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4. Die Charakteristika der Bibliotheksgesetze

4.2 Das Gesetz über Bibliotheken vom 9. April 1968

4.2.2.3 Die Ressortstruktur des landesweiten Bibliotheksnetzes

Der dritte Abschnitt bezog sich auf das landesweite Bibliotheksnetz (ogólnokrajowa sieć biblioteczna) und die innerhalb dieses Netzes eingeführten Ressort-Bibliotheksnetze (resor-towe sieci biblioteczne) (Art. 12 und 13). Das aus den staatlichen Bibliotheken47 und den Bibliotheken der Polnischen Akademie der Wissenschaften und ihrer Einrichtungen bestehen-de lanbestehen-desweite Bibliotheksnetz konnte um anbestehen-dere Bibliotheken erweitert werbestehen-den (Art. 12 Abs.

3). Die staatlichen Bibliotheken, welche unter der Obhut eines Ministers standen, bildeten das Ressort-Bibliotheksnetz. Die an das landesweite Bibliotheksnetz angeschlossenen Bibliothe-ken waren zur Zusammenarbeit in den Bereichen Erwerbung, Erschließung, Aufbewahrung, Vermittlung des Bibliotheksbestandes und der beruflichen Weiterbildung verpflichtet (Art. 12 Abs. 4). Darüber hinaus waren sie zu gegenseitigem Tausch oder kostenloser Abgabe von entbehrlichen Bibliotheksmaterialien untereinander aufgefordert (Art. 14 Abs.1). Lediglich die nicht benötigten Bibliotheksmaterialien durften verkauft werden (Art. 14 Abs. 2). Selten benutzte Bibliotheksmaterialien konnten in Speicherbibliotheken aufbewahrt werden (Art. 13 Abs. 2). Je nach Aufgaben gab es folgende Bibliothekstypen: wissenschaftliche (naukowe) Bibliotheken, Fachbibliotheken (biblioteki fachowe), Schulbibliotheken (biblioteki szkolne), pädagogische (pedagogiczne) Bibliotheken, öffentliche48 (publiczne) Bibliotheken und andere (Art. 13 Abs. 1). Eine Bibliothek konnte die Aufgaben von zwei oder mehreren Bibliotheksty-pen erfüllen (Art. 13 Abs. 3). Bibliotheken, die dem Netz der technischen und ökonomischen Information angehörten, mussten die Bestimmungen des landesweiten Bibliotheksnetzes be-achten (Art. 13 Abs. 4). Die Benutzung der Bibliotheken sollte kostenlos sein (Art. 15 Abs. 1).

Die Benutzungsordnung konnte aber für bestimmte Dienstleistungen (Kaution, Entschädigung oder Kostenrückerstattung) Gebühren festlegen (Art. 15 Abs. 3). Das Bibliotheksgesetz führte somit erstmals die generelle Regelung der kostenfreien Nutzung der Bibliotheken des

47 Zu den staatlichen Bibliotheken gehören unterschiedliche Bibliothekstypen, auch Fachbibliotheken.

48 Die Mehrdeutigkeit des Begriffs „öffentliche Bibliotheken“ wirkt sich auch im polnischen Bibliothekswesen nachteilig aus. Während das Dekret öffentliche Bibliotheken als Bibliotheken in der Trägerschaft des Staates oder anderer öffentlich-rechtlicher Verbände definiert, umfasst der Begriff „öffentliche Bibliotheken“ im Bibliotheksgesetz von 1968 nur noch die öffentlichen allgemeinen Bibliotheken.

weiten Bibliotheksnetzes ein (Biliński 2014). Der Minister für Kultur und Kunst sollte im Einvernehmen mit dem Vorsitzenden des Komitees für Wissenschaft und Technik, den zu-ständigen Ministern und der Polnischen Akademie der Wissenschaften die Leitlinien für die Bibliotheken des landesweiten Bibliotheksnetzes festlegen und deren Anwendung beaufsich-tigen. Die Leitlinien umfassten: „1. die Spezialisierung der Bestände an Bibliotheksmateria-lien, 2. den Austausch von entbehrlichen Bibliotheksmaterialien unter den Bibliotheken, ihre Abgabe und ihren Verkauf, 3. die Sicherung und Aufbewahrung der Bibliotheksmaterialien, 4.

die Koordinierung der bibliografischen und Auskunftstätigkeit, 5. die Fernleihe und die Füh-rung von Zentralkatalogen, 6. das Sammeln und Archivieren von Bibliotheksmaterialien, die in Polen sowie im Ausland in polnischer Sprache erschienen sind oder Polen betreffen, 7. die Berichterstattung der Bibliotheken, 8. die Normierung und Rationalisierung und besonders die Einführung des technischen Fortschritts in die Bibliotheksarbeit, 9. die Qualifizierung und berufliche Weiterbildung der bibliothekarischen Mitarbeiter“ (Art. 16).

4.2.2.4 Die speziellen Aufgaben der einzelnen Bibliothekstypen und ihre Organisation Die Abschnitte vier bis sieben beinhalteten Bestimmungen über die Aufgaben und die Organi-sation der jeweiligen Bibliothekstypen, und zwar der wissenschaftlichen Bibliotheken, Fach-bibliotheken, Schulbibliotheken und pädagogischen Bibliotheken sowie öffentlichen Biblio-theken (Art. 17 - 28). Detailliert ging das Bibliotheksgesetz auf die öffentlichen BiblioBiblio-theken ein. Die rechtlichen Regelungen der öffentlichen Bibliotheken unterlagen im Vergleich zum Dekret den größten Änderungen (Biliński 2014). Denn es änderte sich der Organisator der Bibliotheken. Neben dem Auftrag der Bibliotheken wurden auch die Verpflichtungen der Prä-sidien der Volksräte für die Einrichtung, Unterhaltung und Gewährleistung der Funktion die-ser Bibliotheken bestimmt (Art. 24 und Art. 23). Die Verpflichtung der Präsidien der Volksräte ging mit der Liquidierung der selbstverwaltenden Verbände einher (Biliński 2014). Der Wir-kungsbereich der öffentlichen Bibliotheken sollte ähnlich wie im Dekret der administrativen Gliederung des Staates entsprechen, wenn nicht kommunikationsmäßige, demografische, to-pografische und andere Aspekte dem widersprochen hätten (Art. 25). Diese Regelung zog diverse Änderungen in der Organisation des öffentlichen Bibliotheksnetzes nach sich (Biliński 2014). Die Bibliotheken waren verpflichtet, ihren Bestand auszuleihen und die Lesesäle mit Handbüchern, Zeitschriften und akustischen und visuellen Hilfen einzurichten. Bei Bedarf sollten diese Bibliotheken Bibliotheksfilialen, mobile Bibliotheken und Ausleihstellen

eröff-nen (Art. 26). Sie sollten den Bedarf an bibliothekarischen Dienstleistungen in Krankenhäu-sern und anderen geschlossenen Einrichtungen des Gesundheitsdienstes und der Sozialfürsor-ge sichern (Art. 28). Das Netz der öffentlichen Bibliotheken sollte für den BürSozialfürsor-ger so organi-siert sein, dass die Versorgung mit nutzerorientiert angeschafften Bibliotheksmaterialien und der Zugang zu unentbehrlicher Literatur für das Selbststudium, zur kulturellen Entwicklung und zur Nutzung der Auskunftsdienste gewährleistet waren (Art. 27). Wenig Beachtung im Gesetz fanden die Fach-, Schul- und pädagogischen Bibliotheken. Die Bestimmungen be-schränkten sich auf den zu erfüllenden Auftrag dieser Bibliotheken (Art. 21 und Art. 22). Mit Art. 21 Abs. 2 wurden Vorschriften zu den Fachbibliotheken eingeführt, nach denen die zu-ständigen Minister Bibliotheken mit der Verpflichtung bestimmen sollten, denjenigen Fach-bibliotheken methodische und bibliografische Hilfestellung zu erteilen, die dem Netz der technischen und ökonomischen Information nicht angehörten. Die Bestimmungen des vierten Abschnitts bezogen sich auf wissenschaftliche Bibliotheken. Die wissenschaftlichen Biblio-theken erfuhren in dem Gesetz weitaus mehr Beachtung als im Dekret. Neben dem Auftrag regelte es auch die Aufgaben dieses Bibliothekstyps (Art. 17 Abs. 1 und Abs. 2). Das Gesetz legte fest, welche Bibliotheken dem Kreis der wissenschaftlichen Bibliotheken angehören bzw. möglicherweise angehören sollten (Art. 17 Abs. 3). Es sah die Erstellung eines Plans zur Spezialisierung der Bibliotheksbestände und die Ernennung von Zentralbibliotheken, denen bestimmte Wissensgebiete zugewiesen werden, vor (Art. 19). Vorgesehen war auch die Be-nennung von Bibliotheken, die „zur Ausübung einer wissenschaftlichen und auf die praktische Dienstleistung ausgerichteten Forschungsarbeit zwecks Entwicklung des Bibliothekswesens, der Leserschaft und der Weiterbildung der Bibliotheksmitarbeiter verpflichtet sind“ (Art. 20).

Artikel 18 war der Nationalbibliothek gewidmet, die als „zentrale Bibliothek des Staates“

(Abs. 1) eine Reihe von Aufgaben und Pflichten zu erfüllen hatte (Abs. 4 und 5). Neben den für eine Nationalbibliothek obligatorischen Aufgaben, wie „der Bewahrung des polnischen Schrifttums sowie des Polen betreffenden Schrifttums“ (Abs. 4, Pkt. 1) und „das Führen der Nationalbibliografie“ (Abs. 4, Pkt. 2) war sie verpflichtet „die Tätigkeiten der Bibliotheken des landesweiten Bibliotheksnetzes auf dem Gebiete zu koordinieren und zu vervollkommnen, das sich aus den Bestimmungen des Art. 16, Ziffer 1 und des Art. 20 ergibt“ (Abs. 4, Pkt. 3) und „die Bibliothekswissenschaft, Buchkunde und verwandten Fachdisziplinen zu entwickeln“

(Abs. 4, Pkt. 4). Darüber hinaus sollte die Nationalbibliothek wissenschaftliche und der Praxis dienende Forschungen durchführen (Abs. 5). Art. 18 legte des Weiteren fest, dass die Natio-nalbibliothek eine Institution mit eigener Rechtspersönlichkeit war (Abs. 2), über die der

Mi-nister für Kultur und Kunst die Aufsicht ausübte (Abs. 3). Der MiMi-nister hatte ein Statut, in dem die Organisation und der genauere Tätigkeitsbereich festgelegt sind, zu erlassen (Abs. 7).

Der Wissenschaftliche Beirat der Nationalbibliothek als beratendes Organ (Abs. 6) sollte auch in Angelegenheiten der Beschäftigung von wissenschaftlichen Mitarbeitern in den dazu be-rechtigten Bibliotheken ohne Wissenschaftlichen Beirat beratend tätig werden (Art. 30 Abs.

3).