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II. Perspektivische Klärung von Gender (Eva Schirmetz & Magdalena

2. Theoretische Diskurse zu Konstruktivismus und Dekonstruktivismus (Magdalena

2.7. Dekonstruktion der Ontologie der Geschlechter

Eingehend auf die oben beschriebenen beiden Ansätze des Konstruktivismus und der Dekonstruktion gehen wir hier noch kurz auf das „Sein“ – die Ontologie – der Geschlechter, die Möglichkeit einer Dekonstruktion der Begrifflichkeiten, des Geschlechterdualismus und worauf in diesem Prozess geachtet werden soll bzw.

was zum Vorschein gebracht werden soll, ein. Die These der Konstruiertheit der Geschlechter besagt, dass die Geschlechterkategorien, wie sie in unserer Gesell-schaft und einigen anderen Kulturen auch vorherrschen regelmäßig reproduziert werden und alle kennen, soziale Konstruktionen sind. Demzufolge besagt der dekonstruktivistische Ansatz, dass diese Kategorien und Begrifflichkeiten wie Geschlecht, Körper, Geschlechtsidentität, usw. nicht naturgegeben sind oder Gesetzmäßigkeiten entsprechen. Dieser ganze Ansatz geht davon aus, dass performativ konstruiert wird und darum auch hinterfragt und aufgebrochen werden kann (vgl. Wesely 2000, S. 44). „Wir sind weder so radikal frei, daß wir uns selbst erschaffen können, noch sind wir als Werkzeug oder Effekt einer außerhalb unserer Kontrolle liegenden Macht von Grund auf determiniert“ (Butler, J. 1993 zit. n.

Bauhardt/Von Wahl 1999, S. 35). Im Grunde ist damit gemeint, dass wir zwar nicht in der Lage sind, die Natur völlig zu verneinen, wir sind ihr aber auch nicht hilflos und tatenlos ausgeliefert. Im Großen und Ganzen geht es um zwei wesentliche Aufgaben

58 bei der Dekonstruktion der Geschlechter. Einerseits muss bewusst gemacht werden, dass die Geschlechter, laut Butler nicht nur die soziale Konstruktion, sondern auch der Körper, etwas Konstruiertes sind und nichts Natürliches. So sollen auch die Geschlechtsidentität und unsere Vorbilder in diesem Findungsprozess wahrge-nommen werden und es soll erkannt werden, dass erst durch die ständige Wiederholung diese Konstruktionen entstehen (vgl. Wesely 2000, S. 44).

Andererseits und das ist die zweite wesentliche Aufgabe, sollten bei der Dekonstruktion des Geschlechterdualismus erstens dessen Machtmechanismus infrage gestellt werden, denn dieser trägt essentiell dazu bei, dass die Hierarchie in diesen Konstrukten aufrechterhalten bleibt und der Wiederholung zum Opfer fällt.

Zweitens sollte mit der Kritik der Kategorien „Mann“ und „Frau“ begonnen werden, denn durch die Gegenüberstellung dieser beiden Kategorisierungen werden nicht nur deren Unterschiede aufgezeigt, sondern die Aufmerksamkeit auch auf die Konstruktionsprozesse innerhalb einer solchen dualistischen Ordnung gerichtet. Es wäre laut Sandra Smykalla (2000) von der Dekonstruktion eben zu erwarten, dass sie hierarchische Unterschiede, geschlechtsspezifische Konstruktionen und Stereotypisierungen, denen eine gewisse Machtfunktionalität zugeschrieben wird, aufdeckt, hinterfragt und die allgemeine Aufmerksamkeit von der subjektiven Ebene auf die strukturelle Ebene leitet (vgl. Smykalla 2000, S. 6ff.).

„Aber ich glaube, es reicht nicht zu zeigen, daß es veränderbar ist. Ich denke, daß man auch zeigen muß, daß es durch eine Reihe wiederholter Akte produziert ist, zeigen, wie das statische unwiederholbare Bild, das Bild, das gänzlich fixiert und unwiederholbar erscheint, selbst produziert wurde durch ein Set akkumulierter Wiederholungen. Zu zeigen, daß es durch eine Reihe von Wiederholungen produziert worden ist, ist mehr, als es einer Wiederholung zu unterwerfen“ (Butler, J. 1994a zit. n. Wesely 2000, S. 45).

Nach Butler ist die Dekonstruktion keine Strategie, die man einfach hernimmt, um das Problem, der Selbstproduktion und Wiederholung, schnell zu lösen, denn sie geht im Grunde nicht mal soweit, es als eine Intension zu bezeichnen, nach ihr ist die Dekonstruktion eine Subversion einer Intension. Die Dekonstruktion ist keine Aufhe-bung der bestehenden Verhältnisse. Es kann nicht so einfach alles entdeckt, aufgezeigt und verändert werden, denn wenn man von Geschlecht, Geschlechter-verhältnissen und Geschlechterkategorien/-hierarchien spricht, spricht man von Konstrukten, die nicht nur jeden Tag erlebt und eingesetzt werden, sondern auch von

59 einem selbst täglich mitgestaltet werden (vgl. Wesely 2000, S. 46). Nach Alfermann liegt nun jedem, der sich ein wenig mit dieser Thematik auseinandersetzt, in diesem ganzen Hin und Her, die Frage: „Ist es möglich, die Welt nicht in männlich und weiblich, sondern in – sagen wir – menschlich einzuteilen?“ (Alfermann 1995, S. 29) auf der Zunge. Wie oben schon erwähnt gibt es einige Aufgaben und Erwartungen, die man der Dekonstruktion des Geschlechts und seinem sozialen Dualismus in der Gesellschaft zuschreibt oder von ihr erhofft. Was Alfermann und viele andere mit dieser Frage meinen oder in den Raum stellen, ist die Ungewissheit, die Suche nach einer Antwort darauf, ob es dem Menschen überhaupt möglich ist, nicht diesen gesellschaftlich erschaffenen Kategorien entsprechen zu wollen, in denen man aufwächst und die als Regel, normal und richtig gelten. In Alfermanns Weg zur Dekonstruktion der Ontologie der Geschlechter, also dieser bereits erläuterten sozialen Kategorisierungen, geht er vom Ansatz der Androgynie (siehe Teil II./Kapitel 2.9.2.) aus. Dieser besagt, dass androgyne Menschen sowohl „maskuline“ als auch

„feminine“ Eigenschaften in sich vereinen und dadurch ihren Alltag besser im Griff haben, da sie auf eine größere Bandbreite an Eigenschaften und Fähigkeiten zurückgreifen können und situationsangemessener reagieren können. Der große Unterschied und der Weg zur Dekonstruktion sei also, dass Menschen nicht nur Eigenschaften aus beiden Kategorien „männlich“ und „weiblich“ beziehen, sondern es des Weiteren auch vermeiden, sich und ihr Gegenüber nach den sozial konstruierten Geschlechtererwartungen ein- und abzuschätzen sowie zuzuschreiben (vgl. Alfermann 1995, S. 29, 34ff.).

Wichtige Aspekte der Konstruktion „Geschlecht“ und so ihrer Dekonstruktion sind noch nicht erwähnt worden. Die Konstruktion „Geschlecht“ beinhaltet wichtige Elemente, wie die hier in Alfermanns androgynem Ansatz erwähnten zwei Kategorien

„männlich“ und „weiblich“, wie diesen zugeschriebenen Eigenschaften oder die allge-meine, erwähnte Einteilung der Menschen in zwei Geschlechter. Diese in unserer Gesellschaft als alternativlos angesehenen Elemente und Modelle des immer noch vorherrschenden Konstrukts „Mann/Frau“, das mit Hilfe der Infragestellung zu dekonstruieren versucht wird, werden nachfolgend noch thematisiert.

60 2.8. Das kulturelle System der Zweigeschlechtlichkeit

Ganz allgemein gesehen kann bei Stereotypen nicht von dem einen Stereotyp gesprochen werden. Man kann allerdings sagen Stereotyp ist ein eher negativ besetzter Begriff, der meist dann verwendet wird, wenn es zu Problemen im sozialen menschlichen Zusammenleben kommt. Die meisten kennen diesen Begriff aus Problemen des gesellschaftlichen Miteinanders. Natürlich gibt es diese Bezeichnung der Stereotype auch in beispielsweise naturwissenschaftlichen Thesen, allerdings gehen alle bekannten und allgemein verwendeten Beispiele von Stereotypen auf soziale Situationen zurück. Stereotype sind dennoch ein interdisziplinäres Problem und zwar im Besonderen für alle jene Disziplinen, die sich mit dem menschlichen Verhalten beschäftigen. Der Ursprung dieses Begriffs liegt im Druckereigewerbe. Es wurde eine gegossene Druckplatte mit der man beliebig viele Abzüge des gewünschten Drucks erzeugen konnte, so bezeichnet. Eingeführt in die Welt der wissenschaftlichen Disziplinen hat diese Begrifflichkeit Walter Lippmann in den 20er Jahren, was davon zeugt, dass dieser Begriff noch nicht lange in unserem Sprachgebrauch verankert ist. Was sind nun Stereotype? Sie stellen eine Subjekt-Objekt-Reaktion dar, die sich so äußert, dass allein nur durch das bloße nennen eines Begriffs, eines Bereiches oder Milieus, einer Personengruppe, etc. bestimmte positive, allerdings meist negative, Emotionen (Angst, Hass, Misstrauen, etc.), Bilder, Vorstellungen, usw. hervorgerufen werden (vgl. Schaff 1980, S. 27ff.). Stereotype bestehen aus allgemeinen Annahmen, die etwas über die Eigenschaften oder Wesensart von bestimmten Dingen, Personen oder Strukturen aussagen. Es handelt sich dabei um kognitives Wissen, das durch die Sozialisation (Familie, Milieu, Bildungssystem, Medien, etc.) weitergegeben wird (vgl. Alfermann 1995, S. 30).

Stereotype sind so etwas wie bestimmte Bilder ergänzt mit den entsprechenden Emotionen im Kopf der Menschen, die sie von Geburt an wahrnehmen, erleben, sehen, hören und manchmal auch bewusst mitgegeben bekommen. Das heißt Stereotype sind etwas sozial Weitergegebenes, ob jetzt bewusst oder unbewusst, Positives oder Negatives spielt keine Rolle. Es sind Ansichten, Vorstellungen, Meinungen, usw., die fast unabhängig von den eigenen Erfahrungen, basierend auf Inhalten, die von der Gesellschaft geschaffen wurden und vom Individuum angenommen werden. Stereotype sind so aufgebaut, dass ein Wort, eine Bezeichnung, ein sprachlicher Ausdruck automatisch beim Hören mit bestimmten,

61 von außen festgelegten Inhalten, Meinungen, Wertvorstellungen, Urteilen, etc.

unreflektiert in Verbindung gebracht, übernommen und umgesetzt wird. Es gibt viele Stereotype, wie nationale Stereotype (die Türken, die Polen, die Juden, etc.), Klassen-Stereotype (die Aristokraten, die Proletarier, etc.), Berufsgruppen-Stereo-type (der Bauer, der Geschäftsmann, die Putzfrau, etc.) oder GlaubensstereoBerufsgruppen-Stereo-type (der Muslim, der Katholik, der Jude, etc.). Dabei darf man aber nicht vergessen, dass Stereotype nicht unbedingt negativ sein müssen und daher nichts mit Vorurteilen oder Klischees zu tun haben, die im Großen und Ganzen nur negativ besetzt sind (vgl. Schaff 1980, S. 31f., 63f.). Stereotype entsprechen schon fast einem Kategori-sieungsprozess von Personen, da diese aufgrund relevanter Eigenschaften, Merkmalen und Leistungen bestimmten Kategorien zugeordnet werden. Dies führt laut Alfermann des Weiteren dazu, dass alle Unterschiede innerhalb einer Kategorie als normal angesehen werden und die zwischen Kategorien als nicht normal, also anders. Das Gleiche gilt dann auch für das einzelne Subjekt. Die, die zu einer Kategorie zählen, gelten als ähnlich und die, die zwischen Kategorien stehen, gelten als anders, was meist auch noch als negativ gesehen wird. Durch diese Trennung oder Unterscheidung werden dann auch Ansichten, Meinungen und ganze Wert-systeme über die eine oder andere Kategorie erstellt, eben die sogenannten Stereotype (vgl. Alfermann 1995, S. 30). „Wir sprechen dann von einem Stereotyp, wenn unsere Emotionen, Werturteile und Haltungen im Sinn der Bereitschaft zu entsprechendem Handeln nicht eine Reaktion auf eigene diesbezügliche Erfah-rungen sind, sondern auf einen Wort-Namen, der in uns diese Empfindungen, Urteile und Haltungen hervorruft. Dieser Wort-Name ist uns in der einen oder anderen Weise von der Gesellschaft (Milieu, Familie) übermittelt worden, unabhängig von unserer eigenen empirischen Erfahrung auf dem betreffenden Gebiet, manchmal selbst bei einem völligen Fehlen einer solchen Erfahrung“ (Schaff 1980, S. 31). Aber sie ist fast schon notwendig, diese Vorgabe (Kategorisierung), um den Alltag zu bewältigen, da sie auf die eine oder andere Weise die Welt, die wir selbst, laut Konstruktivismus wie wir wissen, erschaffen haben, in für uns überschaubare kleine Einheiten teilt und so Ordnung schafft, an der sich der Mensch orientieren kann/soll (vgl. Alfermann 1995, S. 30). Bei der Reaktion auf Stereotype, wobei es keine Rolle spielt, ob diese nun positiv oder negativ ist, handelt es sich vorwiegend um gefühlsmäßige Reaktionen. So zeigt sich, dass der Mechanismus, der bei Stereotypen auftritt, meist derselbe ist. Es wird zuerst eine allgemeine Sicht einem

62 Begriff, einer Person (Personengruppe), etc. zugeschrieben, diese dann dem Subjekt bewusst oder unbewusst vermittelt und daraus folgt dann, dass bei der Erwähnung dieses Begriffs etc. ohne eigene Erfahrung dazu, diese vermittelten Inhalte wiedergegeben werden. Darin liegt auch die Hartnäckigkeit der Stereotype. Sie sind so in uns verankert, dass, auch wenn die Argumentation unhaltbar ist und wir dies erkennen und wissen, doch dieser kleine Rest der Stereotype im Hinterkopf erhalten bleibt, der uns im Endeffekt dann doch noch zögern lässt (vgl. Schaff 1980, S. 31ff.).

Auch in unserer sogenannten modernen Gesellschaft, die aus einem Pool an Aufklärung ihr Wissen schöpft, vermag dieses der Überzeugung in uns, dass es nur Zweigeschlechtlichkeit gibt, nichts anzuhaben (vgl. Schuschnig 2014, S. 6). Es gibt schlussendlich keine subjektiven Stereotype, da diese nur dadurch entstehen, dass sie vorher bereits in der Gesellschaft existiert haben. Wir machen quasi nichts anderes als was der begriffliche Ursprung auch gemacht hat, wir wiederholen und erschaffen uns so beliebig viele Abzüge des gleichen Inhalts, ohne zu überprüfen, ob es jedes Mal passt. Nach all diesen Ausführungen kann gesagt werden, dass Stereotype ein ganzes Spektrum an Definitionen haben, die beschreiben wie Stereotype aussehen und was sie sind. Nach Adam Schaff (1980) sind Stereotype, also negative oder positive Werturteile, die gewisse Merkmale aufweisen, denen sie entsprechen sollten. Diese wären erstens der Bezug bzw. die Ausrichtung des Stereotyps auf bestimmte Personen oder Beziehungen, zweitens der soziale Ursprung des Stereotyps, das bedeutet, dass es sozial erschaffen und vermittelt wurde, drittens seine Emotionalität, viertens seine Argumentationslosigkeit, fünftens seine Hartnäckigkeit, was seine „Zerstörung“ betrifft, sechstens durch die bis jetzt genannten fünf Merkmale funktioniert es und sorgt so für die Eingliederung des Subjekts in die Gesellschaft nach den vom Stereotyp vermittelten Werturteilen, siebtens seine Verbindung mit einem bestimmten Begriff (bzw. einer bestimmten Person oder Personengruppe), der als Signal fungiert und achtens, dass sich Stereotype prinzipiell von der Bedeutung der Begriffe, deren Namen sie tragen, unterscheiden (vgl. Schaff 1980, S. 33, 86f.). Stereotype sind allerdings nicht nur für die Reduzierung von Komplexität in Form von Kategorienaufstellungen da, laut Alfermann haben sie auch einen motivationalen Effekt. Das heißt so viel wie, dass sie dazu dienen, das gesellschaftliche Wertesystem und die Hierarchiestrukturen aufrecht zu erhalten und zu rechtfertigen. Es werden ihnen auch gewisse Schutzmechanismen zugeschrieben. Diese Funktionen zeigen sich darin, dass

63 bestimmte Kategorien wichtiger sind als andere, was man auch dadurch erkennt, dass Stereotype dazu neigen, das Andere als etwas Schlechteres als das Eigene darzustellen. Daraus ergibt sich, dass Gruppen, die in einer Gesellschaft mehr Ansehen genießen oder einfach von ihrer Größe her mehr präsent sind, meist auch die sind, die ein positiveres oder das positive Stereotyp erhalten (vgl. Alfermann 1995, S. 31). Stereotype, „sie spielen auch eine Rolle in Urteilen über das andere Geschlecht: »Ja, gewiß, sie arbeitet gar nicht schlecht, aber es ist eben nur eine Frau!«“ (Schaff 1980, S. 32). Diese Kategorien „Mann“ und „Frau“, sowie ihre dazu gehörenden Stereotype, sind wohl die stärksten in jeder Gesellschaft. Das kommt daher, dass die bestimmenden, meist aus biologischer Perspektive stammenden, Merkmale, aus denen die stereotypischen Ansichten entstanden sind, leicht von außen zu erkennen sind und wie wir aus den ersten Kapitel wissen auch naturgegeben, also Fakt sind. Aufgrund dieser überwältigenden Bedeutung der Geschlechterkategorien in unserer Gesellschaft, also den zugeschriebenen Eigenschaften und Merkmalen des biologischen Mannes und der biologischen Frau, wie in dieser Arbeit schon erläutert, ist es kein Wunder, dass diese Bedeutung auch den dazu gehörenden Geschlechterstereotypen zukommt. Die Geschlechter-stereotype geben zusammengefasst also Auskunft über Eigenschaften, Annahmen, Meinungen, etc. darüber, wie ein Mann oder eine Frau sein sollte. „Wenn man die Inhalte von Geschlechterstereotypen betrachtet, so ergeben sich zwar teils interkulturelle Schwankungen, aber andererseits auch große Gemeinsamkeiten, (…)“

(Alfermann 1995, S. 32). Anders ausgedrückt kann man auch sagen, dass die Stereotype sich aus den vorherrschenden traditionellen Rollenbilder von Mann und Frau herausgebildet haben, andererseits wirken die Stereotypen so stark in den menschlichen Gesellschaftsstrukturen, dass diese wiederum die Rollenbilder unterstützen und sogar in gewisser Weise rechtfertigen. Darüber hinaus scheint es so, dass die Einteilung der Menschheit in Mann und Frau fast unvermeidlich ist.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass hier nicht nur von den beiden biologischen Kategorien Männlich und Weiblich die Rede ist, sondern diese auch vielfältige soziale Implikationen bedingen, die in unserer Kultur aufgrund ihrer Dominanz und Nicht-Infragestellung eine traditionelle Stabilität entwickelt haben (vgl. Alfermann 1995, S.

32ff.). „Zu den fraglosen und nicht weiter begründungsbedürftigen Selbstverständ-lichkeiten unseres Alltagswissens gehört es, die Geschlechtszugehörigkeit von Personen und die Zweigeschlechtlichkeit des Menschen als natürlich Vorgabe

64 sozialen Handelns und sozialer Differenzierung zu betrachten“ (Wetterer 2004, S.

122).

An dieser Stelle verweisen wir auf die ersten Kapitel dieser Arbeit, denn hier, wenn es um die Kategorien Mann und Frau in unserer Gesellschaft geht, geht es nicht nur um die biologische Geschlechtsidentität. Diese ist nämlich die einzige Perspektive von Geschlecht, bei der die Fakten klar sind. Biologisch gesehen ist es absolut klar, dass es Männer und Frauen gibt. Nur aus dieser Perspektive gibt es Eindeutigkeit, was die zwei Geschlechter betrifft (vgl. Alfermann 1995, S. 32ff.). Allerdings spielen bei den zwei Geschlechterbildern, den dazugehörenden und vorherrschenden Rollenbildern und Stereotypen in unserer Kultur, von denen wir hier sprechen, im Besonderen stark sozial-gesellschaftliche Faktoren eine große und beeinflussende Rolle. Was bedeutet das nun für unsere Wahrnehmung des Geschlechts? Wir Menschen folgen einer „zweiwertigen Logik“, das heißt in unserem Denken ist es unmöglich, zwei Dinge als etwas Unterschiedliches und Anderes zu sehen ohne diese beiden Dinge gleichzeitig zuzuordnen und zu hierarchisieren. Das bedeutet schlussendlich, dass wir quasi dauernd alles in unserer Welt als Gegensätze sehen oder in Dingen Widersprüche suchen. Wir verwenden in unserem Denken und ebenso in unserem Handeln zwei Muster, erstens die Suche und Herstellung von Gegensätzen und zweitens die darauf oder sogar gleichzeitig stattfindende Zuordnung bzw. Hierarchisierung. Im speziellen Fall unserer Arbeit sind dies nun die Herstellung der Gegensätze Mann und Frau und die darauf folgende Hierarchisierung, indem der Mann und sein Tun über die Frau und ihr Tun gestellt wird. Dieser Prozess der Zuschreibung und Ausdifferenzierung von Eigenschaften und Merkmalen läuft solange ab, bis sich eine Eindeutigkeit zeigt, an der dann fast schon verzweifelt festgehalten wird (vgl. Rendtorff/Moser 1999, S. 22). In Bezug auf Mann und Frau gibt es eine große Bandbreite an Definitionen bzw. sind es mehr Sammlungen an Eigenschaften und Merkmalen, die diese beiden Bilder definieren.

So werden Männern zum Beispiel eher Begriffe wie Aktivität, Kompetenz, Geist, Rationalität, Leistungsstreben, Durchsetzungsfähigkeit, usw. zugeschrieben und sie entsprechen so eher einer instrumentellen Rolle. Frauen dagegen sind emotional, also weinerlich, sanft, freundlich, zeugen von Soziabilität, das heißt sind einfühlsam, hilfsbereit, sozial, anpassungsfähig und des Weiteren bekommen sie Begriffe zugeschrieben wie Passivität und praktische Intelligenz. Frauen entsprechen also eher einer expressiven Rolle (vgl. Alfermann 1995, S. 32). „In der semiotischen

65 Gegenüberstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit ist Männlichkeit der nicht markierte Begriff, der Ort symbolischer Autorität. Der Phallus ist der maßgebliche Signifikant, Weiblichkeit hingegen wird symbolisch durch Mangel definiert“ (Connell 1999, S. 91). Der Mann „ist gekennzeichnet durch Dominanz, Risikobereitschaft, Unabhängigkeit und eine reduzierte Emotionalität (Empathiemangel); für ihn bildet Gewalt in unterschiedlichen Spielarten eine Option, (…)“ (Baur/Luedtke 2008, S.

167). Nach der aristotelisch-galenischen Humoraltheorie, die die vier Körpersäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle) den kosmischen Elementen (Hitze, Trockenheit, Feuchtigkeit und Kälte) zuschreibt, sieht die Zuschreibung, was männlich und was weiblich ist, dementsprechend so aus, dass der männliche Körper mit den Elementen Hitze und Trockenheit in Verbindung gebracht wird und der weibliche Körper mit Feuchtigkeit und Kälte. Daraus folgt, dass der männliche Körper als vollkommen und der weibliche als unvollkommen kategorisiert wird. Diese Art der Zuschreibung und die dazu gehörende Hierarchisierung haben viele DenkerInnen angenommen und in ihren Werken und Theorien thematisiert (vgl. Greif 2005, S.

18f.).

„Wohlgemerkt: So funktionieren die Ordnung unseres Denkens und die Geschlechterordnung in unserer Kultur. Das heißt nicht, daß männlich und weiblich ‚von Natur aus‘ diese Eigenschaften an sich tragen – doch die Frage ist müßig. Da es ‚männlich‘ und ‚weiblich‘ nur als bedeutende in einer immer schon sprachlich und kulturell verfaßten Ordnung gibt, ist die Frage nach ihrer naturhaften Beschaffenheit unbeantwortbar, ja sinnlos. Jede kulturelle Tradition bringt ihre Bilder hervor und eben auch: ihre Geschlechterordnung“

(Rendtorff/Moser 1999, S. 23).

Das bedeutet die Überzeugungskraft des Zwei-Geschlechter-Modells, der Geschlechterbilder mit ihren zugeschriebenen Rollen, entsteht durch unsere eigene erschaffene Überzeugung über die gelungene und richtige Denkordnung und so wirken diese Ordnungen und Bilder auch so stark auf uns (vgl. Rendtorff/Moser 1999, S. 20ff.).

„Dass es zwei und nur zwei Geschlechter gibt; dass jeder Mensch entweder das eine oder das andere Geschlecht hat; dass die Geschlechtszugehörigkeit von Geburt an feststeht und sich weder verändert noch verschwindet; dass sie anhand der Genitalien zweifelsfrei erkannt werden kann und deshalb ein natürlicher, biologisch eindeutig bestimmbarer Tatbestand ist, auf den wir

66 keinen Einfluss haben – all das sind Basisregeln unserer ‚Alltagstheorie der Zweigeschlechtlichkeit‛ (Hageman-White 1984), die ebenso unbezweifelbar richtig scheinen wie die Annahmen, dass dies zu allen Zeiten so war und auch in anderen Kulturen nicht anders ist“ (Wetterer 2004, S. 122).

Diese Begrifflichkeit der Zweigeschlechtlichkeit, des Zwei-Geschlechter-Modells bzw.

der zwei Geschlechter Mann und Frau, bringt 1984 Hagemann-White in den Diskurs ein. Die Zweigeschlechtlichkeit als kulturelles System bedeutet nach Barbara

der zwei Geschlechter Mann und Frau, bringt 1984 Hagemann-White in den Diskurs ein. Die Zweigeschlechtlichkeit als kulturelles System bedeutet nach Barbara