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II. Perspektivische Klärung von Gender (Eva Schirmetz & Magdalena

1. Der Blickwinkel – Geschlecht aus verschiedenen Perspektiven (Eva Schirmetz) 17

1.2. Geschlecht als biologische Determination

Die Biologie ist einer der größten Bereiche in der Thematik Geschlecht. In der Gesellschaft werden Frauen und Männer immer auf der Basis von biologischen, natürlichen Gesetzmäßigkeiten entweder als Frau oder Mann festgeschrieben. Wir Menschen gehen nämlich davon aus, dass es nur zwei Geschlechter gibt. Doch die Geschlechterfrage ist viel komplizierter als angenommen wird. Denn wenn man männliche und weibliche Individuen aufgrund von sozialen Rollen definiert, stellt man fest, dass es keine klare Dichotomie gibt. Individuen können nämlich auch zwischen typisch männlich und typisch weiblich liegen. Im Sozialverhalten zeigen diese Individuen eine Mischung aus maskulinen und femininen Merkmalen. Wird nach dieser Auffassung vorgegangen, kann „Frau“ und „Mann“ nur als Endpunkt eines Kontinuums gesehen werden und nicht als getrennt. Biologisch gesehen stellt Geschlecht jedoch eine klare Dichotomie dar – Frauen besitzen Ovarien und produ-zieren Eizellen und Männer besitzen Hoden und produprodu-zieren Sperma. Dies zeigt auf, dass Frauen und Männer bestimmte biologische, anatomische Unterschiede aufweisen (vgl. Lautenbacher/Güntürkün/Hausmann 2007, S. 20). Das biologische oder anatomische Geschlecht wird auch als „sex“ bezeichnet, welches bei der Geburt festgestellt oder zugewiesen wird. Sobald die Geschlechterzuweisung abge-schlossen ist, wird klar, dass sich die beiden Geschlechter in vielen Hinsichten unterscheiden (vgl. Queer Lexikon 2014, o. S.).

In der Biologie werden vier Kategorien der biologischen Geschlechterdifferenzierung unterschieden, das chromosomale, gonadale, hormonale und morphologische Ge-schlecht. In jeder dieser Kategorien werden wir Menschen als weiblich oder männlich

20 eingestuft. Der Mensch besitzt 23 Chromosomenpaare, 22 davon bestehen aus gleichen Chromosomen. Das 23. Chromosomenpaar wird als Gonosom also als Geschlechtschromosom bezeichnet. Das chromosomale Geschlecht hängt also davon ab, ob die Gonosomen aus zwei X-Chromosomen (Frau) oder aus je einem X- und einem Y-Chromosom (Mann) besteht. Es kann aber auch zu Abweichungen vom normalen Gonosomensatz kommen, die zu körperlichen Störungen führen können (vgl. Christiansen 1995, S. 17f.). Das gonadale Geschlecht beim Menschen bezieht sich auf die Ausbildung der Keimdrüsen (Gonaden). In der frühesten Entwicklungs-phase wird bei beiden Geschlechtern die gleiche embryonale Anlage für die Geschlechtsorgane gebildet. Erst im Laufe der Entwicklung wird festgestellt, ob diese in die weibliche oder männliche Richtung führt. Beim Menschen besteht die Tendenz zur Entwicklung eines weiblichen Individuums. Für die Entwicklung eines männlichen Individuums müssen zwei Genprodukte hinzukommen, sodass eine Abwandlung stattfindet. Das erste Genprodukt wird TDF (Tesis-determinierender Faktor) genannt.

Dieser Faktor bewirkt eine Umwandlung der sich ansonsten entwickelnden Eier-stöcke in die männliche Richtung. Die Entscheidung zwischen Eierstock und Hoden fällt in der siebten Schwangerschaftswoche. Zweites Genprodukt sind zwei Stoffe, die die männliche Entwicklungsrichtung des gesamten übrigen Körpers veranlassen.

Der Oviduktrepressor unterdrückt die Entwicklung der Müllerschen Gänge zu Eileitern und Gebärmutter und der andere Stoff, Testosteron, verursacht die Differen-zierung der Wolffschen Gänge zu Nebenhoden und Samenleitern. Das Testosteron bewirkt außerdem die Ausprägung der äußeren primären und sekundären Ge-schlechtsmerkmale. Die Wirksamkeit des Testosterons wird von dem zweiten Gen, das sich auf dem X-Chromosom befindet, gesteuert (vgl. Christiansen 1995, S. 18ff.).

Das hormonale Geschlecht hängt von den Geschlechtshormonen ab. Es gibt drei Arten von Hormonen: Östrogene, Gestagene und Androgene. Sowohl bei Frauen als auch bei Männern kommen diese Hormone im Blut vor, allerdings in unterschied-lichen Konzentrationen. Daher stammen auch die Klassifikationen in weibliche und männliche Geschlechtshormone. Bei Frauen liegt der Wert von Progesteron höher als der von Männern (0 – 12,6 zu 0,05 – 0,22 Nanogramm/Liter). Der Wert von Tes-tosteron liegt bei den Männern höher als bei Frauen (2,1 – 10,9 zu 0,08 – 0,8 Nano-gramm/Milliliter). Daher kann Progesteron als weibliches und Testosteron als männliches Hormon gesehen werden (vgl. Christiansen 1995, S. 21). Die vierte Variable der biologischen Geschlechterunterschiede bezieht sich auf das

morpho-21 logische Geschlecht. Während die vorigen Geschlechterunterschiede uns nicht direkt auffallen oder augenscheinlich sind, werden die morphologischen Unterschiede in der Erscheinung von Mann und Frau wahrgenommen. Erst durch das gesamte äußere Bild eines Menschen, also durch viele morphologische Merkmale, können wir sagen, ob der jeweilige Mensch eine Frau oder ein Mann ist. In manchen Fällen kann es auch vorkommen, dass das Geschlecht nicht genau definiert werden kann (vgl.

Christiansen 1995, S. 22). Das morphologische Geschlecht bezieht sich also auf die inneren und äußeren Geschlechtsmerkmale – die durch die fetale Hormonaus-schüttung bestimmt werden – sowie auf den Körperbau, die Muskel- und Fettver-brennung usw. (vgl. Kolip 1997, S. 65). Besonders auffällig sind die äußeren Geschlechtsmerkmale, die Buben bzw. Männer haben einen Penis und Hoden, während Mädchen bzw. Frauen eine Vagina haben. Im Zuge der Geschlechtsreife erkennt man das Geschlecht auch an der flachen Brust des Mannes und an der weiblichen Brust der Frau (vgl. Lautenbacher et al. 2007, S. 21). In der anfänglichen Entwicklungsphase der Mädchen und Buben sind die Mädchen den Buben in der Entwicklung voraus. Obwohl Mädchen meist kleiner und leichter als gleichaltrige Buben sind, lässt dies aber auf keinen Entwicklungsrückstand schließen. Trotz kleinerer Körpermaße sind Mädchen in der Säuglings- und Kleinkindphase weiter entwickelt als die Buben. Auch die Pubertät setzt bei den Mädchen früher ein. Bei den Buben dauert der Wachstumsschub aber länger an und ist intensiver als der der Mädchen, was im Erwachsenenalter zu Geschlechterunterschieden im Körperbau führt (vgl. Christiansen 1995, S. 22f.).

Abgesehen von diesen Merkmalen gibt es noch viele andere Differenzen, die männliche Individuen von weiblichen Individuen biologisch unterscheiden. Doch sind diese weiteren Unterschiede, wie Körperbau, Körpergröße, Haarwuchs oder Muskel-masse bzw. Fettverbrennung sehr unterschiedlich ausgeprägt. Diese Unterschiede sind meist klein und nicht dichotom. Man kann das Geschlecht daher nicht anhand der Körpergröße feststellen, da es Frauen gibt, die größer sind als manche Männer.

Es gibt also viele Ursachen, warum sich Frauen und Männer in Körperbau, Verhalten und anderen Merkmalen unterscheiden, zurückzuführen ist dies auf die Evolution.

Denn Unterschiede entwickeln sich, wenn sie für beide Geschlechter einen Nutzen bzw. Vorteil bringen (vgl. Lautenbacher et al. 2007, S. 21f.). Wie vorher schon erwähnt, weisen wir Menschen, egal ob Frau oder Mann biologische Unterschiede auf. Frauen und Männer haben unterschiedliche innere und äußere Genitalien, einen

22 unterschiedlichen Körperbau, unterschiedliche Hormonwirkungen usw. Diese Geschlechterunterschiede können auf die unterschiedliche Wirkung und Ausprägung der beiden Chromosomen X und Y zurückgeführt werden. Unser biologisches Geschlecht spielt also eine wichtige Rolle im Leben eines Menschen (vgl. Blank-Mathieu 1999, o. S.).

„Geschlechterunterschiede haben sich entwickelt, weil männliche und weibliche Lebewesen bei der Fortpflanzung und im dazugehörigen Sozialverhalten unterschiedliche Rollen einnehmen und daher unterschiedliche Gehirnstruk-turen benötigen, um ihre jeweiligen Rollen zu spielen. Wahrscheinlich gibt es aber auch einige Geschlechtsunterschiede, die keine funktionellen Vorteile bieten, sondern lediglich Nebenwirkungen anderer Geschlechtsunterschiede darstellen, die aufgrund ihrer Vorteile selektiert wurden“ (Lautenbacher et al.

2007, S. 37).

Im Großen und Ganzen kann gesagt werden, dass Frauen und Männer in ihrer spezi-ellen Biologie zu trennen sind und unterschiedliche Merkmale aufweisen. Diese biologischen naturgegebenen Gesetzmäßigkeiten bestimmen allerdings nicht, wie Mann oder Frau sein/ihr soziales Leben gestaltet. Die Merkmale, die heute im Alltag verwendet werden, um Mann und Frau zu unterscheiden, kommen aus anderen Bereichen. Weitere Trennungsgründe der Geschlechter entstehen aus dem emo-tionalen Teil des Menschen. Denn durch die Wahrnehmung der Menschen können Probleme und Ungerechtigkeiten im Bereich Geschlecht entstehen.