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Zwischenbilanz: Partizipation und nicht Teilhabe?

Artifi cial Intelligence Jack McDevitt

6.4 Zwischenbilanz: Partizipation und nicht Teilhabe?

Eine in der jüngsten Zeit gemachte Beobachtung ist, dass sich der kognitive Surplus zwar auch in P2P-Netzwerken, aber auch in kommerziellen Plattformen der vormaligen ‚Shared Economy‘, die man nun treffender ‚Rental Economy‘ bezeichnen müsste, materialisiert.

Viele dieser Plattformen werden als Start-ups gegründet, die wendig und fl exibel disrupti-ve Innovationen disrupti-verfolgen und diese kommerzialisieren wollen. Damit entfernt sich die ur-sprüngliche Idee der P2P-Plattformen weiter von ihrem Idealbild: Selbst wenn es gelingt, im Rahmen dieser kommerziellen Plattformen weiterhin P2P-Mechanismen anzuwenden, so limitieren die gewählten traditionellen gesellschaftsrechtlichen Formen (GmbH, AG

…) jegliche Teilhabe der Peers an den Plattformen oder Unternehmen:

„Walk into the offi ces of a leading tech company, and one might think that the egalitarian utopia has arrived. Developers scooter around on open fl oor-plans, choosing how to spend their time in ever-evolving project groups. They talk about ‚do-ocracy‘ and ‚holacracy‘.

Internet culture has taught us a lot about working collaboratively. But – except for some stock options here and there – this utopia doesn’t extend to ownership or control. In the end, the company’s purpose is to maximize profi ts for investors who may or may not have any re-lationship to what it actually does in the world. The Internet’s equalizing front-end obscures a depressingly familiar back-end business model.” (Schneider 2015)

155 Dies geht soweit, dass die Plattform nun auch die Arbeitserledigung durch entsprechende Pro-gramme überwachen kann (z.B. Hivedesk.com). Damit wird das Prinzip der Selbststeuerung endgültig verdrängt.

Diese Entwicklung muss nicht überraschen. Selbst bei den Plattformen, die sich etwa als eine Genossenschaft eignen würden, weil Peers hier eigene Werte mit einbringen (Autos, Wohnung), scheinen mehr auf Teilhabe ausgerichteten Organisationsformen nicht ziel-führend zu sein. Dies hat mit der herausragenden Rolle der Gründer zu tun, die für ihre Ideen Wagniskapital aufnehmen müssen und so bei der Umsetzung die entsprechenden Regeln bei der Kapitalakkumulation berücksichtigen müssen. Zudem sind herkömmliche P2P-Netzwerke jenseits der bekannten Erfolgsgeschichten oftmals nicht kundenorientiert genug und partizipative Strukturen zu langsam:

„Of course, the question remains, why is Uber not a coop? In principle, it would be the per-fect model for a worker coop: a piece of software owned by drivers around the world that helped them do their work better with the costs and surplus or profi ts shared. In reality, it re-quired the high-risk VC (Venture Capital) environment to fi nance and build such an innova-tive and disrupinnova-tive piece of software. Public agencies, NGOs, social enterprises and coops do not have a strong track record building innovative technology. Even the great and successful collaboratively made pieces of technology – from within the open source community – are regularly criticised for not having a great user interface. Open source exceptions to this, such as Wordpress, are run as private, profi t-making companies.” (Wistreich 2015)

Damit hat die Materialisierung des kognitiven Überschusses als P2P-Kollaboration oder als Start-up einen Reifegrad erreicht, der eine Zwischenbilanz möglich macht.

Die aus einer Freizeitbewegung heraus entstandenen P2P-Kollborationen der Peers haben einen ungeahnten Effekt auf Unternehmen gehabt: Zum einem versuchen Unter-nehmen diese Managementprinzipien für sich zu nutzen und ihre Hierarchie mit Elemen-ten der Netzkollaboration und Selbststeuerung zu modifi zieren. Vielen Unternehmen ist es auch bereits gelungen, eine direkte Brücke zu den Peers zu bauen und die Crowd in ihre Wertschöpfung zu integrieren. Hierbei verwendet man verschiedene Plattformen, die von Entrepreneuren aufgebaut wurden, um die Kollaboration zwischen den vernetzten Peers und der Hierarchie einfacher und schneller zu bewältigen. Und diese Plattformen gehen nun auch einen Schritt weiter und agieren als direkte Konkurrenten traditioneller Unternehmen. Erstaunlich ist bei dieser Entwicklung, dass viele dieser Plattformen wieder herkömmliche Gesellschaftsformen nutzen, die wenig mit dem partizipativen Gedanken der Peer-Kollaboration zu tun haben. Zwar agieren viele dieser Plattformen nach wie vor als eine Art P2P-Kollaboration und verwenden deren Grundprinzipien und viele Peers sehen selbst in den kommerziellen Plattformen nach wie vor neutrale Schnittstellen zu den Unternehmen, die emanzipatorischen Ansprüche der P2P-Kollaboration lassen sich so allerdings kaum mehr realisieren.156 Diese Widersprüche scheinen nur deshalb noch nicht virulent zu sein, weil viele Peers diese Plattformen nach wie oft noch nicht als alleinigen Lebensunterhalt nutzen und deshalb die kommerziellen Strukturen noch kaum

hinter-156 Ein guter Überblick zu Beispielen genossenschaftlichen Plattformstrukturen findet sich in Scholz (2016: 14ff).

fragen.157 Dort, wo Crowdworker bereits länger tätig sind, kommt es aber auch bereits zu einer ersten Thematisierung dieser Widersprüche:

“As these workers become engaged on the platform for longer periods of time, they wish more for opportunities of advancement or perks that come with seniority, such as primary access to tasks. Many seasoned workers provide valuable and frequently uncompensated ser-vices for the platform, such as coaching newcomers, helping requesters improve task designs, and identifying violations of platform norms. Some even design and maintain forums and custom feedback software. At present, the platform provider does not recognize these forms of community engagement and support. In fact, the platform provider appears disinterested in facilitating community-building, bonding among users and the creation of social capital.“

(Bucher/Fieseler/Hoffmann 2015: 21)

Scheinbar müssen nun die Peers in den kommerzialisierten Plattformen ihre erzwunge-ne Isolation durch die Plattformeigerzwunge-ner und deren Algorithmen erst durchbrechen. Dies gelingt oftmals nur, indem wieder eigene Schattenorganisationen aufgebaut werden, die Peers gegenüber den Plattformeignern vertreten.158 In dem Ausmaß, in dem die Plattfor-men wieder wie herkömmliche UnternehPlattfor-men geführt werden, kehren auch ursprüngliche Probleme der Hierarchie zurück. Partizipative Arbeitsformen bedeuten nicht automatisch auch Teilhabe. Diese kann nur über entsprechende Gesellschaftsformen verankert werden, und genau diese Diskussion oder eher das Fehlen dieser Diskussion scheint eine Weiter-entwicklung der P2P-Plattformen zu behindern.

An diesem Punkt nun, der die Konfl ikte zwischen der Selbstorganisation im Zuge der Kooptation durch das bestehenden Systeme aufzeigt, erscheint es sinnvoll, die Diskussion über die Effekte der P2P-Kollaboration auch auf die politische Sphäre auszuweiten.

157 Selbst bei Amazon Mechanical Turk, stehen etwa noch Gründe wie Lernen, Kennenlernen neuer Kollegen im Vordergrund (Bucher/Fieseler 2015: 71).

158 Vgl. hier etwa den Arbeitskampf der Uber-Fahrer in den USA. Diese gründeten eine eigene Plattform (CADA), die sie gegenüber den Uber-Eigentümern vertreten sollte. Im Verlauf der ersten Arbeitsauseinandersetzungen kam es zu einer Kooperation zwischen der CADA und der Transportgewerkschaft (Teamsters). Nachdem sich das Management von Uber geweigert hatte, mit den CADA-Vertretern zu verhandeln, gingen diese eine Assoziierung mit den Teamsters ein, um ihren Forderungen Gewicht zu verleihen. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stand die niedrige Vergütung der Fahrer, die die Kosten für die Instandhaltung ihrer Fahr-zeuge, für Kraftstoffe und Versicherungen selber tragen müssen, während Uber die Fahrpreise beliebig festlegen kann. Außerdem kann Uber ohne die Angabe von Gründen Fahrer aus ihrem Kreis der sogenannten Partner entlassen (Al-Ani 2014b).

wird, zu intervenieren und den Gang der