• Keine Ergebnisse gefunden

Mangel an Eigenkapital und Insolvenzanfälligkeit der GmbH

B. Adressatenkreis, Inhalte und Verhältnismäßigkeit einer dem § 161 AktG

I. Mangel an Eigenkapital und Insolvenzanfälligkeit der GmbH

§ 2 DIE PROBLEMBEREICHE DER GMBH

In diesem Paragraphen wird auf die Probleme der GmbH und Maßnahmen, die in der Ver-gangenheit zu ihrer Behebung oder Minderung getroffen wurden, eingegangen.

Nominelle Unterkapitalisierung und ihre Gründe

Von einer nominellen Unterkapitalisierung spricht man, wenn das Risiko tragende nominelle Haftkapital, das sich aus gezeichnetem Kapital sowie den Kapital- und Gewinnrücklagen nach § 272 HGB zusammensetzt, außer Verhältnis zu dem sich aus Art und Umfang der Ak-tivitäten und des Risikos der Gesellschaft ergebenden Eigenkapitalbedarf steht.7 Neuere Untersuchungen bei mittelständischen Unternehmen ergaben, dass 34 % der befragten Unternehmen lediglich eine Eigenkapitalausstattung von bis zu 10 % ihrer Bilanzsumme und nur 23,1 % der befragten Unternehmen ein Eigenkapital von über 30 % angeben konnten.8 Es wird geschätzt, dass deutsche Unternehmen über eine durchschnittliche Eigenkapitalquote von ca. 16 % verfügen, mit der sie im internationalen Vergleich schlecht abschneiden.9 Diese geringe Quote wirkt sich besonders in konjunkturschwachen Jahren aus, in denen hauptsäch-lich solche Unternehmen in Insolvenz geraten, die nur ein geringes Eigenkapital aufweisen.

Die Gründe für die Unterkapitalisierung der GmbH sind vor allem darin zu finden, dass sie über ein geringes Mindestkapital verfügt, da Anleger die GmbH vor allem zur Haftungsbe-grenzung und nur in geringem Maße als Kapitalanlage nutzen, was wiederum auf der man-gelnden Fungibilität ihrer Anteile beruht. Vielmehr sind in ca. 80 % der GmbH nicht mehr als zwei Gesellschafter10, so dass die Möglichkeit der Beschaffung von Eigenkapital maß-geblich von der Finanzierungskraft und -bereitschaft ihrer Gesellschafter abhängt.

a) Geringes Mindestkapital

Das Mindeststammkapital von GmbH beträgt 25.000 €. Der Gesetzgeber entschied sich im Rahmen der GmbH-Reform durch das MoMiG nach intensiver Debatte gegen das Herabsen-ken dieses Betrages auf 10.000 €. GmbH-Gründer haben jedoch nunmehr durch die Grün-dung einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) die Möglichkeit, die Gesellschaft mit einem Mindeststammkapital von nur einem Euro zu gründen11. Bereits vor der GmbH-Reform entsprach das Stammkapital vieler GmbH nicht ihrem tatsächlichen Kapitalbe-darf. Im Zeitpunkt der Einführung des GmbHG im Jahre 1892 lag das Mindeststammkapital bei 20.000 Goldmark, was einem heutigen Betrag von mindestens 100.000 € entspricht12 und oft als derjenige Betrag geschätzt wird, der bei GmbH regelmäßig auch heute erforderlich ist.13 In der Vergangenheit waren diejenigen GmbH, die ein Haftungskapital von mehr als 50.000 € hatten, weit seltener von Insolvenzen betroffen als diejenigen, die über das

7 Zum Begriff der nominellen und materiellen Unterkapitalisierung s. Goette/ Kleindiek, Eigenkapitalersatz-recht in der Praxis, S. 5 Rdn. 11 ff.; s. auch Schmidt, K., GR, § 9 IV 4., S. 240.

8 Creditreform, Insolvenzen, Neugründungen und Löschungen, 1. Halbjahr 2006, S. 19.

9 Creditreform, Insolvenzen, Neugründungen und Löschungen, Jahr 2002, S. 24; Schmidt/ Uhlenbruck, Die GmbH in Krise, Sanierung und Insolvenz, S. 1.

10 Siehe unten S. 49.

11 Siehe unten S. 68 f.

12 Priester deutet in: FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 159, 161 darauf hin, dass es sich hierbei um einen Betrag handelte, mit dem man sich "eine relativ noble Villa kaufen" konnte.

13 Triebel/ Otte, ZIP 2006, 1312, 1321.

dige Mindestkapital von 25.000 € verfügten.14 Folgerichtig ist die im Bundestag debattierte Herabsenkung des Mindeststammkapitals in der Literatur auf weite Kritik gestoßen15 und schließlich abgelehnt worden. Es ist zu erwarten, dass die Unternehmergesellschaft (haf-tungsbeschränkt) aufgrund ihres niedrigen Mindeststammkapitals besonders insolvenzanfäl-lig sein wird.

b) Geringe Gesellschafterzahl

Ein weiterer Grund für die geringe Eigenkapitalausstattung ist die geringe Zahl der Anteils-eigner im Vergleich zur AG. Im Jahr 2007 gab es in Deutschland insgesamt 1,029 Mio. Ak-tionäre im Alter von über 14 Jahren, was einen Anteil an der Bevölkerung von ca. 1,25 % ausmacht.16 Genaue Zahlen über Anteilseigner an GmbH lassen sich bislang nicht finden, was daran liegt, dass es aufgrund der Vielzahl der dezentral geführten Handelsregister keine gesamtdeutsche Erhebung gibt.17 Die Untersuchung der Gesellschafterzahlen an einem Amtsgericht in Deutschland verdeutlichen exemplarisch, dass dort im Jahr 1996 39,7 % der GmbH Einzelpersonen-, 40 % Zweipersonen- und 12,8 % Dreipersonengesellschaften wa-ren. Der Anteil der Gesellschaften mit mehr als fünf Gesellschaftern lag bei 0,8 %, so dass mehr als 99 % der Gesellschaften nicht mehr als fünf Gesellschafter hatten.18 Zwar lassen sich diese Zahlen nicht auf ganz Deutschland übertragen, aus ihnen lässt sich jedoch erah-nen, dass der Anteil der Publikums-GmbH gemessen an allen GmbH und die Anzahl der GmbH-Gesellschafter im Vergleich zu der aller Aktionäre gering ist und Anleger die GmbH weit seltener als Investitionsobjekt als etwa die AG nutzen.

c) Fungibilität der Gesellschaftsanteile

Die Gründe für eine geringere Gesellschafterzahl und dementsprechend für die geringe Eigenkapitalbasis sind insb. darin zu finden, dass GmbH-Anteile eine geringere Fungibilität als Aktien aufweisen.

Dies beruht zunächst darauf, dass der Gesetzgeber die GmbH anders als die AG als Mit-unternehmergesellschaft und somit nicht für eine hohe Gesellschafterzahl konzipiert hat. Bei der GmbH bedürfen das Verpflichtungsgeschäft zu einer Abtretung ebenso wie die Abtre-tung des Anteils der notariellen Beurkundung nach § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG. Der Sinn dieser Formvorschrift ist es zu vereiteln, dass GmbH-Geschäftsanteile Gegenstand des freien Handelsverkehrs werden. Der Erwerber eines Anteils soll auf die Bedeutung und das Risiko

14 Creditreform, Insolvenzen, Neugründungen und Löschungen, 1. Halbjahr 2006, S. 28.

15 Triebel/ Otte, ZIP 2006, 1321 m. v. w. Nw.

16 S. zur Zahl der Aktionäre in Deutschland Deutsches Aktieninstitut, DAI Factbook - Stand 30.07 2008, Tab.

08.3-Zahl-D; dass. DAI Factbook - Stand Oktober 2006, Tab. 08.3-Zahl-D.; s. auch Deutsches Aktieninstitut, Zahl der direkten Aktienanleger gestiegen – Zahl der Fondsanleger rückläufig - DAI-Kurzstudie 1/2005, S. 1.

17 Es ist auch nicht zu erwarten, dass aufgrund der Einführung des Unternehmensregisters eindeutige Zahlen ermittelt werden können. Da die Erfassung und Veröffentlichung im Unternehmensregister primär neue Eintra-gungen betrifft, s. § 9 Abs. 1 und 2 HRV.

18 Kornblum, GmbHR 1997, 630, 634, 638; ebenso Burgard, ZIP 2002, 827, 828.

der Beteiligung an einer GmbH hingewiesen werden und ihm soll klar sein, dass er seine Investitionen nicht so leicht wie bei einer Aktie durch Verkauf wieder zurück erlangen kann.19 Demgegenüber ist bei Aktien zwischen der Inhaberaktie und der Namensaktie zu unterscheiden, wobei die Übertragung bei Ersterer allein durch Einigung und Übergabe statt-findet und bei Letzterer grundsätzlich durch Indossament geschieht, das jedoch auch durch ein Blankoindossament ersetzt werden kann, so dass beide Aktienarten formlos übertragen werden können.20 Der Aktienerwerber hat zwar die Möglichkeit, sich bei deren Erwerb als Aktionär ins Aktienregister der Gesellschaft eintragen zu lassen, diese Eintragung begründet aber ausschließlich eine Vermutung der materiellen Berechtigung des Aktionärs gegenüber der Gesellschaft und ist keine Erwerbsvoraussetzung.21

Da die freie Handelbarkeit eines Wertpapiers gemäß § 5 BörsZuVO Voraussetzung für die Zulassung an einer Wertpapierbörse ist, es jedoch an der Handelbarkeit von GmbH-Geschäftsanteilen aufgrund der zwingenden notariellen Form der Abtretung gemäß § 15 Abs. 3 GmbHG fehlt, kann ein GmbH-Geschäftsanteil nicht an einer Börse gehandelt wer-den. An der Handelbarkeit scheitert es selbst dann, wenn der Geschäftsanteil in Form eines Anteilsscheins22 verbrieft ist, da eine Verbriefung keinen Einfluss auf die Formvorschrift des

§ 15 Abs. 3 GmbHG hat.23 Ebenfalls nicht möglich ist die Zulassung von Gesellschaftsantei-len zum Handel in einem multilateraGesellschaftsantei-len Handelssystem i. S. d. § 2 Abs. 3 Nr. 8 WpHG, da hierfür Voraussetzung wäre, dass es sich um ein Finanzinstrument handelte. Gesellschaftsan-teile unterfallen diesem Begriff jedoch nicht, da es wiederum an der hierfür gemäß § 2 Abs.

1, 2b WpHG erforderlichen Handelbarkeit fehlt. Aus der mangelnden Fungibilität folgt so-mit, dass es für GmbH-Geschäftsanteile an einem angemessenen Handelsplatz fehlt, auf dem viele Käufer und Verkäufer zusammengeführt werden. Dies wirkt sich für die GmbH er-schwerend bei der Suche nach Anlegern aus und verstärkt den Mangel an Eigenkapital.

Erwähnung finden sollte, dass bei der GmbH hinzukommt, dass gemäß § 40 GmbHG n. F.

jede Veränderung der Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligungen durch die Geschäftsführer bzw. den Notar in Form einer Gesellschafterliste beim elektroni-schen Handelsregister eingereicht und im Registerordner gespeichert werden muss.24 Hierbei handelt es sich zwar nicht um eine Erwerbsvoraussetzung; nach § 16 Abs. 1 GmbHG n. F.

gilt aber nur derjenige im Verhältnis zur Gesellschaft als Gesellschafter, der als solcher in der zum Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste eingetragen ist. Fehlt es an einer

19 Hueck/ Fastrich in: Baumbach/ Hueck, GmbHG § 15 Rdn. 20; kritisch Triebel/ Otte, ZIP 2006, 1321, 1326;

Eidenmüller, ZGR 2007, 168, 200 ff.

20 Bayer in: MüKo AktG § 68 Rdn. 8 ff.

21 Hüffer, AktG, § 67 Rdn. 11 - 13; Bayer in: MüKo AktG § 67 Rdn. 37 ff.; Lutter, KölnKomm AktG § 67 Rdn.

16 f.

22 Hueck/ Fastricht in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 14 Rdn. 7.

23 Hueck/ Fastricht in: Baumbach/ Hueck, GmbHG, § 14 Rdn. 8; Lutter/ Bayer in: Lutter/ Hommelhoff, GmbHG § 14 Rdn. 8.

24 Gesmann-Nuissl, WM 2006, 1756, 1758.

Eintragung, so kann ein Gesellschafter seine Gesellschafterrechte nicht ausüben.25 Auch bei der AG kann eine Gesellschafterliste in Form eines sog. Aktienregisters gemäß § 67 AktG geführt werden, eine Pflicht zur Führung besteht jedoch nur, wenn die AG Namensaktien oder Zwischenscheine ausgibt.26 Zudem ist das Aktienregister nur bei der AG zu führen und nicht beim Handelsregister einzureichen. Keine Bedingung für die Ausübung der Aktionärs-rechte ist die Eintragung in das Aktienregister.

Auf die Fungibilität von GmbH-Anteilen wirkt es sich ferner negativ aus, dass die Komple-xität der Rechtsprechung zu einem hohen Maß an Rechtsunsicherheit bei der Abtretung von GmbH-Anteilen geführt hat. So gilt bspw. bei der notariellen Beurkundung der Vollständig-keitsgrundsatz, wonach die gesamte Vereinbarung der Abtretung samt aller Anlagen beur-kundungspflichtig ist.27 Der Gesetzgeber hat diese Unsicherheiten durch das MoMiG nicht beseitigt.28

Weitere Unwägbarkeiten können für den Erwerber darin bestehen, dass er für eine ausste-hende restliche Stammeinlage, für eine nicht erbrachte Sacheinlage und die Verlustdeckung im Gründungsstadium gemäß § 16 Abs. 2 GmbHG29 neben dem Veräußerer gesamtschuld-nerisch haftet.30 Für Aktienerwerber besteht eine solche Haftung nicht.31 Dies birgt ein hohes Haftrisiko bei Erwerb eines GmbH-Anteils, wodurch die Attraktivität der GmbH als Kapital-anlage sinkt.