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4. Die Charakteristika der Bibliotheksgesetze

4.1 Das Dekret über Bibliotheken und die Betreuung von Bibliotheks-

4.1.2 Die wesentlichen Regelungen

4.1.2.2 Das Ziel des Netzkonzepts und die zentralen Organe

bibliotek publicznych) ein, die „durch den Staat oder durch andere öffentlich-rechtliche Ver-bände unterhalten werden“ mit dem Ziel „der Durchführung einer einheitlichen Kultur mit-hilfe des Buches und der Bibliothek sowie dem Ermöglichen der Nutzung aller Bibliotheksbe-stände des Staates für jeden Staatsbürger“ (Art. 2 Abs. 1). Damit die Einheitlichkeit der Akti-on erreicht werden kAkti-onnte, wurde die Leitung dem Bildungsminister anvertraut (Grycz 1946a, S. 49). Aus diesem Grund erhielt er auch die Befugnis, Bibliotheken außerhalb des Netzes in das landesweite Netz öffentlicher Bibliotheken einzubinden (Grycz 1945, S. 4). Nach Art. 2 Abs. 2 konnte der Bildungsminister gesellschaftliche und private Bibliotheken mit dem Ein-verständnis der Eigentümer in das Netz aufnehmen. Ohne EinEin-verständnis der Eigentümer konnte der Bildungsminister anordnen, dass gesellschaftliche oder private wissenschaftliche Bibliotheken ganz oder teilweise in das Netz aufgenommen wurden. Er konnte in Ausnahme-fällen private und häusliche Bibliotheken auf Antrag des Staatlichen Bibliotheksbeirats (Państwowa Rada Biblioteczna) hin übernehmen und sie bei Bildungs- und Forschungsein-richtungen in Form eines Depots hinterlegen, soweit Bildung und Lehre dies erforderten. Im Namen der Wissenschaft sollte Grycz zufolge auf diese Weise dem Forschenden stets der Zu-gang zum Wissen ermöglicht werden, wobei die Abgabe in Form eines Depots die absolute Ausnahme bilden sollte. Die Gefahr des Missbrauchs sah er nicht. (Grycz 1946a, S. 49–50) Keine Anwendung fand diese Vorschrift, wenn die Bibliothek dem Eigentümer als Arbeits-platz diente. Die in das Netz eingebundenen Bibliotheken sollten „dem öffentlichen Wohl und Nutzen durch Sammeln, Sichern, Bearbeiten und zur Verfügungstellen ihrer Bestände“ unmit-telbar oder durch Austausch von Büchern zwischen den einzelnen Bibliotheken dienen, und

zwar auf der Grundlage und im Rahmen der Vorschriften, welche in dieser Hinsicht von dem Bildungsminister erlassen werden sollten (Art. 2 Abs. 3).

Das Dekret stattete den Bildungsminister mit weiteren Rechten aus. Er war mit der Aufsicht und Betreuung jeglicher Bibliotheken und Bibliotheksbestände betraut und demzufolge hatte er die Pflicht, das Netz der öffentlichen Bibliotheken festzulegen, „allgemeine Richtlinien zur Organisation und Funktionsweise dieser Bibliotheken und ihrer Zusammenarbeit“ herauszu-geben und die „Qualifikationen“ für das Amt des Bibliothekars in einer „öffentlichen Biblio-thek“ oder einer wypożyczalnia dochodowa zu bestimmen (Art. 3). Zusätzlich sollte der Bildungsminister Bibliotheken staatlicher und selbstverwaltender Behörden und Institute, die nicht zum Bibliotheksnetz gehörten, im Bereich der Bibliothekstechnik und der fachlichen Bedienung der Bibliotheken betreuen (Art. 14 Abs. 3). Der Bildungsminister konnte den nicht vom Bibliotheksnetz umfassten Bibliotheken Beihilfen oder Subventionen aufgrund ihres wissenschaftlichen oder Massencharakters zur Verfügung stellen. Er konnte diese Bibliothe-ken verpflichten, die Funktionen öffentlicher BibliotheBibliothe-ken zu erfüllen (Art. 14 Abs. 2).

Das Netzkonzept sah Grycz insbesondere als nützlich für eine effiziente Koordinierung der allgemeinen Bedarfe und Möglichkeiten im Bereich des Lesewesens an. Eine zielgerichtete Verwendung der hierfür eingesetzten finanziellen Mittel und der vorhandenen Bibliotheksbe-stände standen aber ebenfalls im Vordergrund. (Grycz 1946a, S. 49)

Als Beratungsorgane sollten der Staatliche Bibliotheksbeirat unter dem Bildungsminister und woiwodschaftliche42, auf Kreis- und Gemeindeebene wirkende (ländliche und städtische) Bibliothekskomitees unter lokalen Nationalräten (Rady Narodowe)43 (woiwodschaftlichen,

42 Die Bibliotheken einer Woiwodschaft werden in der Studie als Woiwodschaftsbibliotheken wiedergegeben. Da województwo mit einem Regierungsbezirk vergleichbar ist, werden die Woiwodschaftsbibliotheken manchmal als Bezirksbibliotheken oder Kreisbibliotheken übersetzt (Stowarzyszenie Bibliotekarzy Polskich 2011, S. 42). Um der Verwechslungsgefahr mit Kreisbibliothek (biblioteka powiatowa) aus dem Weg zu gehen, bevorzugt die Autorin die wörtliche Übersetzung.

43 Die immer größer werdende Bedeutung der im Statut des Landesnationalrates vom 31. Dezember 1943/1.

Januar 1944 vorgesehenen territorialen Nationalräte wirkte sich auch auf die Bibliotheken in Polen aus. Der Zuständigkeitsbereich der Nationalräte beschränkte sich zunächst gemäß Gesetz über die Organisation und den Tätigkeitsbereich der Nationalräte vom 11. September 1944 (Dz. U. von 1944 Nr. 5, Pos. 22) auf Selbstverwaltungsaufgaben. Kraft des Gesetzes über die territorialen Organe der einheitlichen Staatsgewalt vom 20. März 1950 (Dz. U. von 1950 Nr. 14, Pos. 130) gingen die Aufgaben der bisherigen Verwaltungsbehörden von Woiwoden (mit einem Regierungspräsidenten vergleichbar), Starosten (mit einem Landrat vergleichbar) und Gemeindevorstehern auf die bestehenden Nationalräte der einzelnen Verwaltungsebenen über. Die Erweiterung des Zuständigkeitsbereichs der Nationalräte in wirtschaftlicher Hinsicht erfolgte durch das Gesetz über die Nationalräte vom 25. Januar 1958 (Dz. U. von 1958 Nr. 5,

auf Kreis- und Gemeindeebene wirkenden oder städtischen) berufen werden (Art. 4 Abs. 1).

Die weiteren Bestimmungen des Artikels 4 betrafen das Berufungsverfahren, die Organisation und den Aufgabenbereich dieser Beratungsorgane. Der Staatliche Bibliotheksbeirat sollte vom Präsidium des Landesnationalrates ernannt werden, und zwar auf Vorschlag des Bildungsmi-nisters im Einvernehmen mit dem Präsidenten des Ministerrates aus dem Kreis aller Personen, die durch die folgenden Institutionen und Organisationen vorgeschlagen werden sollten:

„1. wissenschaftliche Vereine, 2. Bildungsvereinigungen, 3. Bibliotheken verschiedener Typen, 4. Forschungsinstitute, 5. Gewerkschaften von Lehrern, 6. Vereine der Bibliothekare, 7. woi-wodschaftliche Bibliothekskomitees, 8. Verlage und Buchhandlungen, 9. Gewerkschaften der Literaten und Schriftsteller, 10. zentrale Gewerkschaften der Industrie, Landwirtschaft und Arbeiterschaft“ (Abs. 2). Mit einer Beratungsfunktion sollten an dem Staatlichen Biblio-theksbeirat Vertreter des Bildungsministeriums, des Ministeriums für Kultur und Kunst sowie des Ministeriums für Information und Propaganda teilnehmen (Abs. 2). Zu seinen Aufgaben-bereichen sollten gehören: „1. das Untersuchen des Bedarfs an bibliothekarischer Tätigkeit und Leserschaft im ganzen Staat und das Stellen von Anträgen in dieser Sache an den Bil-dungsminister, 2. das Bewerten von Gesetzesvorhaben und anderen allgemeinen Normativan-ordnungen im Bibliotheks- und Lesewesen im Auftrag des Bildungsministers, 3. das Einbrin-gen von GesetzesvorschläEinbrin-gen in BibliotheksangeleEinbrin-genheiten, 4. das Lösen von Problemen aus Einsprüchen gegen Entscheidungen der woiwodschaftlichen Bibliothekskomitees“ (Abs. 3).

Die woiwodschaftlichen, auf Kreis- und Gemeindeebene wirkenden Bibliothekskomitees soll-ten von den entsprechenden lokalen Nationalräsoll-ten auf Vorschlag der zuständigen Schulorgane aus dem Kreis der Personen derselben Institutionen wie der Staatliche Bibliotheksbeirat, allerdings der entsprechenden Ebene, also die in der Woiwodschaft, den Kreisen und den Ge-meinden tätigen Institutionen, ernannt werden. Zu den grundlegenden Aufgaben der Biblio-thekskomitees sollte das Überwachen der Tätigkeit und der Entwicklung der allgemeinen Bibliotheken und der Schulbibliotheken (biblioteki szkolne) und des Lesewesens, die Koordi-nation der Tätigkeit dieser Bibliotheken sowie die Beurteilung des benötigten Bibliotheks-budgets gehören (Abs. 4 bis 7).

Pos. 16). Mit der Liquidierung der Selbstverwaltungsorgane änderte sich der Status der öffentlichen allgemeinen Bibliotheken und zwar von kommunalen (samorządowe) zu staatlichen (państwowe). Damit änderte sich auch der Organisator der öffentlichen Bibliotheken im Bibliotheksgesetz von 1968.

Auf diese Weise sollte eine einheitliche Bibliothekspolitik im Land etabliert werden. Grycz war überzeugt, dass eine einheitliche Bibliothekspolitik nur dann gelingen kann, wenn sie gemeinsam durch den Staat, die Selbstverwaltungsverbände und die Gesellschaft gestaltet wird. (Grycz 1946a, S. 50)

Gründen und leiten konnte eine Bibliothek jede volljährige natürliche Person, der die Bürger-rechte nicht entzogen worden waren, sowie auch eine juristische Person, sofern die Bedin-gungen aus Abs. 1 des Artikels 5 erfüllt wurden (Art. 5 Abs. 3). Gemäß Art. 5 Abs. 1 sollte die Bibliothek registriert sein und einen Bücherbestand aufbauen, welcher den Zielen der Biblio-thek entsprach und dem Bedarf und den Interessen der Leser der Umgebung angepasst war.

Sie sollte ein auf die Arbeit mit Buch und Leser vorbereitetes Personal haben und einen jährli-chen Bericht über die Tätigkeit der Bibliothek ablegen.