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Strategien der Transformation

Innovation braucht Partizipation Nadine Müller

4.7 Strategien der Transformation

Fasst man diese Entwicklungen zusammen, so sind die Anforderungen und Rahmenbe-dingungen für das Management recht grimmig. In Anbetracht der erwarteten Transforma-tionsphase der nächsten Dekaden scheint sich der Freiraum für Individuen in Unterneh-men hingegen auszudehnen. Das ManageUnterneh-ment muss, um Kreativität zu entfalten, weniger autoritär handeln, stets möglichen Widerstand aus den eigenen Reihen oder von externen Interessierten in Betracht ziehen und deshalb entsprechend zurückhaltend, transparent und nachvollziehbar agieren. Das erhöhte Potenzial an internem und externem Widerstand verschiebt die Zusammenarbeit zwischen Management und Mitarbeitern signifi kant, und es stellt sich die Frage, ob der vielzitierte neue Vertrag zwischen diesen beiden Ebenen, der diesen Strukturverschiebungen Rechnung trägt, nicht dringend notwendig wird. In jedem Fall führen die Individualisierung innerhalb der Organisation und die Leichtigkeit, mit der Individuen außerhalb und innerhalb der Organisation auf Plattformen Anschluss fi nden und immer Dissens üben können, dazu, die von der P2P-Welt und der Globalisie-rung getriebene Transformation der hierarchischen Organisation zu beschleunigen.

Aber wie kann ein Transformationsprozess überhaupt aussehen? Der Kern der Verände-rung liegt in der „wachsenden Unbestimmheitslücke des Arbeitsvertrages“ (Deutschmann 2002: 187). Wurden in der Vergangenheit viel Aufwand und Indoktrination investiert, das Individuum davon abzuhalten, „[…] eine Besinnung auf die eigenen Interessen zu nutzen“

(Ebd.), müsste man nun versuchen, eben diese Interessen zu verstehen und entsprechend besser zu verwerten. Der Kern der Herausforderung für die Hierarchie liegt also darin, dass Individuen nun stärker gemäß ihrer Motivationen und Interessen eingesetzt werden müssen. Während sich diese im Bereich der freien Produzenten (Peers) selbst identifi -zieren, muss diese Identifi kation in der Hierarchie durch das Management übernommen werden – ebenso wie auch die Entwicklung von Talenten, die im P2P-Bereich in der

Ver-merkung, dass natürlich auch humorvolle Beiträge unbedingt zu einem Design-Wettbewerb dazugehörten. Doch man werde fortan nur noch Designs nach einer ‚Freigabe durch das Pril-Team‘ teilnehmen lassen. Die Internetnutzer witterten eine Manipulation des Wettbewerbs.“

(Breithut 2011)

antwortung des Einzelnen liegt. Wir können nun bereits einen Transformationsprozess be-obachten, der von einzelnen Unternehmen eingeleitet wird und folgenden idealtypischen Verlauf nimmt (Hagel et al. 2010: 179ff.):

• Identifi kation von (internen wie externen) Mitarbeitern, die Interesse und Motivation an einem bestimmten Issue haben, der für die Organisation relevant ist;

• Verbindung dieser Individuen durch eine Plattform, die ihre Interaktion und Kollabo-ration über alle Grenzen hinweg vereinfacht und unterstützt;

• Institutionalisierung von Lernprozessen durch eine Kollaboration mit externen Wis-senslieferanten und Interessierten auf der Plattform;

• Verbreitung der positiven Effekte dieser Plattformen auf den Rest der Organisation bzw. kontinuierliche Schaffung neuer Plattformen und entsprechende Anpassung der Hierarchie („Change by Platform“).

Dieser grundlegende Prozess wird natürlich von Unternehmen zu Unternehmen anders und spezifi sch umgesetzt. Insbesondere die Auswahl der Kollaborationspartner sowie das Design und die Umsetzung der Schnittstellen und zugehörigen Mechanismen zu ihnen ist durchaus komplex und für traditionelle Unternehmen eine neue Herausforderung (Al-Ani 2013: 32ff.). Auch die Art und Weise, wie die internen Mitarbeiter in die Plattform integ-riert, mit externen Produzenten interagieren und mit ihrer Hierarchie verbunden bleiben, ist mitunter eine komplexe Aufgabe. So kann etwa der Sofwareentwicklungsprozess eines Unternehmens, der bislang vornehmlich mit internen Mitarbeitern und freien Ressourcen gearbeitet hat, durch die Kooperation mit externen Produzenten, die sich etwa als Start-ups oder auf frei zugänglichen Plattformen organisiert haben, geöffnet und mit neuen Rollen und Aufgaben versehen werden (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6 Offener Softwareentwicklungsprozess eines Unternehmens. Quelle: eigene Dar-stellung.

So werden etwa Start-ups bzw. Maker im Rahmen von halboffenen Strategiesitzungen und Workshops ihre Produkte oder Produktideen einbringen und diese dem Unternehmen anbieten. Das Unternehmen muss so nicht mehr Ideen ausschließlich selbst entwickeln, sondern kann auch fertige Produkte oder Produktideen von externen Partnern überneh-men und diese seinem Portfolio hinzufügen. Die ‚Anstöpselung‘ dieser Produkte erfolgt über entsprechende offene Schnittstellen – APIs-, die diese Kollaboration vereinfachen und beschleunigen sollen.125 Aber auch bei der Umsetzung können externe Produzenten herangezogen werden. Arbeitspakete werden an spezialisierte Plattformen vergeben, auf denen sich Abertausende von Entwicklern zusammengefunden haben und die Aufgaben-stellungen gegen Entgelt abarbeiten oder auch Programme testen (Al-Ani 2013: 32ff.).

Dies bedeutet, dass auch interne Entwickler neben ihrer Zugehörigkeit zu einer Organi-sationseinheit ebenfalls Mitglieder einer Plattform sein können. Offen ist dann, wie das Unternehmen diese neue hybride Organisation umsetzen wird: Identifi zieren sich die in-ternen Entwickler selbst für die Plattform? Etwa indem ihnen eine gewisse Zeit neben ihren Linienaufgaben zugestanden wird, die sie auf der Plattform selbstgesteuert nutzen und sich dann gemeinsam mit externen Entwicklern für Arbeitspakete bewerben? Welche Rolle spielt dann das IT-Management, welche bislang diese Einsätze plante? Haben die internen Entwickler Vorrang vor den externen Partnern? Oder werden die internen Pro-grammierer gar auf die Plattform abgeordnet, die vom Unternehmen erworben oder selbst aufgebaut wird (vgl. hier das Projekt Liquid von IBM, Kapitel 4.3.1.)?

4.8 Zusammenfassung

Es beginnt sich durch die neuen Rahmenbedingungen der Internetrevolution und der Internationalisierung eine neue Organisationsform abzuzeichnen. Diese Organisation bündelt Talente mittels Plattformen, die Innovationen produzieren und somit Arbeitsplatz von Mitarbeitern sind, die dieselben Leidenschaften und Motivationen teilen. Endlich sind nun die technologischen Möglichkeiten vorhanden, grenzenlose Organisationen mit de-zentralen Kompetenzen tatsächlich umzusetzen. Das hier dargestellte Konstrukt ist zu-dem ein Instrument, das hierarchische Unternehmen nutzen werden, um im Rahmen ihrer Strukturen mehr Innovationen und eine besserer Nutzung der Skills ihrer Mitarbeiter zu erzielen. In den nächsten Kapiteln werden wir einen Schritt weitergehen und analysieren, wie Prinzipien der Plattform bei der Herausbildung einer eigenständigen Wirtschaftsform, des Commons-basierten P2P-Modells, Verwendung fi nden.

125 Zu der Rolle von APIs z.B. in der Finanzindustrie vgl. Green (2015).

D.M. McCloskey: The Bourgeois Virtues, 2006: 74.

“Es ist nun glücklicherweise so, daß […] mancher lebt, um zu arbeiten. Konsumiert, um zu produ-zieren, wenn man so will. Die meisten Menschen, die in leidlichen Umständen leben, realisieren wohl mehr Lebenswerte aus ihrer produktiven Tätigkeiten als aus ihrer Konsumtion. Man kann es sogar vielfach als eine weit verbreitete soziale Ideal vorstellung charakterisieren, daß man für möglichst viele Menschen die Bedingungen schaffen will, daß sie in dieser Weise leben können.“

G. Myrdal: Das politische Element in der