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Drei einfl ussreiche Modelle und die Commons

will have to be responsible either to some form of constitutionally planned review and exposure or

2.8 Drei einfl ussreiche Modelle und die Commons

In den 1970er- und 1980er-Jahren erlangte auch das ökologische Bewusstsein in Poli-tik und Wirtschaft mehr Bedeutung. In einer Phase, in der kaum eine Woche verging, ohne dass Medien über die Zerstörung wertvoller Naturressourcen berichteten, began-nen sich auch Institutiobegan-nenforscher verstärkt mit der Frage zu beschäftigen, ob es jenseits von Markt und Staat auch andere Möglichkeiten der Regulierung von Ressourcen (und Arbeit) geben kann. Gerade die Selbstverwaltung von Naturressourcen wurde Gegenstand einer einfl ussreichen Arbeit von Ostrom (2012), die in weiterer Folge eine sehr detaillier-te Betrachtung und Analyse erfolgreicher Organisation von Allmenderessourcen (Com-mons) entwickelte (und dafür auch als erste Frau mit einem Nobelpreis in Wirtschafts-wissenschaften geehrt wurde). Allmenderessourcen bzw. Commons wurden von Ostrom zunächst vor allem auf natürliche Ressourcen bezogen und als ein natürliches oder ge-schaffenes Ressourcensystem defi niert, das hinlänglich groß ist, sodass es kostspielig ist, potenzielle Aneigner von seiner Nutzung auszuschließen (A.a.O.: 38).

Die Beschäftigung mit Allgemeingütern war für Organisationsforscher zunächst kein leichtes Unterfangen, mussten sie sich doch gegen die herrschende Lehrmeinung durch-setzen, die besagte, dass eine Selbstverwaltung von Individuen kaum zu positiven Ergeb-nissen kommen kann und oft sogar in eine „Allmendetragödie“ mündet. Ähnlich wie bei dem Stecknadelbeispiel hatte Ostrom es hier mit sehr einfl ussreichen Modellen und ihren Annahmen zu tun, die der Wissenschaft bislang den Blick auf diese Art der Organisation verstellt hatten. Daher sah sie sich zunächst gezwungen, sich zu Beginn ihrer Abhandlung, gegen die „metaphernhafte“ Verwendung der „Allmendetragödie“-, „Gefangenendilem-mata“- und „Logik des kollektiven Handelns“-Modelle zu wenden.57

57 „Wo Modelle als Metaphern verwendet werden, weist der Autor meist auf Ähnlichkeit zwi-schen einer oder zwei Variablen in einem Feldszenario und einer oder zwei Variablen in einem

Die einfl ussreichen Modelle, die es also zunächst zu überwinden galt, fußen wieder-um alle auf den Annahmen der Rational-Choice-Theorie (North 1990: 19; Winter 1986:

429), welche die möglichen Entscheidungsoptionen in ein Modell integriert, normiert und reglementiert:

• Individuelle Akteure haben eine stabile Präferenz und evaluieren die Ergebnisse ihres Handelns auf der Basis stabiler Kriterien.

• Jeder Akteur kann Möglichkeiten identifi zieren, die seine Ergebnisse verbessern und wird von anderen Akteuren verdrängt, wenn er dies nicht tut.

• Es kann also kein Gleichgewicht in der Wirtschaft entstehen, wenn Akteure ihre Prä-ferenzen nicht maximieren.

Diese derart geregelte Nutzenmaximierung des Individuums erscheint auf den ersten Blick natürlich sehr abstrakt und künstlich, und man muss sie als Versuch verstehen, die Viel-falt menschlicher Emotionen und Interessen in ein methodisches Korsett zu zwängen.

Wenn man dem Individuum in diesem Modell etwas unterstellen kann, dann die Neigung dass es ein Mehr an Nutzen einem Weniger vorziehen wird. Diese Nutzenfunktionen sind natürlich bei näherer Betrachtung noch immer unbestimmt, da die konkrete Ausformung der individuellen Präferenz nicht ausformuliert ist. Die Argumentation hier ist, dass sich allerdings bestimmte erfolgreiche nutzenmaximierende Verhalten durchsetzen und als Standard dominant werden.58 Darüber hinaus erweist sich die Handlungsfreiheit beim nä-herem Hinsehen als irreführend, da die Entscheidung des Akteurs durch die im Rahmen des Modells vorgegebene konsistente Präferenzordnung determiniert wird: Der Akteur ist also nichts weiter als eine logische Leerstelle (Kappelhoff 2000: 222). Dem auf dem ersten Blick aktivistischen Ansatz (das Individuum versucht zielgerichtet auf seine Umgebung einzuwirken) wird gleich wieder der ‚Zahn gezogen‘, in dem Sinne, dass die potenziell überbordende Individualität verkürzt und nur als Ausschnitt in einem formalen

Optimie-Modell hin. Wenn die Metapher nur auf Ähnlichkeiten aufmerksam machen soll, dient sie in der Regel dazu, rasch Informationen in anschaulicher Form zu vermitteln. Häufig hat jedoch der metaphorische Gebrauch der drei Modelle eine andere Absicht verfolgt: die Ähnlichkeiten zwischen den vielen Individuen, die in einem Feldszenario eine Ressource gemeinsam nutzen, und den vielen Individuen, die im Modell gemeinsam ein suboptimales Resultat erzeugen, soll suggerieren, dass weitere Parallelen vorhanden seien. Indem man Feldszenarien als ‚All-mendetragödie‘, ‚Gefangendilemmata‘ […] apostrophiert, möchte man das Bild hilfloser In-dividuen beschwören, die in einem unausweichlichem Prozesse der Zerstörung ihrer eigenen Ressourcen verstrickt sind.“ (Ostrom 2012: 10)

58 Es wird ja nicht angenommen, dass sich alle Individuen rational verhalten, allerdings “[…]

competitive forces will see that those who behave in a rational manner […] will survive and those who do not, will fail; and that therefore, in an evolutionary, competitive situation […], the behaviour that will be continuously observed will be that of people who have acted according to such standards.” (North 1990: 19)

rungskalkül betrachtet wird.59 Diese Annahmen wurden nun trotz dieser Limitationen zur Vorhersage von menschlichem Verhalten in verschiedenen Situationen verwendet:

Seit Hardins (1968) Artikel wird der Terminus „Tragik der Allmende“ (Tragic of Com-mons) immer dann gebraucht, wenn viele Individuen eine Ressource gemeinsam nutzen wollen. Das Modell basiert auf der Annahme eines frei zugänglichen Weidelandes, das den rational handelnden Akteur dazu motiviert, möglichst viele eigene Tiere zu halten, de-ren Profi t er nutzen kann, während er nur einen vermeintlichen Teil der Kosten der Über-weidung trägt. Es kommt so natürlich zu einer ÜberÜber-weidung und zu einer Schädigung der Commons. Die eigentliche Tragik dieser Tragik der Allmende bestand nun aber darin, dass Hardin und andere das gemeinsame Weideland als Metapher für fast alle gemeinsam genutzte Ressourcen gebrauchten und damit jeglicher Selbstverwaltung und -organisation den Nutzen absprachen (obschon das Weideland in seinem Beispiel nicht verwaltet wird, sondern der Zugang frei ist) (Ostrom 2012: 3f.).

Dass Individuen nicht in der Lage sind, optimal zu kooperieren, war auch Aussage des Gefangenendilemma-Modells (Dawes 1975). Vereinfacht ausgedrückt kommt das Modell zu dem Schluss, dass Kooperation zwischen Individuen in Organisationen unwahrschein-lich ist. Begründet wird diese Aussage mit einem Modell, das darauf beruht, dass sich zwei Gefangene (sic) in strenger Einzelhaft befi nden und nun über den Hergang ihres Verbrechens vernommen werden. Mangels Augenzeugen können sie nur selbst über ein Eigengeständnis die Tat bezeugen. Das Modell kommt zu der Folgerung, dass in dem Fall, in dem den Tätern Strafminderung zugesagt wird, wenn sie die Tat gestehen, es rational ist, die Tat zuzugeben und den Mithäftling auszuliefern. Die drastische und verkürzte Aussage aus diesem Modell ist, dass Kooperation in Organisationen eher unwahrschein-lich ist, der individuelle Nutzen kann höher sein, wenn man nicht kooperiert.

Ganz ähnlich analysiert Olson (1985) das Problem, dass Individuen stets ihr eigenes Wohlergehen, vor das gemeinsame Wohlergehen stellen. In Abwesenheit „besonderer Vorkehrungen“ (sic), werden Individuen in großen Gruppen nicht im Gruppeninteresse handeln, weil sie Anreize haben, ihren individuellen Nutzen zu maximieren. Diese Nut-zenmaximierung auf Kosten der Gruppe ist deswegen vorteilhaft, weil dabei immer nur ein Anteil etwaiger Kosten zu tragen ist, der größte Teil der Umverteilungskosten verteilt sich ja auf alle anderen Köpfe (A.a.O.: 21). Diese Schlussfolgerung übertrug Olson dann auf das kollektive Handeln auf gesellschaftlicher Ebene. Wenig überraschend kam er in seinen Schlussfolgerungen zu ähnlich düsteren Prognosen (1985: 96ff.):

• Stabile Gesellschaften mit unveränderten Grenzen neigen dazu, im Laufe der Zeit mehr Zusammenschlüsse und Organisationen für kollektives Handeln zu akkumulieren.

59 Die Kritik an diesen Annahmen liegt auf der Hand, selbst wenn die fehlende inhaltliche Be-schreibung der Nutzenmaximierung akzeptiert wird, und kann mit Eggertsson (1990: 8) knapp so wiedergegeben werden: „Individuals tend to have unstable preferences, that they do not observe the principle of transitivity in their choices, and that people are not calculators who work at lightning speed through the complete set of data relevant to their decisions.“

• Mitglieder von kleinen Gruppen haben vergleichsweise große Organisationsmacht für kollektives Handeln.

• Je kleiner das Set an vertretenen Interessen, desto geringer sind die gesellschaftlich zu tragenden Umverteilungskosten. Deshalb tragen Sonderinteressengruppen immer nur einen geringen Teil der gesellschaftlich umgelegten Kosten der Interessendurchsetzung und sind besonders vehement bei der Durchsetzung.

• Im Ergebnis vermindern Sonderinteressengruppen und Kollusionen die Effi zienz und das Gesamteinkommen der Gesellschaften, in denen sie wirken und machen das poli-tische Leben zwieträchtiger.

Zentrales Problem all dieser Modelle ist also das Trittbrettfahren individueller Nutzenma-ximierer zulasten einer kollektiven Lösung. Entscheiden sich alle für das Trittbrettfahren, wird der kollektive Nutzen nicht realisiert (Ostrom 2012: 8). Beobachtet man allerdings die Realität, so zeigt sich, dass die Annahme, dass Individuen immer nur ihren eigenen Nutzen realisieren wollen, ein zentraler Schwachpunkt ist, weil nicht erklärt werden kann, wieso es Organisationen geben kann, die ihren Mitgliedern keinen oder wenig konkreten Nutzen erbringen bzw. Organisationen existieren, die sich nicht opportunistisch verhalten können. So kritisiert etwa North (1981: 53) Olson für dessen Unterstellung der Instabilität amerikanischer Bauernorganisationen, indem er anmerkt, dass diese Verbände in Olsons Modell ja gar nicht erst vorkommen dürften:

„He points up the instability of farm protest movements that did not have side benefi ts, but he neglects the point that they should have never existed at all under his model. […] Nor does he acknowledge that they signifi cantly affected the political and legal policy […].“ (A.a.O.: 58) Diese Lücke versucht North mit dem Konzept der sich verändernden ideologischen Per-spektive und Präferenzen zu erklären, die dazu führt, dass Individuen kontrastierende Sichtweisen über die Gerechtigkeit ihrer jeweiligen Situation haben und sich aufgrund dieser Sichtweise zu Handlungen motiviert fühlen (A.a.O.: 51).60 Ostrom hingegen, die sich bezeichnenderweise nicht gegen die oft als unzureichend erklärte Annahme der in-60 Olson selbst konnte mit den demokratiepolitischen Aussagen seines Modells nicht wirklich

zufrieden sein. Kurz vor seinem Tod unternahm er einen Versuch, trotz seiner Feststellungen über die tendenziell negativen Auswirkungen vor allem kleiner Interessengruppen auf die Ge-sellschaft eine demokratiepolitische Agenda abzuleiten. Dies konnte allerdings bei seinen Mo-dellannahmen nur gelingen, wenn es Interessengruppen für sinnvoll erachten, Macht zu teilen bzw. es vorteilhaft ist, andere Gruppen nicht auszuschließen. Weiterhin darf es für die Akteure nicht möglich sein, sich in Miniautokratien zurückzuziehen bzw. das Herrschaftsgebiet abzu-spalten (Olson 2000: 30f.). Damit verkommt klarerweise die Demokratie zu einer Art ‚Unfall‘, der nur in seltenen Fällen – wie der englischen Glorious Revolution – passieren konnte, weil durch den Bürgerkrieg alle Parteien geschwächt waren und deshalb ein Teilen der Macht Vor-teile für alle Beteiligten hatte. Neben diesen Unfällen war es dann eher ein Normalfall, dass diese Konzepte anderen Staaten als Blaupausen bei ihrer Gründung dienten (USA) oder durch siegreiche Demokratien aufoktroyiert bekamen (Japan, Deutschland, Italien).

dividuellen Nutzenmaximierung wandte, führte den Erfolg mancher Allmendeorganisa-tionen eher auf den Einsatz von Regeln zurück, die die Bereitstellung und Aneignung von Allmendegütern steuern. Auf der Basis detaillierter Feldstudien konnte sie aufzeigen, dass es durchaus erfolgreiche Allmendeorganisationen gibt, die das Problem des Trittbrettfah-rens lösen konnten. Deren Teilnehmer sind keine hilfl osen ‚Gefangenen‘ und verwenden ihre Allmenderessourcen auch nicht, wie im Hardin-Modell, ohne gewisse Spielregeln.

Diese Regeln langfristig erfolgreicher Allmende konnte Ostrom (2012: 117f.) wie folgt defi nieren:

1. Klar defi nierte Grenzen: Personen und Haushalte, die Rechte zur Ressourcenentnahme der Allmende haben, müssen defi niert sein.

2. Regeln zur Aneignung und Bereitstellung der Allmenderessourcen müssen den lokalen Bedingungen angepasst sein.

3. Die meisten Nutzer können an Vereinbarungen zur Änderung der Regeln teilnehmen.

4. Überwachung der Einhaltung der Regeln erfolgt durch Personen, die den Aneignern rechenschaftspfl ichtig sind oder die selbst Aneigner sind.

5. Bei Regelverstößen kommen abgestufte Sanktionsmöglichkeiten entsprechend der Schwere und dem Kontext des Vergehens zum Einsatz.

6. Mechanismen zur Konfl iktlösung sind rasch und kostengünstig einsetzbar.

7. Die Selbstbestimmung der Allmende wird durch übergeordnete Regierungsstellen an-erkannt bzw. nicht infrage gestellt.

8. Bei großen Commons, sind die Verwaltungsaktivitäten in Unternehmen organisiert, die in mehrere Ebenen eingebettet sind (lokal, regional, überregional).

Allerdings wurden mit diesem Ansatz, der sich bei Ostrom zunächst ausschließlich auf Naturressourcen bezog, auch Grenzen klar. So spielte die Größe natürlich eine gewisse Rolle, obwohl dies von Ostrom nicht als wichtigster Parameter gesehen wurde (A.a.O.:

273). Es zeigte sich auch, dass derartige Institutionen keinesfalls von heute auf morgen ent-stehen können, sondern dass dies eher sequenziell und inkrementell zu passieren scheint, was wiederum mit langwierigen kollektiven Entscheidungsprozessen und Probierphasen begründet werden kann (A.a.O.: 185).

Mit der ‚Wiedereinführung‘ der Allmende bzw. Commons und dem positiven Rückhall, den diese Konzepte erfuhren, können wir bereits ein wichtiges Element erkennen, das uns bei weiteren Betrachtungen neuer Organisationsformen dienlich sein wird.61 Wir werden weiter unten sehen, dass sich das Allmendekonzept durch die Technisierung mit anderen Attributen unterlegen lässt und in der Wissensgesellschaft eine ganz andere, signifi kantere Tragweite entfalten kann als in der Verwaltung natürlicher Ressourcen.

61 „The spread of the commons discourse in recent years has had a double effect: it has helped identify new commons and, in providing a new public discourse, has helped develop these commons by enabling people to see them as commons.“ (Bollier 2011: 29)

2.9 Globalisierungsregime:

Schüchterne Ansätze der Individualisierung

Bereits Ende der 1980er-Jahre setzten sich immer mehr Arbeitsformen durch, die sich mehr oder weniger von den tayloristischen Ansätzen verabschiedeten und durchaus einen integrativen Fokus im Sinne der Zulassung bzw. Nutzung von Individualität und Widerstand entwickelten. Es gab etwa erste Schritte und Ideen, eine schrittweise Flexi-bilisierung der Massenproduktion und damit auch Stärkung der Macht und des Selbst-wertgefühls der Arbeiter durch das Wiederaufl eben des handwerklichen Paradigmas zu erreichen (Piore/Sabel 1985). In den 1990er-Jahren erfolgten gleichzeitig mit einer zu-nehmenden Internationalisierung und den Erfolgen der japanischen Autoindustrie um-fassende Neuerungen in Organisations- und Führungskonzepten. Diese nahmen etliche der Elemente der arbeitnehmer-orientierten Betriebswirtschaftslehre62 und anderer inte-grativeren Denkrichtungen auf, und sortierten sie entlang neuer Strukturierungsmerkma-le, die der beginnenden Globalisierung bzw. der damit verbundenen Wettbewerbsintensi-vierung Rechnung trugen:

Kundenorientierung/Stakeholderorientierung: War in der AOEWL etwa die Sicht der Arbeiternehmer dominant, so wurde dieser Fokus nun in Richtung Kundenanforderun-gen priorisiert bzw. sah der integrativere Stakeholderansatz vor, dass alle an Geschäfts-prozessen und Outputs interessierten Gruppen (Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Umwelt etc.) betrachtet und deren Anforderungen in weiterer Folge gewichtet werden müssen (Hinterhuber/Stahl 1996);

Geschäftsprozessorientierung: Um die Nachteile der vertikalen Hierarchie (Schnitt-stellenprobleme, mangelnde Kundenorientierung, zu viele Managementebenen etc.) auszubalancieren, wurde eine fl achere, horizontale Aufbau- und Ablauforganisation vorgeschlagen, die übergreifend alle Skills und Kapazitäten auf die Erstellung des Pro-zessoutputs fokussiert und hierbei die Anforderungen der übrigen Stakeholder berück-sichtigt (Hammer/Champy 1995);

Outsourcing und Virtualisierung: Neue IT-Lösungen führten zu einer Senkung der Transaktionskosten und zu einer zunehmenden Virtualisierung der Organisationsfor-men, die verteilte Arbeitsprozesse und Funktionen effi zienter bündeln (Shared Ser-vices) und auch auslagern konnten (Outsourcing), um globale Wettbewerbsvorteile in die Wertschöpfungsketten einzubauen;

62 So bemerkten etwa Kern und Schumann (1984) und analog Gorz (1989), dass es im Zuge der erweiterten Nutzung der Produktivitätspotenziale zu einer Reprofessionalisierung von Pro-duktionsarbeit kommen würde und nicht umgekehrt, wie noch Bravermann (1974) unterstellt hatte. Somit kam auch aus dem linken Spektrum zunächst sehr viel Zustimmung für diese neuen Managementmethoden. Angesichts der zentralen Bedeutung von Arbeit, gehe es nun darum, „die Gelegenheit beim Schopfe zu packen“ und die aufgeklärten Manager bei der Ein-führung der neuen Methoden zu unterstützen (Kühl 2004: 70; Moldaschl 2010: 282).

• Permanente Verbesserungen (Kaizen) und Reengineering: Die Prozessorganisation sollte durch die Verbesserungsideen der beteiligten Stakeholder – insbesondere der Mitarbeiter und Kunden – permanent verbessert werden bzw. Prozesse sollten auch immer wieder radikal neu konzipiert werden, um ein besseres Effi zienzniveau zu er-zielen (Al-Ani 1996);

Neuer Strategieprozess: Um die immer schneller aufeinanderfolgenden Veränderun-gen in den HandlungsanleitunVeränderun-gen für die Organisation abzubilden, wurde ein prag-matischeres Verständnis von Strategie und Planung vorgeschlagen. Strategische Pläne sollten durch kleinere taktische Schritte substituiert werden, die sich erst im Laufe der Zeit und rückblickend zu einem emergenten „Strategiekonzept“ validieren (Mintzberg 1994a). Dieses Verfahren sollte durch Festlegungen der groben strategischen Eckpfei-ler geleitet und vor allem auch durch das Lernen an den Organisationsrändern, die im Kundenkontakt stehen, befruchtet werden (Al-Ani 2000). Damit wurde dem reinen Top-down-Management bzw. dem alleinigen Führungsanspruch der Organisationsspit-ze eine Absage erteilt;

• Veränderungsmanagement als Kernkompetenz: Nachdem die neuen Konzepte oft nur schwierig umzusetzen waren und es oftmals auch erhebliche Widerstände des Manage-ments und der Mitarbeiter gegeben hatte, wurden Change-Management-Konzepte im-mer wichtiger, die die Befähigung und Akzeptanz der Betroffenen sowie die Steuerung der Veränderungsprozesse professionalisieren sollten (Al-Ani/Gattermeyer 2001). Mit diesen Konzepten wurde mitnichten ein demokratischer Diskurs innerhalb der Organi-sation gefordert, vielmehr sollten die Mitarbeiter an die Veränderungen herangeführt und an der Umsetzung beteiligt werden, um Akzeptanz und letztendlich die Umset-zungsgeschwindigkeit zu erhöhen und Implementierungskosten zu senken.

Mühelos erkennbar ist hier ein beachtliches Abrücken der Ansätze von der bis dahin strikten Trennung zwischen Management und Mitarbeitern, und zwar indem die Idee aufgegeben wird, dass es in komplexen Gebilden, wie sie die meisten Organisationen darstellen, überhaupt möglich ist, von einer zentralen Stelle zu steuern, geschweige denn zukunftsweisende Ideen zu entwickeln. Vielmehr – so der Tenor – müssen möglichst viele intellektuelle Ressourcen angezapft werden, und diese befi nden sich auf den ver-schiedenen Ebenen und Lokationen der Organisation bzw. sogar in ihrem Umfeld. Da das schlanke Produktionssystem extrem „gebrechlich“ ist (Ortmann 1995: 293), weil Puf-fer wie Extra-Lagerbestände, Extra-Ressourcen und Extra-Flächen abgeschafft werden, muss der beteiligte Mitarbeiter – ganz im Gorz schen Sinne – dazu empowered werden, etwaige Varianzen und Störungen zügig abzustellen (Womack et al. 1992: 108). Diese notwendige Befähigung des Einzelnen oder von Teams, die sich autonomer als bisher steuern können, war deshalb zentraler Bestandteil dieser Konzepte (Harrington 1991;

Bühner 1993). Es erfolgten in diesem Sinne auch konkrete Vorschläge, wie Voice in per-manente Optimierungsprozesse eingebunden werden kann bzw. wie kritische Stimmen durch Change Management genutzt werden können, um den Wandel durchzusetzen. Die hierarchische Aufbauorganisation wurde zwar nicht abgeschafft, da ihre Wirksamkeit

noch immer anerkannt wurde, ihre Auswüchse wurden aber durch eine innerhalb der Hierarchie stärker werdende IT-gestützte Prozessorganisation und Lean-Management-Konzepte bekämpft.63

Da es in den 1990er-Jahren zu einer lang anhaltenden, positiven Wirtschaftsentwick-lung kam und zudem Osteuropa in die Marktwirtschaft aufgenommen wurde, gelang es relativ problemlos, diese Konzepte unpolitisch umzusetzen, da weitgehend Vollbeschäfti-gung herrschte und nach dem Ende des realen Sozialismus politische Alternativen fehlten – man also am Ende der Geschichte angekommen zu sein schien. Deshalb wurde es auch konzeptionell einfacher, keinen prinzipiellen Unterschied mehr zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und der Organisation zu unterstellen. Die Mitarbeitenden wurden, wie das Management auch, zu Stakeholdern. Wenn also ein Mitarbeiter Verbesserungsideen zu seinem Arbeitsumfeld einbrachte, dann wurde unterstellt, dass dies auch im Interesse der Organisation geschieht (Harrington 1987: 62). Diese apolitische, prinzipielle Interes-senkollusion zwischen den verschiedenen Gruppen in und um die Organisation bzw. die Idee der managebaren Priorisierung und des Ausgleiches sind wohl die markantesten im-pliziten Annahmen dieser Ansätze. Ab dem Ende der 1990er-Jahre nahm die Diskussion um diese Konzepte schrittweise ab. Dies kann man so interpretieren, dass die Modelle in das ‚normale‘ Repertoire der Organisationsentwicklung und Führungslehre übergingen, was durch die ‚Entradikalisierung‘ dieser Ansätze erleichtert wurde. Ein weiterer Grund

Da es in den 1990er-Jahren zu einer lang anhaltenden, positiven Wirtschaftsentwick-lung kam und zudem Osteuropa in die Marktwirtschaft aufgenommen wurde, gelang es relativ problemlos, diese Konzepte unpolitisch umzusetzen, da weitgehend Vollbeschäfti-gung herrschte und nach dem Ende des realen Sozialismus politische Alternativen fehlten – man also am Ende der Geschichte angekommen zu sein schien. Deshalb wurde es auch konzeptionell einfacher, keinen prinzipiellen Unterschied mehr zwischen den Interessen der Arbeitnehmer und der Organisation zu unterstellen. Die Mitarbeitenden wurden, wie das Management auch, zu Stakeholdern. Wenn also ein Mitarbeiter Verbesserungsideen zu seinem Arbeitsumfeld einbrachte, dann wurde unterstellt, dass dies auch im Interesse der Organisation geschieht (Harrington 1987: 62). Diese apolitische, prinzipielle Interes-senkollusion zwischen den verschiedenen Gruppen in und um die Organisation bzw. die Idee der managebaren Priorisierung und des Ausgleiches sind wohl die markantesten im-pliziten Annahmen dieser Ansätze. Ab dem Ende der 1990er-Jahre nahm die Diskussion um diese Konzepte schrittweise ab. Dies kann man so interpretieren, dass die Modelle in das ‚normale‘ Repertoire der Organisationsentwicklung und Führungslehre übergingen, was durch die ‚Entradikalisierung‘ dieser Ansätze erleichtert wurde. Ein weiterer Grund