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9 Haftungsfreistellung und –verzicht

12.2 Ausgangspunkt: Gesellschaftsstatut

12.4.1 Herrschende Auffassung: Einheitslehre

Auf der Basis der überwiegend vertretenen Einheitslehre wird bislang die Haftung der Verwaltungsorgane von Kapitalgesellschaften insgesamt dem Gesellschaftsstatut unter-stellt, ohne dass dabei zwischen Innen- oder Außenhaftung unterschieden würde436. 12.4.2 Eigene Auffassung: Differenzierung zwischen Innen- und Außenhaftung Bei der Außenhaftung des Geschäftsführers gegenüber Gesellschaftsgläubigern ist der Einheitslehre jedoch nicht zu folgen. Vielmehr überwiegen hier die Argumente für eine Bestimmung nach dem Vertragsstatut des Vertrages zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschaftsgläubiger.

12.4.2.1 Vergleich mit dem Streit zwischen Einheits- und Differenzierungslehre beim Haftungsdurchgriff

Als Ausgangspunkt für die kollisionsrechtliche Beurteilung der Geschäftsführerhaftung dient ein Vergleich mit der Beurteilung des Haftungsdurchgriffs. Diese kann nicht un-mittelbar herangezogen werden, da die Fallgruppen der Gesellschafter-Geschäftsführerhaftung, wie zum Beispiel die Eigenhaftung aus culpa in contrahendo

436 /Kindler, IntGesR Rz 503; /Großfeld, IntGesR Rz 317. Für die deliktische

Außenhaftung ausdrücklich: Ul , S. 35 ff.

MünchKomm Staudinger

rich, REGELN DES INTERNATIONALEN PRIVATRECHTS

wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses, nicht Gegenstand der Untersuchung sind. Den-noch ergeben sich bei der Beurteilung des Haftungsdurchgriff hinsichtlich der Frage einer Durchbrechung der Einheitslehre Parallelen. Die Behandlung des Haftungsdurch-griffs ist umstritten.

12.4.2.1.1 Einheitslehre

Nach der wohl herrschenden, zumindest von der Rechtsprechung vertretenen437, Ein-heitslehre unterliegt die Durchgriffshaftung insgesamt dem Gesellschaftsstatut438. Histo-rischer Grund für diese Auffassung ist, zu verhindern, dass inländische Gesellschafter einer inländischen Gesellschaft nach ausländischem Recht haften können439. Eine solche Haftung nach ausländischem Recht könnte vor allem bei Aktiengesellschaften, bei de-nen das breite Publikum als Kapitalgeber auftritt, dazu führen, dass Kapitalgeber abge-schreckt werden. Als weiteres Argument wird auch ins Feld geführt, dass das anwend-bare Recht bei der Einheitslehre einfach bestimmbar ist und somit Rechtssicherheit ge-schaffen wird440.

12.4.2.1.2 Differenzierungslehre nach Grasmann: Vollständige Ausnahme vom Gesellschaftsstatut

Demgegenüber hat Grasmann441 mit seiner Differenzierungslehre die Außenhaftung komplett vom Gesellschaftsstatut ausgenommen. Er differenziert zwischen Innen- und Außenhaftung, wobei letztere unabhängig vom Gesellschaftsstatut zu bestimmen sei,

437 BGH, Urteil vom 11.7.1957, WM 1957, 1047 (1049); vgl. zur instanzgerichtlichen Rechtsprechung

die Rechtsprechungsübersicht bei ,

S. 75 ff. In seinem Urteil vom 5.11.1980, NJW 1981, 522 (525), in dem der BGH über den umgekehr-ten Durchgriff zu entscheiden hatte, also die Inanspruchnahme einer Gesellschaft für Schulden eines hinter ihr stehenden Gesellschafters, wird die alte Rechtsprechung zum Haftungsdurchgriff ausdrück-lich bestätigt.

Schmidt, Haftungsdurchgriff im internationalen Privatrecht

Palandt

Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG Ulrich, REGELN DES INTERNATIONALEN PRIVATRECHTS

Ulrich, REGELN DES INTERNATIONALEN PRIVATRECHTS Ulrich, REGELN DES INTERNATIONALEN PRIVATRECHTS

Scholz, GmbHG

Grasmann, System des internationalen Gesellschaftsrechts

438 In der Literatur: /Heldrich, Anh zu Art. 12 EGBGB, Rz 11; Schmidt-Leithoff in , Einl. Rz 301;

, S. 129; Westermann in , Einleitung Rz 108.

439 , S. 53.

440 , S. 57.

441 , Rz 615 ff.

um so einen besseren Gläubigerschutz zu erzielen442. Da der Gläubiger sich bei der Ver-folgung seines Anspruchs bereits auf das dafür anwendbare Vertrags- oder Deliktsstatut, das sogenannte Wirkungsstatut eingestellt hat, ist es für ihn günstig, wenn auch der Durchgriff demselben Statut untersteht443.

12.4.2.1.3 Weitgehende Ausnahme vom Gesellschaftsstatut: Lösung von Bernstein Nach einem Vorschlag von Bernstein444 soll das Gesellschaftsstatut nur insoweit zur Anwendung kommen, als es für den Gesellschaftsgläubiger günstiger ist. Nur ein Durchgriff, der auf Mängel in der Kapitalausstattung zurückzuführen ist, soll dem Ge-sellschaftsstatut unterstellt werden, da hier die innere Struktur der Gesellschaft domi-niert. Ebenso wie bei Grasmann wird mit der primären Anknüpfung an das Statut, dem die Rechtsbeziehung zwischen Gesellschaft und Gläubiger unterliegt, dem Wirkungssta-tut, den Gläubigerinteressen unbedingter Vorrang gegeben. Bernstein weist zudem dar-auf hin, dass durch die Anknüpfung an das Wirkungsstatut die bei dessen Bestimmung bereits vorgenommene Interessenabwägung übernommen wird. Daher bedürfe es für die Bestimmung des Statuts der Durchgriffshaftung keiner neuen Interessenabwägung mehr. Diese Argumentation verkennt jedoch, dass eine hinreichende Berücksichtigung der Interessen der haftenden Gesellschaft nicht notwendig auch für den Gesellschafter zutrifft.

12.4.2.1.4 Teilweise Ausnahme vom Gesellschaftsstatut: Fallgruppenbildung auf-grund von Interessenabwägung

Nach dem Vorschlag von Müller445 ist bei den Fällen der Durchgriffshaftung zu unter-scheiden zwischen gesellschaftsrechtlichem Interessenschutz, der die

442 Grasmann, System des internationalen Gesellschaftsrechts, Rz 740.

Schmidt, Haftungsdurchgriff im internationalen Privatrecht Bernstein in FS Zweigert

Robert Müller, Kollisionsrechtliche Probleme der Durchgriffslehre

Staudinger Reder, Eigenhaftung

vertrags-fremder Dritter im internationalen Privatrecht

443 Vgl. , S. 149.

444 , S. 57.

445 , S. 69 ff; ihm folgend

/Großfeld, IntGesR Rz 342 ff. Ähnlich ist der Vorschlag von

, S. 252 f, der zwischen der Durchgriffshaftung auf-grund gesellschaftsrechtlicher Stellung oder gesellschaftsrechtlich relevantem Verhalten des Gesell-schafters, für die das Gesellschaftsstatut einschlägig sei, und der allgemeinen bürgerlichrechtlichen

gläubiger insgesamt aufgrund gesellschaftsrechtlicher Regeln betrifft, der Lösung von Normenkollisionen, die insbesondere die Regeln über den gutgläubigen Erwerb durch den Gesellschaftsgläubiger betreffen, und bürgerlichem Interessenschutz, der den Schutz des Einzelgläubigers wegen dessen besonderer Beziehung zum Gesellschafter betrifft. Nur die erste Fallgruppe unterstehe dem Gesellschaftsstatut. Als Beispiel für diese Fallgruppe sei die Gesellschafterhaftung wegen Unterkapitalisierung genannt.

Das Verdienst dieser Ansicht besteht darin, den Schutzzweck der verschiedenen Arten der Durchgriffshaftung in den Blickpunkt gerückt zu haben. Diesem Ansatz folgt Clau-dia Schmidt446, die jedoch andere Fallgruppen bildet: Der direkte Haftungsdurchgriff wegen Unterkapitalisierung, Vermögens- oder Sphärenvermischung sowie Beherr-schung oder Fremdsteuerung unterstehe dem Gesellschaftsstatut, während der Durch-griff wegen Umgehung vertraglicher oder gesetzlicher Verhaltenspflichten sowie Rechtsscheins persönlicher Haftung dem Wirkungsstatut unterfallen soll.

12.4.2.1.5 Teilweise Ausnahme der Außenhaftung vom Gesellschaftsstatut: Keine Geltung des Gesellschaftsstatuts bei Schutz individueller Gläubigerinteres-sen

Die Ansicht von Müller sieht zutreffend als Antwort auf die Frage, ob den Gläubigerin-teressen der Vorrang gegeben und eine Ausnahme vom Gesellschaftsstatut gemacht werden soll, den Schutzzweck der jeweiligen Durchgriffshaftung. Eine Fallgruppenbil-dung erscheint dagegen eher hinderlich. Eine neuere Literaturmeinung unterscheidet daher zwischen der Durchgriffshaftung zum Schutz gemeinsamer Interessen aller Gläu-biger und der Durchgriffshaftung zum Schutz des individuellen Interesses eines einzel-nen Gläubigers 447. So diene die Haftung der Gesellschafter wegen Unterkapitalisierung

Verhaltenshaftung, die dem Deliktsstatut unterstehen soll, unterscheidet. Allerdings nimmt diese An-sicht weniger die Schutzrichtung der Haftung gegenüber den Gläubigern in den Blick.

446 Schmidt, Haftungsdurchgriff im internationalen Privatrecht, S. 153 ff.

Schmidt, Haftungsdurchgriff im internationalen Privatrecht

Behrens, RabelsZ 46 (1982), 308 Hachenburg/Ulmer, GmbHG Khadjavi-Gontard/Hausmann, RIW 1983, 1 Staudinger

447 (345); Behrens in , Einl Rz 149;

(5); /Hoffmann, Vorbem zu Art 40 EGBGB, Rz 32. In der Rechtsprechung ist dagegen eine derartige Differenzierung noch nicht vertreten worden;

vgl. , S. 75 ff (insbesondere S. 91).

dem Schutz der gemeinsamen Interessen aller Gläubiger und unterstehe deshalb ebenso, wie nach der Ansicht von Müller, dem Gesellschaftsstatut.

12.4.2.1.6 Eigene Stellungnahme: Ausnahme bei Schutz individueller Gläubigerin-teressen überzeugt

Dem Ansatz an der Schutzrichtung der einzelnen Arten der Durchgriffshaftung ist zuzu-stimmen. Allerdings bedarf es dazu nicht der Fallgruppenbildung, die Müller vorge-schlagen hat. Daher verdient die letztgenannte Ansicht den Vorzug. Die Unterscheidung nach dem Schutzzweck trägt den Bedenken gegen die Differenzierungslehre Rechnung, indem sie Gesellschafter- und Gläubigerinteressen angemessen berücksichtigt. Hauptar-gument gegen die Differenzierungslehre ist das Interesse der Gesamtheit der Gläubiger an ihrer Gleichbehandlung448. Dieses kann jedoch nur bestehen, wenn die Durchgriffs-haftung ihrem Zwecke nach dem Schutz der Gesamtheit der Gläubiger zu dienen be-stimmt ist.

12.4.2.2 Folgerung für die Geschäftsführerhaftung: Außenhaftung unterliegt nicht dem Gesellschaftsstatut

Die Wertungen bei der kollisionsrechtlichen Beurteilung des Haftungsdurchgriffs kön-nen auf die Beurteilung der Geschäftsführerhaftung übertragen werden449. Differenziert man nach der vorzugswürdigen Ansicht zwischen einer Haftung zum Schutze von Inter-essen der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger und einer Haftung zum Schutze indivi-dueller Gläubigerinteressen, so zeigt sich, dass die Außenhaftung des Geschäftsführers insgesamt – und zwar als Konsequenz des Außenhaftungsmodells – dem Schutze indi-vidueller Gläubigerinteressen zu dienen bestimmt ist.

kollisions-rechtliche Gleichbehandlung der Außenhaftung von Gesellschaftern und Gesellschaftsorganen für er-forderlich. Dies ist jedoch aufgrund der im folgenden zu zeigenden unterschiedlichen Interessenlage abzulehnen. Da Haftungsansprüche gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer, die aus seiner Gesell-schafterstellung erwachsen, insbesondere die abzulehnende Eigenhaftung aus culpa in contrahendo wegen wirtschaftlichen Eigeninteresses, nicht Gegenstand der Untersuchung sind, können die Grundsätze zum Haftungsdurchgriff auch nicht unmittelbar angewandt we

Da die vorgestellten Haftungsnormen auf dem Kapitalschutz aufbauen, könnte man dar-an denken, diese Normen dem gemeinsamen Schutz aller Gläubiger zuzuordnen. Wie im gesellschaftsrechtlichen Teil gezeigt, dient jedoch die unmittelbare Außenhaftung im Gegensatz zum historischen Innenhaftungskonzept gerade nicht dem gemeinsamen Schutz aller Gläubiger, sondern billigt den einzelnen Gläubigern individuellen Schutz zu. Damit ist auch das Hauptargument für die Einheitstheorie entkräftet, die den glei-chen Schutz aller Gesellschaftsgläubiger gewährleisten möchte. Ausgehend von den Wertungen, die der Aufgabe der reinen Innenhaftung zu Grunde liegen, ist es nicht un-billig, dass die Vertragsparteien bei der möglichen Bestimmung des Vertragsstatuts auch das Schutzniveau der Geschäftsführerhaftung beeinflussen.

Da die Gesellschaftsgläubiger ohnehin einen Prozess gegen die Gesellschaft wegen der Erfüllung ihres Vertrages führen müssen, führt das Anknüpfen am Vertragsstatut eher zu einer Erleichterung gegenüber dem Anknüpfen am Gesellschaftsstatut. Das Vertrags-statut ist sowohl für den Geschäftsführer, als auch für den Gesellschaftsgläubiger, die beide Verhandlungspartner hinsichtlich des Vertrages sind, mindestens ebenso gut be-stimmbar, wie das Gesellschaftsstatut. Da der Geschäftsführer aktiv Einfluss auf die Geschäfte der Gesellschaft hat, ist er auch nicht in dem Maße wie ein Gesellschafter vor der Anwendung fremden Rechts zu schützen.

Im Ergebnis kommt man so zu einem weitgehenden Gläubigerschutz, wie er auch durch eine entsprechende Anwendung der Lehren von Grasmann und Bernstein erreicht wür-de. Dies ergibt sich jedoch nur aufgrund der Besonderheiten der Haftung von Verwal-tungsorganen der Gesellschaft gegenüber der Haftung von Gesellschaftern beim direk-ten Haftungsdurchgriff. Einerseits ist der Geschäftsführer weniger schutzwürdig, als die Gesellschafter, andererseits knüpft die Außenhaftung des Geschäftsführers immer an Regeln an, die mit der Innenstruktur der Gesellschaft nicht in so engem Zusammenhang stehen, wie der direkte Haftungsdurchgriff wegen Mängeln bei der Kapitalausstattung.

Für die Außenhaftung des Geschäftsführers greift also das Gesellschaftsstatut nicht ein.

Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob das Vertragsstatut des zwischen Gesellschaft und Gesellschaftsgläubiger bestehenden Vertrages oder das Deliktsstatut zur Anwen-dung kommen soll.

12.4.2.3 Vertragsakzessorische Bestimmung des Deliktsstatuts bei deliktischer Außenhaftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern

Greift das Gesellschaftsstatut nicht ein, so käme bei der deliktischen Außenhaftung ge-genüber den Gesellschaftsgläubigern, insbesondere aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 64 Abs. 1 GmbHG oder Art. 2449 Abs. 1 Satz 2, 2496 Abs. 1 c.c., das Tatortprinzip des Delikts-statuts zum Tragen. Als Anknüpfungspunkt besteht aber auch der zwischen Gesellschaft und Gläubiger bestehende Vertrag450. Hier greift ebenso wie bei der Innenhaftung Art.

41 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 EGBGB ein. Da sich die Haftung schon bei der Scha-densbestimmung in einem engen tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang mit dem Vertrag zwischen Gesellschaft und Gesellschaftsgläubiger befindet, besteht zum Recht des Vertragsstatuts eine wesentlich engere Verbindung.

12.4.2.4 Deliktsstatut bei sonstiger deliktischer Außenhaftung

Die in dieser Arbeit behandelte deliktische Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern ist von der sonstigen deliktischen Haftung des Geschäftsführers gegenüber Dritten, ins-besondere im Bereich der Produktverantwortung, abzugrenzen. Nach der hier vertrete-nen Auffassung ergibt sich für letztere ebenfalls die Geltung des Deliktsstatuts. Da die jeweilige Haftung nur den Schutz des jeweils Geschädigten, nicht der Gesamtheit der Gesellschaftsgläubiger, bezweckt, ist das Gesellschaftsstatut nicht einschlägig, womit das Deliktsstatut des Art. 40 EGBGB zur Anwendung kommt451. Dabei besteht jeden-falls nicht notwendig eine besondere Beziehung zwischen dem Geschädigten und der Gesellschaft, an die angeknüpft werden könnte452.

450 Bei der in der vorliegenden Arbeit besprochenen Haftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern besteht immer auch ein solcher Vertrag zwischen Gesellschaft und Gläubiger. Dies gilt ebenso in Italien, wo der Geschäftsführer trotz des Verbotes neuer Geschäfte die Gesellschaft wirksam vertreten kann, vgl.

Kap. 6.2.1 und 6.2.4.

451 So Kegel/Schurig, INTERNATIONALES PRIVATRECHT, S. 507.

Palandt

452 /Heldrich, Art. 41 EGBGB Rz 4, hält aber im Bereich der Produkthaftung die Begründung einer tatsächlichen Beziehung durch Werbung für denkbar.

12.4.3 Haftung aus culpa in contrahendo bzw. §§ 311 Abs. 2 und 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB n.F.

Problematisch ist die Eigenhaftung des Geschäftsführers als Vertreter aus culpa in con-trahendo gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Die Einordnung der Sachwalterhaf-tung ist nämlich umstritten.

12.4.3.1 Ablehnung der Einheitstheorie

Bei konsequenter Anwendung der Einheitstheorie wäre unabhängig von der Beurteilung der Sachwalterhaftung als vertraglich oder deliktisch eine Zuordnung zum Gesell-schaftsstatut vorzunehmen453. Dies ist jedoch parallel zu der Behandlung deliktischer Außenhaftungsansprüche abzulehnen, da dieselbe Interessenlage besteht454.

12.4.3.2 Einordnung der Sachwalterhaftung

Nach wohl herrschender Auffassung unterliegt die Sachwalterhaftung dem Vertragssta-tut des intendierten Hauptvertrages455.

Eine andere Ansicht unterstellt die Sachwalterhaftung dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Vertreters456. Ein eigenes Statut der Sachwalterhaftung wird auch ge-schaffen, wenn man diese dem Vertragsstatut des Vertrauensverhältnisses zwischen Vertreter und Geschäftspartner unterstellt457.

453 So Ahrens, IPRax 1986, 355 (360); /Großfeld, IntGesR Rz 317.

Ahrens, IPRax 1986, 355 Staudinger

Reder, Eigenhaftung vertragsfremder Dritter im internationalen Privatrecht

MünchKomm

Palandt

Fischer, JZ 1991, 168

454 Eine Auflockerung des Gesellschaftsstatuts für die Eigenhaftung des Geschäftsführers aus culpa in

contrahendo vertritt auch ,

S. 254 f, der grundsätzlich das Deliktsstatut anwendet, bei einem gesellschaftsrechtlich relevanten Pflichtverstoß dagegen das Gesellschaftsstatut.

455 So implizit BGH, Urteil vom 9.10.1986, IPRax 1988, 27 (28), der ein entsprechendes Vorgehen der

Vorinstanz nicht rügt. Ebenso (360); /Spellenberg, Art. 32

EGBGB Rz 45.

456 /Heldrich, Art. 32 EGBGB Rz 8.

457 So (174).

Eine dritte im Vordringen befindliche Ansicht stellt die Sachwalterhaftung in die Nähe der deliktischen Haftung458. Dieser Ansicht ist zuzustimmen, da sie dem Fehlen eigener vertraglicher Beziehungen zwischen Vertreter und Haftungsgläubiger gerecht wird.

Zwar besteht ein besonderes vorvertragliches Vertrauensverhältnis. Dieses ist jedoch eine Besonderheit des deutschen Rechts, die geschaffen wurde, um die Schwächen des deutschen Deliktsrechts, insbesondere das Fehlen einer allgemeinen Vermögensscha-denshaftung, auszugleichen. Strukturell entspricht sie in anderen Rechtsordnungen, wie auch der italienischen, der deliktischen Haftung. Somit lassen sich bei entsprechender Einordnung im Kollisionsrecht harmonische Ergebnisse erzielen.

12.4.3.3 Vertragsakzessorische Bestimmung des Deliktsstatuts

Ebenso wie bei der deliktischen Außenhaftung ist aber auch bei der Sachwalterhaftung das nach zutreffender Auffassung eingreifende Deliktsstatut gemäß Art. 41 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB vertragsakzessorisch zu bestimmen. Die Anknüpfung an das Gesellschaftssta-tut ist entgegen der herrschenden Einheitstheorie für die gesamte Außenhaftung des Geschäftsführers und damit auch für die Sachwalterhaftung abzulehnen.

Dagegen erscheint eine Anknüpfung an das Statut des Hauptvertrages zwischen Gesell-schaft und GesellGesell-schaftsgläubiger sinnvoll459. Zwar beruht die Haftung nicht unmittel-bar auf dem Hauptvertrag, da sie dem Vertrauensverhältnis zwischen Sachwalter und Haftungsgläubiger entspringt. Ebenso wie bei der deliktischen Außenhaftung gegenüber Gesellschaftsgläubigern entsteht aber der Schaden aus der Nichterfüllung dieses Vertra-ges durch die Gesellschaft. Damit ist ein besonderer tatsächlicher und rechtlicher Zu-sammenhang nach Art. 41 Abs.2 Nr. 1 EGBGB gegeben, der eine wesentlich engere Verbindung zum Recht des Hauptvertrages schafft.

458 OLG Frankfurt, Urteil vom 11.7.1985, IPRax 1986, 373 (378); /Hohloch, Art. 32 EGBGB

Rz 21; (20); R

, S. 163, jedenfalls für die Haftung wegen Aufklärungspflichtverletzungen. Offenlassend zwischen Deliktsstatut und Vertragsstatut OLG München, Urteil vom 24.2.1983, WM 1983, 1093 (1097).

Erman

Kreuzer, IPRax 1988, 16 eder, Eigenhaftung vertragsfremder Dritter im internationalen Privatrecht

Reder, Eigenhaftung vertragsfremder Dritter im internationa-len Privatrecht

459 Abgelehnt wird diese Anknüpfung von , S. 173.

Die Anknüpfung an das Statut des Hauptvertrages zwischen Gesellschaft und Gesell-schaftsgläubiger ist auch interessengerecht, da sie die GesellGesell-schaftsgläubiger nicht un-gerechtfertigt bevorzugt. Anders als bei der Haftung der Gesellschafter kann nämlich der Geschäftsführer durch die Vereinbarung eines Vertragsstatuts unmittelbar auf das anwendbare Recht Einfluss nehmen.

Mit der Bejahung der vertragsakzessorischen Bestimmung des Deliktsstatuts ist also auch für die Sachwalterhaftung, die nach zustimmungswürdiger Ansicht dem Deliktsstatut unterfällt, das Statut des Vertrages zwischen Gesellschaft und Gläubiger einschlägig. Zum selben Ergebnis kommt diejenige Ansicht, die die Sachwalterhaftung unmittelbar dem Vertragsstatut des angestrebten Hauptvertrages unterstellt. Durch Art.

41 Abs.2 Nr. 1 EGBGB wird daher der Streit um die Einordnung der Sachwalterhaftung relativiert. Für die Sachwalterhaftung ergeben sich somit keine Unterschiede zur delikti-schen Außenhaftung des Geschäftsführers.

12.5 Ergebnis

Auch im Internationalen Privatrecht ist das jeweils einschlägige Statut autonom zu bestimmen. Dabei ist für den Bereich der Geschäftsführerhaftung die Wertung parallel zu derjenigen im Internationalen Zivilprozessrecht vorzunehmen.

12.5.1 Geschäftsführerhaftung im Innenverhältnis

Die Haftung des Geschäftsführers gegenüber Gesellschaft und Gesellschaftern richtet sich nach dem Gesellschaftsstatut.

12.5.2 Haftung im Außenverhältnis

Die Haftung des Geschäftsführers gegenüber den Gesellschaftsgläubigern richtet sich nach dem Vertragsstatut des Vertrages zwischen der Gesellschaft und dem Gläubiger.

Mit diesem besteht eine wesentlich engere Verbindung im Sinne des § 41 Abs. 1 EGBGB. Das Tatortprinzip des Deliktsstatuts ist dagegen nur in solchen Fällen der Ge-schäftsführerhaftung einschlägig, bei denen keinerlei besondere vertragliche oder tat-sächliche Beziehung zwischen der Gesellschaft und dem Dritten besteht.

13 Ergebnisse

13.1 Kapitalschutz und Gläubigerschutz

Sowohl das deutsche als auch das italienische Recht kennen Normen, die den Gesell-schaftsgläubigern nur einen Ersatz des durch die Minderung des Gesellschaftsvermö-gens entstandenen Schadens gewähren. Der Ersatz dieses Gesamtgläubiger- bzw. Quo-tenschadens entspricht dem System der Innenhaftung. Die entsprechenden Schadenser-satzansprüche können konsequenterweise im Konkurs bzw. in der Insolvenz von den Gläubigern nicht mehr geltend gemacht werden, sondern fallen in die Konkurs-, bzw.

Insolvenzmasse.

Beide Rechte haben aber, dem System des Außenhaftungsmodells folgend, Haftungsan-sprüche geschaffen, die nicht nur den Quotenschaden ersetzen, und die auch im Kon-kurs bzw. in der Insolvenz von den Gesellschaftgläubigern geltend gemacht werden können. Die nach wie vor umstrittene entsprechende Entscheidung des BGH verdient damit auch vor dem Hintergrund eines Vergleichs mit dem italienischen Recht Zustim-mung.

Das italienische Recht setzt mit seinen gläubigerschützenden Kapitalerhaltungsvor-schriften früher an als das deutsche, indem es als Auslöser für die Haftung das Herab-sinken des Kapitals unter den Betrag des gesetzlichen Mindestkapitals setzt. Bei Verlet-zung des Verbots weiterer Geschäfte haftet der Geschäftsführer den Neugläubigern ge-genüber für die Erfüllung der Gesellschaftsverbindlichkeiten.

Demgegenüber kennt das deutsche Recht mit § 30 Abs. 1 GmbHG zwar eine Kapitaler-haltungsvorschrift, die bereits bei Herabsinken unter das Stammkapital der jeweiligen Gesellschaft (Unterkapitalisierung) eingreift; diese ist jedoch nach herrschender Mei-nung nicht gläubigerschützend. Bei einer Verletzung des § 30 Abs. 1 GmbHG haftet der Geschäftsführer nur gegenüber der Gesellschaft. Gesellschaftsgläubiger müssten den Anspruch der Gesellschaft erst pfänden. In der Insolvenz der Gesellschaft fällt der An-spruch in die Insolvenzmasse, so dass die Pfändung nicht mehr möglich ist. Entgegen der herrschenden Meinung ist jedoch in konsequenter Fortführung des

Außenhaftungs-modells auch § 30 Abs. 1 GmbHG als gläubigerschützend zu qualifizieren. Damit be-steht bei Verletzung des § 30 Abs. 1 GmbHG ein unmittelbarer Haftungsanspruch der Gesellschaftsgläubiger.

Mit Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, dem Herabsinken des Eigen-kapitals auf Null, greift die gläubigerschützende Vorschrift des § 64 Abs. 1 GmbHG, die eine Insolvenzantragspflicht begründet. Bei Verletzung des § 64 Abs. 1 GmbHG haftet der Geschäftsführer den Neugläubigern gegenüber unmittelbar auf Ersatz des Vertrauensschadens. Ersetzt wird, anders als im italienischen Recht, nur das negative Interesse.

Trotz der unterschiedlichen Ansatzpunkte für eine Haftung im italienischen und im deutschen Recht zeigen sich dagegen wieder Parallelen bei der Unterscheidung zwi-schen Alt- und Neugläubiger. Während erstere nur den durch die Minderung des

Trotz der unterschiedlichen Ansatzpunkte für eine Haftung im italienischen und im deutschen Recht zeigen sich dagegen wieder Parallelen bei der Unterscheidung zwi-schen Alt- und Neugläubiger. Während erstere nur den durch die Minderung des