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Gesellschafterversammlung bei AG und GmbH

B. Adressatenkreis, Inhalte und Verhältnismäßigkeit einer dem § 161 AktG

II. Gesellschafterversammlung bei AG und GmbH

der AG in großem Umfang möglich, die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung statu-tarisch zu erweitern.36 Die Gesellschafterversammlung hat aufgrund ihrer Allzuständigkeit, die Möglichkeit nahezu jede Geschäftsführungsangelegenheit an sich zu ziehen und statt anderer Organe zu entscheiden.37 Die Geschäftsführer können daher zum bloßen Ausfüh-rungsorgan herabgestuft werden38. Ergänzt wird die Allzuständigkeit durch die Weisungsbe-fugnis der Gesellschafter gegenüber den Geschäftsführern gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG, die den Gesellschaftern im Unterschied zu den Aktionären die Möglichkeit gibt, die Geschäfts-politik zu bestimmen.39

Ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Kompetenzverteilung zwischen den Organen ist die Kompetenz zur Wahl der Geschäftsführung, da mit ihr die Ausrichtung der Geschäftsfüh-rung verbunden ist. Gemäß § 101 Abs. 1 AktG wählt die Hauptversammlung grundsätzlich die Mitglieder des Aufsichtsrates, welcher wiederum gemäß § 84 Abs. 1 AktG die Vor-standsmitglieder bestellt. Die Besetzung des Vorstandes kann die Hauptversammlung somit nur mittelbar durch die Wahl des Aufsichtsrates beeinflussen. Die Einflussmöglichkeiten insb. von Minderheitsaktionären auf die Zusammensetzung des Vorstandes und auf die Ge-schäftspolitik sind daher gering.

Anders als bei der AG ist bei der GmbH die Gesellschafterversammlung für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG unmittelbar zuständig.40 Ihr Einfluss auf die Geschäftsführung ist auch aufgrund dieser Kompetenz deutlich höher als der der Aktionärsversammlung.

Der Vergleich der Gesellschafterversammlung der GmbH mit der der AG macht deutlich, dass es bei der GmbH aufgrund der Möglichkeit der Gesellschafterversammlung, Geschäfts-führungsmaßnahmen an sich zu ziehen und ihrer Weisungsbefugnis gegenüber den Ge-schäftsführern, eine Kompetenzverschiebung zu ihren Gunsten gibt.

2. Auswirkung der Unterschiede zwischen der Gesellschafterversammlung bei AG und GmbH auf die Kodexanwendung

Zu untersuchen ist, ob der in groben Zügen das Aktiengesetz widerspiegelnde DCGK zu-gleich die Kompetenzen der Gesellschafterversammlung der GmbH nachbildet. Bei dieser Untersuchung ist maßgeblich, welche Befugnisse der Kodex der Hauptversammlung zuweist und ob diese Kompetenzen denjenigen der GmbH entsprechen.

Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Ziff. 2.2.1 S. 2 DCGK, die einen Katalog von Entscheidungskompetenzen der Hauptversammlung enthält, welche den in

§ 119 Abs. 1 AktG geregelten Zuständigkeiten der Hauptversammlung entsprechen. Zu die-sen Kompetenzen gehören die Entscheidung über die Gewinnverwendung, die Entscheidung

36 Zöllner in: Baumbach/ Hueck, GmbHG § 46 Rdn. 5.

37 Zöllner in: Baumbach/ Hueck, GmbHG § 46 Rdn. 89.

38 Siehe oben S. 123 f.

39 Schneider, U. H. in: Scholz, GmbHG § 37 Rdn. 30, § 52 Rdn. 60.

40 Vgl. unten S. 136.

über die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat, die Wahl der Anteilseignervertreter in den Aufsichtsrat sowie die Wahl des Abschlussprüfers.

Darüber hinaus enthält Ziff. 2.2.1 S. 3 DCGK die Entscheidungskompetenz der Hauptver-sammlung über die Satzung und den Gegenstand der Gesellschaft sowie „wesentliche unter-nehmerische Maßnahmen“. Was unter diesem Terminus zu verstehen ist, konkretisieren die in der Ziffer enthaltenen Regelbeispiele. Als wesentliche unternehmerische Maßnahmen werden Unternehmensverträge, Umwandlungen, die Ausgabe neuer Aktien und von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen sowie die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien genannt. Der Zweck des S. 3 dieser Kodexregelung ist es, die sich aus verschiedenen gesetz-lichen Vorschriften ergebenden Zuständigkeitsbereiche der Hauptversammlung für bestimm-te Grundlagenentscheidungen41 und die sich aus § 119 Abs. 2 AktG ergebende Vorlage-pflicht42 des Vorstandes gegenüber der Hauptversammlung in den Kodex zu integrieren.

Für eine entsprechende Anwendbarkeit des Kodexes auf die GmbH ist zu untersuchen, ob die in Ziff. 2.2.1 S. 2 und 3 DCGK genannten Kompetenzen auch der Gesellschafterver-sammlung der GmbH unterliegen. Bei der GmbH hat die GesellschafterverGesellschafterver-sammlung die Entscheidungskompetenz über die Ergebnisverwendung gemäß § 46 Nr. 1 GmbHG. Für die Entlastung der Geschäftsführer ist sie gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG zuständig. Die Entlastung des Aufsichtsrates ist zwar nicht gesetzlich vorgeschrieben,43 es ist jedoch anerkannt, dass auch der Aufsichtsrat einen Anspruch auf Entlastung durch die Gesellschafterversammlung hat.44 Die Gesellschafterversammlung hat die Pflicht zur Wahl der Anteilseignervertreter in den Aufsichtsrat gemäß § 101 Abs. 1 S. 1 AktG analog;45 die Pflicht zur Wahl des Ab-schlussprüfers durch die Gesellschafterversammlung begründet § 318 Abs. 1 HGB i. V. m.

§ 48 GmbHG und die Kompetenz zur Entscheidung über die Satzung und den Gegenstand der Gesellschaft steht der Gesellschafterversammlung gemäß § 53 i. V. m. § 3 GmbHG zu.

Für die als wesentliche unternehmerische Maßnahmen genannten Beispiele in Ziff. 2.2.1 S. 3 DCGK weist das GmbH-Recht der Gesellschafterversammlung ebenfalls die Entscheidungs-kompetenz zu. So ist diese für Unternehmensverträge46, Umwandlungen gemäß §§ 50 Abs.

1, 51 Abs. 1, 193 Abs. 1, 241 UmwG, die Kapitalerhöhung als Satzungsänderung gemäß

§ 53 Abs. 1 GmbHG sowie die Ausgabe von Wandel- und Optionsschuldverschreibungen

41 Hierzu gehören die in der Ziffer genannten Grundlagenzuständigkeiten, nämlich der Abschluss und die Än-derung von Unternehmensverträgen gemäß §§ 293 Abs. 1, 295 Abs. 1 AktG, Umwandlungen nach dem UmwG, die Ausgabe neuer Aktien gemäß §§ 182, 192, 202, 207, 221 AktG und Wandel- und Optionsschuld-verschreibungen gemäß § 221 AktG sowie der Erwerb neuer Aktien gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 7 und 8 AktG, s.

hierzu genauer Ringleb/ Kremer/ Lutter/ Werder, v., Kommentar zum DCGK, Ziff. 2.2.1 Rdn. 244.

42 Siehe oben S. 122.

43 Zöllner/ Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG § 52 Rdn. 76.

44 Zöllner/ Noack in: Baumbach/Hueck, GmbHG § 52 Rdn. 76.

45 S. § 1 Abs. 1 Nr. 3 DrittelbG, § 6 Abs. 2 InvG, § 24 Abs. 2 MgVG, § 52 Abs. 1 GmbHG; hinsichtlich mitbe-stimmter Aufsichtsräte nach dem MitbestG s. § 8 ff. MitbestG.

46 S. Zöllner in: Baumbach/ Hueck, GmbHG SchlAnhKonzernR Rdn. 55 ff.; Lutter/ Hommelhoff GmbHG Anh

§ 13 Rdn. 36 ff., 62.

gemäß § 221 AktG analog zuständig.47 Auch für den Erwerb eigener Geschäftsanteile bedarf es nach h. M. eines Beschlusses der Gesellschafterversammlung.48 Zudem hat auch bei der GmbH die Gesellschafterversammlung das Recht über wesentliche unternehmerische Maß-nahmen zu entscheiden, da sie die grundsätzliche Möglichkeit hat, jede Geschäftsführungs-maßnahme an sich zu ziehen und an Stelle der Geschäftsführer zu entscheiden.

Darüber hinaus bejaht das neuere Schrifttum49 eine Vorlagepflicht der GmbH-Geschäftsführer an die Gesellschafterversammlung bei ungewöhnlichen Geschäften. Daraus folgt, dass die GmbH-Gesellschafterversammlung entsprechend Ziff. 2.2.1 S. 2 und 3 DCGK ebenso wie die Hauptversammlung der AG über „wesentliche unternehmerische Maßnah-men“ zu entscheiden hat. Es ist somit festzuhalten, dass eine entsprechende Anwendung des Kodexes auf die GmbH bzgl. der in Ziff. 2.2.1 S. 2 und 3 DCGK enthaltenen Kompetenzen grundsätzlich möglich ist.

Dem Strukturbild der AG entsprechend erwähnt der Kodex jedoch nicht, dass es der Gesell-schafterversammlung einer GmbH aufgrund ihrer Allzuständigkeit möglich ist, Geschäfts-führungsmaßnahmen an sich zu ziehen und an Stelle der Geschäftsführer zu entscheiden.

Publiziert eine GmbH ihre entsprechende Anwendung des Kodexes, so verursacht jedoch gerade dies Unklarheiten. Demjenigen, der sich unter Zuhilfenahme des Kodexes über die Kompetenzverteilung der GmbH informieren möchte, wird nicht deutlich, dass der Gesell-schafterversammlung nicht nur die in Ziff. 2.2.1 DCGK enthaltenen Kompetenzen, sondern darüber hinaus nahezu jede weitere Geschäftsführungsmaßnahme zusteht. Selbst wenn die Allzuständigkeit bei der entsprechenden Gesellschaft statutarisch abbedungen wäre, so könn-te die Gesellschafkönn-terversammlung diese jederzeit durch Satzungsänderung wieder einführen.

Daraus folgt, dass eine entsprechende Anwendbarkeit der Kodexziffer zwar grundsätzlich möglich ist, aber das Strukturbild des Kodexes auch bzgl. der Kompetenzen der Anteilseig-ner nicht auf die GmbH zugeschnitten ist und durch eine entsprechende Anwendung verzerrt wird.