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Peers als Partner des Unternehmens

Artifi cial Intelligence Jack McDevitt

6.1 Peers als Partner des Unternehmens

Die in den letzten Jahren immer augenscheinlicher gewordene Innovations- und Produkti-vitätskraft von P2P, welche über Plattformen agiert, wurde nun auch für Unternehmen im-mer interessanter. Diese sind ja auf der Suche nach genau jener Innovationskraft, welche sich in der Hierarchie nicht mehr bewerkstelligen lässt. Zudem verspricht die Ausnutzung des kognitiven Überschusses eine Anzapfung eines Potenzials, welches für die notorisch einem Kostendruck unterliegenden Unternehmen zu günstigen Konditionen möglich er-scheint. Mit anderen Worten: Die widersprüchliche Strategie des gleichzeitigen Explore (Innovationen) als auch des Exploit (Kostenmanagement) scheint nun möglich. Und so ist es nicht überraschend, dass die Kapazitäten der Crowd bzw. Peers in die Wertschöpfungs-kette über verschiedenen Plattformtypen Einzug hält. Nicht nur das, Plattformen der Peers werden nun auch kommerzialisiert und treten als Konkurrenten der klassischen Unterneh-mung auf. Damit steht die P2P-Ökonomie allerdings vor einem grundlegendem Wandel:

Von der Sharing- zur Rental-Ökonomie.

6.1 Peers als Partner des Unternehmens

Eingedenk aller Restriktionen bei der Umsetzung und Kommerzialisierung des P2P-Ge-dankens, scheint die Öffnung der Unternehmung recht schnell voranzuschreiten und den massiven Einsatz neuer sozialer Medien als Transmissionsriemen zu verwenden. So zeigte etwa eine Umfrage bei deutschen Unternehmen, dass 94 Prozent aller Organisationen heu-te schon exheu-terne Akheu-teure in ihre Wertschöpfungsprozesse einbinden (Al-Ani et al. 2014:

5). Eine sehr enge Zusammenarbeit wird hier naturgemäß mit Kunden und Lieferanten ersichtlich. Diese rangiert noch vor der Kooperation mit Beratern und Hochschulen. Die Zusammenarbeit mit einer dem kognitiven Surplus verkörpernden Crowd, die im Zuge der digitalen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft eine zumindest medial

mar-© Springer Fachmedien Wiesbaden 2017

A. Al-Ani, Widerstand in Organisationen • Organisationen im Widerstand, Organisation und Gesellschaft, DOI 10.1007/978-3-658-12570-7_6

kante Rolle spielt, steht hier noch an vorletzter Stelle, weist aber mit knappen 18,9 Prozent schon einen bemerkbaren Einfl uss auf und steht noch vor der Kooperation mit Start-ups (siehe Abbildung 8).

Abbildung 8 Kooperationspartner der deutschen Unternehmen. Quelle: Al-Ani et al. (2014: 14).

Jene 18,9 Prozent der Unternehmen, die heute bereits mit den Peers der ‚Crowd‘ arbeiten, verwenden bereits bestehende umfangreiche Vernetzungen von Herstellern, Händlern und Kunden in den sozialen Medien, in denen Produkte besprochen, angereichert und bewor-ben werden. Soziale Medien fungieren hier als Plattformen und legen scheinbar eine ‚na-türliche‘ Brücke zwischen traditionellen Organisationen und den freien Produzenten. Dies zeigt auch der Aktivitätsvergleich der Unternehmensfunktionen: Kundenservice, Marke-ting und Marktforschung – jene Bereiche, in denen die Nutzung der sozialen Medien sehr verbreitet ist – stehen in ihrer Vernetzung und Kooperation mit der Crowd an vorderster Stelle, während die strategischen Felder F&E, Produktion und Personal deutlich hinten liegen (siehe Abbildung 9). Die eher moderate Nutzung der Crowd im Bereich der Inno-vation scheint im Gegensatz zu den medial intensiv diskutierten Möglichkeiten und Nut-zen der ‚Open Innovation‘ zu stehen. Bedenkt man aber, dass gerade die Einbindung von anonymen Produzenten in die sensiblen Innovationsprozesse von Unternehmen diese vor gewaltige Herausforderungen stellt, ist das Bild keinesfalls überraschend und im Einklang mit ähnlichen Umfragen in diesem Bereich (Dahlander/Piezunka 2014; Chesbrough/

Brunswicker 2013). Ein wichtiger Punkt scheint also zu sein, dass Unternehmen heute bereits durchaus intensive und mannigfaltige Erfahrungen mit der Crowd insbesondere an den klassischen Schnittstellenbereichen zum Kunden und zum Markt haben und hier Er-fahrungen vorhanden sind, die in weiterer Folge auch in anderen Unternehmensbereichen genutzt werden könnten.

Abbildung 9 Nutzung der Crowd nach Unternehmensfunktionen. Quelle: Al-Ani et al. (2014).

Die Gründe für die Zurückhaltung bei der Kooperation mit der Crowd sind vielfältig und es zeigte sich, dass jeweils mehrere fast gleichbewertete Gründe in Organisationen und ihren Teilfunktionen vorhanden sind. Es sind erstaunlicherweise weniger juristische Be-denken gegen eine Öffnung, die hier genannt wurden – obwohl diese auch oft vorgebracht werden – sondern eher die Sorge, in dieser offenen Zusammenarbeit wichtiges Wissen preiszugeben, das die Konkurrenten nutzen könnten. Hierunter fällt nicht nur die Befürch-tung, Wissen und Vorteile an Mitbewerber zu verlieren, sondern auch der Öffentlichkeit Einblick in den gegenwärtigen Stand der strategischen Diskussion zu gewähren (Al-Ani et al. 2014: 17).

Eingedenk dieser organisatorischen und strategischen Herausforderungen bei der Ko-operation bzw. Kollaboration mit der Crowd ist die Intelligenz im Netz heute schon für viele Firmen ein ganz praktischer Weg, um Produkte zu verkaufen, zu testen und zu be-sprechen. Diese Ergebnisse spiegeln auch die durch die sozialen Medien ermöglichte so-wie politisch und gesellschaftlich geforderte Öffnung und Transparenz der Unternehmen in den letzten Jahren wider. Die Erhöhung der externen Kontaktpunkte zwischen Unter-nehmen und ihrem Kontext sowie die Möglichkeiten, Kunden in der Informationspolitik und der Wertschöpfungskette zu integrieren, schlägt sich hier nieder. Käufer von Pro-dukten werden hier zu Verkäufern, ProPro-duktentwicklern, Financiers und Ratgebern (siehe Abbildung 10).

Abbildung 10 Aufgaben der Crowd in der unternehmerischen Wertschöpfung. Quelle: Al-Ani et al. (2014: 18)

Im Ausblick scheint die Mehrheit der Unternehmen, auch jener, die heute noch nicht mit der Crowd kooperieren, diesen Nutzungstrend weiter fortzusetzen (siehe Abbildung 11).

Interessant ist hier, dass der Finanzbereich und auch die Human-Resources- (HR-) Abtei-lung stärker als bisher die Crowd nutzen werden. Auch dies steht im Einklang mit ähnli-chen Beobachtungen: Die Nutzung von Open Talent zur Steigerung von Problemlösungs- und Innovationsfähigkeiten scheint sich hier widerzuspiegeln. Nicht nur wird HR eine wesentliche Rolle bei der Einbindung dieser externen Akteure spielen, HR wird auch in Bezug auf Personalsuche und Evaluierung verstärkt auf das Feedback der Crowd zugehen und dieses nutzen.153 Auch soll die Kooperation mit der Crowd in den momentan schon stark involvierten Bereichen wie Marketing, Kundenservice und Marktforschung zukünf-tig deutlich intensiviert werden.

153 Zu dieser Relevanz von ‚Open Talent‘ für den HR-Bereich vgl. Al-Ani (2013).

Abbildung 11 Unternehmensbereich, die zukünftig von der Crowd unterstützt werden sollen.

Quelle: Al-Ani et al. (2014: 19).