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6 Unterschreiten des gesetzlichen Mindestkapitals

7.4 Zahlungsverbot gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG

7.4.1 Zahlungen i.S.d. § 64 Abs. 2 GmbHG

Unter Zahlungen werden auch die Leistung anderer Gegenstände und die Vornahme von Dienstleistungen gezogen307.

7.4.1.1 Eingehen von Verbindlichkeiten

Umstritten ist aber, ob das bloße Eingehen von Verbindlichkeiten genügt:

Sieht man als Normzweck die Sicherung der Gleichbehandlung der Gläubiger in der Insolvenz, so ist dies zu verneinen308. Nicht jede Masseschmälerung ist dann erfasst, sondern nur die durch Leistung des Geschäftsführers bewirkte.

Sieht man dagegen als Normzweck die Sicherung der Insolvenzmasse, so ist dies zu bejahen309. Zweck der Vorschrift ist dann, die Insolvenzmasse umfassend vor Schäden infolge verzögerter Insolvenzantragsstellung zu schützen.

306 OLG Celle, Urteil vom 19.11.1993, GmbHR 1994, 467 (468).

307 So die überwiegende Ansicht, vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, § 64 Rz 71.

Baumbach/Hueck, GmbHG

308 , § 64 Rz 71; Ulmer in Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 64 Rz 40.

309 , § 64 Rz 31; Marsch-Barner/Diekmann in

, § 46 Rz 48, S. 670.

Lutter/Hommelhoff, GmbHG Münchener Handbuch des

Gesellschaftsrechts

Letztere Meinung ist vorzuziehen, da ansonsten der ohnehin geringe Gläubigerschutz im deutschen Recht noch weiter eingeschränkt würde. Es ist auch systemgerecht,

§ 64 Abs. 2 GmbHG die Sicherung der Insolvenzmasse zuzuweisen, da dieser Anspruch in der Insolvenz in die Insolvenzmasse fällt. Der Gläubigerschutz ergibt sich dann als Reflex aus dem Masseschutz, was gerade dem vom historischen GmbHG vorgesehenen Prinzip der Innenhaftung entspricht. Auch ist dies den Geschäftsführern gegenüber nicht unbillig, da die Eingehung weiterer Verbindlichkeiten nicht schwerer zu vermeiden ist, als die Hingabe von Vermögensgegenständen. Folgt man dieser Ansicht, besteht auch eine größere Nähe zum Verbot neuer Geschäfte in Italien.

7.4.1.2 Ausschluss sorgfaltsgemäßer Zahlungen

Über die Unterausnahme der Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Ge-schäftsmannes vereinbar sind, lassen sich solche Geschäfte ausscheiden, die der Gesell-schaft einen ausreichenden Gegenwert zuführen310. Damit ist gleichzeitig auch sicherge-stellt, dass eine weite Auslegung des Merkmals Zahlung nicht zu einer völligen Läh-mung der Gesellschaft führt. Günstige Geschäfte, die aus der Überschuldung führen können, bleiben erlaubt.

7.4.1.3 Fahrlässigkeitsmaßstab

Für die Beurteilung durch den Geschäftsführer gilt unstreitig der Fahrlässigkeitsmaß-stab311. Das deutsche Recht ist also weniger rigoros, als das italienische, das die Einge-hung jeglicher neuer Verbindlichkeit untersagt. Der Geschäftsführer muss auch dann nicht haften, wenn das Geschäft zwar fehlschlägt, er aber vernünftigerweise, also ohne Fahrlässigkeit, von einem Gelingen ausgehen konnte. Dies ermöglicht die Sanierung überschuldeter Gesellschaften, ohne dass unüberblickbare Haftungsrisiken für die Ge-schäftsführer entstehen.

310 Nach anderer Ansicht soll dann bereits das Merkmal der Zahlung entfallen, vgl.

, § 64 Rz 71. Eine solche teleologische Reduktion ist zwar möglich, würde aber das Merkmal der Unvereinbarkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes überflüssig machen.

Baumbach/Hueck, GmbHG

311 Geimer/Schütze, EUROPÄISCHES ZIVILVERFAHRENSRECHT, § 64 Rz 75.

7.4.2 Haftung gegenüber der Gesellschaft

Handelt der Geschäftsführer fahrlässig312, so hat die Gesellschaft gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG einen Anspruch in Höhe des Schadens, der den Gesellschaftsgläubigern entstanden ist, des sogenannten Gesamtgläubigerschadens313. Der Anspruch geht also auf Massewiederherstellung314. Dieser fällt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens in die Insolvenzmasse, § 35 InsO.

Die Besonderheit des Anspruchs aus § 64 Abs. 2 Satz 1 GmbHG ist, dass er dem Schutz der Gläubigerinteressen dient315. Er spiegelt das vom GmbHG ursprünglich vorgesehene Innenhaftungsmodell wieder.

7.4.3 Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern

7.4.3.1 Keine Haftung wegen Verstoßes gegen das Zahlungsverbot nach herr-schender Ansicht

Ebenso wie § 30 Abs. 1 GmbHG stellt § 64 Abs. 2 GmbHG nach herrschender Ansicht kein Schutzgesetz gemäß § 823 Abs. 2 BGB dar. Die Gesellschaftsgläubiger können den Geschäftsführer nicht unmittelbar in Anspruch nehmen. Anders als im italienischen Recht beim Verbot weiterer Geschäfte führt also der Verstoß gegen das Verbot weiterer Zahlungen nicht zu einer Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Allerdings wird diese Haftungslücke von der Rechtsprechung durch die Haftung wegen Verstoßes gegen die Insolvenzantragspflicht gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG aufge-fangen.

312 BGH, Urteil vom 29.11.1999, ZIP 2000, 184 (185); Lut , § 64 Rz 33. Dage-gen verlangt Schulze-Osterloh in , § 64 Rz 75, wie bei der Haftung aus

§§ 64 Abs. 1 GmbHG, 823 Abs. 2 BGB positive Kenntnis der Überschuldung bzw. der Zahlungsunfä-higkeit. Es besteht also der gleiche Streit, wie bei der Haftung wegen Verletzung der Antragspflicht.

Laut BGH (a.a.O.) wird die fahrlässigkeitsbegründende Erkennbarkeit der Überschuldung vermutet.

ter/Hommelhoff, GmbHG

Lutter/Hommelhoff, GmbHG

Baumbach/Hueck, GmbHG

313 Jula, Haftung von GmbH-Geschäftsführern, S. 80.

314 BGH, Urteil vom 8.1.2001, ZIP 2001, 235 (239).

315 , § 64 Rz 34.

7.4.3.2 Eigene Ansicht: § 64 Abs. 2 GmbHG als Schutzgesetz für die Gesell-schaftsgläubiger

Wie die italienische Regelung zeigt, wäre die Anknüpfung an die kapitalbeeinträchti-genden Leistungen bzw. Handlungen der Anknüpfung an die Insolvenzantragspflicht vorzuziehen, da diese unmittelbar zu einem Schaden der Gesellschaftsgläubiger durch Masseschmälerung führen, der Verstoß gegen die Antragspflicht nur mittelbar.

Subsumiert man unter Zahlungen jede kapitalschädigende Handlung des Geschäftsfüh-rers, insbesondere auch die Eingehung neuer Verbindlichkeiten, so erreicht man einen umfassenden Schutz der Gesellschaftsgläubiger ohne die Gesellschaft durch sofortigen Eintritt der Insolvenzantragspflicht zu lähmen. Wie weit der Geschäftsführer bei seinen Sanierungsmaßnahmen geht, muss er dann im Rahmen einer persönlichen Risikoabwä-gung entscheiden. Bei Vereinbarkeit mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsman-nes ist er haftungsfrei.

Grundsätzliche Bedenken kann es nicht geben, da die gesetzlich-historische Konzeption der einheitlichen Verteilung im Insolvenzverfahren durch die Qualifikation von

§ 64 Abs. 1 GmbHG als Schutzgesetz bereits durchbrochen wurde.

Es wäre daher überlegenswert, ob man nicht das historische Konzept des GmbHG völlig aufgibt und § 64 Abs. 2 GmbHG zum Schutzgesetz für die Gesellschaftsgläubiger macht. Da § 64 Abs. 2 GmbHG jedoch nur die Schädigung der Masse sanktioniert, würde eine solche Haftung auch nur den Quotenschaden ersetzen. Der Anspruch liefe dann mit demjenigen aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG für Altgläubiger par-allel.

7.5 Ergebnis