschlechterforschung bzw. die Geschlechterverhältnisse sehr komplexe gesell- schaftliche Phänomene sind (vgl. ebd. 2005, S. 29). Die Geschlechterforschung muss sich mit Theorien aus den unterschiedlichsten Bereichen, wie der Biologie, Psychologie und Soziologie auseinandersetzten, die folgend beschrieben werden.

1.2. Geschlecht als biologische Determination

Die Biologie ist einer der größten Bereiche in der Thematik Geschlecht. In der Gesellschaft werden Frauen und Männer immer auf der Basis von biologischen, natürlichen Gesetzmäßigkeiten entweder als Frau oder Mann festgeschrieben. Wir Menschen gehen nämlich davon aus, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Doch die Geschlechterfrage ist viel komplizierter als angenommen wird. Denn wenn man männliche und weibliche Individuen aufgrund von sozialen Rollen definiert, stellt man fest, dass es keine klare Dichotomie gibt. Individuen können nämlich auch zwischen typisch männlich und typisch weiblich liegen. Im Sozialverhalten zeigen diese Individuen eine Mischung aus maskulinen und femininen Merkmalen. Wird nach dieser Auffassung vorgegangen, kann „Frau“ und „Mann“ nur als Endpunkt eines Kontinuums gesehen werden und nicht als getrennt. Biologisch gesehen stellt Geschlecht jedoch eine klare Dichotomie dar – Frauen besitzen Ovarien und produ- zieren Eizellen und Männer besitzen Hoden und produzieren Sperma. Dies zeigt auf, dass Frauen und Männer bestimmte biologische, anatomische Unterschiede aufweisen (vgl. Lautenbacher/Güntürkün/Hausmann 2007, S. 20). Das biologische oder anatomische Geschlecht wird auch als „sex“ bezeichnet, welches bei der Geburt festgestellt oder zugewiesen wird. Sobald die Geschlechterzuweisung abge- schlossen ist, wird klar, dass sich die beiden Geschlechter in vielen Hinsichten unterscheiden (vgl. Queer Lexikon 2014, o. S.).

In der Biologie werden vier Kategorien der biologischen Geschlechterdifferenzierung unterschieden, das chromosomale, gonadale, hormonale und morphologische Ge- schlecht. In jeder dieser Kategorien werden wir Menschen als weiblich oder männlich

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20 eingestuft. Der Mensch besitzt 23 Chromosomenpaare, 22 davon bestehen aus gleichen Chromosomen. Das 23. Chromosomenpaar wird als Gonosom also als Geschlechtschromosom bezeichnet. Das chromosomale Geschlecht hängt also davon ab, ob die Gonosomen aus zwei X-Chromosomen (Frau) oder aus je einem X- und einem Y-Chromosom (Mann) besteht. Es kann aber auch zu Abweichungen vom normalen Gonosomensatz kommen, die zu körperlichen Störungen führen können (vgl. Christiansen 1995, S. 17f.). Das gonadale Geschlecht beim Menschen bezieht sich auf die Ausbildung der Keimdrüsen (Gonaden). In der frühesten Entwicklungs- phase wird bei beiden Geschlechtern die gleiche embryonale Anlage für die Geschlechtsorgane gebildet. Erst im Laufe der Entwicklung wird festgestellt, ob diese in die weibliche oder männliche Richtung führt. Beim Menschen besteht die Tendenz zur Entwicklung eines weiblichen Individuums. Für die Entwicklung eines männlichen Individuums müssen zwei Genprodukte hinzukommen, sodass eine Abwandlung stattfindet. Das erste Genprodukt wird TDF (Tesis-determinierender Faktor) genannt.

Dieser Faktor bewirkt eine Umwandlung der sich ansonsten entwickelnden Eier- stöcke in die männliche Richtung. Die Entscheidung zwischen Eierstock und Hoden fällt in der siebten Schwangerschaftswoche. Zweites Genprodukt sind zwei Stoffe, die die männliche Entwicklungsrichtung des gesamten übrigen Körpers veranlassen.

Der Oviduktrepressor unterdrückt die Entwicklung der Müllerschen Gänge zu Eileitern und Gebärmutter und der andere Stoff, Testosteron, verursacht die Differen- zierung der Wolffschen Gänge zu Nebenhoden und Samenleitern. Das Testosteron bewirkt außerdem die Ausprägung der äußeren primären und sekundären Ge- schlechtsmerkmale. Die Wirksamkeit des Testosterons wird von dem zweiten Gen, das sich auf dem X-Chromosom befindet, gesteuert (vgl. Christiansen 1995, S. 18ff.).

Das hormonale Geschlecht hängt von den Geschlechtshormonen ab. Es gibt drei Arten von Hormonen: Östrogene, Gestagene und Androgene. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern kommen diese Hormone im Blut vor, allerdings in unterschied- lichen Konzentrationen. Daher stammen auch die Klassifikationen in weibliche und männliche Geschlechtshormone. Bei Frauen liegt der Wert von Progesteron höher als der von Männern (0 – 12,6 zu 0,05 – 0,22 Nanogramm/Liter). Der Wert von Tes- tosteron liegt bei den Männern höher als bei Frauen (2,1 – 10,9 zu 0,08 – 0,8 Nano- gramm/Milliliter). Daher kann Progesteron als weibliches und Testosteron als männliches Hormon gesehen werden (vgl. Christiansen 1995, S. 21). Die vierte Variable der biologischen Geschlechterunterschiede bezieht sich auf das morpho-

(21)

21 logische Geschlecht. Während die vorigen Geschlechterunterschiede uns nicht direkt auffallen oder augenscheinlich sind, werden die morphologischen Unterschiede in der Erscheinung von Mann und Frau wahrgenommen. Erst durch das gesamte äußere Bild eines Menschen, also durch viele morphologische Merkmale, können wir sagen, ob der jeweilige Mensch eine Frau oder ein Mann ist. In manchen Fällen kann es auch vorkommen, dass das Geschlecht nicht genau definiert werden kann (vgl.

Christiansen 1995, S. 22). Das morphologische Geschlecht bezieht sich also auf die inneren und äußeren Geschlechtsmerkmale – die durch die fetale Hormonaus- schüttung bestimmt werden – sowie auf den Körperbau, die Muskel- und Fettver- brennung usw. (vgl. Kolip 1997, S. 65). Besonders auffällig sind die äußeren Geschlechtsmerkmale, die Buben bzw. Männer haben einen Penis und Hoden, während Mädchen bzw. Frauen eine Vagina haben. Im Zuge der Geschlechtsreife erkennt man das Geschlecht auch an der flachen Brust des Mannes und an der weiblichen Brust der Frau (vgl. Lautenbacher et al. 2007, S. 21). In der anfänglichen Entwicklungsphase der Mädchen und Buben sind die Mädchen den Buben in der Entwicklung voraus. Obwohl Mädchen meist kleiner und leichter als gleichaltrige Buben sind, lässt dies aber auf keinen Entwicklungsrückstand schließen. Trotz kleinerer Körpermaße sind Mädchen in der Säuglings- und Kleinkindphase weiter entwickelt als die Buben. Auch die Pubertät setzt bei den Mädchen früher ein. Bei den Buben dauert der Wachstumsschub aber länger an und ist intensiver als der der Mädchen, was im Erwachsenenalter zu Geschlechterunterschieden im Körperbau führt (vgl. Christiansen 1995, S. 22f.).

Abgesehen von diesen Merkmalen gibt es noch viele andere Differenzen, die männliche Individuen von weiblichen Individuen biologisch unterscheiden. Doch sind diese weiteren Unterschiede, wie Körperbau, Körpergröße, Haarwuchs oder Muskel- masse bzw. Fettverbrennung sehr unterschiedlich ausgeprägt. Diese Unterschiede sind meist klein und nicht dichotom. Man kann das Geschlecht daher nicht anhand der Körpergröße feststellen, da es Frauen gibt, die größer sind als manche Männer.

Es gibt also viele Ursachen, warum sich Frauen und Männer in Körperbau, Verhalten und anderen Merkmalen unterscheiden, zurückzuführen ist dies auf die Evolution.

Denn Unterschiede entwickeln sich, wenn sie für beide Geschlechter einen Nutzen bzw. Vorteil bringen (vgl. Lautenbacher et al. 2007, S. 21f.). Wie vorher schon erwähnt, weisen wir Menschen, egal ob Frau oder Mann biologische Unterschiede auf. Frauen und Männer haben unterschiedliche innere und äußere Genitalien, einen

(22)

22 unterschiedlichen Körperbau, unterschiedliche Hormonwirkungen usw. Diese Geschlechterunterschiede können auf die unterschiedliche Wirkung und Ausprägung der beiden Chromosomen X und Y zurückgeführt werden. Unser biologisches Geschlecht spielt also eine wichtige Rolle im Leben eines Menschen (vgl. Blank- Mathieu 1999, o. S.).

„Geschlechterunterschiede haben sich entwickelt, weil männliche und weibliche Lebewesen bei der Fortpflanzung und im dazugehörigen Sozialverhalten unterschiedliche Rollen einnehmen und daher unterschiedliche Gehirnstruk- turen benötigen, um ihre jeweiligen Rollen zu spielen. Wahrscheinlich gibt es aber auch einige Geschlechtsunterschiede, die keine funktionellen Vorteile bieten, sondern lediglich Nebenwirkungen anderer Geschlechtsunterschiede darstellen, die aufgrund ihrer Vorteile selektiert wurden“ (Lautenbacher et al.

2007, S. 37).

Im Großen und Ganzen kann gesagt werden, dass Frauen und Männer in ihrer spezi- ellen Biologie zu trennen sind und unterschiedliche Merkmale aufweisen. Diese biologischen naturgegebenen Gesetzmäßigkeiten bestimmen allerdings nicht, wie Mann oder Frau sein/ihr soziales Leben gestaltet. Die Merkmale, die heute im Alltag verwendet werden, um Mann und Frau zu unterscheiden, kommen aus anderen Bereichen. Weitere Trennungsgründe der Geschlechter entstehen aus dem emo- tionalen Teil des Menschen. Denn durch die Wahrnehmung der Menschen können Probleme und Ungerechtigkeiten im Bereich Geschlecht entstehen.

1.3. Geschlecht aus psychologischer Sicht

Während sich die Biologie mit den körperlichen Gegebenheiten der Geschlechterfrage beschäftigt, widmet sich die Psychologie den psychischen und emotionalen Unterschieden der Geschlechter. Der Begriff Psychologie stammt aus dem Griechischen und leitet sich aus dem Wort „psyche“ ab, was so viel wie „Seele“

bedeutet. Psychologie bedeutet also die Lehre von seelisch-geistigen Erschei- nungen. Dieser Begriff ist allerdings sehr abstrakt und kann nicht genau erklärt werden, daher gibt es heute eine andere geläufigere Definition. Aus heutiger Sicht wird Psychologie als die Lehre vom menschlichen Erleben und Verhalten definiert (vgl. Konecny 1985, S. 5ff.).

In unserer Kultur ist es sehr wichtig und auch identitätsrelevant, sich einem Geschlecht zugehörig zu fühlen. Daher hat sich der Begriff der Geschlechteridentität

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23 weitgehend verbreitet. Karl Lenz und Marina Adler (2010) definierten Geschlechter- identität wie folgt: „Unter Geschlechteridentität wird das kulturell konstruierte Selbst- und Fremdbild als Frau oder Mann verstanden, das vom Individuum durch ständige affirmative oder ablehnende Akte dargestellt wird und dabei die gesellschaftlichen Männlichkeits- und Weiblichkeitsmuster aufrechterhält“ (Lenz/Adler 2010, S. 24).

Diese Aufrechterhaltung führt wiederum dazu, dass wir Menschen eine innerliche Überzeugung haben, nur einem Geschlecht angehören zu können. Denn schon bei der Geburt ist die Feststellung des Geschlechts die erste Aussage über einen Menschen, die getroffen wird. Das Geschlecht ist daher eine wesentliche Kategorie für die eigene Identität eines Menschen (vgl. Lenz/Adler 2010, S. 24). Im Ent- wicklungsprozess von Kindern ist die Übernahme der Geschlechteridentität ein fester Bestandteil. Elternteile und andere Bezugspersonen spielen hier eine wesentliche Rolle im Leben der Kinder, denn die Identifikation mit dem eigenen Geschlecht erfolgt über die Vorbildwirkung des gleichgeschlechtlichen Elternteils (vgl. Lenz/Adler 2010, S. 24; Rossmann 2010, S. 106). Beim psychologischen Geschlecht ist auch zwischen Geschlechtsidentität (sex-identity/gender-identity) und Geschlechter- rollenidentität (gender role identity) zu unterscheiden. Laut Dorothee Alfermann (1996) wird Geschlechtsidentität als „die Entwicklung einer stabilen Geschlechts- identität als männliche bzw. weibliche, die einen notwendigen Bestandteil der Entwicklung darstellt“ (Alfermann 1996, S. 57), definiert. Diese Identität wird bei der Geburt dem biologischen Geschlecht zugeschrieben. Im Entwicklungsprozess eines Menschen wird etwa im fünften, eventuell auch im sechsten Lebensjahr die innerliche und emotionale Übernahme der eigenen Geschlechtsidentität unveränderlich und konstant. Egal ob Junge oder Mädchen, sie müssen erkennen, wahrnehmen können, ob sie Junge oder Mädchen sind und müssen diese männlichen bzw. weiblichen Geschlechter beibehalten. Dies gilt auch für die Wahrnehmung des Geschlechts bei anderen Personen. Dies gelingt Kindern im Alter von 2 – 3 Jahren, wobei festzu- halten ist, dass dies auch zu einem früheren Zeitpunkt feststellbar ist (vgl. Alfermann 1996, S. 57). Das psychologische Geschlecht bezieht sich auf geschlechts- spezifische Eigenschaften und Verhaltensweisen von Frauen und Männern. Typisch weibliche und typisch männliche Verhaltensweisen etc. werden durch die Kultur und die Gesellschaft geformt, in der die Personen leben. Der Begriff Geschlechtsidentität bedeutet, dass die Individuen sich des eigenen Geschlechts bewusst sind und es als solches akzeptieren und emotional verinnerlichen (vgl. Zimbardo 1992, S. 78). Hier

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24 gibt es auch Abweichungen, wie beispielsweise bei Transsexuellen, denn in deren Situation besteht ein Widerspruch zwischen biologischer und psychologischer, also individuell emotional wahrgenommener, Geschlechtsidentität. Wenn die psycho- logische Geschlechtsidentität schon besteht, kann sie nur sehr schwer wieder verändert werden. Denn die Störung der Geschlechtsidentität kann zu schweren psychischen Schäden führen, da sich die Individuen im Körper des anderen Geschlechts gefangen fühlen. Für Kinder ist das Erleben der Geschlechtsidentität sehr wichtig, da sie die Interessen und Aktivitäten des Kindes beeinflussen können (vgl. Zimbardo 1992, S. 78f.). Unsere psychische Ausstattung entwickelt sich bei Menschen schon im Kleinkindalter und das meist unbewusst, daher kann später kaum noch Einfluss darauf genommen werden (vgl. Zimbardo/Gerrig 2004, S. 490f.).

Im Gegensatz zur Geschlechtsidentität gibt es noch die Geschlechtsrolle bzw.

Geschlechterrollenidentität. Dies sind geschlechtstypische Verhaltensmuster von Frauen und Männern. Diese Verhaltensmuster liefern die ausschlaggebenden Definitionen von Männlichkeit (Maskulinität) und Weiblichkeit (Femininität) (vgl.

Zimbardo 1992, S. 79). Jede Person hat zusätzlich zum biologischen Geschlecht entweder eine männliche oder weibliche Geschlechterrollenorientierung. Maskulinität und Femininität werden als zwei entgegengesetzte Pole verstanden, wobei man entweder auf der maskulinen oder der femininen Seite stehen kann (vgl. Wieser 2008, S. 32). Die zugeordneten Eigenschaften, Verhaltensweisen, Berufe, Rollen etc.

liefern die Grundsteine für die Entwicklung der eigenen inneren Geschlechterrollenidentität. Kinder haben neben ihrer biologischen Geschlechts- identität auch eine psychologisch determinierte Geschlechterrollenidentität. Der Entwicklungsschritt, in dem sich ein Individuum zu entweder dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt, ist ein sehr wichtiger und unverzichtbarer Prozess. Geschlechterrollen sind Erkenntnisse, Handlungsweisen, Einstellungen usw., die mit einem bestimmten Geschlecht verbunden werden. Wird dies von dem Individuum in das eigene Selbstbild übernommen, spricht man auch von Geschlechterrollenidentität. Wird von männlichen Inhalten ausgegangen, spricht man von Maskulinität, wenn es sich um weibliche Inhalte dreht, spricht man von Femininität. Dieses psychologische Geschlecht ist für die Entwicklung eines Menschen nicht unbedingt notwendig, dennoch hat es eine große Bedeutung im Leben eines Menschen (vgl. Alfermann 1996, S. 58). Das psychologische Geschlecht ist vielseitiger als das biologische Geschlecht. Denn beim biologischen Geschlecht

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25 gibt es nur zwei Ausprägungen und zwar männlich oder weiblich. Beim psycholo- gischen Geschlecht ist dies allerdings anders. Wenn jemand ein feminines Selbstbild hat, können auch maskuline Eigenschaften vorhanden sein. Männliche Freizeitinter- essen, wie Fußballspielen, können mit einer eher femininen Berufswahl einhergehen.

Aus diesen Ideen heraus haben VertreterInnen der Psychologie das Androgynie- Konzept (siehe Teil II./Kapitel 2.9.2.) entwickelt und eingeführt. In diesem Konzept wird nun davon ausgegangen, dass Maskulinität und Femininität zwar zwei voneinander getrennte Kategorien sind, sich Menschen allerdings Elemente beider Kategorien von Geschlecht herausnehmen und sich so weiter entwickeln können. So sind in diesem Konzept beispielsweise die fußballspielende Krankenschwester oder der boxende Hausmann gut vorstellbar. Dies zeigt auch auf, dass das psycholo- gische Geschlecht – die Geschlechterrollenidentität – sehr vielseitig ist und viele Möglichkeiten eröffnet (vgl. Alfermann 1995, S. 58f.). Alles in allem kann man davon ausgehen, dass das biologische Geschlecht und auch das soziale Geschlecht, das im nachfolgenden noch genauer betrachtet und erläutert wird, von psychologischen Aspekten und Faktoren nur äußerst schwer zu trennen ist. Wie in diesem Kapitel beschrieben geht es beim psychologischen Geschlecht um ein Phänomen, das die Geschlechtsidentität und Geschlechtsrolle eines Menschen ausmacht und prägt.

Auch der emotionale Umgang mit geschlechtstypischen Situationen und Sachver- halten spiegelt die verinnerlichten Verhaltensweisen, Werte und Ansichten des Individuums wieder (vgl. Zimbardo/Gerrig 2004, S. 490f.). So sehen wir oft diese festen innerlichen und angeblichen Grundwahrheiten als unveränderlich an und werden von ihrer Konstruiertheit, wovon im Weiteren ausgegangen wird, abgelenkt.

Während sich die Psychologie mit dem Verhalten eines Menschen und den Erlebnissen auseinandersetzt, widmen sich die Sozialwissenschaften den gesell- schaftlichen Funktionszusammenhängen, dem Zusammenleben der Menschen und deren Interaktionen.

1.4. Geschlecht als sozial-gesellschaftliche Konstruktion

Da die Thematik Geschlecht einen großen und wichtigen Teil des Zusammenlebens der Menschen einnimmt, werden wir uns in diesem Kapitel auf die soziale Konstruktion von Geschlecht beziehen.

(26)

26 In den Sozialwissenschaften spricht man nicht mehr vom biologischen oder psychologischen Geschlecht, sondern vielmehr von Zuschreibungen, die aus einem sozialem System heraus entstehen (vgl. Lenz/Adler 2010, S. 15). Die zwei Geschlechter – Frau und Mann – werden meist als Gegensatz verstanden. Im eng- lischsprachigen Raum spricht man hier vom „opposite sex“. Frauen und Männer werden nicht nur aufgrund ihrer unterschiedlichen Körpermerkmale differenziert, sondern auch durch ihr Handeln, Denken und Fühlen. Im Alltag wird dieser Unterschied auf die „Natur“ der Geschlechter, also auf das biologische Geschlecht zurückgeführt (vgl. Lenz/Adler 2010, S. 16f.).

In unserer Kultur gibt es die Vorstellung, dass Frauen und Männer von Natur aus unterschiedlich sind. Diese Vorstellung hat in weiterer Folge auch Konsequenzen, denn sie gliedert nicht nur unser Sozialsystem, sondern auch den Vorgang der individuellen psychosozialen und psychosexuellen Entwicklung. Daher gibt es hier die Aufspaltung von dem Bereich der bezahlten Erwerbsarbeit, die den Männern zugeschrieben ist und der unbezahlten Haus- und Familienarbeit, die den Frauen zuzuschreiben ist. Diese Aufteilung der beiden Sektoren wird auf die unter- schiedlichen Eigenschaften, Fähigkeiten und Fertigkeiten von Männern und Frauen zurückgeführt (vgl. Mühlen Achs 1998, S. 23). Als das Natur-Modell der Geschlechter wird also die Auffassung bezeichnet, dass geschlechtsspezifische Unterschiede im Denken, Fühlen und Handeln durch biologische Unterschiede bestimmt werden. So wird davon ausgegangen, dass Frauen und Männer unterschiedliche Biogramme – genetisch fixierte Programme – besitzen. Diese Biogramme sind dafür verantwortlich, dass Frauen und Männer in ihrem Verhalten unterschiedlich sind. Männern wird ein eher aggressives und dominanteres Verhalten zugeordnet und Frauen ein eher fürsorgliches und zurückhaltendes (vgl. Lenz/Adler 2010, S. 17). Simon Baron-Cohen (2004), ein Professor für Psychologie und Psychiatrie, stellte in seinem Buch „Vom ersten Tag anders. Das männliche und weibliche Gehirn“ fest, dass es sowohl Frauen als auch Männer gibt, die ein dominantes Verhalten aufweisen. So kommt die These in einen Erklärungsnotstand, denn wenn es wirklich Biogramme für Frauen und Männer gibt, dürfte es dies nicht geben. Baron-Cohen macht zwar deutlich, dass es Unterschiede im Denken der beiden Geschlechter gibt, er aber keine überzeu- gende Erklärung dafür hat (vgl. Lenz/Adler 2010, S. 17f.). In der sozialwissen- schaftlichen Geschlechterforschung sollte das Natur-Modell in Frage gestellt werden.

Denn es reicht nicht aus, die Geschlechter, als vorgegebene Tatsache, als natürlich

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27 anzusehen. Alle Eigenschaften und Eigenheiten, die wir Menschen als geschlechts- spezifisch ansehen, können nicht ohne Kultur, Gesellschaft und Zeit existieren (vgl.

Lenz/Adler 2010, S. 18). Hartmann Tyrell (1986) bezeichnet diesen Sachverhalt als

„Soziosomatik“: „Die männliche und weibliche Physis gibt es nicht ‚an sich‘, vor allem nicht in gesellschaftlich voraussetzungsloser ‚Reinkultur‘, es gibt sie nur abhängig von den jeweiligen gesellschaftlichen Lebensumständen“ (Tyrell 1986, S. 458). Dies zeigt auf, dass das Geschlecht mehr ist als ein biologischer Aspekt. Daher ist es notwendig, das Geschlecht als eine soziokulturelle Erscheinung zu verstehen (vgl.

Lenz/Adler 2010, S. 20).

Ein sehr verbreitetes Modell in den Sozialwissenschaften ist das Sex-Gender-Modell, das das Natur-Modell der Geschlechter abgelöst hat. Im Sex-Gender-Modell wird das Geschlecht als soziokultureller Aspekt gesehen, ohne auf das biologische Ge- schlecht zu vergessen. Laut Tyrell stellt das soziokulturelle Geschlecht – also gender – mehr dar, als das biologische Geschlecht. In diesem Modell wird deutlich, dass die Geschlechterunterschiede, die wir wahrnehmen, nicht nur durch das biologische Geschlecht (Sex-Differenzen), sondern vor allem durch das soziokulturelle Ge- schlecht (Gender-Differenzen) begründet wird. Allerdings bleibt auch dieses Modell nicht ohne Kritik, denn dem Modell wird ein versteckter Biologismus unterstellt. Bei diesem Sex-Gender-Modell wird nämlich davon ausgegangen, dass es ein eindeu- tiges natürliches und biologisches Geschlecht gibt (vgl. Lenz/Adler 2010, S. 48).

Eine weitere Theorie betrachtet das Geschlecht als eine soziale Konstruktion (vgl.

Mühlen Achs 1998, S. 23). Geschlecht wird „als Ergebnis vielfältiger und komplexer kultureller Prozesse, in denen soziale Aspekte der Macht und Machtunterschiede einen zentralen Stellenwert haben“ (ebd., S. 23) definiert. Dieses „Ergebnis“, das kulturelle, soziale Geschlecht – also Gender – bezieht sich auf Bereiche, die be- stimmte Kulturen, Gesellschaften, Religionen etc. prägen. Weiters wird nicht nur Gender, sondern auch die Kategorie Sex als kulturelles Konstrukt betrachtet. Die Kategorie Sex wird nicht als natürliches Merkmal begriffen, an das kulturelle Aspekte angeknüpft werden. Hier werden auch körperliche Unterschiede von Frauen und Männern als kulturelle Konstruktion gesehen (vgl. ebd., S. 24f.). „Dahinter steht der Gedanke, daß sich Kultur sozusagen nicht nur in die Köpfe, sondern auch und vor allem in die Körper der Menschen einschreibt und somit letztlich auch die entsprechenden biologischen Merkmale hervorbringt“ (ebd., S. 25). Diese Theorie, dass nicht nur der Geist, sondern auch der Blick auf den Körper beeinflusst wird,

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28 weist also darauf hin, dass es zwar biologische Fakten gibt, diese aber erst durch die Gesellschaft bedeutsam werden. Schon bei der Geburt werden wir Menschen in die Kategorie Mann oder Frau eingeteilt. Anhand der äußeren Geschlechtsmerkmale werden wir als männlich oder weiblich eingestuft. Mit der Einteilung von Frau und Mann folgt der Prozess der kulturellen Vergeschlechtlichung. Dieser Prozess hat zum Ziel, dass bei jenen, die als männlich eingeteilt wurden, eine Identifikation mit den Männlichkeitsvorstellungen und bei jenen, die als weiblich eingestuft wurden, eine Identifikation mit Weiblichkeitsvorstellungen hervorgerufen wird. Die Sex-Gender Theorie bezieht sich auf ein sehr komplexes und soziales Geschehen, an dem viele gesellschaftliche Instanzen beteiligt sind (vgl. ebd., S. 25ff.). Abgeschlossen ist die- ser Prozess, „wenn sich der kulturelle Genderkomplex psychisch sedimentiert und in Form einer individuellen Geschlechtsidentität im Selbst etabliert hat“ (ebd., S. 28). Ist in einer Gesellschaft erst das System der Zweigeschlechtlichkeit etabliert, so wird von den Menschen verlangt, sich entweder dem einen oder dem anderen Geschlecht zuzuordnen, da Abweichungen, wie beispielsweise Zwitterwesen, kulturell nicht aner- kannt sind. In der Gesellschaft geht man natürlich davon aus, dass wir Menschen nur einem Geschlecht angehören können, was aber in unserer Kultur nicht der Wahrheit entspricht. Denn auch in unserer Gesellschaft gibt es Zwischenformen der beiden Geschlechter, die als abweichend definiert werden (vgl. Brück/Kahlert/

Krüll/Milz/Osterland/Wegehaupt-Schneider 1997, S. 82). In unserer Gesellschaft und Kultur wird das System der Zweigeschlechtlichkeit von klein auf erlernt. Hierbei sagt Carol Hagemann-White (1988), dass es nicht auf das Verhalten der Eltern, insbe- sondere der Mutter, ankommt, sondern auf das gesamte Umfeld, in dem die Sozialisation stattfindet (vgl. Brück et al. 1997, S. 82f.). „Unabhängig von der Art, wie konkrete Eltern und Erziehungspersonen die eigene Haltung zur Geschlechter- ordnung definieren, erzwingt unsere Kultur eine Selbstzuordnung als Mädchen oder Junge im Unterschied zum jeweils anderen Geschlecht als Bedingung der Möglich- keit der Identität“ (Hagemann-White 1988 zit. n. Brück et al. 1997, S. 83). Es ist daher nicht allein entscheidend, wie Eltern bewusst die Geschlechtsidentität des Kindes fördern, beispielsweise durch geschlechtsspezifisches Spielzeug, Bücher etc.

Die Kinder ordnen sich in das System der Zweigeschlechtlichkeit ein, da es für die Anpassung an die Gesellschaft wichtig ist. Wie genau die Eltern durch unterschied- liche Erziehungsstile die Kinder in eine gewisse Richtung erziehen, die sie für richtig und gut halten, wird im Kapitel 3.4.1.1 genauer beschrieben. Helga Bilden (1991)

(29)

29 plädiert daher auch dafür, dass die Geschlechtsidentität als Konstruktion aufzufassen ist (vgl. Brück et al. 1997, S. 83f.):

„Ich spreche daher ohne den emphatischen Anspruch, der mit >Identität<

immer verbunden ist, von Selbst-Bildung oder Selbst-Entwicklung (Selbst- konstruktion und -konstitution). Für mich steht dabei Selbst als reflexive Beziehungskategorie im Vordergrund: Ich bin/werde ich selbst in Beziehung zu anderen und zu mir. Ich bilde und entwickle mich selbst in meiner Lebens- tätigkeit, die eingelassen in und konstitutiver, eventuell kreativer Teil sozialer Praktiken ist“ (Bilden 1991, S. 291).

Die Mädchen und Buben erwerben also nicht die Geschlechterrolle, sondern sie sind Mädchen und Buben in allem, was ihr Ich ausmacht. Denn alle Menschen in der Umgebung der Kinder beziehen sich entweder auf das Mädchen oder den Buben, da sie es selbst auch tun (vgl. Brück et al. 1997, S. 84). Der Prozess hat zur Folge, dass sich männliche und weibliche Individuen als eindeutig männlich und weiblich betrachten und dies für einen Aspekt der eigenen Identität halten. Die Individuen haben sich kulturelle Gendervorstellungen einverleibt und drücken dies durch die äußerliche Erscheinung, das Handeln, Denken und Fühlen aus. Die Menschen bringen täglich zum Ausdruck, welcher Geschlechtskategorie sie angehören und in welche sie eingeordnet werden möchten. Dies wird als „doing gender“ bezeichnet (vgl. Mühlen Achs 1998, S. 30). In unserer Forschung werden wir auch darauf achten, ob die Jugendlichen sich wirklich den traditionellen Vorstellungen anpassen oder ob sie sich dagegen wehren. Denn im Jugendalter kann es immer wieder dazu kommen, dass sich Jugendliche gegen die traditionellen Gendervorstellungen wehren und sich beispielsweise anders kleiden oder einen gesellschaftlich gesehen geschlechtsuntypischen Haarschnitt tragen. Gitta Mühlen Achs (1998) sagt zum Thema soziales Geschlecht daher: „Geschlecht ist nicht etwas, das wir haben, schon gar nicht etwas, das wir sind. Geschlecht ist etwas, das wir tun“ (Mühlen Achs 1998, S. 21).

Daher geht es im Weiteren darum was genau der Unterschied zwischen Sex und Gender ist und wie sich dieser darstellt?

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30 1.5. Sex & Gender – Der Unterschied

Im angloamerikanischen Raum wird zwischen biologischem Geschlecht (sex) und dem grammatischem Geschlecht (gender) unterschieden. John Money, John Hampson und Robert J. Stoller bezeichneten Gender als die Geschlechtsidentität und die Geschlechterrolle und Sex als das biologische Geschlecht, mit dem man geboren wird (vgl. Abdul-Hussain 2014, o. S.). Die Unterscheidung geht ursprünglich auf den Sexologen John Money (1955) zurück. Durch seine Beobachtungen entdeckte er, dass Hermaphroditen mit unklarem Körpergeschlecht (Sex) dennoch fähig sind, eine klare Geschlechtsidentität zu entwickeln. Robert J. Stoller (1968) führte diese beiden Begriffe in seinem Buch „Sex and Gender“ in die Psychoanalyse ein. In der Zeit von 1970 – 1990 lässt sich der Umgang mit den beiden Begriffen Sex und Gender nach Stephan Moebius in drei idealtypische Phasen unterteilen. In der ersten Phase wurde zwischen Sex und Gender nicht unterschieden, „Frau-Sein“ und

„Mann-Sein“ wurde biologisch gesehen. In der zweiten Phase wurde die Gleichset- zung von Sex und Gender in Frage gestellt, da die Phase gekennzeichnet wurde durch Paarmöglichkeiten wie Natur – Kultur oder Mann – Frau. Diese Theorie ging davon aus, dass es ein unveränderbares biologisches Geschlecht (Sex) gibt und die soziale Geschlechtsidentität (Gender) als kulturelle und soziale Variable dient. In der dritten Phase wurde der starre Essentialismus des Geschlechtskörpers problema- tisiert (vgl. Hopf 2012, S. 135f.). Butler stellte in ihrem Buch von 1991 „Das Unbehagen der Geschlechter“ die Unterscheidung von Sex und Gender in Frage.

„Butlers Aufmerksamkeit galt der Frage, inwieweit das „biologische Geschlecht“, das, was wir als Natur zu denken gewohnt sind, nicht nur als Vorweg- bestehendes kulturellen Normen unterworfen ist, sondern auch, Michel Foucaults machttheoretischen Überlegungen folgend, inwieweit es durch die regulierende Praxis erst hervorgebracht wird“ (Hopf 2012, S. 136).

Butler definiert den Begriff Sex als die Sedimentierung kultureller Praktiken. Sie unterstreicht auch die gegenseitigen Konstitutionsprozesse der drei Kategorien Sex, Gender und Sexualität. Die These von Butler lautet also, dass Sex immer schon Gender gewesen ist. Das Buch von Butler „Gender Trouble“ bzw. „Das Unbehagen der Geschlechter“ hat sie berühmt gemacht. Neben Simone de Beauvoir (1992) wurde Butler zu einer der zentralen Persönlichkeiten feministischer Theorie. Dennoch blieb ihre Ansicht nicht ohne Kritik, denn einige TheroretikerInnen sahen darin einen

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31 problematischen Konstruktivismus, der den Körper nicht ernst nimmt und ihn zur Fiktion macht. Butlers Denkmuster hat sich im Laufe der Zeit verändert und weiterentwickelt, doch die Bestimmungen, wo das biologische, psychische, soziale und kulturelle Geschlecht anfangen und aufhören, stellen bis heute eine zentrale Betrachtungsweise dar (vgl. Hopf 2012, S. 136f.). Die französische Philosophin De Beauvoir ist Vorreiterin für die Trennung von Körper, Charakter und Schicksal. Durch ihr Werk „Das andere Geschlecht“ (1949, 1992) erfährt sie bis heute anhaltenden theoretischen Nachhall. Laut De Beauvoir „kommt man nicht als Frau zur Welt, man wird es. Keine biologische, psychologische oder ökonomische Bestimmung legt die Gestalt fest, die der weibliche Mensch in der Gesellschaft annimmt“ (De Beauvoir 1992 zit. n. Kerner 2007, S. 5). De Beauvoir geht davon aus, dass die gesamte Zivilisation, vor allem durch die Erziehung und die gelebten Sitten, die Gestalt der Frau bildet. In ihrem Konzept von Weiblichkeit geht es darum, Weiblichkeit als sozial konstruiert und veränderbar zu sehen und nicht als biologisch untermauert. De Beauvoir hat somit das Fundament für die Unterscheidung zwischen dem biolo- gischen Geschlecht einerseits und dem sozialen und gesellschaftlichen Geschlecht andererseits gelegt. Wobei das soziale Geschlecht nicht aus dem biologischen abgeleitet (deduziert) wird. Die Biologie ist also nicht für das Schicksal – in Bezug auf das Geschlecht – einer Person verantwortlich. Diese Ansicht prägt bis heute feminis- tische Theorien und die Geschlechterpolitik (vgl. Kerner 2007, S. 5f.). Die Soziologin Ann Oakley (1972) hat diese beiden Begriffe sex und gender in die feministischen Geistes- und Sozialwissenschaften eingeführt. In ihrem Buch „Sex, Gender and Society“ aus dem Jahr 1972 definiert sie genau die beiden Begriffe. Oakley´s Definition nach ist sex die biologische Differenzierung zwischen männlich und weiblich. Sie meint damit die sichtbaren Unterschiede der Genitalien und der Fortpflanzungsfunktionen. Gender definiert sie hingegen als kulturelle Angelegenheit, die Frauen und Männer in soziale Kategorien als maskulin oder feminin einordnet. De Beauvoir und Oakley ist es eben darum gegangen, die Veränderbarkeit von Gender aufzuzeigen (vgl. Kerner 2007, S. 6). Seit Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre wurde der Begriff Gender von der zweiten Frauenbewegung in Deutschland einge- führt. Der Begriff wurde verwendet, um die soziale Konstruktion der Geschlechter- unterschiede aufzuzeigen. So wird der Begriff Sex – das biologische Geschlecht – durch den Begriff „gender“ ergänzt (vgl. Wesely 2000, S. 15f.). Beim biologischen Geschlecht (sex) handelt es sich nun genau genommen um Unterschiede im Bereich

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32 der Gene, Anatomie, Physiologie, Immunologie oder des Stoffwechsels. Gender hingegen umfasst die kulturellen, sozialen und psychologischen Unterschiede wie Beziehungen und soziale Rollen, Werte, Macht, Einfluss, Haltung und Verhalten etc.

(vgl. Bundesamt für Gesundheit 2004, S. 1). Gender meint also die soziale Zuschrei- bung und die sozial konstruierten Vorstellungen von Maskulinität und Femininität von Frauen und Männern in der Gesellschaft, Sex hingegen die biologischen Unter- schiede, wie die hormonellen, chromosomalen und morphologischen. Nach Alice Schwarzers (1975) Buch „Der ‚kleine Unterschied‘ und seine großen Folgen“, kann der „kleine Unterschied“ als „sex“ und seine großen Folgen als „gender“ bezeichnet werden. Da es im deutschsprachigen Raum keine unterschiedlichen Begriffe dafür gibt, wird in der Literatur auch von „sozialem“ und „biologischem“ Geschlecht gesprochen oder man greift auf die englischen Begriffe Sex und Gender zurück (vgl.

Lenz/Adler 2010, S. 15; Giddens/Fleck/Egger de Campo 2009, S. 213). Candace West und Don H. Zimmerman (1987) unterscheiden nicht nur zwischen sex und gender, sondern führen noch eine weitere Kategorie „sex category“ ein. Sie beschreiben Sex als biologisches Kriterium zur Aufteilung von Frauen und Männern.

Als Kriterium können Genitalien etc. gesehen werden. Der Begriff „sex category“

beschreibt die alltägliche Anwendung der Kategorie Sex. Die Zuordnung zu den Geschlechtern Frau und Mann erfolgt aufgrund von Vermutungen. West und Zimmerman zeigen auf, dass es den Menschen unangenehm ist, wenn man andere Menschen nicht als Mann oder Frau eindeutig identifizieren kann. Gender hingegen beschreibt die Verhaltensweisen, Vorstellungen und Werte etc., die zu den „sex categories“ passen. Laut West und Zimmerman ist sex category nicht das Gleiche wie gender (vgl. Wesely 2000, S. 17f.).

„Women can be seen as unfeminine, but that does not make them „unfemale‟”

(West/Zimmerman 1987 zit. n. Wesely 2000, S. 18).

Die Trennung von Sex und Gender hat auch einen Vorteil gegenüber dem deutschen Begriff „Geschlecht“, da eine Unterscheidung zwischen sozialem und biologischem Geschlecht markiert werden kann. Die Unterscheidung hat auch eine grundlegende Bedeutung, da Unterschiede der Geschlechter nicht immer biologisch bedingt sind (vgl. Stephan 2000, S. 58; Giddens et al. 2009, S. 213).

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33 Im zweiten nun folgenden theoretischen Teil dieser Arbeit wollen wir, ausgehend von den Begriffserläuterungen von Geschlecht, Gender und Sex, sowie ihren indivi- duellen Eigenschaften, Merkmalen, Ausprägungen und Unterschieden weitere Themenbereiche des Geschlechterdiskurses, die zu einem Grundverständnis dieser Thematik und ihrer Problematik beitragen sollen, kurz erläutern.

2. Theoretische Diskurse zu Konstruktivismus und Dekonstruktivismus

(Magdalena Tschmelak)

Die Natur als die unhinterfragte Festlegung unseres Geschlechts für das ganze Leben zu sehen, ist heute nicht mehr aktuell, wie uns die vorangegangenen Begriffserklärungen bereits gezeigt haben. Diese Ansicht lässt sich wissenschaftlich aufgrund vieler empirischer und vor allem ethnomethodologischer Studien nicht mehr legitimieren. Um verstehen zu können, warum unsere Vorstellungen von Geschlecht bzw. Gender sich so entwickelt und über die Jahre hinweg nicht wesentlich verändert haben, ist es notwendig, zuerst zu verstehen, wie der Mensch sich seine Welt erschafft. Dazu werden wir in diesen folgenden Kapiteln auf den Konstruktivismus und Dekonstruktivismus näher eingehen. Diese beiden Begrifflichkeiten Konstruk- tivismus und Dekonstruktivismus sind untrennbar miteinander verbunden. Diese Theorien gehen davon aus, dass die Wirklichkeit als etwas Subjektives und nicht Objektives zu begreifen ist, da das Aufzeigen eines Konstrukts immer mit dessen eigener Konstruktion und Dekonstruktion zusammenhängt. Geht man von den verschiedenen oben erläuterten Perspektiven von Geschlecht, Gender und Sex und deren Unterschieden aus, so zeigt sich, dass Geschlecht nicht auf Natur reduziert werden kann, vor allem weil die biologischen Unterschiede erst durch das Tun der Individuen in der Gemeinschaft zur Wirklichkeit und etwas Gegebenem gemacht werden (vgl. Hirschauer 1989, S. 100ff.). Folgen wir diesen Gedanken also weiter und konfrontieren ihn mit der Gender-Inszenierung im Alltag, so ist es im Besonderen für die empirische Forschung wichtig, sich im Vorhinein mit den Überlegungen des Konstruktivismus und infolgedessen mit der dekonstruktivistischen Position genauer auseinanderzusetzen. Diskurse über den Konstruktivismus und Dekonstruktivismus, sowie die Stereotypen, das kulturelle System der Zweigeschlechtlichkeit, die Vielfalt und das Doing gender geben nachfolgend einen Überblick über die derzeitigen Forschungen und Überlegungen zu Geschlechterentstehung, -zuschreibungen und -

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34 identität. Geschlecht ist also ein Begriff, der aufgrund des heutigen Forschungs- standes nicht mehr aus nur einer Perspektive (siehe Teil II./Kapitel 1.) gesehen werden kann und schon gar nicht als naturgegebenes Phänomen, was im Beson- deren die Ansätze des Konstruktivismus aufzeigen.

2.1. Konstruktivismus

Konstruktivismus ist ein Begriff der Vielfalt. Es gibt nicht nur einen Konstruktivismus- Begriff, sondern eine Vielfalt von theoretischen Ansätzen wie den radikalen, den modernen, den sozialen, den pädagogischen Konstruktivismus usw. Etwas Einheit- liches, also eine ganzheitliche Theorie zum Konstruktivismus, gibt es nicht. Aus diesem Grund werden nur einige grundlegende Teilaspekte des Konstruktivismus, die für diese Arbeit essentiell sind, vorgestellt. Horst Siebert (1999) fasst den Konstruktivismus wie folgt zusammen:

„Die Kernthese des Konstruktivismus lautet: Menschen sind autopoietische, selbstreferenzielle, operational geschlossene Systeme. Die äußere Realität ist uns sensorisch und kognitiv unzugänglich. Wir sind mit der Umwelt lediglich strukturell gekoppelt, das heißt, wir wandeln Impulse von außen in unserem Nervensystem ‚strukturdeterminiert‘, das heißt auf der Grundlage biografisch geprägter psycho-physischer kognitiver und emotionaler Strukturen, um. Die so erzeugte Wirklichkeit ist keine Repräsentation, keine Abbildung der Außenwelt, sondern eine funktionale, viable Konstruktion, die von anderen Menschen geteilt wird und die sich biografisch und gattungsgeschichtlich als lebensdienlich erwiesen hat“ (Siebert 1999, S. 5f.).

Diese kurze Formulierung von Siebert, aber auch die vielen weiteren Thesen über den Konstruktivismus zeigen, dass es sich hierbei um eine Theorie handelt, die sich schon lange kritisch mit Wissen und Erkennen auseinandersetzt. Die Vorstellungen, die dem Konstruktivismus zu Grunde liegen, sind im Allgemeinen alt, da das eigent- liche Problem, dass die „Welt an sich“ nicht zu erkennen ist, schon in der Antike thematisiert wurde (vgl. Mikula 2002, S. 48). „Der Konstruktivismus ist eine Erkennt- nistheorie mit einer langen erkenntniskritischen Tradition (zum Beispiel Pyrrhon, Vico, Berkely, Kant, Vaihinger, Schopenhauer, W. James, Piaget, etc.)“ (Siebert 1999, S. 5). Rene Descartes, Immanuel Kant, Edmund Husserl und Arthur Schopenhauer vertraten alle die Ansicht, dass das Verständnis der Welt auf die eine oder andere Art und Weise nichts Objektives, sondern vom Erleben und

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