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Verlust von mehr als einem Drittel des capitale (Italien)

5 Verluste eines Drittels bzw. der Hälfte des Stammkapitals

5.1 Verlust von mehr als einem Drittel des capitale (Italien)

Art. 2446 Abs. 1, 2496 Abs. 1 c.c. sehen vor, dass der Geschäftsführer bei einem Ver-lust von mehr als einem Drittel des capitale die Gesellschafterversammlung einberufen muss. Bei einem dauerhaften Unterschreiten des Stammkapitals hat diese dann gemäß Art. 2446 Abs. 2, 2496 Abs. 1 c.c. das capitale per Gesellschafterbeschluß entsprechend anzupassen.

Bilanziell muss also das patrimonio netto um mehr als ein Drittel unter das capitale sinken, bei einer Gesellschaft mit einem capitale von 100.000 € also unter 66.667 €:

attivo 1000 € passivo 1000 €

Crediti verso soci per versa-menti ancora dovuti

Immobilizzazioni Attivo circolante

0 45 95

Patrimonio netto Capitale Riserve Perdite

Fondi per rischi e oneri Debiti

60 100 0 40 0 80

totale 140 totale 140

Die Pflicht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung entsteht, sobald der Ge-schäftsführer Kenntnis von den Verlusten erlangt117 oder zumindest die Möglichkeit zur Kenntnisnahme hat118. Die Schwierigkeit liegt im Beweis des Kennenmüssens. Jeden-falls ist dieses aber nach Erstellung der Jahresbilanz gegeben119. Die Einberufung hat dann senza indugio zu erfolgen, also unverzüglich.

Zweck dieser Regelung ist es, zu gewährleisten, dass das capitale vom tatsächlichen Gesellschaftsvermögen nicht zu sehr abweicht. Eine entsprechende gläubigerschützende Norm, die zu einer Herabsetzung des Stammkapitals zwingt, gibt es im deutschen Recht nicht. Allerdings sieht § 58a Abs. 1 GmbHG eine vereinfachte Herabsetzung des Stammkapitals vor, wenn diese einer Anpassung an die tatsächlichen Vermögensver-hältnisse der Gesellschaft dient. Die Norm des Art. 2446 c.c. hat damit vor allem eine gläubigerschützende Funktion, ihr kommt aber auch eine Schutzfunktion im Innenver-hältnis zu120.

5.1.1 Haftung gegenüber der Gesellschaft

Zivilrechtlich haftet der Geschäftsführer bei Nichtbeachtung gemäß Art. 2392 Abs. 1, 2393, 2487 Abs. 2 c.c. gegenüber der Gesellschaft, nicht jedoch gegenüber den Gesell-schaftern121. Obwohl also auch die Gesellschafter von dem Schutzzweck der Norm er-fasst sind, indem ihnen ein Informationsanspruch eingeräumt wird, begründet Art. 2446 c.c. keine direkte Haftung des Geschäftsführers gegenüber den

S. 329; Bonelli, RESPONSABILITÀ DEGLI AMMINISTRATORI, S. 77.

Bonelli, RESPONSABILITÀ DEGLI AMMINISTRATORI

120 ,

S. 291 f.

Niccolini, SCIOGLIMENTO, LIQUIDAZIONE ED ESTINZIONE DELLA SOCIETÀ PER AZIONI

121 , S. 328;

, S. 59.

tern. Allerdings bleibt ihnen, wie Art. 2395 c.c. klarstellt, die allgemeine deliktische Haftung, die in Italien ja auch bei reinen Vermögensschäden greift122.

5.1.2 Eingeschränkte Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern

Da die Regelung auch gläubigerschützende Funktion hat, ergibt sich bei einem Verstoß eine Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern. Diesen steht ein Anspruch aus Art. 2394, 2487 Abs. 1 c.c. zu123.

Dieser Anspruch unterliegt jedoch zwei erheblichen Einschränkungen. Zum einen ist die darauf gestützte Haftung subsidiär, zum anderen sind die Gesellschaftsgläubiger im Konkurs der Gesellschaft nicht mehr aktiv legitimiert.

5.1.2.1 Subsidiarität der Haftung

Die erste Einschränkung ergibt sich aus Art. 2394 Abs. 2 c.c. Voraussetzung für eine Klage nach Art. 2394 Abs. 1 c.c. ist demnach, dass das Gesellschaftsvermögen zur Be-friedigung der Gesellschaftsgläubiger nicht ausreicht (il patrimonio sociale risulta insufficiente al soddisfacimento dei loro crediti). Dies geht über die Insolvenz insoweit hinaus124, als auch das Vermögen bzw. die Konkursmasse aufgebraucht sein muss. Die Verpflichtungen müssen das Gesellschaftsvermögen übersteigen125, was der Überschul-dung entspricht.

5.1.2.2 Fehlende Aktivlegitimation im Konkurs

Darüber hinaus wird die Klage aus Art. 2394 c.c. gemäß Art. 2394 Abs. 3 c.c., 146 Abs.

2 l.fall. im Konkurs (fallimento) vom Konkursverwalter ausgeübt. Dies gilt auch dann,

122 Vgl. Kap. 8.1.

123 Quatraro/Picone, RESPONSABILITÀ DI AMMINISTRATORI, S. 59.

Quatraro/Picone, RESPONSABILITÀ DI AMMI-NISTRATORI

124 Cass. 81/5241 vom 6.10.1981, Giur. comm. 1982, II, 768 (792); Tribunale Milano, Urteil vom 6.2.1989, Giur. comm. 1989, II, 906 (911).

125 , Art. 2394 I Rz 2;

, S. 718.

Cian/Trabucchi, CODICE CIVILE

wenn der Konkursverwalter untätig bleibt126. Es fehlt im Konkurs also an der Aktivlegi-timation der Gesellschaftsgläubiger. Da aber die Insuffizienz als Anspruchsvorausset-zung regelmäßig erst im Konkurs besteht, kann der Anspruch von den Gesellschafts-gläubigern nicht geltend gemacht werden.

5.1.2.3 Ausnahme: landwirtschaftliche, der öffentlichen Hand gehörende und handwerkliche Gesellschaften

Etwas anderes gilt nur bei den S.r.l., die nicht gemäß Art. 2221 c.c., 1 Abs. 1 l.fall. dem Konkurs unterliegen. Diese sind landwirtschaftliche Unternehmen, Art. 2135 c.c.127, und solche, die der öffentlichen Hand gehören, Art. 2093 c.c.128. Hier könnte die Subsi-diarität der Haftung entfallen, ohne dass die Aktivlegitimation bereits auf den Konkurs-verwalter übergegangen ist.

Als dritte Ausnahme sind noch Kleinunternehmer zu nennen, Art. 1 Abs. 1 l.fall. Jedoch legt Art. 1 Abs. 2 Satz 3 l.fall. fest, dass der Tatbestand des Kleinunternehmers bei Ge-sellschaften nicht gegeben sein kann. Von der entsprechenden Regel, dass eine S.r.l.

niemals Kleinunternehmer sein kann, machen neuerdings die durch Gesetz vom 5.3.2001129 geänderten Art. 3 Abs. 2, 5 Abs. 3 Legge 8 agosto 1985, n. 443 (Legge-quadro per l’artigianato, „Rahmengesetz für das Handwerk“) eine Ausnahme.

Damit kann eine S.r.l. Handwerksqualität (qualifica artigiana) zuerkannt bekommen, wenn die Mehrheit der Gesellschafter oder bei zwei Gesellschaftern einer von ihnen hauptsächlich persönliche, auch manuelle Arbeit verrichtet. Die Eintragung in die Handwerksrolle bei der Handwerkskammer (albo provinciale delle imprese artigiane) hat dabei konstitutive Wirkung, Art. 5 Abs. 5 Legge 8 agosto 1985.

126 Cass. 84/6187 vom 28.11.1984, For. Ital. 1985, I, 3179 (3182).

127 Vgl. Zaccaria in , Art. 1 VII Rz 1;

, Art. 2221 I Rz 1.

Maffei Alberti, LEGGE FALLIMENTARE

Maffei Alberti, LEGGE FALLIMENTARE

Cian/Trabucchi, CODI-CE CIVILE

128 Zaccaria in , Art. 1 l.fall. VI Rz 1.

129 Legge 5 marzo 2001, n. 57 (Disposizioni in materia di apertura e regolazione dei mercati).

Nach herrschender Ansicht fallen handwerkliche Gesellschaften nicht unter Art. 1 Abs. 1 l.fall., so dass auch Art. 1 Abs. 2 l.fall. für sie nicht gilt130. Entweder man spricht ihnen bereits die Eigenschaft als commerciale ab, oder aber man stuft sie unter die enti piccoli, also die kleinen Unternehmen, ein. Darauf baut die Gesetzesänderung auf, so dass nunmehr auch die entsprechenden S.r.l. nicht dem Konkurs unterliegen.

Umstritten bleibt allerdings, ob dies nur für kleine handwerkliche Gesellschaften gilt, oder für handwerkliche Gesellschaften generell131.

Dagegen ist die GmbH in Deutschland Formkaufmann gemäß §§ 6 Abs. 1 HGB, 13 Abs. 3 GmbHG. Dies schließt die Handwerkseigenschaft, für die im übrigen die Eintra-gung in die Handwerksrolle nicht konstitutiv ist132, aus. Gemäß §§ 11 Abs. 2 InsO, 13 Abs. 1 GmbHG ist die GmbH ausnahmslos dem Insolvenzverfahren unterworfen.

5.1.3 Verhältnis der Haftung gegenüber Gesellschaft und Gesellschaftsgläubigern Umstritten ist die dogmatische Einordnung der Haftung aus Art. 2394 c.c..

5.1.3.1 Art. 2394 c.c. als Unterfall der Innenhaftung gemäß Art. 2392, 2393 c.c.

Einer Ansicht133 zufolge stellt Art. 2394 c.c. nur einen Unterfall der Innenhaftung ge-genüber der Gesellschaft aus Art. 2392, 2393 c.c. dar. Diese Ansicht sieht in Art. 2394 c.c. nur eine Möglichkeit der Geltendmachung des Anspruchs der Gesellschaft durch die Gesellschaftsgläubiger, wie sie allgemein als sogenannte azione surrogatoria, der Geltendmachung von Schuldnerforderungen gegen Dritte durch einen Gläubiger, in Art.

2900 c.c. vorgesehen ist. Die Folge davon ist, dass die Gesellschaftsgläubiger nur Ersatz des der Gesellschaft entstandenen Schadens an die Gesellschaft verlangen können. Da-mit entsteht eine Stellung der Gesellschaftsgläubiger, die der deutschen Prozessstand-schaft vergleichbar ist. Die Gläubiger können zwar im eigenen Namen klagen, jedoch

130 Zaccaria in Maffei Alberti, LEGGE FALLIMENTARE, Art. 1 l.fall. IX Rz 3.

Maffei Alberti, LEGGE FALLIMENTARE

131 Vgl. Zaccaria in , Art. 1 l.fall. IX Rz 3.

132 Palandt/Heinrichs, § 196 Rz 7.

133 Ferri, LE SOCIETÀ, S. 719.

nur Auffüllung des Gesellschaftsvermögens durch Leistung an die Gesellschaft verlan-gen. Diese Ansicht stützt sich auf die Besonderheiten der Haftung, die zum einen ge-genüber der Inanspruchnahme der Gesellschaft subsidiär ist, zum anderen im Konkurs nur vom Konkursverwalter ausgeübt werden kann. Vor allem an letzterer Vorausset-zung kann man erkennen, dass die gesetzliche Konzeption tatsächlich in Richtung eines Innenhaftungsmodells geht134.

5.1.3.2 Einordnung als eigenständige Haftung

Die Einordnung als Unterfall der Innenhaftung wird von der herrschenden Ansicht135 jedoch nicht geteilt. Trotz der genannten Einschränkungen handele es sich um eine ei-genständige und unmittelbare (diretta ed autonoma) Haftung gegenüber den Gläubi-gern.

5.1.3.3 Eigene Stellungnahme unter Berücksichtigung von Innen- und Außenhaf-tungsmodell

Der herrschenden Ansicht ist zuzustimmen. Geht man von einem reinen Modell der Innenhaftung aus, so wäre die Norm des Art. 2394 c.c. verzichtbar. Ihr Regelungszweck liegt darin, dass bis zum Konkurs auch eine Außenhaftung besteht. Erst im Konkurs greift das Modell der Innenhaftung. Auch der Gesetzgeber geht von einer Selbständig-keit der Haftung aus Art. 2394 c.c. aus: Während die Verjährung der Geschäftsführer-haftung in Art. 2949 Abs. 1 c.c. geregelt ist, bestimmt Art. 2949 Abs. 2 c.c. eigens, dass auch die Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern aus Art. 2394 c.c. der

134 Die Haftung aus Art. 146 l.fall. wird dementsprechend vom Kassationsgerichtshof als einheitliche Haftung gesehen, in der Art. 2392, 2393 c.c. und Art. 2394 c.c. aufgehen: Cass. 78/3768 vom 27.7.1978, Mass. Cass. 1978, 3768, 1557 (1557); Cass. 81/5241 vom 6.10.1981, Giur. comm. 1982, II, 768 (769). Demgegenüber argumentiert , S. 289, dass Art. 146 l.fall. gerade von der Haftung „a norma degli articoli 2393 e 2394“ spricht, also von einer Duplizität der Haftungs-normen ausgeht. Dagegen läßt sich allerdings einwenden, dass nur Art. 2393 c.c. und Art. 2394 c.c. zi-tiert werden, während Art. 2392 c.c. nicht erwähnt wird. Dies könnte dafür sprechen, dass nur die je-weiligen Bestimmungen über die Prozeßführungsbefugnis erwähnt wurden, während die nicht er-wähnte Anspruchsgrundlage Art. 2392 c.c. beiden zugrundeliegt. Dennoch zieht auch die Rechtspre-chung nicht die Konsequenz, den Gesellschaftsgläubigern nur einen Anspruch auf Leistung an die Ge-sellschaft zu geben.

Galgano, Le società

Galgano, Le società

Ferrara/Corsi, GLI IMPRENDITORI E LE SOCIETÀ

135 Cass. 98/10488 vom 22.10.1998, Giust. civ. 1999, I, 75 (77); Tribunale Milano, Urteil vom 6.2.1989,

Giur. comm. 1989, II, 906 (910); , S. 505;

, S. 581; , S. 288 ff.

Di Sabato, MANUALE DELLE SOCIETÀ

rungsregelung des Art. 2949 Abs. 1 c.c. zu unterstellen ist. Ginge das Gesetz davon aus, dass es sich bei Art. 2392-2394 c.c. um eine einheitliche Haftung handele, so wäre dies nicht nötig gewesen136.

Damit steht den Gesellschaftsgläubigern Ersatz ihres Schadens zu. Allerdings wird ge-mäß Art. 1223 c.c. nur der unmittelbar kausale Schaden ersetzt137, so dass die Gesell-schaftsgläubiger allenfalls den ihnen durch die Minderung des Gesellschaftsvermögens entstandenen Schaden ersetzt bekommen. Die Schwierigkeit liegt darin, zu beweisen, welchen Beschluss die Gesellschafterversammlung gefasst hätte, wenn sie einberufen worden wäre, und welche Auswirkungen das dann auf das Gesellschaftsvermögen ge-habt hätte138. Diese praktischen Schwierigkeiten müssen in der Prozesspraxis überwun-den werüberwun-den.