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Vorstand der AG und Geschäftsführer der GmbH

B. Adressatenkreis, Inhalte und Verhältnismäßigkeit einer dem § 161 AktG

I. Vorstand der AG und Geschäftsführer der GmbH

A. Unterschiede bei AG und GmbH und ihre Relevanz bei der

Gesellschafter eingegriffen wird.6 Kommt der Vorstand einer eventuellen Vorlagepflicht nicht nach, so droht ihm die Haftung aufgrund dieser Pflichtverletzung.7

Bei der GmbH obliegt den Geschäftsführern wie bei der AG die Führung der laufenden und der ungewöhnlichen Geschäfte. Sie haben die Gesellschaft allerdings nicht in eigener8, son-dern in von den Gesellschaftern abgeleiteter Verantwortung zu leiten. Den Gesellschaftern steht im Gegensatz zu den Aktionären einer AG eine Weisungsbefugnis gegenüber den Ge-schäftsführern und eine Alleinentscheidungsbefugnis zu.9 An Weisungen der Gesellschafter-versammlung als oberstes Organ der GmbH10 sind die Geschäftsführer gebunden, so dass diesen i. d. R. eine haftungsbefreiende Wirkung zukommt.11 Lediglich in den Bereichen, für die den Geschäftsführern gesetzlich bestimmte Aufgaben zugeteilt sind – wie etwa nach

§§ 30, 31 GmbHG, § 15a InsO n. F., § 264 Abs. 1 HGB, § 34 AO – sind den Weisungen an sie Grenzen gesetzt.12 Für die mitbestimmte GmbH wird hingegen teilweise angenommen, dass die Weisungsbefugnis weiteren Schranken unterliege.13 Gesetzliche Anhaltspunkte für eine solche Einschränkung finden sich jedoch nicht.14

Die Gesellschafter haben darüber hinaus die Möglichkeit, die Kompetenzen der Geschäfts-führer durch Gesellschafterbeschluss oder durch Satzungsänderung an sich zu ziehen.15 Eine solche Kompetenzübertragung kann so weit reichen, dass die Geschäftsführer aufgrund der ihnen zwingend zustehenden Vertretungsbefugnis gemäß § 35 Abs. 1 GmbHG zum bloßen

6 S. BGHZ 83, 122 ff. (Holzmüller-Entscheidung – Pflicht des Vorstands die Zustimmung der Hauptversamm-lung einzuholen bei Ausgliederung eines Betriebs, der den wertvollsten Teil des Gesellschaftsvermögens bildet, auf eine dazu gegründete Tochtergesellschaft); BGHZ 153, 47 = ZIP 2003, 387 (Macroton-Entscheidung – wonach das reguläre Delisting der Zustimmung der Hauptversammlung wegen der damit verbundenen erhebli-chen Beeinträchtigung der Verkehrsfähigkeit der Aktien das Aktieneigentum bedarf); BGH ZIP 2004, 993 (Gelatine I – Zustimmungsbedürftigkeit der Hauptversammlung möglich bei Umstrukturierung einer Tochter- in eine Enkelgesellschaft wegen des mit ihr verbundenen weiteren Mediatisierungseffekts) und BGH ZIP 2004, 1001 (Gelatine II); s. auch Arnold, ZIP 2005 S. 1573 ff.

7 Kubis in: MüKo AktG § 119 Rdn. 2.

8 BGHZ 31, 258, 278; Uwe H. Schneider in: Scholz GmbHG § 37 Rdn. 30; Hüffer in: Ulmer/ Habersack/ Win-ter GmbHG § 45 Rdn. 15; Zöllner/ Noack in: Baumbach/ Hueck GmbHG § 37 Rdn. 11.

9 Zöllner/ Noack in: Baumbach/ Hueck, GmbHG § 37 Rdn. 4; Schneider, U. H. in: Scholz, GmbHG § 37 Rdn. 30 ff.; § 52 Rdn. 60.

10 Hüffer in: Ulmer/ Habersack/ Winter GmbHG § 45 Rdn. 15 m. w. Nw.

11 S. näher Paefgen in: Ulmer/ Habersack/ Winter GmbHG § 43 Rdn. 115 ff.; Hommelhoff/ Kleindiek in: Lutter/

Hommelhoff GmbHG § 43 Rdn. 22 ff.; Roth/ Altmeppen GmbHG § 43 Rdn. 7; 85 ff.; Zöllner/ Noack in:

Baumbach/ Hueck GmbHG § 43 Rdn. 33 ff.

12 BGHZ 31, 258, 278; OLG Düsseldorf ZIP 1984, 1476, 1478; Roth/ Altmeppen GmbHG § 37 Rdn. 6 m. w.

Nw.; Lutter/ Hommelhoff GmbHG § 37 Rdn. 12; Vetter in: Handbuch Managerhaftung § 17 Rdn. 67; Koppen-steiner in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff § 37 Rdn. 26; vgl. aber auch U. H. Schneider in: Scholz GmbHG § 37 Rdn. 38 m. w. Nw.

13 Str. s. zu diesem Meinungsstreit im Detail U. H. Schneider in: Scholz GmbHG § 37 Rdn. 39 ff.; Koppen-steiner in: Rowedder/ Schmidt-Leithoff § 37 Rdn. 42.

14 Ebenso U. H. Schneider in: Scholz GmbHG § 37 Rdn. 38

15 Unstr. statt anderer Lutter/ Hommelhoff, GmbHG § 45 Rdn. 4 ff.

Exekutivorgan degradiert werden.16 Unentziehbar sind den Geschäftsführern allein die ihnen gesetzlich zwingend zugewiesenen Aufgaben, für die auch das Weisungsrecht Einschrän-kungen erfährt.17

Eine Vorlagepflicht der Geschäftsführer an die Gesellschafterversammlung besteht immer dann, wenn es sich um ungewöhnliche Maßnahmen handelt. Ungewöhnlich sind beispiels-weise Entscheidungen, bei denen mit dem Widerspruch der Gesellschafter zu rechnen ist oder bei denen gemäß § 49 Abs. 2 GmbHG eine Einberufung der Gesellschafterversamm-lung durch die Geschäftsführer notwendig ist, weil das Interesse der Gesellschaft eine solche erfordert.18 Zwar ähnelt die Einberufungspflicht des § 49 Abs. 2 GmbHG der Pflicht des Aufsichtsrates, die Hauptversammlung nach § 111 Abs. 3 AktG einzuberufen, wenn das Wohl der AG dies erfordert; anders als die Gesellschafterversammlung hat die Hauptver-sammlung jedoch nicht die Befugnis zu einer Beschlussfassung zu Fragen der Geschäftsfüh-rung.19 Zudem geht die Pflicht der Geschäftsführer zur Vorlage über die oben erwähnte Pflicht des Vorstands20 hinaus, da das Interesse der Gesellschaft i. S. d. § 49 Abs. 2 GmbHG eine Einbindung der Gesellschafter bereits in Fällen von geringerer Schwere sinnvoll er-scheinen lässt.21 Daraus folgt, dass die Vorlagepflicht der Geschäftsführer umfangreicher als bei der AG ist und diese aufgrund der Entscheidungsmöglichkeit der Gesellschafterver-sammlung über Geschäftsführungsmaßnahmen stärker bindet als den Vorstand.

Ein weiterer Unterschied zur AG ergibt sich daraus, dass der Vorstand Beschlüsse der Hauptversammlung zu Fragen der Geschäftsführung nur dann zu beachten hat, wenn sie auf sein Verlangen hin verabschiedet worden sind.22 Demgegenüber sind die Geschäftsführer der GmbH regelmäßig an die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, unabhängig davon von welchem Organ sie initiiert wurden, gebunden.23

Es kann somit festgehalten werden, dass der Vorstand bis auf wenige Ausnahmen die Ge-schäftsführung der AG unabhängig von Entscheidungen der Hauptversammlung vornehmen kann, während der GmbH-Geschäftsführer regelmäßig an die Entscheidungen der Gesell-schafterversammlung gebunden ist. Dabei fällt besonders schwer ins Gewicht, dass die Ge-sellschafterversammlung nahezu sämtliche Geschäftsführungsbefugnisse an sich ziehen kann und ein weitreichendes Weisungsrecht gegenüber dem Geschäftsführer hat.

16U. H. Schneider in: Scholz GmbHG § 37 Rdn. 38; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG § 37 Rdn. 12; Marsch-Barner/Diekmann in: MüHdb GR GmbH § 44 Rdn. 60.

17 OLG Düsseldorf ZIP 1984, 1476, 1478; Marsch-Barner/ Diekmann in: MüHdb GR GmbH § 44 Rdn. 60.

18 Zöllner/ Noack in: Baumbach/ Hueck, GmbHG § 37 Rdn. 7 ff. m. w. Bsp.

19 Hüffer, AktG § 111 Rdn. 14.

20 Siehe oben S. 122 f.

21 Zöllner/ Noack in: Baumbach/ Hueck, GmbHG § 37 Rdn. 11.

22 Hefermehl/ Spindler in: MüKo AktG § 76 Rdn. 21; Kubis in: MüKo AktG § 119 Rdn. 27.

23 Zöllner/ Noack in: Baumbach/ Hueck, GmbHG § 37 Rdn. 18.

2. Auswirkung der Unterschiede zwischen Geschäftsführern und Vorstand auf die Ko-dexanwendung

Ziff. 4.1.1 S. 1 DCGK regelt, dass der Vorstand die Gesellschaft „in eigener Verantwor-tung“ leitet. Bei dem Kriterium der Leitung der Gesellschaft in abgeleiteter bzw. eigener Verantwortung der Geschäftsführer handelt es sich um ein zentrales Strukturmerkmal der GmbH bzw. der AG.24 Von diesem Element hängen die Kompetenzen und das Zusammen-wirken der anderen Organe und somit das gesamte Kompetenzgefüge und Organisationssys-tem dieser Rechtsformen ab.

Zwar lassen sich die in § 46 GmbHG der Gesellschafterversammlung zugewiesenen Kompe-tenzen bis auf wenige Ausnahmen auf die Geschäftsführer übertragen;25 ihre Grenzen findet eine Übertragung jedoch dort, wo die Gesellschafter den Geschäftsführern mit dem Ziel der genauen Kodexumsetzung die Leitung gänzlich in deren eigener Verantwortung unumkehr-bar übertragen wollen. Eine solche dauerhafte Abdingunumkehr-barkeit ihrer Alleinentscheidungsbe-fugnis ohne die Möglichkeit eines Rückholrechtes ist den Gesellschaftern aufgrund ihrer in

§ 53 Abs. 1 GmbHG geregelten Satzungsautonomie26 nicht möglich.27 Die Satzungsautono-mie steht allein den Gesellschaftern zu und verwehrt ihnen die Übertragung der Beschluss-fassung zu Satzungsänderungen auf ein anderes Organ oder Dritte.28 Aus diesem Grunde kann die GmbH das in Ziff. 4.1.1 DCGK geregelte Kriterium der Leitung der Geschäftsfüh-rer unter eigener Verantwortung nicht erfüllen.

Strebt eine GmbH die Anwendung des Kodexes an, so muss sie sich fragen, wie sie die Hür-de Hür-des im KoHür-dex festgehaltenen Organisationsrahmens überwinHür-det. Da es nicht in ihrem Interesse liegen wird, ihren eigenen Organisationsrahmen gänzlich an den einer AG anzu-passen – ansonsten hätte sie ja die Rechtsform der AG und nicht die der GmbH gewählt – wird sie regelmäßig in anderer Weise vorgehen müssen. Dies kann geschehen, indem sie deutlich macht, dass sie dieser Kodexregel keine oder nur eingeschränkte Beachtung schenkt oder indem sie ihre eigene Organisation lediglich soweit wie es der Rechtsform der GmbH möglich und für sie sinnvoll ist, an diese Kodexregelung anpasst. Beides führt dazu, dass eine uneingeschränkte Anwendbarkeit derartiger Regelungen nicht stattfinden kann.

24 Zöllner in: Ulmer/ Habersack/ Winter, GmbHG § 45 Rdn. 15.

25 Zöller in: Baumbach/ Hueck, GmbHG § 46 Rdn. 6; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG § 46 Rdn. 2.

26 Lutter/ Hommelhoff, GmbHG § 53 Rdn. 7; Hüffer in: Ulmer/ Habersack/ Winter, GmbHG § 45 Rdn. 1.

27 Lutter/ Hommelhoff, GmbHG § 45 Rdn. 6; Zöller in: Baumbach/ Hueck, GmbHG § 46 Rdn. 92 ff.; Zöllner in: Ulmer/ Habersack/ Winter, GmbHG § 45 Rdn. 17, 21 ff.

28 BGHZ 43, 261, 264; Zöllner in: Baumbach/ Hueck, GmbHG § 46 Rdn. 6; Lutter/ Hommelhoff, GmbHG § 53 Rdn. 7.