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6 Unterschreiten des gesetzlichen Mindestkapitals

6.4 Keine Haftung gegenüber den Gesellschaftern

6.5.1 Haftung gemäß Art. 2449 Abs. 1 Satz 2, 2496 Abs. 1 c.c

6.5.1.1 Dogmatische Einordnung

Die Funktion dieser Haftungsnorm ist umstritten, wobei die Auffassungen den Streit zwischen Innen- und Außenhaftungsmodell widerspiegeln..

6.5.1.1.1 Art. 2449 c.c. als eigenständige Außenhaftung

In der Rechtsprechung205 und in der Literatur206 hat sich folgende vorherrschende Auf-fassung gebildet: Dritten gegenüber haftet gemäß Art. 2449 Abs. 1 Satz 2, 2496

202 Vgl. Quatraro/Picone, RESPONSABILITÀ DI AMMINISTRATORI, S. 75.

203 Vgl. Kap. 5.1, Fn. 118 und 119, zu Art. 2446 c.c., sowie die Diskussion in Kap. 5.2 zu § 49 Abs. 3 GmbHG, der die Bilanzaufstellung im Tatbestand enthält.

204 Ferri, LE SOCIETÀ, S. 715.

Graziani/Minervini/Belviso, MANUALE DI DIRITTO COMMERCIALE

205 Cass. 71/3371 vom 22.11.1971, Riv. dir. comm. 1971, II, 393 (410 f); Cass. 72/21 vom 5.1.1972, Mass. For. Ital. 1972, 8; Cass. 95/9887 vom 19.9.1995, Giur. Ital. 1996, I, 1, 296 (299); Tribunale To-rino, Urteil vom 20.3.1989, Giur. comm. 1990, II, 285 (286).

206 , S. 337 f; ,

S. 1260; , S. 701;

, S. 196;

, S. 471 und 474 f;

Bonelli, RESPONSABILITÀ DEGLI AMMINISTRATORI Cendon, CODICE CIVILE Di Sabato, MANUALE DELLE SOCIETÀ

Niccolini, SCIOGLIMENTO, LIQUIDAZIONE ED ESTIN-ZIONE DELLA SOCIETÀ PER AZIONI Quatraro, LE SOCIETÀ 1986, 1180

Abs. 1 c.c. der Geschäftsführer bei Verstoß gegen das Verbot, neue Geschäfte zu täti-gen, gesamtschuldnerisch mit der Gesellschaft auf Erfüllung der durch die neuen Ge-schäfte entstandenen Gesellschaftsverbindlichkeiten.

6.5.1.1.2 Art. 2449 c.c. als Unterfall der Innenhaftung

Demgegenüber vertritt die ältere Gegenauffassung, Art. 2449 Abs. 1 Satz 2 c.c. sei e-benso wie Art. 2394 c.c. nur ein Unterfall der internen Haftung gemäß Art. 2392 Abs. 1 c.c. gegenüber der Gesellschaft207. Solange die Gesellschaft wirksam verpflichtet wur-de, fehle es an einem Schaden der Gesellschaftsgläubiger, der eine direkte Haftung auf Erfüllung diesen gegenüber erforderlich machen würde208.

6.5.1.1.3 Eigene Stellungnahme: Befürwortung der Außenhaftung

Die herrschende Auffassung verdient Zustimmung. In Art. 2449 Abs. 1 Satz 2 c.c. ist eine direkte Haftungsnorm gegenüber den Gesellschaftsgläubigern zu sehen. Neben Art. 2392 Abs. 1 c.c. wäre diese Norm ansonsten überflüssig. Art. 2449 Abs. 1 Satz 2 c.c. umschreibt die Haftung des Geschäftsführers so: „essi [die Geschäftsführer] assu-mono responsabilità illimitata e solidale per gli affari intrapresi“. Gegenüber der Ge-sellschaft würde eine solche Umschreibung der Haftung als unbegrenzt keinen Sinn machen, da bei ihr ohnehin nur der Masseschaden eintreten kann209. Eine Verknüpfung mit der Frage, ob die Gesellschaft selbst nach ihrer Auflösung noch verpflichtet werden kann, geht dagegen fehl. Auch wenn nämlich die Gesellschaft wirksam verpflichtet wurde, ist sie unter Umständen aufgrund ihrer schlechten wirtschaftlichen Lage nicht im

(1183); , S. 93. Dagegen geht Galgano,

S. 369 f, der ja die fehlenden Verpflichtungsfähigkeit der Gesellschaft nach Auflösung annimmt, von einer Haftung nur des Geschäftsführers aus. Zum gleichen Ergebnis kommt:

, S. 52 und 69f.

Galgano, Riv. dir. civ. 1961, 289 Galgano, Le società Porzio, ESTINZIONE DELLA SOCIETÀ PER AZIONI

Porzio, ESTINZIONE DELLA SOCIETÀ PER AZIONI

Schermi,

Stande, ihre Verpflichtungen zu erfüllen210. Dieser Umstand macht ja gerade eine kon-kurs-, bzw. insolvenzfeste unmittelbare Haftung wertvoller als eine solche, die nur den Gesamtgläubigerschaden ersetzt.

Diese Haftung zeigt, dass das Verbot neuer Geschäfte nicht nur masseschützende, son-dern auch unmittelbar gläubigerschützende Funktion hat. Sie enthält zwei Pflichten: die Pflicht gegenüber Gesellschaft und Gesellschaftsgläubigern, das Gesellschaftsvermögen zu erhalten, und die Pflicht gegenüber den Gesellschaftsgläubigern, diese nicht durch den Abschluss von Geschäften, deren Erfüllung ungewiss ist, zu schädigen.

6.5.1.2 Umfang der Haftung

Der Geschäftsführer haftet auf das positive Interesse und nicht nur auf Ersatz des Ver-trauensschadens.

In dem oben besprochenen Fall positiver Kenntnis des Geschäftspartners scheidet die Haftung dagegen aus. Bei einer Einstufung der Haftung als vertraglich liegt ein an-spruchsausschließendes Selbstverschulden i.S.d. Art. 1227 Abs. 2 c.c. vor, bei einer Einstufung als deliktisch eine die Rechtswidrigkeit (antigiuridicità) hindernde Einwilli-gung (consenso)211.

6.5.1.3 Haftungsmaßstab

Die Haftung greift, sobald der Geschäftsführer vom Herabsinken des Kapitals und damit vom Geschäftsverbot Kenntnis hatte oder dies hätte kennen müssen212. Es gilt somit der besprochene allgemeine Sorgfaltsmaßstab.

210 Bonelli, RESPONSABILITÀ DEGLI AMMINISTRATORI, S. 338.

211 Vgl. Kindler, Einführung in das italienische Recht, S. 210.

212 Quatraro/Picone, RESPONSABILITÀ DI AMMINISTRATORI, S. 75.

6.5.1.4 Passivlegitimation

Umstritten ist die Passivlegitimation für diesen Anspruch. Da die Gesellschaft weiterhin wirksam durch den Geschäftsführer verpflichtet werden kann, ergibt sich zwanglos eine gesamtschuldnerische Haftung von Gesellschaft und Geschäftsführer213. Es wird jedoch vertreten, die Passivlegitimation liege nur bei der Gesellschaft, die beim Geschäftsfüh-rer Rückgriff nehmen kann214.

Die letztgenannte Ansicht ist aber mit dem Wortlaut des Art. 2449 Abs. 1 Satz 2 c.c.

nicht zu vereinbaren. Zudem würde der besondere Schutz für die Gesellschaftsgläubi-ger, der durch eine unmittelbare Haftung des Geschäftsführers gegeben ist, dadurch zunichte gemacht. Da die Gesellschaft ohnehin verpflichtet ist, wäre die Norm überflüs-sig. Daher muss auch der Geschäftsführer unmittelbar passivlegitimiert sein. Dem folgt auch die überwiegende Ansicht in Italien, die wie geschildert eine gesamtschuldnerische Haftung von Gesellschaft und Geschäftsführer befürwortet.

6.5.1.5 Aktivlegitimation auch im Konkurs

Aktivlegitimiert sind die Gesellschaftsgläubiger. Auch im Konkurs kann der Anspruch weiterhin von den Gesellschaftsgläubigern geltend gemacht werden215. Er fällt nicht in die Konkursmasse. Durch den Erhalt der Aktivlegitimation wird im italienischen Recht das Außenhaftungsmodell konsequent verwirklicht.

213 Cass. 71/3371 vom 22.11.1971, Giur. Ital. 1972, I, 1, 1637 (1643).

214 Laut , Art. 2449 II Rz 6 f, findet sich diese Ansicht in Appello Mi-lano, Urteil vom 28.3.1980, Giur. Ital. 1982, I, 2, 229. Im dritten Absatz der Leitsätze findet sich tat-sächlich eine Umschreibung der Haftung, die diese Ansicht stützen könnte. Die Lektüre des Urteils zeigt aber, daß dieses gar nicht auf die Haftung aus Art. 2449 Abs. 1 S. 2 c.c. eingeht, sondern nur die Haftung der Gesellschaft gegenüber den Gesellschaftsgläubigern aufgrund weiterbestehender Vertre-tungsmacht des Geschäftsführers und die Haftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft aus Art. 2392, 2393 c.c. behandelt.

Cian/Trabucchi, CODICE CIVILE

215 Tribunale Torino, Urteil vom 20.3.1989, Giur. comm. 1990, II, 285 (286);

(984); (293). Jorio, IL FALLIMENTO

1989, 982 Rordorf, LE SOCIETÀ 1985, 292