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II. Perspektivische Klärung von Gender (Eva Schirmetz & Magdalena

1. Der Blickwinkel – Geschlecht aus verschiedenen Perspektiven (Eva Schirmetz) 17

1.3. Geschlecht aus psychologischer Sicht

Während sich die Biologie mit den körperlichen Gegebenheiten der Geschlechterfrage beschäftigt, widmet sich die Psychologie den psychischen und emotionalen Unterschieden der Geschlechter. Der Begriff Psychologie stammt aus dem Griechischen und leitet sich aus dem Wort „psyche“ ab, was so viel wie „Seele“

bedeutet. Psychologie bedeutet also die Lehre von seelisch-geistigen Erschei-nungen. Dieser Begriff ist allerdings sehr abstrakt und kann nicht genau erklärt werden, daher gibt es heute eine andere geläufigere Definition. Aus heutiger Sicht wird Psychologie als die Lehre vom menschlichen Erleben und Verhalten definiert (vgl. Konecny 1985, S. 5ff.).

In unserer Kultur ist es sehr wichtig und auch identitätsrelevant, sich einem Geschlecht zugehörig zu fühlen. Daher hat sich der Begriff der Geschlechteridentität

23 weitgehend verbreitet. Karl Lenz und Marina Adler (2010) definierten Geschlechter-identität wie folgt: „Unter Geschlechteridentität wird das kulturell konstruierte Selbst- und Fremdbild als Frau oder Mann verstanden, das vom Individuum durch ständige affirmative oder ablehnende Akte dargestellt wird und dabei die gesellschaftlichen Männlichkeits- und Weiblichkeitsmuster aufrechterhält“ (Lenz/Adler 2010, S. 24).

Diese Aufrechterhaltung führt wiederum dazu, dass wir Menschen eine innerliche Überzeugung haben, nur einem Geschlecht angehören zu können. Denn schon bei der Geburt ist die Feststellung des Geschlechts die erste Aussage über einen Menschen, die getroffen wird. Das Geschlecht ist daher eine wesentliche Kategorie für die eigene Identität eines Menschen (vgl. Lenz/Adler 2010, S. 24). Im Ent-wicklungsprozess von Kindern ist die Übernahme der Geschlechteridentität ein fester Bestandteil. Elternteile und andere Bezugspersonen spielen hier eine wesentliche Rolle im Leben der Kinder, denn die Identifikation mit dem eigenen Geschlecht erfolgt über die Vorbildwirkung des gleichgeschlechtlichen Elternteils (vgl. Lenz/Adler 2010, S. 24; Rossmann 2010, S. 106). Beim psychologischen Geschlecht ist auch zwischen Geschlechtsidentität (sex-identity/gender-identity) und Geschlechter-rollenidentität (gender role identity) zu unterscheiden. Laut Dorothee Alfermann (1996) wird Geschlechtsidentität als „die Entwicklung einer stabilen Geschlechts-identität als männliche bzw. weibliche, die einen notwendigen Bestandteil der Entwicklung darstellt“ (Alfermann 1996, S. 57), definiert. Diese Identität wird bei der Geburt dem biologischen Geschlecht zugeschrieben. Im Entwicklungsprozess eines Menschen wird etwa im fünften, eventuell auch im sechsten Lebensjahr die innerliche und emotionale Übernahme der eigenen Geschlechtsidentität unveränderlich und konstant. Egal ob Junge oder Mädchen, sie müssen erkennen, wahrnehmen können, ob sie Junge oder Mädchen sind und müssen diese männlichen bzw. weiblichen Geschlechter beibehalten. Dies gilt auch für die Wahrnehmung des Geschlechts bei anderen Personen. Dies gelingt Kindern im Alter von 2 – 3 Jahren, wobei festzu-halten ist, dass dies auch zu einem früheren Zeitpunkt feststellbar ist (vgl. Alfermann 1996, S. 57). Das psychologische Geschlecht bezieht sich auf geschlechts-spezifische Eigenschaften und Verhaltensweisen von Frauen und Männern. Typisch weibliche und typisch männliche Verhaltensweisen etc. werden durch die Kultur und die Gesellschaft geformt, in der die Personen leben. Der Begriff Geschlechtsidentität bedeutet, dass die Individuen sich des eigenen Geschlechts bewusst sind und es als solches akzeptieren und emotional verinnerlichen (vgl. Zimbardo 1992, S. 78). Hier

24 gibt es auch Abweichungen, wie beispielsweise bei Transsexuellen, denn in deren Situation besteht ein Widerspruch zwischen biologischer und psychologischer, also individuell emotional wahrgenommener, Geschlechtsidentität. Wenn die psycho-logische Geschlechtsidentität schon besteht, kann sie nur sehr schwer wieder verändert werden. Denn die Störung der Geschlechtsidentität kann zu schweren psychischen Schäden führen, da sich die Individuen im Körper des anderen Geschlechts gefangen fühlen. Für Kinder ist das Erleben der Geschlechtsidentität sehr wichtig, da sie die Interessen und Aktivitäten des Kindes beeinflussen können (vgl. Zimbardo 1992, S. 78f.). Unsere psychische Ausstattung entwickelt sich bei Menschen schon im Kleinkindalter und das meist unbewusst, daher kann später kaum noch Einfluss darauf genommen werden (vgl. Zimbardo/Gerrig 2004, S. 490f.).

Im Gegensatz zur Geschlechtsidentität gibt es noch die Geschlechtsrolle bzw.

Geschlechterrollenidentität. Dies sind geschlechtstypische Verhaltensmuster von Frauen und Männern. Diese Verhaltensmuster liefern die ausschlaggebenden Definitionen von Männlichkeit (Maskulinität) und Weiblichkeit (Femininität) (vgl.

Zimbardo 1992, S. 79). Jede Person hat zusätzlich zum biologischen Geschlecht entweder eine männliche oder weibliche Geschlechterrollenorientierung. Maskulinität und Femininität werden als zwei entgegengesetzte Pole verstanden, wobei man entweder auf der maskulinen oder der femininen Seite stehen kann (vgl. Wieser 2008, S. 32). Die zugeordneten Eigenschaften, Verhaltensweisen, Berufe, Rollen etc.

liefern die Grundsteine für die Entwicklung der eigenen inneren Geschlechterrollenidentität. Kinder haben neben ihrer biologischen Geschlechts-identität auch eine psychologisch determinierte GeschlechterrollenGeschlechts-identität. Der Entwicklungsschritt, in dem sich ein Individuum zu entweder dem männlichen oder dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlt, ist ein sehr wichtiger und unverzichtbarer Prozess. Geschlechterrollen sind Erkenntnisse, Handlungsweisen, Einstellungen usw., die mit einem bestimmten Geschlecht verbunden werden. Wird dies von dem Individuum in das eigene Selbstbild übernommen, spricht man auch von Geschlechterrollenidentität. Wird von männlichen Inhalten ausgegangen, spricht man von Maskulinität, wenn es sich um weibliche Inhalte dreht, spricht man von Femininität. Dieses psychologische Geschlecht ist für die Entwicklung eines Menschen nicht unbedingt notwendig, dennoch hat es eine große Bedeutung im Leben eines Menschen (vgl. Alfermann 1996, S. 58). Das psychologische Geschlecht ist vielseitiger als das biologische Geschlecht. Denn beim biologischen Geschlecht

25 gibt es nur zwei Ausprägungen und zwar männlich oder weiblich. Beim psycholo-gischen Geschlecht ist dies allerdings anders. Wenn jemand ein feminines Selbstbild hat, können auch maskuline Eigenschaften vorhanden sein. Männliche Freizeitinter-essen, wie Fußballspielen, können mit einer eher femininen Berufswahl einhergehen.

Aus diesen Ideen heraus haben VertreterInnen der Psychologie das Androgynie-Konzept (siehe Teil II./Kapitel 2.9.2.) entwickelt und eingeführt. In diesem Androgynie-Konzept wird nun davon ausgegangen, dass Maskulinität und Femininität zwar zwei voneinander getrennte Kategorien sind, sich Menschen allerdings Elemente beider Kategorien von Geschlecht herausnehmen und sich so weiter entwickeln können. So sind in diesem Konzept beispielsweise die fußballspielende Krankenschwester oder der boxende Hausmann gut vorstellbar. Dies zeigt auch auf, dass das psycholo-gische Geschlecht – die Geschlechterrollenidentität – sehr vielseitig ist und viele Möglichkeiten eröffnet (vgl. Alfermann 1995, S. 58f.). Alles in allem kann man davon ausgehen, dass das biologische Geschlecht und auch das soziale Geschlecht, das im nachfolgenden noch genauer betrachtet und erläutert wird, von psychologischen Aspekten und Faktoren nur äußerst schwer zu trennen ist. Wie in diesem Kapitel beschrieben geht es beim psychologischen Geschlecht um ein Phänomen, das die Geschlechtsidentität und Geschlechtsrolle eines Menschen ausmacht und prägt.

Auch der emotionale Umgang mit geschlechtstypischen Situationen und Sachver-halten spiegelt die verinnerlichten VerSachver-haltensweisen, Werte und Ansichten des Individuums wieder (vgl. Zimbardo/Gerrig 2004, S. 490f.). So sehen wir oft diese festen innerlichen und angeblichen Grundwahrheiten als unveränderlich an und werden von ihrer Konstruiertheit, wovon im Weiteren ausgegangen wird, abgelenkt.

Während sich die Psychologie mit dem Verhalten eines Menschen und den Erlebnissen auseinandersetzt, widmen sich die Sozialwissenschaften den gesell-schaftlichen Funktionszusammenhängen, dem Zusammenleben der Menschen und deren Interaktionen.