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Wirkung von gesetzlichen Vorschriften, Empfehlungen und Anregungen auf die

B. Adressatenkreis, Inhalte und Verhältnismäßigkeit einer dem § 161 AktG

VI. Wirkung von gesetzlichen Vorschriften, Empfehlungen und Anregungen auf die

Nach Abs. 11 der Präambel des DCGK ist zwischen sog. gesetzlichen Vorschriften, Empfeh-lungen und Anregungen zu unterscheiden165. Fraglich ist, wie sich diese Unterscheidung für GmbH auswirkt, die den Kodex umsetzen möchten.

1. Gesetzliche Vorschriften und Gesetzesauslegung

Solche Textteile des Kodexes, die nicht durch die Verwendung der Worte „soll“, „sollte“

oder „kann“ gekennzeichnet sind, entsprechen gemäß Abs. 11 Präambel DCGK a. E. dem geltenden Recht.166 Da sich der Kodex unmittelbar an die deutsche börsennotierte AG rich-tet, wird das für sie geltende Recht wiedergegeben. Aktien- und GmbH-Recht stimmen aber in vielen Bereichen nicht überein, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass Muss-Vorschriften für die AG auch Muss-Vorschriften für die GmbH sind. Es ist vielmehr für jede Muss-Vorschrift anhand eines Vergleichs mit dem GmbH-Recht zu entscheiden, ob es sich hierbei auch für die GmbH um geltendes Recht handelt und ob eine freiwillige Um-setzung durch die GmbH rechtmäßig und interessengerecht ist. Letzteres ist freilich nur möglich, wenn die Kodexregel nicht gegen zwingendes GmbH-Recht verstößt.

Nicht sämtliche Muss-Vorschriften finden sich tatsächlich im Aktienrecht wieder. An man-chen Stellen des Kodexes legt die Kodexkommission stattdessen das geltende Recht aus und stellt ihre eigene Rechtsauffassung dar167. Bei diesen Kodexregelungen ist zu entscheiden, ob diese Rechtsauffassung auf die GmbH übertragbar ist.

2. Empfehlungen

Empfehlungen sind solche Vorschriften im Kodex, die durch die Worte „soll“ gekennzeich-net sind, wobei börsennotierte AG hiervon abweichen können, „dann aber verpflichtet sind, dies jährlich [in der Entsprechenserklärung] offen zu legen“168. Aufgrund der Freiwilligkeit

165 Siehe oben S. 97.

166 Die teilweise Wiedergabe des Rechtes dient der besseren Transparenz und Nachvollziehbarkeit des deut-schen Corporate Governance-Systems Abs. 1 S. 2 Päambel DCGK.

167 Steinat, TWR 2005, Heft 39, 1, 7.

168 Abs. 9 S. 2 Präambel DCGK.

I. Die Gegenüberstellung der Organe bei GmbH und AG hat ergeben, dass in vielen Berei-chen Kompetenzverschiebungen bestehen. Dies beruht insbesondere auf zwei Aspekten. Zu diesen gehört erstens, dass die GmbH-Geschäftsführer die GmbH nicht in eigener Verant-wortung führen und der GmbH-Gesellschafterversammlung als Pendant hierzu die Allein-entscheidungsbefugnis zusteht, und zweitens, dass bei der Mehrzahl der GmbH kein Auf-sichtsrat besteht. Dies führt dazu, dass der DCGK bei AG und GmbH nicht auf die gleiche Weise angewandt werden kann.

2. Neben der grundsätzlich unterschiedlichen Organisationsstruktur von AG und GmbH, kommt bei der Prüfung der Anwendbarkeit des Kodexes auf die GmbH als Schwierigkeit hinzu, dass die Gestaltungsmöglichkeiten bei der GmbH aufgrund ihrer Satzungsfreiheit

169 Siehe oben S. 96 f.

170 Siehe oben S. 99 f., 102 f.

171 RegBegr. BT-Drucks 14/8769 S. 21 re. Sp.

172 Zu § 161 AktG n. F. siehe oben S. 96 ff.

weitaus größer als bei der AG sind. Daraus folgt, dass sich die Frage nach der entsprechen-den Anwendbarkeit nicht pauschal für alle GmbH beantworten lässt, sondern einzelfallab-hängig ist.

3. Dabei gilt die Regel, je kapitalistischer eine GmbH strukturiert ist, desto mehr Sinn wird die Anwendbarkeit der Kodexregeln für sie machen, da sie aufgrund der kapitalistischen Struktur ihre Satzung der einer AG angeglichen haben wird. Hierzu gehört, dass die Gesell-schafter aufgrund ihrer höheren Anzahl geneigt sind, ihre in § 46 GmbHG geregelten Kom-petenzen auf die Geschäftsführer zu verlagern. Außerdem ist die Arbeitnehmerzahl bei kapi-talistisch-strukturierten GmbH häufig höher, so dass die Wahrscheinlichkeit eines obligatori-schen Aufsichtsrats steigt. Hierdurch nivellieren sich die größten Unterschiede zur AG bei diesen GmbH und eine entsprechende Anwendbarkeit des Kodexes ist in größerem Umfang und mit geringeren Schwierigkeiten möglich. Hinzu kommt, dass kapitalistisch-strukturierte GmbH ein größeres Interesse haben werden, den Kodex umzusetzen, um die positiven Effek-te der Umsetzung nutzen zu können173.

4. Da der DCGK primär börsennotierte Gesellschaften adressiert ist er vor allem anleger-schützend ausgerichtet und es finden sich lediglich mittelbar gläubigeranleger-schützende Kodexre-gelungen. Diese Schwerpunktsetzung ist für die AG, die des Vertrauens der Anleger in be-sonderem Maße bedarf, sinnvoll. Zwar ist auch bei der GmbH die Stärkung des Anlegerver-trauens begrüßenswert, sie ist jedoch regelmäßig primär auf das Vertrauen ihrer Gläubiger angewiesen. Für sie erfährt der Kodex daher eine falsche Schwerpunktsetzung, welche die Anwendung des DCGK für sie weit weniger sinnvoll macht, als sie es für die AG ist.

5. Auch die Unterteilung der Kodexvorschriften in Muss-, Soll- und Kann-Vorschriften ist nicht uneingeschränkt auf die GmbH übertragbar. Zum einen gibt nicht jede Kodexregelung, die für die AG die Gesetzeslage widerspiegelt, auch für die GmbH die Rechtslage wieder und ist somit nicht automatisch auch für die GmbH Muss-Vorschrift. Zum anderen hat die Unterscheidung zwischen Empfehlungen und Anregungen für die GmbH anders als für die AG keine rechtlichen Auswirkungen. Allein Gesellschaften, die unter den Adressatenkreis des § 161 AktG fallen, sind zur Abgabe einer Entsprechenserklärung verpflichtet und müs-sen darin Angaben zur Umsetzung von Empfehlungen machen und deren Nichtumsetzung begründen. Für GmbH ist die Abgabe einer Entsprechenserklärung stets freiwillig, so dass für sie auch keine Vorgaben hinsichtlich des Inhalts einer Entsprechenserklärung bestehen.

Für sie besteht zwischen Empfehlungen und Anregungen allenfalls ein gradueller Unter-schied.

6. Fazit: Die Gegenüberstellung von AG und GmbH hat gezeigt, dass die gesetzlichen Be-stimmungen zu den Organen beider Gesellschaftsformen sich in vielerlei Hinsicht unter-scheiden. Mit diesen Unterschieden haben diejenigen GmbH zu kämpfen, die sich um eine vollumfängliche Umsetzung des DCGK bemühen. Viele der das Aktienrecht wiedergeben-den Vorschriften passen nicht auf die GmbH und es macht auch keinen Sinn, sie – soweit überhaupt rechtlich möglich – durch entsprechende Satzungsänderungen passend zu machen.

Die GmbH würde in ein Zwangskorsett gepresst, dass nicht ihren Bedürfnissen entspricht.

173 Zu den Zielen von Corporate Governance siehe oben S. 26 ff.

Die Umsetzung von Kodexreglungen ist stets dann besonders sinnvoll für GmbH, wenn ihre Rechts- und Interessenlage derjenigen der AG entspricht. Daher verwundert das Untersu-chungsergebnis nicht, dass der Kodex je unattraktiver für eine GmbH ist, desto personalisti-scher sie strukturiert ist und vice versa. Aufgrund der überwiegenden personalistischen Aus-bildung der GmbH wird die in Abs. 13 S. 2 Präambel DCGK enthaltene Empfehlung der Regierungskommission, auch nicht börsennotierte Gesellschaften sollen den Kodex beach-ten, somit von den meisten GmbH keine Berücksichtigung finden. Personalistisch-strukturierte GmbH müssten ihre Satzung zu sehr an den Kodex anpassen, um seinen Vorga-ben gerecht zu werden. Bei der Lösung der Probleme der GmbH kann der DCGK somit al-lenfalls in geringem Maße behilflich sein.

§ 6 EIN EIGENER CORPORATE GOVERNANCE-KODEX FÜR DIE GMBH

Die Untersuchung hat gezeigt, dass der DCGK nicht auf die GmbH passt. Eine entsprechen-de Anwendung entsprechen-der Koentsprechen-dexregeln gestaltet sich für viele GmbH als schwierig und ist in entsprechen-der Regel nur durchführbar, wenn Kodexziffern modifiziert oder nicht umgesetzt werden. Wenn aber die Anwendung des DCGK auf die Rechtsform GmbH nur mit großen Anstrengungen stattfinden kann, so könnte statt dessen ein eigener Kodex für die GmbH zur Lösung der o.

g. Problemfelder1 sinnvoller sein. In der Folge soll auf die Vor- und Nachteile eines GmbH-Kodexes und auf dessen eventuelle Inhalte eingegangen werden. Kommt die Untersuchung zu dem Ergebnis, dass ein eigener Corporate Governance Kodex für die GmbH sinnvoll ist, so ist ein solcher zu entwickeln.

B. Nachteile

GmbH sind mangels Satzungsstrenge vielgestaltig und lassen sich kaum einem bestimmten Corporate Governance-Konzept unterordnen.2 Wollte man eine weitgehende Umsetzung für viele GmbH ermöglichen, dürfte der Kodex deshalb keine strengen korsettartigen Vorgaben machen und müsste stattdessen Raum für individuelle Lösungen lassen. Dies wäre grund-sätzlich durch eine wenig detaillierte Ausarbeitung und eine wenig konkrete Formulierung des Kodexes möglich. Sie wäre allerdings nicht wünschenswert, da eine allzu abstrakte Fas-sung der Kodexregelungen den Zielen von Corporate Governance-Maßnahmen abträglich wäre.

Eine konkrete Ausgestaltung könnte hingegen dazu führen, dass der GmbH-Kodex auf viele GmbH aufgrund ihrer individuellen Gestaltungsformen nicht passen würde. Von einer Um-setzung müssten all diejenigen GmbH Abstand nehmen, auf die der Kodex nicht zugeschnit-ten wäre. Für Anleger und andere Gläubiger könnte dies zur Folge haben, dass der Kodex und somit auch die Rechtsform GmbH unverständlicher würden. Die besonderen Vorzüge der GmbH – ihre hohe Flexibilität und ihre auf die jeweiligen Bedürfnisse des Unternehmens angepasste Gestaltungsmöglichkeit – stellen sich somit bei der Aufstellung des GmbH-Kodexes als Schwierigkeit dar, die es zu meistern gälte.

Ein weiterer Nachteil könnte sich für die GmbH dadurch ergeben, dass die Einführung eines Kodexes zu einem faktischen Umsetzungszwang3 zu Ungunsten der GmbH führen könnte.

Dies unterstellt, könnte hierdurch eine zusätzliche Bürokratisierung trotz der Fragwürdigkeit des tatsächlichen Nutzens4 eines eigenen GmbH-Kodexes stattfinden. Dieser zunächst theo-retisch erscheinende Aspekt eines Umsetzungszwanges, sollte nicht unterschätzt werden.

Dies gilt umso mehr, als Corporate Governance-Maßnahmen weitgehend als positiv beurteilt werden5 und daher die Gefahr besteht, dass sich die Idee einer guten Corporate Governance vorschnell verselbständigt. Die Verfasser eines GmbH-Kodexes sollten daher darauf bedacht sein, die Freiwilligkeit des Kodexes zu betonen. Allein für GmbH, welche die Vorteile einer Kodexumsetzung nutzen können, ist der mit einer Kodexumsetzung verbundene zusätzliche Verwaltungsaufwand in der Regel akzeptabel.

2 Ebenso wird für den Mittelstand argumentiert Deloitte, Corporate Governance - Werte Schaffen und bewah-ren, S. 14.

3 Siehe oben S. 101, 103.

4 Siehe oben S. 151.

5 Siehe oben S. 43 f.